Leitsatz (amtlich)
Bei einem an eine atypische stille Gesellschaft gerichteten Gewerbesteuer- oder Gewerbesteuermeßbescheid ist es erforderlich, daß die Mitunternehmer einzeln bezeichnet werden und die Art ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung zum Ausdruck kommt.
Normenkette
AO §§ 211, 212a Abs. 2-3; AO 1977 § 157 Abs. 1 S. 2, § 184 Abs. 1 Sätze 2-3; GewStG 1968 § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) führte die Firma St bis zum 31. Dezember 1960 als Einzelfirma. Vom 1. Januar 1961 an beteiligten sich die Beigeladenen an diesem Handelsgeschäft mit einer Einlage von je 5 000 DM als stille Gesellschafter. Das Gesellschaftsverhältnis sollte sich nach den Vorschriften für die KG, §§ 161 bis 171 des Handelsgesetzbuches (HGB), richten (§ 1 des neu gefaßten Gesellschaftsvertrages vom 18. Juni 1961). Nach § 8 des Gesellschaftsvertrages sind die stillen Gesellschafter am Geschäftswert und den stillen Reserven beteiligt; sie haben bei Beendigung der Gesellschaft Anspruch auf Aufstellung einer Auseinandersetzungsbilanz. Im Einvernehmen mit den Gesellschaftern ist die Gesellschaft als unechte (atypische) stille Gesellschaft behandelt worden.
Der Kläger ist ferner Alleininhaber der Einzelfirma Sp.
Am 28. Dezember 1967 schlossen der Kläger und die Beigeladenen folgende "Vereinbarung":
Von dem Kaufmann A - dem Kläger - werden die nachstehenden Firmen als Einzelkaufmann betrieben: Sp und St. An der Firma St sind atypische stille Beteiligungen vorhanden von
R und M.
Zum Zweck der Rationalisierung beabsichtigt A diese Firmen in einem Betrieb zusammen zu fassen und wirtschaftlich als Einheit zu betreiben.
Gegen diese Zusammenfassung haben wir als stille Gesellschafter nichts einzuwenden und erklären uns ausdrücklich damit einverstanden, wenn wir dadurch nicht schlechter gestellt werden, wie bisher.
Wir vereinbaren folgendes: Unsere bisherige Beteiligung an der Firma St bleibt weiter bestehen und wird auf den zusammengefaßten Betrieb übertragen. Unser Gewinnanteil soll nach dem gleichen Modus wie bisher ermittelt werden, wobei entweder der Reingewinn zwischen Sp und St im voraus mit 3/5 für Sp und 2/5 für St aufgeteilt wird, oder aber unsere Beteiligung zu dem Gesamtkapital Sp/St ins Verhältnis gesetzt wird und entsprechend am Gewinn teilnimmt.
Andere Veränderungen im Vertragsverhältnis finden nicht statt.
Bei der Betriebsprüfung für die Jahre 1970 bis 1972 vertrat der Prüfer die Auffassung, daß durch den Vertrag vom 28. Dezember 1967 die verschiedenen Betriebe zusammengefaßt seien und nur noch die Firma Sp bestehe, an der die Beigeladenen zu 1 und 2 als atypische stille Gesellschafter beteiligt seien.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) schloß sich dieser Auffassung an und erließ entsprechende Gewerbesteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide.
Diese Bescheide richtete das FA an:
"Herrn, Frau, Frl., Firma
... Sp ...
Inh. A ..."
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt, daß eine Mitunternehmerschaft nicht vorliege.
Mit der Revision rügt das FA vor allem die Verletzung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und des § 15 (Abs. 1) Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet; die Entscheidung des FG stellt sich bereits deshalb im Ergebnis als richtig dar, weil die angefochtenen Gewerbesteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide die Steuerschuldner nicht korrekt bezeichneten und die Bescheide daher unwirksam waren.
1. Steuerbescheide und auch Steuermeßbescheide müssen angeben, wer die Steuer schuldet (vgl. §§ 157 Abs. 1 Satz 2 und 184 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Abgabenordnung - AO 1977 - und §§ 211, 212 a Abs. 2 und 3 der Reichsabgabenordnung - AO -). Wird der Steuerschuldner nicht, falsch oder so ungenau bezeichnet, daß Verwechslungen nicht ausgeschlossen sind, ist der Steuerbescheid unwirksam (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. März 1979 I R 219/78, BFHE 128, 14, BStBl II 1979, 718; vom 24. März 1970 I R 141/69, BFHE 98, 531, BStBl II 1970, 501, und vom 17. März 1970 II 65/63, BFHE 99, 96, BStBl II 1970, 598).
Nach Auffassung des FA bestand zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 1 und 2 eine atypische stille Gesellschaft, die steuerlich als Mitunternehmerschaft anzusehen sei.
Die atypische stille Gesellschaft ist eine Gesellschaft i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1982 IV R 197/79, BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389, und Beschluß vom 22. Januar 1981 IV B 41/80, BFHE 132, 542, BStBl II 1981, 424; Lenski/Steinberg/Stäuber, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl. (Lfg. 46) Anm. 99 zu § 2).
Aus § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewStG i. d. F. vom 20. Oktober 1969 - GewStG 1968 - (BGBl I, 2021, BStBl I, 654) folgt entgegen der Auffassung des FA, daß Schuldner der Gewerbesteuer die Mitunternehmer sind (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1980 I R 95/76, BFHE 130, 403, 408, BStBl II 1980, 465, 468, mit weiteren Nachweisen). Diese sind demnach auch im Steuerbescheid aufzuführen.
Treten die Mitunternehmer - wie bei den Personengesellschaften des Handelsrechts - im Rechtsverkehr unter einheitlicher Firma auf (vgl. §§ 17, 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB), so bestehen keine Bedenken, die Gesellschaft selbst - die Gesamtheit der Mitunternehmer - als Steuerschuldner zu bezeichnen (vgl. Gutachten des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 6. April 1938 GrS D 1/38, RFHE 43, 319, RStBl 1938, 434; Urteil in BFHE 130, 403, 409, BStBl II 1980, 465, 468).
Führt eine Gesellschaft dagegen keinen eigenen Namen - wie z. B. eine atypische stille Gesellschaft -, so ist es erforderlich, daß die Mitunternehmer einzeln bezeichnet werden und die Art ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung zum Ausdruck gebracht wird. Erst diese Angaben erlauben, die einzelnen Mitunternehmer als Steuerschuldner zu identifizieren (vgl. BFHE 128, 14, BStBl II 1979, 718; BFH-Urteil vom 29. November 1972 II R 42/67, BFHE 108, 257, BStBl II 1973, 372; BFHE 99, 96, BStBl II 1970, 598).
Im Streitfall enthält die Bezeichnung der Gewerbesteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide weder die Namen der Beigeladenen zu 1 und 2 noch bringt sie in irgendeiner Weise die Art der gesellschaftsrechtlichen Verbindung zum Ausdruck. Auch aus dem sonstigen Inhalt der Bescheide geht nicht hervor, daß das FA die in einer atypischen stillen Gesellschaft verbundenen Mitunternehmer als Steuerschuldner heranziehen wollte. Der Hinweis, daß der Veranlagung die Ergebnisse der Betriebsprüfung zugrunde liegen, genügt nicht, denn der oder die Steuerschuldner müssen sich unmittelbar und zweifelsfrei aus dem Steuerbescheid feststellen lassen (vgl. BFHE 128, 14, BStBl II 1979, 718).
Schließlich hat das FA auch nicht beabsichtigt, nur einen der Mitunternehmer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG 1968 als Steuerschuldner heranzuziehen. Eine solche Absicht kommt weder in den Bescheiden selbst zum Ausdruck noch ergibt sie sich aus anderen Umständen. Insbesondere die Einspruchsentscheidung läßt erkennen, daß das FA die Gesamtheit der Mitunternehmer als Schuldner der Gewerbesteuer ansah.
Fundstellen
Haufe-Index 74838 |
BStBl II 1984, 63 |
BFHE 1984, 291 |