Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz durch Erstattung von Werbungskosten als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
Leitsatz (NV)
Erstattet eine Kommune beim Rückerwerb eines verseuchten Grundstücks dem Veräußerer im Rahmen des "Kaufpreises", mit dem alle Entschädigungsansprüche abgegolten sein sollten, Finanzierungskosten, die der Veräußerer als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen hatte, so kann der Erstattungsbetrag beim Veräußerer zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gehören.
Normenkette
EStG §§ 9, 21, 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, erwarben im Jahre 1980 von der Stadt S ein Grundstück, das sie mit einer Doppelhaushälfte bebauten und anschließend zum Teil selbst bewohnten, teilweise vermieteten. Nach Bezug des Hauses im Februar 1982 wurden erhebliche Bodenverunreinigungen bekannt. Die Stadt S beschloß, die verseuchten Grundstücke zu sanieren. Zu diesem Zweck führte sie mit den betroffenen Eigentümern Verhandlungen über den Ankauf von deren Grundstücken. Zudem erließ sie "Richtlinien über die Ermittlung von Entschädigungen beim Erwerb von Hausbesitzungen im Bereich des Sanierungsgebietes (Richtlinien A)". Erstattungsfähig waren hiernach u. a. die Finanzierungskosten des Gebäudes, die bis zu dessen Bezugsfertigkeit angefallen waren. Da das Grundstück der Kläger an das Kerngebiet des Sanierungsgebiets angrenzte, bot die Stadt S den Ankauf an. Sie forderte die Kläger auf, die Unterlagen über die erstattungsfähigen Aufwendungen zusammenzustellen. Die Kläger wiesen u. a. die Finanzierungskosten nach. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1981 hatten die Kläger Finanzierungskosten (Schuldzinsen) von 15 753 DM, bei der Veranlagung 1982 von 27 048,54 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht. Sie einigten sich mit der Stadt S wie folgt über die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen:
Herstellungskosten und Eigenleistungen 404 121,09 DM
Grundstückskosten 17 010,00 DM
Außenanlagen 7 578,37 DM
Finanzierungskosten 42 429,74 DM
Vertragsstrafe ./. 12 000,00 DM
459 139,20 DM
Durch Vertrag vom September 1986 veräußerten die Kläger das Grundstück an die Stadt S. Die Zusammensetzung des Kaufpreises von 459 139,20 DM geht aus dem Vertrag, durch den nach seinem Inhalt (§ 17) zugleich die Entschädigungsansprüche der Kläger abgegolten werden sollten, nicht hervor. In derselben Vertragsurkunde ist der Erwerb eines -- bisher der Stadt ge hörenden -- Ersatzgrundstückes durch die Kläger beurkundet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erfaßte in einem geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr (1986) den der Erstattung der Finanzierungskosten entsprechenden Teil des Entgelts als Einnahme bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte überwiegend keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) führte die Erstattung der Werbungskosten zu Einnahmen im Jahr des Rückflusses.
Gegen die Entscheidung des FG richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie Verletzung des § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügen. Es sei ihnen allein darauf angekommen, für ihr Grundstück einen Kaufpreis zu erhalten, der ihren Vorstellungen entsprach. Dessen Ermittlung durch die Stadt S sei für sie ohne Belang gewesen.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1986 dahingehend zu ändern, daß die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um den als Werbungskostenerstattung behandelten Betrag gemindert werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht einen Teil des im Vertrag vom September 1986 vereinbarten Entgelts als Werbungskostenerstattung behandelt und als Einnahme bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfaßt.
1. Das FG ist zutreffend von dem Grundsatz ausgegangen, daß Beträge, die Werbungskosten ersetzen, im Jahre des Zuflusses steuerpflichtige Einnahmen bei der Einkunftsart sind, bei der die Aufwendungen vorher als Werbungskosten abgezogen worden waren (Senatsurteile vom 23. März 1993 IX R 67/88, BFHE 171, 183, BStBl II 1993, 748, und vom 23. November 1993 IX R 101/92, BFHE 173, 103, BStBl II 1994, 348). Unerheblich ist, daß nicht der ursprüngliche Darlehensgläubiger, sondern ein Dritter die Werbungskosten erstattet (vgl. Senatsurteile vom 1. Dezember 1992 IX R 189/85, BFHE 170, 111, BStBl II 1994, 11 sowie IX R 333/87, BFHE 170, 113, BStBl II 1994, 12).
2. Die Aufteilung des Entgelts durch das FG hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
a) Daß das gesamte Entgelt zivilrechtlich Gegenleistung für die Grundstücksübertragung war, hindert die Annahme einer Werbungskostenerstattung nicht (offengelassen im Senatsbeschluß vom 3. Dezember 1990 IX B 136/89, BFH/NV 1991, 316). Der Annahme eines Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung -- AO 1977 -- ) bedarf es hierzu nicht. Die Parteien eines Vertrages können zwar einen Sachverhalt vertraglich gestalten, nicht aber die steuerrecht lichen Folgen bestimmen, die das Steuergesetz an die vorgegebene Gestaltung knüpft.
b) Die von der Stadt S zu erbringenden Entschädigungsleistungen haben nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ihren Niederschlag in der Höhe des vereinbarten Entgelts gefunden. Es entsprach dem Willen der Vertragsparteien, wie er sich aus dem Inhalt des Vertrages vom September 1986 ergibt, wonach auch Entschädigungsansprüche der Kläger abgegolten werden sollten.
c) Diese tatsächliche Würdigung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend. Der Bundesfinanzhof kann als Revisionsgericht nicht seine eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle der Würdigung des FG setzen, wenn diese möglich ist (Senatsurteil vom 21. Juli 1993 IX R 9/89, BFHE 172, 498, BStBl II 1994, 231).
3. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob das FG den als Einnahme zu erfassenden Werbungskostenersatz zu Recht wegen der Vertragsstrafe von 12 000 DM sowie wegen des Zuflusses eines Kaufpreisanteils von 13 200 DM erst im Jahr 1987 anteilig gekürzt hat. Eine Verböserung der Steuerfestsetzung zu Lasten der Kläger ist ihm verwehrt (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 96 Anm. 5).
4. Das angefochtene Urteil entspricht den vorstehenden Rechtsgrundsätzen. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 65092 |
BFH/NV 1995, 499 |