Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsaufgabe: Überführung der letzten wesentlichen Betriebsgrundlage ins Privatvermögen
Leitsatz (NV)
Verbleibt im Zuge der Betriebsaufgabe nach der Verwertung des sonstigen Betriebsvermögens dem Steuerpflichtigen lediglich eine wesentliche Betriebsgrundlage - z.B. ein Grundstück -, wird diese auch ohne ausdrücklich dahingehende Erklärungen notwendiges Privatvermögen.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3
Tatbestand
Der 1985 verstorbene Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) war Alleininhaber der Firmen A und der 1964 veräußerten B-Werke.
In dem Bericht, der im Anschluß an die in den Jahren 1966 und 1967 bei den beiden Firmen durchgeführte Betriebsprüfung für die Jahre 1960 bis 1965 erstellt wurde, findet sich der Vermerk, daß der Betrieb nach dem 31. Dezember 1966 nur noch in beschränktem Umfang weitergeführt worden sei. Die bis zu diesem Zeitraum vorliegenden Aufträge seien bis Mitte Januar 1967 abgewickelt worden. Mit Schreiben vom 28. November 1967 beantragte der Ehemann der Klägerin die Ausdehnung der bereits abgeschlossenen Betriebsprüfung auf das Jahr 1966 unter Hinweis auf die zum 31. Dezember 1966 erfolgte Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit. Diesem Antrag wurde nicht stattgegeben. In dem Ablehnungsschreiben vom 8. Januar 1968 führte die zuständige Großbetriebsprüfungsstelle u.a. aus, daß in der Schlußbesprechung am 28. April 1967 erklärt worden sei, eine Entscheidung darüber, ob das eigenbetrieblich genutzte Grundstück in das Privatvermögen überführt werde, sei noch nicht gefallen. Es bestehe daher die Möglichkeit, daß der Gewerbebetrieb in anderer Form weitergeführt werde. Eine Betriebsaufgabe sei zumindest im Jahre 1966 noch nicht erfolgt.
Ausweislich der Bilanzen stellte der Betrieb Ende 1966 seine Produktion ein. Grundstücke und Gebäude wurden zum 1. Januar 1967 an die Firma X verpachtet. Nach Beendigung des Pachtverhältnisses mit der Firma X stand das Objekt einige Zeit leer. Anschließend erfolgten Verpachtungen an verschiedene andere gewerbliche Unternehmer.
Der Ehemann der Klägerin erklärte die Einkünfte aus der Verpachtung der Grundstücke einschließlich der Gewinne aus Grundstücksentnahmen in den Jahren 1968 und 1969 als solche aus Gewerbebetrieb und ließ Bilanzen erstellen. Die Bilanz zum 31. Dezember 1966 weist neben dem Grundvermögen kein weiteres Anlagevermögen aus. In der Gewinn- und Verlustrechnung des Jahres 1966 sind Erlöse aus Maschinen- und Materialverkäufen enthalten.
Mit Kaufvertrag vom 25. November 1983 wurde ein Teil der Grundstücke veräußert. Besitz und Eigentum gingen 1984 auf den Erwerber über. Im gleichen Jahr wurden weitere Grundstücke verkauft und ein Teil des Grundvermögens unentgeltlich auf die Tochter der Klägerin übertragen.
Der Ehemann der Klägerin hatte als Alleinerbin seine Tochter eingesetzt. Die Klägerin sollte bis zu ihrem Tode ein Nießbrauchsrecht an dem Nachlaß erhalten.
Da die Klägerin für 1984 keine Steuererklärung abgab, schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Besteuerungsgrundlagen und führte wie im Vorjahr eine Zusammenveranlagung durch. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (einschließlich eines Veräußerungsgewinns in Höhe von . . . DM) setzte das FA mit . . . DM an. Im Einspruchsverfahren änderte das FA den angefochtenen Bescheid vom 27. Juni 1986 dahingehend, daß es den Betrag von . . . DM als steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn behandelte.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, die Betriebsgrundstücke seien mit der Betriebseinstellung 1966 Privatvermögen geworden. Ein Wahlrecht auf Betriebsfortführung habe nicht bestanden, da die Betriebsgrundstücke branchenfremden Unternehmen überlassen worden seien. Die Klage war erfolgreich. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 387 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Auffassung, selbst wenn man dem Finanzgericht (FG) darin folge, daß eine Betriebsverpachtung zum 1. Januar 1967 nicht möglich gewesen sei, weil nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen mitverpachtet wurden, so habe doch zumindest eine Betriebsaufgabe nicht vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 125 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat zutreffend erkannt, daß durch die im Streitjahr erfolgten Grundstücksübertragungen kein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entstanden ist. Die Grundstücke sind bereits durch die zum Jahreswechsel 1966/1967 erfolgte Betriebsaufgabe Privatvermögen des verstorbenen Ehemannes der Klägerin geworden.
1. Eine Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG ist gegeben, wenn die gewerbliche Tätigkeit eingestellt und der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens aufgelöst wird, wobei die wesentlichen Grundlagen des Betriebes innerhalb kurzer Zeit in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang an einen oder mehrere Abnehmer veräußert oder ganz oder teilweise ins Privatvermögen überführt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. April 1989 III R 9/87, BFHE 157, 355, BStBl II 1989, 874).
Die Einstellung der bisherigen laufenden gewerblichen Betätigung führt noch nicht notwendigerweise zu einer Betriebsaufgabe i.S. von § 16 Abs. 3 EStG. Denn der Betriebsinhaber hat bei der Betriebseinstellung im allgemeinen die Wahl, ob er den Betrieb allmählich - schrittweise - abwickeln oder aber durch Einzelveräußerungen oder Entnehmen aller wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang aufgeben will (BFH-Urteile vom 12. März 1964 IV 107/63 U, BFHE 79, 476, BStBl III 1964, 406; vom 25. Juli 1972 VIII R 3/66, BFHE 106, 528, BStBl II 1972, 936, und vom 19. Januar 1983 I R 84/79, BFHE 138, 50, BStBl II1983, 412).
Zur Ausübung dieses Wahlrechts ist eine ausdrückliche Aufgabeerklärung gegenüber dem FA nicht erforderlich. Der Wille, wie verfahren werden soll, muß jedoch äußerlich erkennbar sein. Ein Steuerpflichtiger übt dieses Wahlrecht i.S. einer Betriebsaufgabe z.B. aus, wenn sein unternehmerisches Handeln im Zusammenhang mit der Einstellung der werbenden Tätigkeit darauf gerichtet ist, den Betrieb als selbständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen (BFH-Urteil vom 5. Juli 1984 IV R 36/81, BFHE 141, 325, BStBl II1984, 711, m.w.N.). Hierzu gehört die Veräußerung bestimmter, für die Fortführung des Betriebes unerläßlicher Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens und die Überführung wesentlicher Betriebsgrundlagen - wie z.B. des Betriebsgrundstücks - in das Privatvermögen. Der Übergang des bisherigen Betriebsgrundstücks in das Privatvermögen wird auch ohne eine ausdrücklich dahingehende Erklärung des Steuerpflichtigen dann angenommen, wenn nach der Verwertung des sonstigen Betriebsvermögens das übriggebliebene Grundstück vermietet oder verpachtet wird (BFH-Urteile vom 27. März 1987 III R 214/83, BFH/NV 1987, 578; vom 26. März 1991 VIII R 73/87, BFH/NV 1992, 228; vom 21. Mai 1992 X R 77-78/90, BFH/NV 1992, 659). Eine Betriebsaufgabe ist somit in der Regel immer schon dann anzunehmen, wenn der Betriebsinhaber, nachdem er die übrigen Betriebsgegenstände veräußert, verschrottet oder ins Privatvermögen überführt hat, nur noch das Betriebsgrundstück vermietet oder verpachtet.
Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG hat der Ehemann der Klägerin die Produktion Ende 1966 eingestellt, die vorhandenen Aufträge bis Mitte Januar 1967 abgewickelt und die für seinen Fabrikationsbetrieb benötigten Betriebsvorrichtungen und Maschinen im wesentlichen im Jahre 1966 veräußert oder verschrottet. Die Verpachtung der Betriebsgrundstücke an die Firma X, die dort einen Gewerbebetrieb anderer Branche betrieb, erfolgte ab dem 1. Januar 1967. Die Aufgabe des Betriebs der Klägerin war somit spätestens Anfang 1967 beendet. Das Grundstück ist daher zu diesem Zeitpunkt in das Privatvermögen der Klägerin übergegangen. Der Betrieb des Ehemannes der Klägerin bestand ab diesem Zeitpunkt als solcher nicht mehr.
Demgemäß konnte die Verpachtung des Betriebsgrundstücks im Streitfall auch nicht als Betriebsverpachtung gewertet werden. Bei der Verpachtung eines Betriebes kann der Verpächter wählen, ob er den Vorgang der Verpachtung als Betriebsaufgabe behandeln oder ob er das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen will mit der Folge, daß die im verpachteten Betrieb vorhandenen stillen Reserven vorerst nicht aufgedeckt werden (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Dieses Wahlrecht entfällt aber, wenn anläßlich der Verpachtung die wesentlichen Betriebsgrundlagen so umgestaltet werden, daß sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können. In diesem Fall stellt der Verpächter die werbende Tätigkeit endgültig ein. Der Pächter setzt den übernommenen Betrieb nicht fort, sondern eröffnet einen anderen (BFH-Urteil vom 2. Februar 1990 III R 173/86, BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497). Ein solcher Fall liegt hier vor, denn der Ehemann der Klägerin hatte die Betriebsvorrichtungen und Maschinen verkauft oder verschrottet und die Betriebsgrundstücke an einen Unternehmer verpachtet, der dort ein Gewerbe anderer Branche betrieb.
Die Tatsache, daß der Kläger auch nach der Betriebsaufgabe Bilanzen erstellt und die Einkünfte aus der Verpachtung als solche aus Gewerbebetrieb erklärt hat, steht der Annahme einer Betriebsaufgabe nicht entgegen. Die Einordnung der Pachteinnahmen als gewerbliche Einkünfte kann - wie der Streitfall zeigt - die Folge einer fehlerhaften steuerlichen Beurteilung sein. Es ist aber auch denkbar, daß die Deklaration von Pachteinnahmen als gewerbliche Einkünfte erfolgt, um die Gewinnrealisierung der in den verpachteten Wirtschaftsgütern steckenden stillen Reserven hinauszuschieben.
Dem FA hätten aufgrund der zusammen mit der Einkommensteuererklärung 1967 eingereichten Bilanz zum 31. Dezember 1967, die neben dem Betriebsgrundstück kein weiteres Anlagevermögen mehr aufweist, Zweifel kommen müssen, ob die Voraussetzungen für eine Betriebsverpachtung gegeben waren. Dies gilt um so mehr, weil der Antrag, die Betriebsprüfung auf das Jahr 1966 auszudehnen, u.a. mit der ,,Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit" (Liquidation des Betriebes) zum 31. Dezember 1966 und den damit möglicherweise verbundenen Problemen begründet worden war. Die Angaben in den Steuererklärungen - Erklärung der Einkünfte aus der Verpachtung als solche aus Gewerbebetrieb - sind keine Tatsachenerklärungen, sondern lediglich rechtliche Wertungen, deren Überprüfung dem FA oblegen hätte.
Die Klägerin braucht sich einen Verstoß gegen Treu und Glauben und gegen das sich hieraus ergebende Verbot des ,,venire contra faktum proprium" nicht entgegenhalten zu lassen, wenn sie sich jetzt auf die bereits 1966/1967 erfolgte Betriebsaufgabe beruft. Denn die in den Steuererklärungen bzw. Bilanzen zum Ausdruck kommende steuerliche Beurteilung der Vorgänge im Zusammenhang mit der Betriebseinstellung durch ihren verstorbenen Ehemann und den steuerlichen Berater besagt nichts darüber, ob der Fabrikationsbetrieb in Form einer Verpachtung weiter bestanden hat oder nicht. Auch in der möglichen Äußerung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin in der Schlußbesprechung (am 28. April 1967), daß dieser noch nicht über eine Überführung der Betriebsgrundstücke in das Privatvermögen entschieden habe, ist ein widersprüchliches Verhalten nicht zu sehen.
Fundstellen
Haufe-Index 64039 |
BFH/NV 1993, 358 |