Leitsatz (amtlich)
1. Ein kurzfristiger Zwischenkredit, der für einen Zeitraum von rund 16 Monaten bis zur Zuteilung eines Bauspardarlehns gewährt wird, ist keine Dauerschuld im Sinne von § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG.
2. Zinsen für einen solchen Kredit sind nicht deshalb bei der Ermittlung des Gewerbeertrags außer Betracht zu lassen, weil dieser eine Kürzung nach § 9 Nr. 1 GewStG erfährt. Der I. Senat tritt dem Urteil des IV. Senats des Bundesfinanzhofs IV R 135-136/68 vom 22. Mai 1969 (BFH 95, 443, BStBl II 1969, 468) insoweit bei.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1, § 9 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Der Steuerpflichtigen wurde am 31. Oktober 1961 von einer Bank ein Kontokorrentkredit bis zur Höhe von 630 000 DM eingeräumt. Er diente zur Finanzierung des Erwerbs zweier Grundstücke, deren Einheitswerte insgesamt 394 400 DM betrugen. Nach den Vereinbarungen zwischen der Bank und der Steuerpflichtigen wurde der Kredit in Höhe eines Teilbetrages von 350 000 DM zur Vorfinanzierung des Ansparkapitals für Bausparverträge der Steuerpflichtigen und in Höhe eines Teilbetrags von 280 000 DM als Zwischenfinanzierung der von der Bausparkasse zugesagten und dem Erwerb der Grundstücke dienenden Bauspardarlehen gewährt. Im Streitjahr 1962 belief sich der Mindestbetrag der Schuld auf 348 414 DM. Das FA rechnete dem Gewinn der Steuerpflichtigen 26 131 DM (7,5 v. H. aus 348 414 DM) hinzu. Der Kredit wurde nach Zuteilung der Bausparverträge im Februar 1963 direkt durch die Bausparkasse abgedeckt.
Das FG, das ebenso wie das FA den Kredit als Dauerschuld ansah, führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, daß Kontokorrentschulden, besonders solche, die offensichtlich im Zusammenhang mit Geschäftsvorgängen stünden, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr kurzfristig abgewickelt würden, in der Regel zwar laufende Verbindlichkeiten seien. Im Streitfall sprächen jedoch zwei entscheidende Gesichtspunkte für die Annahme einer nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals der Steuerpflichtigen. Der Kredit habe unstreitig eine Laufzeit von mehr als 12 Monaten gehabt, was nach der ständigen Rechtsprechung des BFH die Annahme einer Dauerschuld rechtfertige. Hinzu komme, daß es sich um die Finanzierung eines Grundstückserwerbs gehandelt habe, also eines Vorgangs, bei dem eine kurzfristige Abwicklung ungewöhnlich sei. Es sei auch nicht angängig, Schulden zum Abzug zuzulassen, die mit unter die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 GewStG fallenden Betriebsvermögensteilen (hier: Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) in wirtschaftlichem Zusammenhang stünden, selbst wenn es sich um laufende und nicht um Dauerschulden handle (vgl. Urteil des RFH VI 290/40 vom 11. Februar 1941, RStBl 1941, 284, und Abschn. 47 Abs. 14 Satz 2 GewStR).
Die Steuerpflichtige macht hiergegen mit ihrer Revision geltend, daß nach ständiger Rechtsprechung die Zeitdauer eines Kredits zwar ein Merkmal für das Vorliegen des Tatbestands des § 8 Nr. 1 GewStG bilden könne und daß auch die Art des Wirtschaftsguts, dessen Finanzierung der Kredit diene, zu beachten sei. Eine Dauer von mehr als 12 Monaten sei aber kein gesetzliches Merkmal. Sie sei ein durchaus geeignetes Hilfsmittel der Beurteilung, das aber nie für sich allein entscheidend sei. Ein weiteres Hilfsmittel sei die Berücksichtigung des mit der Schuld finanzierten Wirtschaftsguts. Unter sonst gleichen Bedingungen könne ein Kredit, der der Finanzierung einzelner Warenposten diene, anders zu beurteilen sein als ein sonst gleicher Kredit, der der Finanzierung des Anlagevermögens diene.
Im vorliegenden Falle handle es sich aber um eine kurzfristige Zwischenfinanzierung. Die Kurzfristigkeit sei von Anfang an vereinbart gewesen. Nur zu dem kurzfristigen Zweck habe die Bank den Kredit gewährt. Der tatsächliche Verlauf habe auch der Vereinbarung entsprochen. Nach Zuteilung der Bausparverträge sei der gewährte Zwischenkredit unverzüglich durch die Bausparkasse abgedeckt worden. Dies entspreche dem üblichen Geschäftsverlauf in derartigen Fällen, in denen von Anfang an eine langfristige Finanzierung durch die Bausparkasse geplant sei. Da nach dem Geschäftsplan der Bausparkassen erst nach einer gewissen Zeit die Zuteilung der Bausparverträge möglich sei, bedürfe es einer kurzfristigen Zwischenfinanzierung. Demgemäß sei auch der Zwischenkredit befristet gewesen "längstens bis zur Zuteilung der Bausparverträge".
Das FA hält unter Hinweis auf Abschn. 47 Abs. 8 GewStR die Revision für unbegründet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Vorentscheidung kann keinen Bestand haben.
Der IV. Senat des BFH hat mit Urteil IV R 135-136/68 vom 22. Mai 1969 (BFH 95, 443, BStBl II 1969, 468), aufbauend auf der Rechtsprechung des erkennenden Senats im Urteil I 51/65 vom 14. November 1968 (BFH 94, 574, BStBl II 1969, 266) entschieden, daß es sich bei Zwischenkrediten der vorliegenden Art nicht um Dauerschulden i. S. der Vorschriften des § 8 Nr. 1 und des § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG handle, weil im laufenden Geschäftsverkehr entstandene Verbindlichkeiten vorlägen, die unter Berücksichtigung der Eigenart des Betriebs in einem durch die Sachlage gebotenen und gerechtfertigten Zeitraum abgewickelt würden. Der erkennende Senat stimmt mit diesen Grundsätzen überein. Er folgt dem Urteil IV R 135-136/68, a. a. O., darüber hinaus auch insoweit, als dieses die Hinzurechnung der Zinsen wie Dauerschulden gemäß der auf dem RFH-Urteil VI 290/40, a. a. O., beruhenden Regelung in Abschn. 47 Abs. 14 Satz 2 GewStR für unzulässig hält. Wie der VI. Senat des BFH im Urteil VI 269/64 vom 11. Februar 1966 (BFH 85, 293, BStBl III 1966, 316) zutreffend ausgeführt hat, gibt es keinen allgemeinen, für alle Steuergesetze geltenden Rechtsgrundsatz, daß Verbindlichkeiten bei der Besteuerung unberücksichtigt bleiben müssen, wenn die Vermögenswerte, mit denen diese Schulden wirtschaftlich zusammenhängen, bei der Steuer außer acht bleiben. Nur ein solcher allgemeiner Grundsatz könnte aber im vorliegenden Falle die Hinzurechnung der Zinsen zum Gewerbeertrag rechtfertigen; denn nach § 7 GewStG ist der Gewinn, der die Grundlage des Gewerbeertrags bildet, nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermitteln. Nach diesen Vorschriften gehören Zinsen für Schulden, die auf den zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücken lasten, zu den Betriebsausgaben. Eine Bestimmung, die den Abzug solcher Zinsen im vorliegenden Falle verbieten würde, liegt nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 68656 |
BStBl II 1969, 666 |
BFHE 1969, 406 |