Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
1.ß 11 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG gilt nach Wortlaut und systematischer Stellung nicht lediglich beim rechtsgeschäftlichen, sondern auch beim Grundstückserwerb in der Zwangsversteigerung.
2.Der Wortlaut des § 11 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG beschränkt die Hinzurechnung der Leistungen des Erwerbers an Dritte zur Gegenleistung klar und eindeutig auf den Fall der Gewährung der Leistung dafür, daß der Dritte auf den Erwerb des Grundstücks verzichtet. Deshalb läßt das Gesetz eine erweiternde Auslegung zu Lasten des Steuerpflichtigen nicht zu. Das bloße Unterlassen eines Antrags auf Versagung des Zuschlags gemäß § 1 der Verordnung vom 26. Mai 1933 über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung (RGBl 1933 I S. 302; jetzt: § 74 a des Zwangsversteigerungsgesetzes) kann dem Verzicht auf das Mitbieten in der Zwangsversteigerung nicht gleichgestellt werden.
GrEStG § 11 Abs. 1 Ziff. 4, § 11 Abs. 3 Ziff. 1.
Normenkette
GrEStG § 11 Abs. 1 Ziff. 4, Abs. 3 Ziff. 1
Tatbestand
Es ist streitig, ob beim Erwerb eines Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung die Übernahme einer Leibrente und eines Wohnrechts gegenüber einem Dritten der Gegenleistung im Sinne des ß 11 Abs. 1 Ziff. 4 oder des § 11 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG hinzugerechnet werden kann.
-I. - Die Eheleute E. = Bg. erwarben am 20. Mai 1952 im Wege der Zwangsversteigerung das Grundstück in A., durch Meistgebot von 5.300 DM. Nach Rechtskraft des ersten Steuerbescheids vom 28. August 1952, dem als Gegenleistung die 5.300 DM zugrunde lagen, stellte das Finanzamt im Rahmen einer Einkommensteuerveranlagung fest, daß das Grundstück vor der Zwangsversteigerung u. a. mit einer Leibrente (als Reallast) und einem Wohnrecht (als beschränkt persönlicher Dienstbarkeit) für Fräulein H. belastet war, die bis zum Jahre 1949 Eigentümerin des Grundstücks gewesen ist.
Das Finanzamt kam auf Grund seiner Ermittlungen zu dem - von den Bg. bestrittenen - Ergebnis, daß der Ehemann E. (Bg. zu 1), der die Rechte von Fräulein H. im Zwangsversteigerungsverfahren wahrnehmen wollte, mit letzterer vor der Zwangsversteigerung vereinbart habe, für Fräulein H. solle ein Antrag auf Versagung des Zuschlags wegen Zurückbleibens des abgegebenen Meistgebots einschließlich des Kapitalwerts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechtehinter 7/10 des Grundstückswerts (ß 1 der Verordnung vom 26. Mai 1933 über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung, RGBl 1933 I S. 302) nicht gestellt werden; dafür habe der Bg. zu 1 ihr die (Weiter-) Gewährung einer Rente von 80 DM und des Wohnrechts zugesichert, falls ihm der Zuschlag erteilt werde.
Die Rechte von Fräulein H. fielen in der Zwangsversteigerung zum größten Teil aus. Nach Erteilung des Zuschlags verpflichteten sich die Bg. durch schriftlichen Vertrag vom (7. oder 9.) Juli 1952 zur (Weiter-) Gewährung der oben angeführten Rente und des Wohnrechts. In dem gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO berichtigten Steuerbescheid vom 24. Februar 1958 rechnete das Finanzamt dem Meistgebot die - in der Einspruchsentscheidung wieder abgesetzte - Vermögensabgabe sowie den Kapitalwert der Rente und des Wohnrechts als Gegenleistung hinzu.
Der Einspruch der Bg., der im wesentlichen damit begründet war, daß diese Leistungen erst nach Erteilung des Zuschlags und freiwillig, ohne Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb, übernommen worden seien, war insoweit erfolglos.
Die Berufung dagegen hatte Erfolg. Das Finanzgericht kam auf Grund des ihm vorliegenden Sachverhalts zu der Überzeugung, daß Fräulein H. nicht beabsichtigt habe und schon mangels der Möglichkeit, sich die erforderlichen Geldmittel zu beschaffen, auch gar nicht habe beabsichtigen können, das Grundstück selbst zu ersteigern. Selbst wenn der Bg. zu 1 die Zusicherung zur Gewährung von Rente und Wohnrecht vor der Zwangsversteigerung gegeben haben sollte, so seien diese Leistungen nicht für einen Verzicht auf den Erwerb des Grundstücks im Sinne des § 11 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG gewährt worden. Auch auf § 11 Abs. 1 Ziff. 4 GrEStG könne die Steuerpflicht nicht gestützt werden, da die Lasten nicht nach den Versteigerungsbedingungen bestehengeblieben seien.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung bestehenden Rechts. Der Begriff der Gegenleistung - so führt er im wesentlichen aus - sei in § 11 GrEStG nicht erschöpfend geregelt und weit auszulegen. Zumindest in "rechtsähnlicher" Anwendung des § 11 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG und wirtschaftlich gesehen müßten die strittigen Leistungen der Bg. der Gegenleistung hinzugerechnet werden, auch wenn die dinglichen Belastungen zugunsten von Fräulein H. im Zwangsversteigerungsverfahren erloschen und nicht nachträglich wider aufgelebt seien. Das Finanzamt sei nach wie vor der Auffassung, daß die Versicherung über die (Weiter-) Gewährung von Rente und Wohnrecht vor der Zwangsversteigerung abgegeben worden sei und daß deshalb die Bg. gegenüber Fräulein H. im gleichen Maße verpflichtet gewesen seien, wie wenn die entsprechenden Belastungen des Grundstücks bestehengeblieben seien. Da das Finanzgericht die entscheidende Feststellung über den Zeitpunkt der Verpflichtungserklärung der Bg. zu Unrecht als unerheblich betrachtet und nicht vorgenommen habe, werde Zurückverweisung an das Finanzgericht beantragt.
Entscheidungsgründe
-II. -
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts (Bf.) kann keinen Erfolg haben.
1.Es ist dem Bf. zwar darin zuzustimmen, daß der im GrEStG nicht festgelegte Begriff der Gegenleistung weit auszulegen und daß als Gegenleistung dem Grundsatz nach jede Leistung anzusehen ist, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (Urteil des erkennenden Senats II 128/57 U vom 16. April 1958, BStBl 1958 III S. 280, 281 linke Spalte Mitte, Slg. Bd. 67 S. 19, 22). Die weitgehende Auslegung bezieht sich in erster Linie einerseits darauf, daß § 11 GrEStG die Gegenleistung nicht für alle, sondern nur für die wichtigsten Arten der Erwerbsvorgänge regelt, und andererseits auf die Fälle, in denen der Erwerber die Leistung unmittelbar an den Veräußerer oder an eine andere (dritte) Person, letzteres jedoch auf Grund einer Verpflichtung gegenüber dem Veräußerer, erbringt. Bei dem Charakter der Grunderwerbsteuer als einer Grundstückswechselabgabe, der sich auch darin zeigt, daß Steuerschuldner nach § 15 GrEStG regelmäßig nicht nur der Erwerber, sondern die am Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen sind, erscheint es gerechtfertigt, Leistungen des Erwerbers an Dritte der steuerpflichtigen Gegenleistung nur dann hinzuzurechnen, wenn zwischen dem Erwerb des Grundstücks und der Leistung an den Dritten eine innere Verknüpfung besteht (vgl. insoweit auch Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 7. Auflage, 1963, § 1 Tz. 5, ß 11 Tz. 7 b), sei es weil der Erwerber sich dem Veräußerer gegenüber zu dieser Leistung an den Dritten vertraglich verpflichtet hat, sei es, weil - bei Fehlen einer solchen Verpflichtung - die Einbeziehung der Leistung an den Dritten in die Steuerpflicht gesetzlich ausdrücklich - wie in § 11 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG - festgelegt ist. Jedenfalls gebietet die Besonderheit vornehmlich der letzteren Fälle, in denen auch Leistungen des Erwerbers an Dritte trotz Fehlens einer Verpflichtung des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer als zur Gegenleistung gehörig zu betrachten sind, eine besonders sorgfältige Abgrenzung (Eingrenzung) des steuerrechtlichen Tatbestandes. Bei der Anwendung eines Gesetzes ist ohnehin grundsätzlich von dessen Wortlaut auszugehen. Besondere Zurückhaltung ist geboten, wenn ein Abweichen vom Wortlaut eine Verschärfung der Besteuerung bedeuten würde (vgl. insoweit das Urteil des erkennenden Senats II 196/61 U vom 26. Juni 1963, BStBl 1963 III S. 402, 403 linke Spalte Mitte, Slg. Bd. 77 S. 227, mit weiteren Nachweisungen aus der Rechtsprechung, auch des Bundesverfassungsgerichts). Der Wortlaut des § 11 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG beschränkt aber die Hinzurechnung der Leistungen des Erwerbers an Dritte zur Gegenleistung klar und eindeutig auf den Fall der Gewährung der Leistung dafür, daß der Dritte auf den Erwerb des Grundstücks verzichtet; deshalb läßt das Gesetz eine erweiternde Auslegung ("rechtsähnliche" Anwendung, wie das Finanzamt meint) zu Lasten des Steuerpflichtigen nicht zu. Auch aus der vom Finanzamt angeführten Stelle der Begründung zum GrEStG 1940 (RStBl 1940 S. 387 ff., 407 linke Spalte, 2. Abs. Mitte) ergibt sich nichts Gegenteiliges: Dort ist zwar zunächst ausgeführt, daß zur Gegenleistung des Erstehers alles gehöre, was er zur Erlangung des Grundstücks aufwenden müsse, sei es im Zwangsversteigerungsverfahren, sei es außerhalb der Zwangsversteigerung; sofort anschließend werden aber bei Leistungen an Dritte als steuerpflichtige Gegenleistungen nur "gewisse", d. h. bestimmte Leistungen des Erwerbers, nämlich die in einem besonderen Absatz (also in § 11 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG) abgegrenzten Leistungen bezeichnet.
2.Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze führt zur Bestätigung des Urteils der Vorinstanz. Zutreffend hat das Finanzgericht entschieden, daß eine Steuerpflicht der von den Bg. übernommenen Verpflichtungen gegenüber Fräulein H. auf § 11 Abs. 1 Ziff. 4 GrEStG nicht gestützt werden kann, weil diese dinglichen Lasten nach den Versteigerungsbedingungen nicht bestehengeblieben, aber auch nachträglich als solche nicht wiederaufgelebt sind. Ohne Rechtsirrtum ist das Finanzgericht auch davon ausgegangen, daß Leistungen des Erwerbers, die dieser auf Grund von Vereinbarungen mit einem Berechtigten als Dritten außerhalb der Zwangsversteigerung erbringt, nur unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG der Gegenleistung hinzuzurechnen sind. Diese Bestimmung gilt nach Wortlaut und systematischer Stellung nicht lediglich beim rechtsgeschäftlichen, sondern auch beim Grundstückserwerb in der Zwangsversteigerung. Ihre Anwendung setzt jedoch in jedem Fall voraus daß der Dritte auf den Erwerb des Grundstücks verzichtet. Da ein solcher Verzicht nach Abgabe des Meistgebots nicht mehr möglich ist, muß eine Vereinbarung zwischen Ersteher und Drittem vor dem Zwangsversteigerungstermin abgeschlossen worden sein (vgl. auch Boruttau-Klein, a. a. O., § 11 Tz. 247, 249). Gleichwohl konnte die Vorinstanz es dahingestellt sein lassen, ob der Bg. zu 1 im Streitfall Fräulein H. vor diesem Zeitpunkt zugesichert hatte, er werde ihr gegebenenfalls Rente und Wohnrecht (weiter-) gewähren. Das Finanzgericht ist nach dem von ihm festgestellten Sachverhalt zu der Überzeugung gelangt, daß Fräulein H. weder die Absicht noch die Mittel hatte, das Grundstück selbst zu ersteigern. Da das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum, ohne Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und gegen die Denkgesetze zu diesem Ergebnis gekommen ist, hat auch der Senat diesen Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde zu legen (ßß 288, 296, Abs. 1 AO), zumal der Bf. dem entsprechenden Sachvortrag der Bg. auch in dieser Instanz nicht widersprochen hat. Wenn aber im konkreten Fall Fräulein H. weder Willen noch Mittel zum Erwerb des Grundstücks hatte, ein Grundstückserwerb durch sie also außerhalb jeder Erwägung stand, so kann auch die ihr vom Bg. zu 1 zugesicherte (Weiter-) Gewährung von Rente und Wohnrecht nicht als Gegenleistung für einen Verzicht auf den Erwerb des Grundstücks betrachtet werden. Damit ist die Voraussetzung für die Anwendung des § 11 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG nicht gegeben. Die Beispiele, die Boruttau-Klein an der vom Bf. zitierten Stelle bringen (vgl. a. a. O., § 11 Tz. 246, 346), betreffen Fälle, in denen der Ersteher einem Dritten eine Leistung dafür verspricht, daß dieser nicht mitbietet.
Selbst wenn also der Bg. zu 1 Fräulein H. die (Weiter-) Gewährung von Rente und Wohnrecht dafür zugesichert haben sollte, daß sie keinen Antrag auf Versagung des Zuschlags wegen Nichterreichungder 7/10-Grenze gemäß § 1 der oben angeführten Verordnung vom 26. Mai 1933 (a. a. O.; vgl. jetzt § 74 a des Zwangsversteigerungsgesetzes) stellen werde, so könnte auch dies nicht zur Hinzurechnung der streitigen Leistungen zur steuerpflichtigen Gegenleistung führen. Denn die Inanspruchnahme dieses Antragsrechts hätte Fräulein H. nicht (positiv) den eigenen Erwerb des Grundstücks ermöglicht, sondern nur (negativ) den Erwerb durch die Bg. verhindern können. Abgesehen davon, daß der Hinzurechnung der für ein solches Stillhalten gewährten Leistungen zur steuerpflichtigen Gegenleistung schon der Wortlaut des § 11 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG entgegensteht, würde nach Auffassung des Senats die Zurechnung auch dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift deshalb nicht entsprechen, weil nach ihr nur solche Leistungen Dritter in die Steuerpflicht einbegriffen werden sollen, die dafür gewährt werden, daß der Dritte selbst auf den Erwerb des Grundstücks verzichtet und durch diesen eigenen Verzicht dem Erwerber den Grundstückserwerb (positiv) erst ermöglicht, nicht aber bloß dafür, daß der Dritte - ohne einen solchen Verzicht - den Erwerb durch eine andere Person nur (negativ) nicht verhindert.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411228 |
BStBl III 1964, 368 |
BFHE 1964, 378 |
BFHE 79, 378 |