Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des wirtschaftlichen Miteigentums an einer Apotheke und der wirtschaftlichen Mitinhaberschaft am Apothekenrealrecht auf den 21. Juni 1948.
Die Bindung des BFH im zweiten Rechtsgang an die eigene Entscheidung im ersten Rechtsgang.
Normenkette
FGO § 126 Abs. 5, § 155; StAnpG § 11 Ziff. 4, § 11/5
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Streitig ist, ob dem Revisionskläger wegen Entwertung eines Apothekenrealrechts eine Stundung der Vermögensabgabe (VA) gewährt werden kann.
Der Revisionskläger war nach dem Kriege vom Amt für Vermögenskontrolle als Treuhänder für ein Grundstück eingesetzt, mit dem ein Apothekenrealrecht verbunden war. Die Apotheke wurde seit der Kriegszerstörung von dem inzwischen verstorbenen Eigentümer nicht mehr betrieben. Der Revisionskläger errichtete aus eigenen Mitteln behelfsmäßige Räume für den Apothekenbetrieb und beschaffte eine Apothekeneinrichtung und Waren. Der Betrieb wurde am 15. Februar 1948 eröffnet und von dem Revisionskläger gemeinsam mit dem Grundstückseigentümer und realberechtigten Apotheker betrieben. Ein förmlicher Gesellschaftsvertrag wurde nicht abgeschlossen.
Nach der Darstellung des Revisionsklägers versprach ihm der bisherige Apotheker, er solle zur Hälfte am Betrieb, Grundstück und Realrecht beteiligt sein. Die Eintragung im Handelsregister und im Grundbuch sollte bis zur Klärung der Verhältnisse wegen Rückerstattung an die jüdischen Voreigentümer zurückgestellt werden.
Der Revisionskläger schied später wegen Meinungsverschiedenheiten aus der Gesellschaft aus.
Im Jahre 1959 beantragte der Revisionskläger unter Bezugnahme auf einen im Betriebs-Berater 1959 S. 625 veröffentlichten Bescheid des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 9. Mai 1959, IV B/1 - S 2130 - 66-59, ihm von den VA-Vierteljahrsraten wegen Entwertung des am 21. Juni 1948 zum Betriebsvermögen gehörenden Apothekenrealrechts einen Teilbetrag zu stunden. Das Finanzamt (FA) stundete Vierteljahrsbeträge in gewisser Höhe. Die Beschwerde gegen die teilweise Ablehnung der Stundung wurde von der Oberfinanzdirektion (OFD) als unbegründet zurückgewiesen. Der Revisionskläger sei am Währungsstichtag nicht Mitunternehmer des Apothekenrealrechts gewesen und insoweit auch nicht zur Vermögensabgabe herangezogen worden. Aus diesem Grunde hob die OFD die Stundungsverfügung des FA vollständig auf.
Die gegen die erfolglose Berufung eingelegte Rb. führte zur Zurückverweisung an das Finanzgericht (FG). Der Bundesfinanzhof (BFH) führte im ersten Rechtsgang aus, die Stundung wegen Entwertung des Apothekenrealrechts sei unabhängig von einem hier nicht eingetretenen Vermögensverlust von mehr als 50 v. H. im Sinne der Verwaltungsanordnung über den Erlaß von Vermögensabgabe und Soforthilfeabgabe aus Billigkeitsgründen (VAO) vom 19. Juli 1954 (BStBl 1954 I S. 380) gegebenenfalls schon allein dann gerechtfertigt, wenn das Apothekenrealrecht der VA beim Revisionskläger unterlegen habe. Das FG müsse prüfen, ob sich der Anteil des Revisionsklägers am Betriebsvermögen auf das Realrecht erstreckt habe. Eine Beteiligung allerdings nicht aus dem Einheitswert des Betriebsvermögens der Apotheke auf den 21. Juni 1948 und der Aufteilung an die beiden Gesellschafter hergeleitet werden. Bürgerlich-rechtlich sei das Apothekenrealrecht am Stichtage nicht Gesamthandsvermögen der Gesellschafter gewesen. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, daß der Revisionskläger wirtschaftlicher Miteigentümer des Apothekenrealrechts gewesen sei.
Im zweiten Rechtsgang vernahm das FG zu der Beweisfrage mehrere Zeugen. Die Berufung wurde erneut als unbegründet zurückgewiesen. ...
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. Der Senat ist bei der erneuten Beurteilung der Sache an die Grundsätze seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang gebunden (Urteil VI 98/61 S vom 7. Dezember 1962, BStBl 1963 III S. 134, Slg. Bd. 76 S. 363). Dieses Urteil und die dort angeführte Rechtsprechung stützen sich auf § 296 Abs. 4 AO a. F. Obwohl diese gesetzliche Bestimmung durch § 162 Nr. 40 FGO aufgehoben worden ist, findet sich die inhaltlich gleiche, sinngemäß übereinstimmende Bestimmung in § 126 Abs. 5 FGO. An der fortbestehenden inneren Bindung des BFH bestehen desto weniger Zweifel, als auch nach der Zivilprozeßordnung (ZPO), die nach § 155 FGO sinngemäß anzuwenden ist, soweit die FGO keine Bestimmungen über das Verfahren enthält und soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, § 565 (Abs. 1 und 2) ZPO dahin ausgelegt wird, daß bei erneuter Revision das Revisionsgericht an sein früheres Urteil gebunden ist. Infolgedessen entfallen alle Ausführungen des Revisionsklägers, die sich dagegen wenden, er sei am Apothekenrealrecht bürgerlich-rechtlich nicht beteiligt gewesen. Es ist daher auf die Ausführungen in der Revisionsbegründung zu §§ 706 Abs. 2, 718 BGB, mit denen er sein bürgerlich-rechtliches Miteigentum begründen will, nicht einzugehen.
Zur Erörterung steht nur noch die Möglichkeit, daß der Revisionskläger wirtschaftlicher Miteigentümer des Apothekenrealrechts gewesen war. Lediglich zu Feststellungen in dieser Frage erfolgte die Zurückverweisung im ersten Rechtsgang. Aber auch insoweit ist nur eine beschränkte Nachprüfung durch den BFH gemäß § 118 FGO möglich, da die Revision nur darauf gestützt werden kann, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Der BFH ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, daß in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
Verfahrensmängel im Sinne des § 118 Abs. 3 FGO sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Rechtliche Verstöße sind dem FG nicht unterlaufen. Es ging von der gesetzlichen Begriffsbestimmung des wirtschaftlichen Eigentums im Sinne des § 11 Ziff. 4 und 5 StAnpG aus. Des weiteren berief es sich zutreffend auf die oberste Rechtsprechung (u. a. Hinweis auf BFH-Urteil III 77/57 S vom 19. September 1958, BStBl 1958 III S. 440, Slg. Bd. 67 S. 434). Danach ist wirtschaftlicher Eigentümer derjenige, der wie ein Eigentümer schalten und walten soll und dies auch tatsächlich tut, wobei die tatsächlichen Machtverhältnisse in Beziehung auf das betreffende Wirtschaftsgut wesentlich sind. Selbst durch eine privatschriftliche Vereinbarung über die Gründung einer Gesellschaft und über die Beteiligung der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen wird nicht ohne weiteres das wirtschaftliche Miteigentum an einem von einem Gesellschafter in die Gesellschaft eingebrachten Grundstück begründet (BFH-Entscheidung III 134/60 U vom 23. August 1963, BStBl 1963 III S. 476, Slg. Bd. 77 S. 424). Hier liegt nicht einmal eine solche schriftliche Vereinbarung über das Apothekenrealrecht vor. Außerdem ist das bürgerlich-rechtliche Eigentum niemals dem angeblich wirtschaftlichen Eigentum nachgefolgt, ein Umstand, der für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums bedeutsam ist (vgl. BFH-Entscheidung III 373/61 vom 6. November 1964, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Steueranpassungsgesetz § 11, Rechtsspruch 76). Vielmehr verblieb das Apothekenrealrecht bei Auflösung der Mitunternehmerschaft, soweit es in der früheren amerikanischen Zone noch einen wirtschaftlichen Wert hatte, rechtlich und wirtschaftlich bei dem bisherigen Apotheker, ohne daß der Revisionskläger dafür eine besondere Entschädigung erhalten hätte. Diese spätere vertragliche Regelung ist für die Verneinung eines wirtschaftlichen Miteigentums auf den 21. Juni 1948 von Bedeutung und widerspricht auch nicht dem Stichtagsprinzip, da sie nur als Ausdruck der am 21. Juni 1948 gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse gewertet wird.
Dagegen läßt der Umstand, daß der Revisionskläger während der Mitunternehmerschaft keine besondere Vergütung für die Mitbenutzung des Apothekenrealrechts gezahlt und auch an der Absetzung für Abnutzung (AfA) teilgenommen hat, keinen Schluß auf ein vorhandenes Miteigentum am Apothekenrealrecht zu. Denn es handelt sich bei beiden Punkten um Vereinbarungen über die Gewinnverteilung, die oftmals unabhängig vom Stand der Kapitalkonten getroffen werden und die die unterschiedliche Arbeitskraft, Leistungsfähigkeit und andere Momente berücksichtigen. Dementsprechend erklärt auch der Revisionskläger, daß er praktisch die Apotheke selbständig geführt habe.
Aus den Zeugenaussagen durfte das FG die Folgerung ziehen, zu keinem Zeitpunkt habe eine wirtschaftliche Mitberechtigung des Revisionsklägers am Realrecht bestanden.
Wenn des weiteren das FG seine Auffassung auch auf die beiden am 24. April 1948 und am 22. Juli 1949 eingereichten Eröffnungsbilanzen zum 15. Februar 1948 stützt, so ist hiergegen weder rechtlich noch tatsächlich etwas einzuwenden. Von einer falschen Würdigung kann keine Rede sein.
Aus der DMEB lassen sich keine Schlüsse auf die Mitberechtigung des Revisionsklägers am Apothekenrealrecht herleiten. Der in der Revisionsbegründung hervorgehobene wertmäßig geringere Ansatz des Apothekenrealrechts in der DMEB beim Anteil des bisherigen Apothekers ist eine reine Bewertungsfrage. Im übrigen liegt der Wert dieses Anteils bei der Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs auf den 21. Juni 1948 in dem Bescheid vom Oktober 1955 erheblich über dem Wert des bloßen Realrechts.
Insgesamt liegt weder eine Rechtsverletzung noch ein Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung vor. Somit ist unter Beachtung der vom BFH zu berücksichtigenden Umstände die Revision unbegründet.
Zur Frage des vom Revisionskläger abschließend geltend gemachten angeblich unbilligen Ergebnisses hat der Senat mangels Zuständigkeit nicht Stellung genommen.
Fundstellen
Haufe-Index 412087 |
BStBl III 1966, 363 |
BFHE 1966, 229 |
BFHE 86, 229 |