Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Frage, ob Kosten im Sinne des Art. 1 Abs. 2 ZWVO in den Normalpreis einzubeziehen sind, kommt es darauf an, ob eine im Rahmen des Einfuhrgeschäfts erbrachte Dienstleistung etwas „gekostet” hat, Kosten also tatsächlich entstanden sind.

2. Kosten, die in einem Freihafen entstanden sind, können den Zollwert auch dann erhöhen, wenn sie zu keiner Wertsteigerung der eingelagerten Ware geführt haben.

3. Das Aufbügeln von Textilien im Rahmen ihrer verkaufsfertigen Herrichtung kurz vor der Auslagerung aus dem Freihafen dient nicht der Lagerung und Erhaltung der Textilien während ihrer Lagerung im Freihaien.

 

Normenkette

ZWVO Art. 1 Abs. 1, 2 Buchst. a, b, Art. 5; ZG § 33 b; WertZO § 38

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ in der Zeit vom 6. Juni bis 11. Oktober 1969 aus Ostasien Textilien zum freien Verkehr abfertigen, die vor dem maßgebenden Bewertungszeitpunkt durch die Firma D. im Freihafen durch Aufbügeln, Aufhängen auf Bügel und Verpacken in Kartons verkaufsfertig hergerichtet worden waren. Auf Grund einer Betriebsprüfung sah das Zollamt (ZA) sämtliche im Freihafen entstandenen Kosten als zum Zollwert gehörend an. Nach erfolglosem Einspruch hob das Finanzgericht (FG) die Einspruchsentscheidung und die betreffenden Steuerbescheide insoweit auf, als darin Bügelkosten in den Zollwert einbezogen worden waren.

Mit seiner Revision macht der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt – HZA –) geltend, daß die Textilien in den Abladehäfen ordnungsgemäß gebügelt und in Seekartons verpackt zur Verschiffung gebracht worden seien. Durch den Seetransport seien die Waren teilweise zerknittert worden. Die Klägerin habe die Knitterung im Bestimmungshafen durch Aufbügelung auf eigene Kosten beseitigen lassen. Seien aber die Textilien – wie im Streitfall – stets in gewissem Umfang zerknittert beim Empfänger angekommen, ohne daß dieser sich zu Mängelrügen gegenüber den Abladern veranlaßt gesehen habe, so müsse die schon während des Transports eingetretene Wertminderung die vereinbarten Preise bereits im Vorweg beeinflußt haben. Denn kein Kaufmann sei bereit, tatsächlich im Wert geminderte Ware regelmäßig anzunehmen, ohne von seinen Lieferanten entsprechende Preisnachlässe zu fordern. Darin liege eine Vertragsvereinbarung besonderer Art, die sich bereits heim Aushandeln der fob-Preise ausgewirkt haben müsse. Ursächlich für die Übernahme der Kosten des verkaufsfertigen Herrichtens der Textilien im Freihafen durch die Klägerin sei daher nicht die Sperrwirkung der fob-Klausel, sondern die Eigenart der Preisbildung beim Zustandekommen der Kaufverträge. Entgegen der Ansicht des FG sei also nicht nur der Wert der verkauften Ware wiederhergestellt worden. Es handle sich vielmehr um werterhöhende Bearbeitungskosten, die als Verkaufskosten im Sinne von § 29 Abs. 2 Nr. 2 ZG bzw. Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 803/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über den Zollwert der Waren (ZWVO) zum Zollwert gehörten.

Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, daß die während der Beförderung eingetretene Wertminderung die vereinbarten Preise nicht beeinträchtigt habe. Im Ostasiengeschäft sei zwischen dem Handel mit Waren in tadellosem Zustand und zerknitterter Ware zu unterscheiden. Ihr seien die Textilien im einwandfreien Zustand auf der Basis von fob-Rechnungspreisen zu liefern gewesen, bei denen der Käufer alle Kosten und Gefahren für die Ware von dem Zeitpunkt an zu tragen habe, in dem die Ware im vereinbarten Verschiffungshafen die Reeling des Schiffes überschritten habe. Deshalb gingen während der Beförderung eintretende Wertminderungen zu Lasten des Käufers; sie könnten die vereinbarten Preise nicht beeinflussen. Wolle der Käufer verhindern, daß die Wertminderungen während des Transports zu seinen Lasten gehen, so liege es bei ihm, dies durch entsprechende Klauseln zu regeln. Entgegen der Meinung des HZA gehe es keine Verpackung, die eine Knitterung „unter den Bedingungen des Seetransports” verhindern könne. Es gebe vielschichtige Gründe für einen Käufer, fob-Preise in Kenntnis der während des Seetransports eintretenden Knitterung zu akzeptieren. Deshalb verstoße die Rechtswürdigung des FG nicht gegen die Denkgesetze.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das FG der Klage stattgegeben hat, und zur Abweisung der Klage in vollem Umfang.

Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und b ZWVO ist bei der Ermittlung des den Zollwert bestimmenden Normalpreises davon auszugehen, daß die Ware dem Käufer am Ort des Verbringens in das Zollgebiet der Gemeinschaft geliefert wird und der Verkäufer alle Kosten trägt, die sich auf das Kaufgeschäft und auf die Lieferung an diesem Ort beziehen, und daß somit diese vom Normalpreis umfaßt werden. Auch wenn der Rechnungspreis der Zollwertbemessung zugrunde gelegt wird, ist dieser ggf. um diese Kosten zu berichtigen (Art. 9 Abs. 1 Buchst. c ZWVO). Bei einem vereinbarten fob-Preis bedeutet das, daß dem Verkäufer die Kosten zuzurechnen sind, die der Käufer von dem Zeitpunkt an zu tragen hat, in dem die Ware im Verschiffungshafen die Reling des Schiffes überschritten hat. Hierbei gehören die Kosten, die sich auf das Kaufgeschäft beziehen (Verkehrskosten), in voller Höhe zum Normalpreis, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vor oder nach der Lieferung am Verbringungsort entstehen (Schwarz-Wockenfoth, Kommentar zum Zollgesetz, Anm. 46 zu Art. 7 ZWVO; Zepf-Recker, Kommentar zur Wertverzollung, 3. Aufl., Art. 1 ZWVO A 16.6). Dagegen gehören die Kosten, die sich auf die Lieferung am Verbringungsort beziehen (Lieferungskosten), nur soweit zum Normalpreis, als sie die Lieferung bis zum Verbringungsort betreffen. Fallen diese erst am Verbringungsort an, z. B. im Freihafen, so können sie daher grundsätzlich nicht in den Normalpreis einbezogen werden (Schwarz-Wockenfoth, a. a. O., Anm. 39 zu Art. 7 ZWVO; Zepf-Recker, a. a. O., Art. 7 ZWVO A 8.5).

Im Streitfall war daher zunächst zu prüfen, ob es sich bei den Kosten des Aufbügelns der im Freihafen lagernden Textilien um Verkaufs- oder um Lieferungskosten handelt. Wie das FG festgestellt hat und von den Beteiligten nicht bestritten ist, werden die Textilien kurz vor der Abfertigung zum freien Verkehr durch die Firma D. verkaufsfertig in der Weise hergerichtet, daß sie aufgebügelt, auf Bügel gehängt und in Kartons verpackt werden. Diese Vorgänge stehen in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang und beziehen sich nicht auf die Lieferung am Verbringungsort, sondern auf das zu unterstellende Kaufgeschäft. Bei diesem ist nämlich zu unterstellen, daß die eingeführte Ware – das ist die Ware in ihrer Beschaffenheit im Bewertungszeitpunkt, also bei der Abfertigung zum freien Verkehr (Art. 5 ZWVO) – gekauft ist, nicht etwa die fob Verschiffungshafen gekaufte Ware. Daher können auch die Kosten des Herrichtens dieser eingeführten Ware zum Verkauf nur Verkaufskosten sein.

Nach der Ansicht des FG gehören die Bügelkosten nach § 38 der Wertzollordnung (WertZO) bzw. nach dem mit Wirkung vom 1. Oktober 1969 in das Zollgesetz eingefügten § 33 b nicht zum Zollwert der Textilien, weil sie nicht der Wertsteigerung, sondern dazu gedient hätten, die Waren für den maßgeblichen Zeitpunkt der Abfertigung zum freien Verkehr in den Zustand zurückzuversetzen, in dem sie vom Verkäufer verladen worden seien. Beide Vorschriften setzen aber nicht voraus, daß die Behandlung der Ware im Freihafen nicht zu einer Wertsteigerung führen dürfe, wie dies in dem vom FG angeführten Kommentar Zepf (Wertverzollung, 2. Aufl., Anm. 2 zu § 38 WertZO) angenommen wird. Nach § 38 WertZO brauchte der Rechnungspreis für eine für Rechnung des Zollwertanmelders im Freihafen gelagerte Ware nicht wegen der Kosten der Lagerung – ausgenommen Kosten der Lagerbehandlung – berichtigt zu werden. Nach § 33 b ZG sind die Kosten der Lagerung und der Erhaltung von Waren während ihrer Lagerung in Freihäfen nicht in den Zollwert einzubeziehen, wenn sie vom Käufer zu tragen sind. Bei der Frage, ob Kosten im Sinne von Art. 1 Abs. 2 ZWVO in den Normalpreis einzubeziehen sind, kommt es nicht – wie bei der Ermittlung des erzielbaren Preises im Sinne von Art. 1 Abs. 1 ZWVO – darauf an, ob sie den Wert der Ware beeinflussen und im freien Wettbewerb erzielbar sind, sondern allein darauf, ob eine im Rahmen des Einfuhrgeschäfts erbrachte Dienstleistung etwas „gekostet” hat. Kosten also tatsächlich entstanden sind (vgl. Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 10. Dezember 1970 Rs. 27/70, EGHE 1970, 1035, Bundeszollblatt 1971 S. 146; Schwarz-Wockenfoth, a.a.O., Anm. 10 zu Art. 7 ZWVO; Zepf-Recker, a.a.O., Art. 7 ZWVO A 3.1).

Da es somit nicht auf eine wertsteigernde Wirkung von Kosten ankommt, bleibt nur die Frage, ob das Aufbügeln der Lagerung und der Erhaltung der Textilien dient. Das ist zu verneinen. Unter Kosten der Lagerung sind vor allem die Kosten des Aufbewahrens zu vorstehen, also die Lagermiete und die Versicherung der Ware. Der Erhaltung der Ware dienen nur die Behandlungen, die den Zustand der Ware während der Einlagerung erhalten sollen, wie das Lüften, Trocknen, Kühlen, der Zusatz von Konservierungsmitteln, das Ausräuchern und Schwefeln. Auch wenn man die übrigen unschädlichen, üblichen Lagerbehandlungen nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 20 der allerdings erst nach den hier zu beurteilenden Vorfällen erlassenen Richtlinie des Rates vom 21. Juni 1971 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die üblichen Behandlungen, die in Zollagern und Freizonen vorgenommen werden können (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 143 vom 29. Juni 1971 S. 28, in dieser Form auch in Anhang 5 zur Dienstanweisung zum Zollgesetz und zur Allgemeinen Zollordnung auf Grund der Bekanntmachung des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen vom 27. Oktober 1971, Bundesanzeiger Nr. 208 S. 1 aufgenommen), und die einfachen Ausbesserungen nach Transport- oder Lagerschäden nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 dieser Richtlinie der Erhaltung der Ware dienend ansehen würde, so könnte das Aufbügeln im Streitfall nicht darunter fallen. Denn es ist weder eine übliche Lagerbehandlung in diesem Sinne noch dient es der Erhaltung der Textilien während der Lagerung im Freihafen. Diese würden auch ohne das Aufbügeln, das noch dazu zum Abschluß der Lagerung erfolgt, als solche „erhalten” bleiben. Es dient vielmehr, wie oben ausgeführt wurde, der verkaufsfertigen Herrichtung der Textilien kurz vor der Auslagerung.

Da demnach das FG zu Unrecht die Bügelkosten nicht in den Zollwert einbezogen hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und, da die Sache spruchreif ist, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514684

BFHE 1976, 228

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