Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück im Zustand der Bebauung
Leitsatz (NV)
Verpflichtet sich der Erwerber gegenüber dem Veräußerer eines Miteigentumsanteils an einem im Zustand der Bebauung befindlichen Grundstück, in einen vom Veräußerer und dem anderen Miteigentümer mit einem Dritten abgeschlossenen Bauvertrag einzutreten bzw. den Veräußerer von den Verpflichtungen aus diesem Vertrag freizustellen, kann daraus nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände der Schluss gezogen werden, der Veräußerer und der Dritte hätten in Abstimmung untereinander darauf hingewirkt, dem Erwerber ein Grundstück in fertig bebautem Zustand zu verschaffen, so dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs der Anteil am Grundstück in bebautem Zustand sei.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (EFG 2000, 283) |
Tatbestand
I. Die Eheleute W kauften 1994 zu je 1/2 Miteigentumsanteil ein unbebautes Grundstück. Es wurde Grunderwerbsteuer mit dem Kaufpreis als Bemessungsgrundlage festgesetzt. Um das Grundstück mit einem Fertighaus zu bebauen, schlossen die Eheleute mit Unternehmern Verträge über die Errichtung des Kellergeschosses und eines Einfamilienhauses ab.
Im Zuge der Trennung der Eheleute veräußerte die Ehefrau ihren 1/2 Miteigentumsanteil an dem Grundstück durch notariell beurkundeten Vertrag vom 20. Juni 1996 an einen Dritten, den Kläger und Revisionskläger (Kläger). Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 218 330,43 DM vereinbart. Hinsichtlich der abgeschlossenen Bauverträge vereinbarte die Verkäuferin mit dem Kläger, dass dieser an ihrer Stelle in die Verträge eintreten und alle sich hieraus künftig ergebenden Rechte und Pflichten übernehmen sollte. Der Kaufvertrag selbst sollte erst bei Vorlage der schriftlichen Zustimmungserklärung der beauftragten Bauunternehmer sowie nach Entlassung der Verkäuferin aus der Haftung wirksam werden. Die Ehefrau genehmigte am 8. Juli 1996 den durch ihren Ehemann als vollmachtloser Vertreter für sie geschlossenen Grundstückskaufvertrag mit dem Kläger.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) setzte wegen dieses Grunderwerbs gegen den Kläger durch Bescheid vom 21. August 1996 Grunderwerbsteuer in Höhe von 9 291 DM fest. Als Gegenleistung berücksichtigte das FA nicht nur den vereinbarten Grundstückskaufpreis in Höhe von 218 330 DM, sondern auch die Hälfte des für die Gebäudeerrichtung (Kellergeschoss und Fertighaus) vereinbarten Werklohns in Höhe von insgesamt 513 355 DM (= 256 677 DM). Die an den Fertighaushersteller entrichtete Anzahlung von 20 880 DM zog es zur Hälfte von der Gegenleistung ab, weil dieser Betrag bereits im Kaufpreis enthalten sei. Der Einspruch, mit dem der Kläger begehrte, die Grunderwerbsteuer nur nach dem Grundstückskaufpreis festzusetzen, blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte in seiner klageabweisenden Entscheidung (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2000, 283) aus, der Grundstückskaufvertrag sei mit den Verträgen über die Errichtung des Gebäudes zu einem einheitlichen Vertragswerk verknüpft. Denn die Vertragschließenden hätten die Wirksamkeit des Kaufvertrages davon abhängig gemacht, dass die Bauunternehmer die Übernahme der Werkverträge durch den Kläger genehmigten. Durch die Übernahme der Verträge sei der Kläger an die Bebauung des Grundstücks gebunden gewesen.
Mit der Revision wendet sich der Kläger gegen die Auffassung des FG, es liege ein einheitlicher, auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks (Miteigentumsanteil) gerichteter Vertrag vor.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung die Grunderwerbsteuer auf 4 366 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Der Kläger hat das Grundstück (Miteigentumsanteil) in dem Zustand erworben, in dem es die Vertragsparteien zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht haben. Dies war nicht der Zustand nach vollständiger Bebauung, sondern ein zeitlich davor liegender. Da das FG abweichend die Auffassung vertritt, Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei das Grundstück mit dem von der Veräußererseite fertig zu stellenden Gebäude, war die Vorentscheidung aufzuheben.
a) Verpflichtet sich der Erwerber eines unbebauten oder sich im Zustand der Bebauung befindlichen Grundstücks gegenüber dem Grundstücksverkäufer, an dessen Stelle in einen bestehenden Vertrag mit einem Dritten über die Errichtung bzw. Fertigstellung des Bauvorhabens einzutreten, ist grunderwerbsteuerrechtlich zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage zu entscheiden, ob der Erwerber das Grundstück in unbebautem Zustand bzw. im Zustand der Bebauung erworben hat oder ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück mit dem von der Veräußererseite fertig zu stellenden Gebäude ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (Entscheidungen vom 2. September 1993 II B 71/93, BFHE 172, 534, BStBl II 1994, 48; vom 17. September 1997 II R 24/95, BFHE 183, 265, BStBl II 1997, 776; vom 30. September 1998 II R 76/96, BFH/NV 1999, 361), die der Senat zuletzt im Urteil vom 16. Januar 2002 II R 16/00 (BFHE 197, 308, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 2002, 495) bestätigt hat, kann aus der Übernahme des Bauvertrages nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände der Schluss gezogen werden, der Grundstücksverkäufer und der Dritte hätten in Abstimmung untereinander darauf hingewirkt, dem Erwerber ein Grundstück in fertig bebautem Zustand zu verschaffen. Um in diesen Fällen annehmen zu können, das bebaute Grundstück sei Erwerbsgegenstand, müssen nach dieser Rechtsprechung in objektiv sachlichem Zusammenhang stehende Vereinbarungen und ein zielgerichtetes Zusammenwirken des Veräußerers und des Bauunternehmers feststellbar sein, die auf den Erwerb eines Grundstücks in bebautem Zustand abzielen.
b) Die Fallgestaltungen (Erwerb eines Grundstücks mit noch zu errichtendem Gebäude bzw. Eintritt in einen Bauvertrag) gleichen sich darin, dass der Erwerber jeweils das Grundstück ohne Vorgaben für die Bebauung nicht erwerben kann. Um wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden, muss nämlich der Verkäufer, der bezüglich des zu verkaufenden Grundstücks bereits einen Vertrag über dessen Bebauung mit einem Dritten abgeschlossen hat, aber mit der Bebauung nichts mehr zu tun haben will, bestrebt sein, das Grundstück nur an jemanden zu veräußern, der bereit ist, die Verpflichtungen aus dem Bauvertrag zu übernehmen. Es bedarf auch beide Male einer Mitwirkung Dritter, allerdings bei dem bloßen Grundstückserwerb mit gleichzeitiger Verpflichtung des Erwerbers zum Vertragseintritt nur insoweit, als die mit dem Vertragseintritt verbundenen Rechtsgeschäfte gemäß § 415 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) der Zustimmung des Dritten bedürfen. Diese Gemeinsamkeiten, in denen sich die Vergleichbarkeit beider Fallgestaltungen erschöpft, führen jedoch nach der oben bezeichneten Rechtsprechung des Senats nicht zur Anwendbarkeit der zum einheitlichen Erwerbsvorgang entwickelten Grundsätze auf die mit einer Verpflichtung zum Vertragseintritt verbundenen Grundstückserwerbe. Es fehlt am Merkmal, dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrages mit der Verpflichtung des Verkäufers/der Verkäuferseite zur Übertragung eines von ihm/ihr noch zu bebauenden Grundstücks zu entsprechen.
c) Das FG hat keine in objektiv sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen und kein zielgerichtetes Zusammenwirken der Verkäuferin und der Bauunternehmer festgestellt, das darauf gerichtet war, dem Kläger das Grundstück in fertig bebautem Zustand zu verschaffen.
aa) Die Verkäuferin war nach dem Inhalt des Grundstückskaufvertrages dem Kläger gegenüber nicht verpflichtet, das Gebäude fertig zu stellen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich nicht aus der Vereinbarung bezüglich der Übernahme der Bauverträge. Die Verkäuferin verfolgte lediglich das Ziel, sich von dem Bauvorhaben und den mit den Bauunternehmern abgeschlossenen Bauverträgen ohne finanzielle Einbuße wieder zu lösen. Sie wollte ―aus welchen Gründen auch immer― gerade kein Gebäude mehr erstellen lassen und sich hierzu auch dem Kläger gegenüber nicht verpflichten. Allein der Umstand, dass umgekehrt der Kläger den Bauunternehmern gegenüber auf Grund der Vertragsübernahme verpflichtet war, das Bauvorhaben zu Ende zu führen, rechtfertigt nicht die Annahme eines einheitlichen Vertragsgegenstandes. Denn die Verpflichtung des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer, auf dem Grundstück ein Gebäude zu errichten, das er selbst nutzen wird, ist eine eigennützige Leistung, die keine Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks darstellt (Senats-Urteil in BFHE 197, 308, DStR 2002, 495, m.w.N.).
bb) Die Bauunternehmer, deren Mitwirkung nur in der Zustimmung zum Eintritt des Klägers in die Bauverträge gelegen haben kann, hatten die Bauverträge mit den Eheleuten bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrages mit dem Kläger akquiriert, ohne dabei über diesen Vertragsabschluss hinaus irgendeinen Einfluss auf den späteren Veräußerungsvorgang genommen zu haben. Die Bauunternehmer befinden sich damit nicht in einer Stellung, wie sie Dritten zukommt, die nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand auf Grund objektiv sachlichen Zusammenhangs des von ihnen abgeschlossenen Vertrages mit dem Grundstückskaufvertrag sowie auf Grund abgestimmten Verhaltens mit dem Grundstücksverkäufer der Veräußererseite zuzurechnen sind. Daher erfüllt ihre Mitwirkung auch nicht die Voraussetzungen eines abgestimmten Verhaltens, das nach der genannten Rechtsprechung bei unterschiedlichen Vertragspartnern des Erwerbers auf der Veräußererseite erforderlich ist, um den Erwerb eines bebauten Grundstücks anzunehmen. Die Mitwirkung erfolgt nicht auf das Ziel hin, dem Erwerber ein bebautes Grundstück zu verschaffen, sondern, weil eigene Interessen nicht berührt sind.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG lassen keine abschließende Beurteilung des Streitfalls zu.
a) Die Steuer bemisst sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Als Gegenleistung gilt bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass zur Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne jede Leistung gehört, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. November 1980 II R 28/75, BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174). Entscheidend für die Qualifikation einer Leistung als Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 ist, dass die Verpflichtung zur Leistung auf den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es zum Erwerbsgegenstand gemacht wurde, bezogen ist. Befindet sich ein Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses eines Grundstückskaufvertrages im Zustand der Bebauung und hat sich ―wie im Streitfall― der Veräußerer gegenüber dem Erwerber nicht zur Fertigstellung des Gebäudes verpflichtet, erfasst der Grundstückskaufvertrag ―unabhängig vom Willen der Vertragsbeteiligten― grunderwerbsteuerrechtlich notwendigerweise diejenige Bausubstanz, die in dem Zeitpunkt, zu dem der Gegenstand des Erwerbsvorgangs übergehen soll, bereits vorhanden ist (vgl. BFH in BFHE 183, 265, BStBl II 1997, 776). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Grundstück nicht in dem Zustand zum Erwerbsgegenstand gemacht werden kann, den es nicht mehr hat und nicht mehr erhalten soll (vgl. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1981 II R 124/79, BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330, m.w.N.).
Darüber hinaus kann eine Leistung als "sonstige Leistung" der Gegenleistung zugehören, wenn sie zwar einem Dritten gegenüber zu erbringen ist, jedoch in finaler Verknüpfung mit dem Grundstückserwerb steht, die Verpflichtung zum Eintritt in einen zwischen dem Dritten und dem Veräußerer bestehenden Vertrag dem Verkäufer gegenüber eingegangen ist und sich die Verpflichtungen aus dem Vertrag mit dem Dritten und dem Erwerber dem Werte nach unausgewogen gegenüberstehen (Senatsbeschluss in BFHE 172, 534, BStBl II 1994, 48).
b) Gegenstand des Erwerbsvorgangs des Klägers vom 20. Juni/ 8. Juli 1996 war das Miteigentum an dem bereits teilweise bebauten Grundstück. Die Gegenleistung für diesen Vertragsgegenstand ist als Besteuerungsgrundlage maßgebend. Das FG hat ―von seinem Standpunkt aus zu Recht― die Höhe der Gegenleistung nicht ermittelt. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um dem Senat eine Entscheidung über die Höhe dieser Gegenleistung zu ermöglichen. Hierzu bedarf es noch der Aufklärung, welche Bausubstanz im Zeitpunkt, zu dem das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein sollte, bereits vorhanden war und ob der vereinbarte Kaufpreis ―als Teil der Gesamtaufwendungen des Klägers für das fertig bebaute Grundstück― den Wert des Erwerbsgegenstands zutreffend erfasst oder ob der Kläger über den Kaufpreis hinaus Leistungen an die Bauunternehmer erbracht hat, die der Abgeltung der erworbenen Bausubstanz dienten.
Fundstellen
Haufe-Index 844166 |
BFH/NV 2002, 1613 |