Leitsatz (amtlich)
1. Zur Berechnung der verjährten Steuer, wenn sich die Betriebsprüfung und damit die Ablaufhemmung nach § 146 a Abs. 3 AO nur auf eine von mehreren Besteuerungsgrundlagen (hier Einheitswert des Betriebsvermögens) bezieht.
2. Neuveranlagungen zur Vermögensteuer sind auch dann zulässig, wenn die Vermögensteuer auf den Hauptveranlagungszeitpunkt verjährt ist. Voraussetzung ist lediglich, daß die Wertgrenzen überschritten sind und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
Normenkette
AO i.d.F. des AOÄG § 146a Abs. 3; VStG i.d.F. vor VStG 1974 § 13
Tatbestand
Streitig ist bei der Vermögensteuer, ob Neuveranlagungen durchgeführt werden können, obwohl zuvor der Vermögensteuerbescheid auf den Hauptveranlagungsstichtag wegen Verjährung aufgehoben worden ist, und weiter die Frage, welchen Umfang die Ablaufhemmung gemäß § 146 Abs. 3 AO nach der Durchführung von Betriebsprüfungen hat.
Die gemeinsam zur Vermögensteuer zu veranlagenden Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) reichten ihre Vermögenserklärung für den Hauptveranlagungszeitraum 1. Januar 1963 im Jahre 1964 bei dem damals zuständigen Finanzamt H ein. Erst mit Bescheid vom 3. März 1970 führte der inzwischen zuständig gewordene Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das FA S - FA -) die Veranlagung durch. Auf den Einspruch wurde der Bescheid mit Schreiben vom 25. April 1972 wieder aufgehoben. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
"Der VSt-Bescheid 1.1.1963 vom 3.3.1970 wird hierdurch aufgehoben, weil zum Zeitpunkt der Festsetzung die Verjährung des Schuldanspruchs eingetreten war. Der Einspruch vom 16.3.1970 findet hierduch seine Erledigung."
Die Verfahrensbeteiligten sind sich einig, daß es in dem Schreiben statt "Schuldanspruchs" "Steueranspruchs" heißen muß.
Im Anschluß hieran forderte das FA die Kläger auf, Vermögenserklärungen auf den 1. Januar 1964 und 1. Januar 1965 abzugeben. Die Kläger kamen dieser Aufforderung im Januar 1973 nach. Darauf führte das FA Neuveranlagungen durch Bescheide vom 5. Februar 1973 durch, wobei es hinsichtlich der Schulden gemäß § 100 Abs. 1 AO vorläufig zur Vermögensteuer veranlagte.
Dabei ging das FA von folgenden Besteuerungsgrundlagen aus:
A u f d e n 1. J a n u a r 1 96 4 :
Betriebsvermögen Einzelunternehmen A 573 000 DM
Betriebsvermögen der Firma B GmbH & Co. KG 5 300 136 DM
übriges Vermögen 5 379 211 DM
Rohvermögen 11 252 347 DM
./. Schulden 6 709 773 DM
Gesamtvermögen 4 542 574 DM
A u f d e n 1. J a n u a r 1 9 6 5 :
Betriebsvermögen Einzelunternehmen A 941 000 DM
Betriebsvermögen der Firma B GmbH & Co. KG 6 017 761 DM
übriges Vermögen 6 282 473 DM
Rohvermögen 13 241 234 DM
./. Schulden 7 832 262 DM
Gesamtvermögen 5 408 972 DM
An der Firma A ist die Ehefrau Alleininhaberin. Bei dieser Firma fand im Jahre 1969 für die Jahre 1962 bis 1967 eine Betriebsprüfung statt. Die Betriebsprüfung erstreckte sich auch auf die gesonderte Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens.
An der Firma B GmbH & Co. KG ist die Ehefrau Kommanditistin. Bei dieser Firma fand im Jahre 1967 eine Betriebsprüfung für die Jahre 1961 bis 1965 statt. Die Betriebsprüfung erstreckte sich auch auf die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens.
Die Kläger begehrten die Aufhebung der Vermögensteuerbescheide zum 1. Januar 1964 und 1. Januar 1965 bzw. die Festsetzung der Vermögensteuer auf null DM. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage hatten die Kläger geltend gemacht:
Das Schreiben des FA vom 25. April 1972 habe sich nicht nur auf den Stichtag 1. Januar 1963, sondern auf den gesamten Hauptveranlagungszeitraum 1963 bis 1965 bezogen. Es sei einem Freistellungsbescheid nach § 210 Abs. 3 AO gleichzustellen, der nur unter den Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO hätte geändert werden können. Neue Tatsachen hätten im Zeitpunkt der Neuveranlagungen aber nicht vorgelegen. Im übrigen könne das FA auch keine Neuveranlagungen mehr durchführen, nachdem es seinen Steuerbescheid auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1963 zurückgenommen habe. Das folge aus dem Urteil des BFH vom 28. April 1972 III R 3/71 (BFHE 105, 501, BStBl II 1972, 660). Schließlich seien die Steueransprüche verjährt. Die Verjährung sei für den Steueranspruch 1964 mit Ablauf des Jahres 1969 und für den Steueranspruch 1965 mit Ablauf des Jahres 1970 eingetreten. Die Verjährung des Steueranspruchs 1964 sei unstreitig nicht unterbrochen worden. Dasselbe müsse aber auch für den Steueranspruch 1965 gelten. Der ursprüngliche Steuerbescheid vom 3. März 1970 habe die Verjährung nicht unterbrechen können, weil er rechtswidrig gewesen sei. Das FA habe ihn deshalb mit Schreiben vom 25. April 1972 auch aufgehoben. Spätestens damit sei (analog § 211, § 212 BGB) eine Verjährungsunterbrechung rückwirkend entfallen. Es sei auch keine Verjährungshemmung nach § 146 a Abs. 3 AO hinsichtlich der Vermögensteueransprüche in ihrem gesamten Umfange eingetreten. Der Ablauf der Verjährung sei vielmehr nur in dem Umfang gehemmt worden, in dem Betriebsprüfungen stattgefunden hätten. Da den (anteiligen) Einheitswerten des Betriebsvermögens der Firmen A und B aber jeweils höhere Schulden gegenübergestanden hätten, sei die Vermögensteuer jeweils auf null DM festzusetzen.
Das FG hat die Vermögensteuer 1964 auf null DM und die Vermögensteuer 1965 auf 43 835 DM festgesetzt und im übrigen die Klage abgewiesen. Zu diesem Ergebnis kam es aufgrund der Erwägung, daß für 1964 nur die (anteiligen) Einheitswerte des Betriebsvermögens der Firmen A und B von der Ablaufhemmung erfaßt worden seien, diesen Werten zu den einzelnen Stichtagen aber höhere Schulden gegenübergestanden hätten, und daß für 1965 der Bescheid vom 3. März 1970 und die in diesem Bescheid enthaltene Zahlungsaufforderung (in Höhe von 43 835 DM) die Verjährung unterbrochen habe.
Gegen das Urteil haben das FA bezüglich des Jahres 1964 und die Kläger bezüglich des Jahres 1965 Revision eingelegt.
Das FA hatte im Klageverfahren die Auffassung vertreten, § 146 a Abs. 3 AO lasse bei der Vermögensteuer eine Teilverjährung nicht zu. Die Vermögensermittlung stelle wegen der Gegenüberstellung sämtlicher Vermögenswerte und der Schulden vielmehr ein unteilbares Ganzes dar, aus dem nicht einzelne Vermögenswerte oder einzelne Schuldbeträge herausgelöst werden könnten, ohne daß ein unzutreffendes Ergebnis entstünde. Hinzu komme, daß bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden beim Einheitswert bereits abgezogen seien (§ 62 BewG a. F., § 103 BewG 1965). Andererseits wäre es im Streitfall aber auch unbillig, nur die Einheitswerte des Betriebsvermögens ohne einen entsprechenden Schuldenabzug als Gesamtvermögen der Besteuerung zugrunde zu legen. Da die Schulden höher seien als das restliche Vermögen, stünden sich die Steuerpflichtigen schlechter als wenn eine Teilverjährung nicht eingetreten wäre. In der Revision vertritt das FA eine vermittelnde Lösung. Es ist der Auffassung, daß eine Verhältnisrechnung den Belangen des Fiskus und der Steuerpflichtigen am besten gerecht werde. Diese sehe im vorliegenden Fall wie folgt aus: Da ein Rohvermögen von 11 252 347 DM zu einer Steuer von 43 835 DM führe, entspreche ein verbliebenes Rohvermögen von 5 873 136 DM einer Steuerschuld von 22 879 DM. Dementsprechend beantragt das FA, unter Änderung seines Bescheides vom 5. Februar 1973 und des angefochtenen Urteils die Vermögensteuer 1964 auf 22 879 DM festzusetzen.
Die Kläger beantragen demgegenüber sinngemäß, die Vermögensteuer auch für das Jahr 1965 auf null DM festzusetzen.
Sie wiederholen ihr Vorbringen im finanzgerichtlichen Verfahren.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Die Revision der Kläger ist unbegründet.
1. Trotz der Aufhebung des Vermögensteuerbescheids auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1963 war das FA nicht gehindert, auf den 1. Januar 1964 und 1. Januar 1965 Neuveranlagungen durchzuführen. Die Beurteilung dieser Frage hängt allein davon ab, ob die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung erfüllt waren. Das war der Fall; denn es ist unstreitig, daß die dort aufgestellten Wertgrenzen jeweils überschritten waren. Weitere Erfordernisse enthielt § 13 Abs. 1 Nr. 1 VStG nicht. Die Kläger können sich auch nicht auf das BFH-Urteil III R 3/71 berufen. Dort hatte der Senat Neuveranlagungen für unzulässig bezeichnet, bei denen das FA das Gesamtvermögen im Hauptveranlagungszeitpunkt statt im Neuveranlagungszeitpunkt zugrunde gelegt hatte. Das war nach der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VStG jedoch nicht zulässig (siehe jetzt aber § 15 Abs. 3 VStG 1974). Insofern kam der Hauptveranlagung eine "Sperrwirkung" zu. Im vorliegenden Fall liegen die Verhältnisse jedoch anders. Das beklagte FA hat auf die Neuveranlagungszeitpunkte das Vermögen der Kläger neu ermittelt. Dabei ergab sich, daß die Wertgrenzen jeweils überschritten waren, so daß Neuveranlagungen nichts im Wege stand. Neuveranlagungen scheiterten entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht daran, daß das Vergleichsvermögen zum 1. Januar 1963 nicht durch eine rechtswirksame (Haupt-) Veranlagung festgestellt worden war. Das verlangte § 13 Abs. 1 Nr. 1 VStG nicht. Die Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, daß das Vergleichsvermögen in diesem Zusammenhang lediglich ein Rechnungsposten ist, der an keiner Bestandskraft teilnimmt.
Die Kläger können sich auch nicht auf Abschn. 127 Abs. 1 VStR 1963 berufen. Danach hatte eine Neuveranlagung in der Regel zur Voraussetzung, daß eine Veranlagung auf einen früheren Zeitpunkt bereits vorlag. Als Ausnahme von der Regel wurde der Fall angeführt, daß bisher eine Vermögensteuer nicht festzusetzen war, weil die Freibeträge höher waren als das Gesamtvermögen. Bei diesem Fall handelte es sich um den in der Praxis wohl häufigsten Ausnahmefall, daß eine vorangehende Veranlagung (Hauptveranlagung oder Nachveranlagung) fehlte. Es waren aber auch andere Fälle denkbar, so - wie hier -, wenn die Vermögensteuer auf den Hauptveranlagungszeitpunkt verjährt war, für Neuveranlagungen aber die Wertgrenzen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VStG überschritten waren.
2. Den Neuveranlagungen stand auch nicht das Schreiben des FA vom 25. April 1972 entgegen, das rechtlich ein Abhilfebescheid nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO oder ein Freistellungsbescheid nach § 210 Abs. 3 AO war. Das FG ist der Auffassung, daß sich dieses Schreiben entsprechend seinem Wortlaut nur auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1963, nicht aber auch auf die Jahre 1964 und 1965 bezogen habe. Man wird demgegenüber jedoch davon ausgehen müssen, daß das FA mit seinem Schreiben den ganzen Steuerbescheid, so wie es ihn erlassen hatte, aufheben wollte, also nicht nur hinsichtlich der Steuerfestsetzung 1963, sondern auch hinsichtlich der Teilzahlungen für die Jahre 1964 und 1965. Denn die letzteren hatten nur Bestand im Zusammenhang mit dem Hauptveranlagungsbescheid. Andererseits bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß sich das FA mit seinem Schreiben vom 25. April 1972 auch der Möglichkeit begeben wollte, für die Stichtage 1. Januar 1964 und 1. Januar 1965 Neuveranlagungen durchzuführen, wenn sich ergeben sollte, daß auf diese Stichtage die Wertgrenzen überschritten sind. Bei richtiger Beurteilung der unter 1. dargelegten Rechtslage konnten die Kläger das Schreiben des FA vom 25. April 1972 nicht so verstehen, daß sie auch für die Jahre 1964 und 1965 keine Vermögensteuer zu bezahlen brauchten. Das FA hat die Kläger auch alsbald aufgefordert, auf die Stichtage 1. Januar 1964 und 1. Januar 1965 Vermögenserklärungen vorzulegen.
3. Bezüglich des Jahres 1964 wurde die Verjährung durch das FA unstreitig nicht unterbrochen (§ 147 AO). Dagegen bestreiten die Kläger, daß der Steuerbescheid vom 3. März 1970 die Verjährung für 1965 habe unterbrechen können, nachdem er von Anfang an rechtswidrig war und vom FA deshalb auch aufgehoben wurde. Der Senat braucht diese Frage nicht zu entscheiden. Denn für die beiden Jahre 1964 und 1965 ist eine Ablaufhemmung nach § 146 a AO eingetreten.
a) Nach § 146 a Abs. 3 AO (i. d. F. des Gesetzes zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 15. September 1965) wird der Verjährungsablauf von Ansprüchen gehemmt, "auf die sich die Betriebsprüfung erstreckt". Die Betriebsprüfung erstreckt sich in der Regel aber nicht auf den ganzen Steueranspruch, sondern nur auf einzelne Besteuerungsgrundlagen (Besteuerungsmerkmale). So ist Gegenstand einer Betriebsprüfung im allgemeinen nicht die Einkommensteuer und Vermögensteuer, sondern der gewerbliche Gewinn und der Einheitswert des Betriebsvermögens. Das gilt in besonderem Maße, wenn nicht ein Einzelgewerbetreibender, sondern eine Personengesellschaft geprüft wird, an der der Steuerpflichtige nur als Gesellschafter beteiligt ist. So haben sich nach den Feststellungen des FG im vorliegenden Fall die Betriebsprüfungen auch nicht auf die Vermögensteuer der Kläger insgesamt, sondern nur auf einzelne Besteuerungsgrundlagen hierzu, nämlich die Einheitswerte der Betriebsvermögen der Firmen A und B erstreckt.
b) Allerdings muß eine Ablaufhemmung der Verjährung auch dann angenommen werden, wenn sich eine Betriebsprüfung nur auf einzelne Besteuerungsgrundlagen bezieht. Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 146 a Abs. 3 AO, es folgt aber aus dem Sinnzusammenhang, in dem diese Bestimmung zusammen mit § 146 a Abs. 1 und 2 AO steht. Während nach § 146 a Abs. 1 AO der Verjährungsablauf eines Steueranspruchs gehemmt ist, wenn und soweit er Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens ist, ist in Abs. 2 dieser Vorschrift ausdrücklich der Fall geregelt, daß in dem Rechtsbehelfsverfahren nicht über den Steueranspruch selbst, sondern nur über eine einzelne Besteuerungsgrundlage (Feststellungsbescheid) gestritten wird. Diese Regelung muß auch im Bereich der Ablaufhemmung durch eine Betriebsprüfung nach § 146 a Abs. 3 AO angewendet werden (so auch BFH-Urteil vom 26. März 1974 VII R 133/71, BFHE 112, 324).
c) Bei wörtlicher Auslegung des § 146 a AO bezieht sich die Ablaufhemmung hier nicht auf die Steuer selbst wie beispielsweise bei § 147 Abs. 3 AO, sondern nur auf Ansprüche "aus dem Sachverhalt, der dem Verfahren über den Rechtsbehelf zugrunde liegt" (Abs. 1 und 2) und auf Ansprüche aus den Besteuerungsgrundlagen, "auf die sich die Betriebsprüfung erstreckt" (Abs. 3). Bei komplexen Tatbeständen, und sie sind im Steuerrecht die Regel, gibt es aber keinen Steueranspruch aus einem einzelnen Sachverhaltsausschnitt oder einer einzelnen Besteuerungsgrundlage. Die Steuer knüpft vielmehr erst an dem Ergebnis einer Vielzahl von Besteuerungsmerkmalen an, z. B. am zum versteuernden Einkommen nach § 2 EStG 1975 oder am steuerpflichtigen Vermögen nach § 9 VStG 1974. Eine isolierte Steuerberechnung aus einer einzelnen Besteuerungsgrundlage würde auch auf Schwierigkeiten stoßen, wenn, wie beispielsweise bei der Einkommensteuer, der Tarif progressiv gestaltet ist, oder müßte sogar ganz versagen, wenn um bestimmte "negative Gegenposten" (Sonderausgaben bei der Einkommensteuer oder Schulden bei der Vermögensteuer) gestritten würde. Denn aus solchen Abzugsbeträgen resultiert keine Steuer.
d) Versagt somit die Möglichkeit, die nicht verjährte Steuer in bezug auf einzelne Sachverhaltsausschnitte oder Besteuerungsgrundlagen isoliert zu berechnen, so bietet sich nach Auffassung des Senats die Möglichkeit an, den nicht verjährten Steuerbetrag auf dem Weg über eine zweite Steuerberechnung zu finden, bei der der streitige Sachverhalt oder der von der Betriebsprüfung geprüfte Sachverhaltskomplex außer Betracht bleibt. Die Differenz zwischen dem dabei gefundenen Steuerbetrag und dem vom FA im Steuerbescheid festgesetzten Steuerbetrag erweist sich dann als die nicht verjährte Steuer, während der Restbetrag verjährt ist (§ 148 AO). Das sieht an zwei vereinfachten Beispielen zur Vermögensteuer wie folgt aus:
I. Beispiel nach § 146 a Abs. 3 AO:
1. Steuerberechnung It. Steuerbescheid:
Einheitswert Betriebsvermögen 100 000 DM
übriges Vermögen 50 000 DM
Rohvermögen 150 000 DM
Schulden 40 000 DM
steuerpflichtiges Vermögen 110 000 DM
Vermögensteuer It. Steuerbescheid 1 100 DM
2. Bezüglich des Einheitswerts des Betriebsvermögens hat eine Betriebsprüfung stattgefunden:
Übriges Vermögen 50 000 DM
Rohvermögen 50 000 DM
Schulden 40 000 DM
steuerpflichtiges Vermögen 10 000 DM
Steuer 100 DM
Ergebnis: Der Differenzbetrag von (1 100 DM ./. 100 DM =) 1 000 DM entfällt auf das Betriebsvermögen und ist nicht verjährt. Die Steuer von 100 DM ist verjährt.
II. Beispiel nach § 146 a Abs. 1 AO:
1. Steuerberechnung It. Steuerbescheid:
Einheitswert Betriebsvermögen 100 000 DM
übriges Vermögen 50 000 DM
Rohvermögen 150 000 DM
Schulden 40 000 DM
steuerpflichtiges Vermögen 110 000 DM
Vermögensteuer It. Steuerbescheid 1 100 DM
2. Bezüglich der Schulden hat in Höhe von 30 000 DM ein Rechtsmittelverfahren stattgefunden:
Betriebsvermögen 100 000 DM
übriges Vermögen 50 000 DM
Rohvermögen 150 000 DM
Schulden 70 000 DM
steuerpflichtiges Vermögen 80 000 DM
Steuer 800 DM
Ergebnis: Der Differenzbetrag von (1 100 DM ./. 800 DM =) 300 DM entfällt auf den streitigen Schuldbetrag und ist nicht verjährt. Die Steuer von 800 DM ist verjährt.
e) Die Beispiele zeigen, daß es sich bei den verjährten Steuerbeträgen von 100 DM und 800 DM jeweils um die Beträge handelt, die das FA trotz Betriebsprüfung und Rechtsmittelverfahren vom Steuerpflichtigen hätte verlangen können. Hat es dies versäumt ("im Vertrauen" auf Betriebsprüfung oder Rechtsmittelverfahren), so kann es diese Beträge nach dem Sinn und Zweck der Regelung über die Teilverjährung später nicht mehr geltend machen. Auf den diesen Steuerbeträgen zugrunde liegenden Sachverhalt bezog sich weder das Rechtsmittelverfahren noch die Betriebsprüfung.
f) Wendet man diese Überlegungen auf den vorliegenden Fall an, so ergeben sich folgende Berechnungen:
I. Für 1964:
1. Steuer It. Bescheid 43 835 DM
2. Berechnung ohne Betriebsvermögen
übriges Vermögen 5 379 211 DM
Rohvermögen 5 379 211 DM
./. Schulden 6 709 773 DM
steuerpflichtiges Vermögen
und Vermögensteuer 0 DM
Das bedeutet, daß die festgesetzte Vermögensteuer in voller Höhe auf dem Betriebsvermögen lastet. Eine Verjährung ist deshalb nicht eingetragen. Allerdings hat das FA seine Revision nur auf einen Betrag von 22 879 DM beschränkt. Der Vermögensteuerbescheid ist deshalb auch nur in dieser Höhe wiederherzustellen.
II. Für 1965:
1. Steuer It. Bescheid 52 495 DM
2. Berechnung ohne Betriebsvermögen
übriges Vermögen 6 282 473 DM
Rohvermögen 6 282 473 DM
./. Schulden 7 832 262 DM
steuerpflichtiges Vermögen
und Vermögensteuer 0 DM
Auch hier lastet die ganze Vermögensteuer auf dem Betriebsvermögen. Allerdings ist die Vermögensteuer auf den von der Vorinstanz festgesetzten Betrag von 43 835 DM beschränkt, weil das FA für dieses Jahr keine Revision eingelegt hat.
Das für die Kläger ungünstige Ergebnis rührt daher, daß ihre Schulden in beiden Jahren höher waren als das übrige Vermögen, so daß sich für dieses Vermögen jeweils eine Steuer von 0 DM ergab. Wären die Schulden geringer gewesen als das übrige Vermögen, so wäre in Höhe der auf der positiven Differenz lastenden Steuern jeweils eine Teilverjährung eingetreten.
g) Der Senat läßt es offen, ob es in Einzelfällen (z. B. beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen und beim Grundvermögen) gerechtfertigt sein kann, die Schulden den jeweiligen Vermögenspositionen wirtschaftlich zuzuordnen, so daß sich möglicherweise das Ergebnis ändert. Nach den Feststellungen des FG hängen die von den Klägern geltend gemachten Schulden nicht mit dem Betriebsvermögen zusammen. Bei den Einheitswerten des Betriebsvermögens handelt es sich also um Nettowerte, bei denen gemäß § 62 BewG a. F. die Betriebsschulden bereits berücksichtigt sind.
Fundstellen
Haufe-Index 72409 |
BStBl II 1977, 681 |
BFHE 1978, 229 |