Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Tritt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine Forderung gegen einen Schuldner zur Abgeltung von Gehaltsansprüchen ab, so geschieht diese Abtretung in der Regel zahlungshalber. In diesem Fall sind die Zahlungen, die der Arbeitnehmer erhält, erst bei der Erfüllung der abgetretenen Forderung zugeflossener Arbeitslohn. Erst im Jahre der Zahlung kommt daher die Lohnsteuer zur Entstehung.
Tritt der Arbeitgeber die Forderung ausnahmsweise an Zahlungsstatt zur Abgeltung der Gehaltsansprüche an den Arbeitnehmer ab, so ist die Abtretung der Forderung ein geldwerter Vorteil, der bereits mit der Abtretung dem Arbeitnehmer zufließt. Der geldwerte Vorteil entspricht dem gemeinen Wert der Forderung zur Zeit der Abtretung. Wenn der Arbeitnehmer später mehr oder weniger als den angesetzten Wert erhält, so ist das auf die Höhe des Arbeitslohns ohne Einfluß. Es handelt sich vielmehr um einen Vorgang im Bereich des Vermögens des Arbeitnehmers. Die Lohnsteuer kommt in diesem Fall bereits mit der Abtretung zur Entstehung.
Normenkette
EStG § 24 Ziff. 2, §§ 19, 11 Abs. 1 S. 1, § 41 Abs. 1
Tatbestand
Die steuerpflichtigen Eheleute wurden in den Streitjahren 1960 bis 1962 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann war als Geschäftsführer eines Vereins (V) tätig. Ende September 1954 schied er dort aus. Der V hatte vom Ehemann nach erheblichen Forderungsausfällen Schadenersatz gefordert, weil der Ehemann als Geschäftsführer die Kreditwürdigkeit der Kunden nicht sorgfältig geprüft und unzureichende Sicherheiten verlangt habe. Der V rechnete seinen Schadensersatzanspruch gegen den pfändbaren Teil des Gehaltsanspruchs des Revisionsklägers auf. Der Schadensersatzprozeß wurde im Jahre 1956 durch einen außergerichtlichen Vergleich beendet. Dabei wurde dem Ehemann zur Abgeltung seiner Gehaltsansprüche eine Forderung im Nennbetrag von 30.000 DM gegen eine Kundin zugewiesen. Diese Forderung war zur Zeit der Abtretung uneinbringlich und vom V deswegen ausgebucht. Durch den Vergleich waren die Ansprüche des Ehemannes auf die einbehaltenen Gehaltsteile und die Schadensersatzforderung des V gegen den Ehemann abgegolten.
In den Jahren 1960 bis 1962 erhielt der Ehemann aus der abgetretenen Forderung 1500 DM, 2000 DM und 835 DM. Das Finanzamt (FA) betrachtete diese Beträge als Einkünfte des Ehemanns aus einer ehemaligen nichtselbständigen Tätigkeit im Sinne des § 24 Ziff. 2 und des § 19 EStG und zog sie für 1960 und 1961 mit Berichtigungsbescheiden gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO und für 1962 durch erstmalige Veranlagung zur Einkommensteuer heran.
Der Einspruch und die Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Die Forderungsabtretung bei Abschluß des außergerichtlichen Vergleichs im Jahre 1956 sei kein Zufluß von Einnahmen gewesen, da die Forderung wertlos gewesen sei. Der Ehemann habe die Abtretung dieser wertlosen Forderung nur angenommen, weil er als Geschäftsführer die Entstehung dieser Forderung verschuldet habe. Erst in den tatsächlichen Zahlungen der Schuldnerin könne man Einnahmen des Ehemanns sehen. Es bestehe ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen diesen Zahlungen und dem früheren Dienstverhältnis, da dem Ehemann die Forderung zur Abgeltung seiner Gehaltsansprüche abgetreten worden sei. Zur Zeit des Vergleichs habe sich nicht übersehen lassen, welche Zahlungen die Schuldnerin leisten werde; die streitigen Einnahmen könnten deshalb erst beim tatsächlichen Zufluß besteuert werden. Das Urteil des RFH VI A 1667/32 vom 20. Juni 1934 RStBl 1934 S. 1030) stehe dem nicht entgegen. Im Streitfall sei eine wertlose Forderung abgetreten worden, die kein geldwertes Gut gewesen sei. In Gehaltsgutschriften und Forderungsabtretungen liege ein Zufluß nur, wenn der Schuldner zahlungswillig und zahlungsfähig sei (Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, 1940 S. 49). Auch ein Kaufmann, der eine wertlose Forderung erhalten und diese ausgebucht habe, müsse etwaige Geldeingänge aus der Forderung nachträglich erfassen. Wenn die Schuldnerin ihre Zahlungen zunächst an den V geleistet und der V die Beträge an den Ehemann weitergeleitet hätte, so wären diese Zahlungen sicher als nachträgliche Lohneinkünfte zu erfassen. Die Dazwischenschaltung der Forderungsabtretung, die offensichtlich nur zur Vereinfachung vorgenommen worden und ohne steuerliche Auswirkung geblieben sei, sei auf die Steuerpflicht der Einnahmen ohne Bedeutung.
Der Revisionskläger rügt die Verletzung geltender Bundesrechts. Er betrachtet die streitigen Zahlungen nicht als Lohneinkünfte. Die Schuldnerin habe die Zahlungen an ihn nicht etwa im Auftrage des V geleistet, sondern weil ihm die Forderung endgültig abgetreten worden sei. Mit dem Abschluß des Vergleichs sei der geldwerte Güteraustausch zwischen ihm und dem V vollzogen worden. Er habe damals auf Gehaltsansprüche von 6798 DM verzichtet, die an sich lohnsteuerpflichtige Forderungen gegen den Arbeitgeber dargestellt hätten, um den gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruch abzuwehren. Durch die Abtretung der Forderung habe sich der V seiner Pflicht zur Gehaltsnachzahlung entledigt. Darin habe ein geldwerter Akt gelegen, in dem man ein Zufließen sehen müsse. Die späteren Zahlungen der Schuldnerin hätten nicht mehr mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung gestanden. Es sei auch zweifelhaft, ob eine etwaige Steuerforderung des FA nicht verjährt sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Steuerpflichtigen (Stpfl.) ist begründet. Soweit das FG aus dem Vergleich folgert, daß die dem Ehemann aus der abgetretenen Forderung später zugeflossenen Beträge nachträgliche Arbeitsentgelte im Sinne des § 19 EStG seien, folgt der Senat dieser Auslegung nicht. In der Regel werden Forderungen, die ein Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer zur Abgeltung von Lohn- oder Gehaltsansprüchen abtritt, nicht an Zahlungsstatt, sondern nur zahlungshalber abgetreten. Dann empfängt der Arbeitnehmer Zahlungen, die ihm auf Grund der abgetretenen Forderung geleistet wurden, für Rechnung des Arbeitgebers. Die Zuflüsse in einem späteren Jahr sind dann beim Arbeitnehmer als Abtretungsempfänger im Sinne des § 11 EStG erst mit der tatsächlichen Zahlung als nachträglicher Arbeitslohn zu erfassen. In der Abtretung einer Forderung liegt ein Zufluß von Arbeitslohn im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nur, wenn dem Arbeitnehmer eine bereits fällige, unbestrittene und einziehbare Forderung abgetreten wird. Zieht dann der Arbeitnehmer die Forderung beim Abtretungsschuldner nicht sofort ein, sondern läßt er sie, z. B. wegen einer guten Verzinsung stehen, so ist trotzdem die Forderungsabtretung ebenso ein Zufluß im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG wie eine Barzahlung des Arbeitslohns. Der Arbeitgeber müßte darum nach § 41 Abs. 1 EStG bereits bei der Abtretung die Lohnsteuer einbehalten.
Die Abtretung einer Forderung an Zahlungsstatt zur Tilgung einer Gehaltsforderung wird der Arbeitnehmer nur unter besonderen Umständen anzunehmen bereit sein, weil er damit das Gläubigerrisiko übernimmt und seine Ansprüche gegen den Arbeitgeber aufgibt. Eine derartige Abtretung kann z. B. in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig ist. Nach dem vom FG angeführten Urteil des RFH VI A 1667/32 (a. a. O.) führt die Abtretung einer Forderung an Zahlungsstatt zum Zufluß von Arbeitslohn zur Zeit der Abtretung; dabei ist die Forderung mit ihrem wirtschaftlichen Wert zur Zeit der Abtretung steuerlich zu erfassen.
Der Ehemann hat die ihm abgetretene Forderung nicht für Rechnung des V eingezogen. Der Senat legt den Vergleich dahin aus, daß die Beteiligten damals der abgetretenen Forderung keinen wirtschaftlichen Wert beimaßen, weil die Schuldnerin überschuldet und zahlungsunfähig war. In der Abtretung einer wertlosen Forderung liegt aber kein Zufluß von Arbeitslohn im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG, weil der Arbeitnehmer wirtschaftlich keinen Vermögenswert erhält.
Dem Ehemann ist demnach im Jahre 1956 ein mit 0 DM zu bewertendes Wirtschaftsgut zur Abgeltung seiner vom V bestrittenen Gehaltsansprüche zugeflossen. Damit sollten die behaupteten Gehaltsansprüche des Ehemannes nach dem klaren Willen der Vergleichspartner ausgeglichen sein. Die Forderung ging in das Vermögen des Ehemannes über, wenngleich sie damals den Wert des Vermögens nicht erhöhte. Wenn sie infolge der Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin später einen wirtschaftlichen Wert gewann und der Revisionskläger diesen Wert teilweise realisieren konnte, so spielte dieser Vorgang im Bereich des Vermögens des Ehemannes. Die Zahlungen stehen zwar, wie das FG zutreffend erkennt, in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis des Ehemanns. Hätte der Ehemann nicht in einem Arbeitsverhältnis zum V gestanden, so wäre ihm die Forderung nicht abgetreten worden. Die Zahlungen hat der Ehemann aber nicht für Rechnung des V erhalten. Dadurch, daß er vom V die Abtretung an Zahlungsstatt zur Abgeltung seiner bestrittenen Gehaltsansprüche annahm, ist der Ursachenzusammenhang der späteren Zahlungen mit dem Arbeitsverhältnis unterbrochen. Das Arbeitsverhältnis war mit der Abtretung der Forderung endgültig abgewickelt. Die späteren Zahlungen erhielt der Ehemann aus einem anderen Rechtsgrund als dem früheren Arbeitsverhältnis, nämlich weil er Gläubiger der Forderung geworden war. Die Zahlungen können deshalb steuerlich nicht im Sinne des § 24 Ziff. 2 und des § 19 EStG als nachträgliche Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit behandelt werden. Wie gesagt, war dem Ehemann aus dem Arbeitsverhältnis auf Grund des Vergleichs im Jahre 1956 die Forderung zugeflossen, die mit ihrem damaligen Wert bei den Einkünften des Jahres 1956 zur erfassen gewesen wäre. Tatsächlich brauchte sie nicht versteuert zu werden, weil sie wertlos war.
Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung des FA, die auf einer anderen Rechtsauslegung beruhen, waren aufzuheben. Die Streitsache wird an das FA zurückverwiesen, das bei der erneuten Steuerberechnung für die Streitjahre die Einnahmen aus der abgetrennten Forderung außer Ansatz zu lassen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 412091 |
BStBl III 1966, 394 |
BFHE 1966, 145 |
BFHE 86, 145 |