Leitsatz (amtlich)
Wenn ein sich in Haft befindender, fristgerecht zur mündlichen Verhandlung geladener Beteiligter gegen den Termin keine Einwendungen erhoben hat und zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, liegt in deren Durchführung keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das FG ist nicht verpflichtet, von sich aus dafür zu sorgen, daß der Beteiligte in die Lage versetzt wird, in der mündlichen Verhandlung persönlich zu erscheinen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 91 Abs. 1
Tatbestand
Das FG hat die vom Kläger und Revisionskläger (Kläger) gegen einen Eingangsabgabenbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (HZA) erhobene Klage durch Urteil vom 11. September 1974 abgewiesen.
Mit der Revision macht der Kläger geltend: Am 19. August 1974 sei ihm die Ladung zu der auf den 11. September 1974 anberaumten mündlichen Verhandlung des FG in der Justizvollzugsanstalt zugestellt worden. Schon aus der Adresse der Zustellungsurkunde gehe die damalige Kenntnis des FG hervor, daß er sich in Haft befinde. Da einem Strafgefangenen die Anreise zu einem solchen Termin nicht aus eigenem Gutdünken gestattet werde und das FG nicht um seine Überstellung ersucht habe, habe er an der Verhandlung nicht teilnehmen können. Er habe auch nicht damit rechnen können, daß ein Überstellungsersuchen unterblieben und er deshalb nicht zum FG überstellt worden sei. Er sei aus diesen Gründen in der Wahrnehmung seiner Rechte ungebührlich gehindert worden und sehe hierin einen Revisionsgrund nach § 119 Nr. 3 FGO. Er beantrage die Revision des Urteils.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Mit der Begründung seiner Revision und dem abschließenden Hinweis auf § 119 Nr. 3 FGO rügt der Kläger nur den Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs, die er darin sieht, daß das FG trotz Kenntnis seiner Eigenschaft als Häftling nichts unternommen hat, um ihm das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung vom 11. September 1974 zu ermöglichen. Diese Rüge ist nicht begründet.
Das FG war nach § 91 Abs. 1 FGO nur verpflichtet, den Kläger mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen zu dem auf den 11. September 1974 anberaumten Termin zu laden, nicht etwa auch dafür zu sorgen, daß dem in der Justizvollzugsanstalt einsitzenden Kläger von der für ihn zuständigen Behörde die Gelegenheit zu seinem persönlichen Erscheinen in der mündlichen Verhandlung verschafft wird. Eine solche Pflicht des FG ergab sich insbesondere nicht aus dem durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleisteten Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör. Art. 103 Abs. 1 GG bestimmt nur, daß vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat. Die Vorschrift gibt dem am finanzgerichtlichen Verfahren beteiligten nicht auch einen Anspruch darauf, daß er mit Hilfe des FG in die Lage versetzt wird, vor diesem in einer mündlichen Verhandlung persönlich zu erscheinen.
Aus dem Anspruch des Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör kann sich allerdings auf Grund besonderer Umstände des Falles eine Pflicht des FG ergeben, einen anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung auf Antrag des Beteiligten aufzuheben oder zu verlegen (vgl. Urteil des BFH vom 14. Oktober 1975 VII R 150/71, BFHE 117, 19, BStBl II 1976, 48). Im vorliegenden Falle hat jedoch der Kläger einen solchen Antrag nicht gestellt. Der Umstand, daß das FG die persönliche Lage des Klägers kannte, begründete keine Pflicht des FG, von Amts wegen den Termin aufzuheben oder zu verlegen. Das FG durfte und mußte es dem Kläger überlassen, das seinerseits Notwendige zu unternehmen, um an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können. Als Verfahrensbeteiligter hatte der Kläger die Pflicht, dafür zu sorgen, daß er die ihm gebotenen Gelegenheiten, sich Gehör zu verschaffen, ausnutzte (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Juni 1974 IV B 55 - 56/73, BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637). Es lag also am Kläger, die für ihn als Häftling zuständige Behörde auf sein Recht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung hinzuweisen, sie um die dafür erforderlichen Maßnahmen zu bitten und notfalls eine Verlegung des Termins beim FG zu beantragen. Wenn - wie hier - ein sich in Haft befindender, fristgerecht zur mündlichen Verhandlung geladener Beteiligter gegen den Termin keine Einwendungen erhoben hat und zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, liegt in deren Durchführung keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Fundstellen
BStBl II 1977, 650 |
BFHE 1978, 225 |