Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen einer GmbH, der über Gesellschaften bürgerlichen Rechts von deren Organgesellschaften erwirtschaftete Gewinne zufließen, sind Vermögen und Erträge der Beteiligungsgesellschaften bei der Berechnung des Vermögenswerts und des Ertragshundertsatzes der GmbH einzubeziehen.
2. Bei der Entscheidung darüber, ob ein Abschlag wegen nachhaltig geringer Erträge gemäß Abschn. 79 Abs. 3 VStR 1966 zu gewähren ist, sind die Erträge aus Beteiligungen zu berücksichtigen. Die Höhe der Verzinsung richtet sich nach der nachhaltigen Gesamtverzinsung des eingesetzten Gesamtkapitals.
Normenkette
BewG 1965 § 11 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH mit voll eingezahltem Stammkapital von 100 000 DM, betreibt einen Groß- und Einzelhandel.
Sie hält Beteiligungen an der
P GmbH mit 5,5 v. H. des Stammkapitals,
gemeiner Wert 36 620 DM
I GmbH mit 3,5 v. H. des Stammkapitals,
gemeiner Wert 1 900 DM
B GmbH mit 5,5 v. H. des Stammkapitals,
gemeiner Wert 2 000 DM.
Diese drei Gesellschaften sind Organgesellschaften gleichnamiger Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), an denen die Klägerin wie folgt beteiligt ist:
P GbR 5,5 v. H. 28 528 DM
I GbR 3,5 v. H. 2 643 DM
B GbR 5,5 v. H. 18 813 DM
Gesamtwert der Beteiligungen 90 504 DM.
Zwischen den Kapitalgesellschaften und den GbR bestehen Ergebnisabführungsverträge. Aus den Beteiligungen flossen der Klägerin folgende anteilige Gewinne zu:
1963 42 790 DM
1964 65 919 DM
1965 37 413 DM
Summe 146 122 DM.
Durch Bescheid vom 15. Februar 1968 hat das beklagte FA den gemeinen Wert der Anteile zum 31. Dezember 1965 nach dem sog. Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 ff. VStR 1966) auf 700 DM je 100 DM Stammkapital festgestellt.
Mit ihrer Sprungklage beantragte die Klägerin, den gemeinen Wert der Anteile zum 31. Dezember 1965 auf 442 DM je 100 DM Stammkapital herabzusetzen. Sie begehrte, bei der Ermittlung des Vermögenswerts die künftige Ertragsteuerbelastung aus den vermögensteuerlich aufgedeckten Reserven mit dem abgezinsten Gegenwartswert von 88 000 DM abzuziehen. Außerdem sei nach dem Stichtagsprinzip die auf den Gewinnausschüttungen lastende Körperschaftsteuerschuld nicht nur mit 15 v. H., sondern mit 51 v. H. vermögensmindernd zu berücksichtigen.
Bei der Ermittlung des Vermögenswerts habe das FA zu Unrecht den - ebenfalls nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten - gemeinen Wert der Anteile an den Beteiligungsgesellschaften erfaßt. Auch die Erträge der Beteiligungsgesellschaften, die bereits im gemeinen Wert der Anteile an den Beteiligungsgesellschaften enthalten seien, habe das FA zu Unrecht dem von der Klägerin erwirtschafteten Ergebnis hinzugerechnet.
Wegen nachhaltig geringer Erträge beantragte die Klägerin einen Abschlag in Höhe von 10 v. H. des gemeinen Werts.
Die Vorinstanz gab der Klage teilweise statt und ermäßigte den gemeinen Wert der Anteile von 700 DM auf 628 DM je 100 DM Stammkapital.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 11 Abs. 2 BewG. Sie ist der Auffassung, Vermögen und Erträge aus ihren Beteiligungen seien bei der Berechnung des Vermögenswerts und des Ertragshundertsatzes bei der Ermittlung des gemeinen Werts ihrer Anteile nicht zu berücksichtigen, sondern gesondert zu erfassen. Die Bewertungsmethode von FA und FG führe zu einer Kumulierung der Ertragsauswirkung der Beteiligungsgesellschaften, widerspreche kaufmännisch richtigem Rechnen und habe wirtschaftlich falsche Ergebnisse zur Folge. In dem Vermögenswert der Klägerin sei der Ertragswert der Beteiligungsgesellschaften bereits enthalten, wirke sich jedoch als Bestandteil des Gesamtertrages der Obergesellschaft bei der Ermittlung deren Ertragshundertsatzes nochmals aus. Bei dem Vermögenswert der Klägerin dürften die Anteile an den Beteiligungsgesellschaften nicht mit deren gemeinem Wert (der die Ertragsaussichten der Untergesellschaft bereits berücksichtige), sondern nur mit dem Vermögenswert angesetzt werden. Das Stuttgarter Verfahren sei zunächst auf das Vermögen der Klägerin ohne Vermögen und Erträge aus den Beteiligungen anzuwenden. Dem so ermittelten Wert müsse der gemeine Wert der Beteiligungen - bezogen auf das Stammkapital der Klägerin - hinzugerechnet werden. Dies bedeute rechnerisch, daß vom Gesamtvermögen der Klägerin das Beteiligungsvermögen abgesetzt werde und aus den Erträgen der Klägerin die Gewinne aus Beteiligungen zu eliminieren seien. Dabei sei gleichgültig, ob die Obergesellschaft 100 v. H. der Anteile an der Untergesellschaft oder eine geringere Beteiligung halte. Es sei auch unbeachtlich, auf welche Weise die Erträge der Untergesellschaft auf die Obergesellschaft übergingen. Das wirtschaftliche Ergebnis dürfe nicht davon abhängen, ob die Erträge der Untergesellschaft im Wege normaler Gewinnausschüttungen oder über einen organschaftlichen Ergebnisabführungsvertrag der Obergesellschaft zuflössen. Es werde nicht verkannt, daß der nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelte Wert nur ein Annäherungswert sei und im Einzelfall gewisse Unebenheiten hingenommen werden müßten. Sei die Auswirkung der vom FA und FG angewandten Methode nur geringfügig - etwa wenn die Erträge der Untergesellschaft und der Obergesellschaft, bezogen auf das Vermögen, relativ gleich seien -, so könne im Interesse der Einfachheit und Klarheit der Bewertungsmethode auf eine gesonderte Behandlung der Beteiligungen verzichtet werden. Seien jedoch die Erträge der Untergesellschaft höher als die der Obergesellschaft, ergebe sich ohne gesonderte Behandlung der Beteiligungen eine zu hohe Bewertung, die nicht mehr in Kauf genommen werden könne. Dies gelte für den Streitfall, wo die gesonderte Behandlung der Beteiligungen zu einer Bewertungsdifferenz von 62 v. H. führe. Einer gesonderten Behandlung der Beteiligung stünden auch nicht Gründe mangelnder Praktikabilität entgegen. Der Veranlagungsbeamte könne ohne weiteres ermitteln, mit welchen Werten die Beteiligungen im Vermögen enthalten und in welcher Höhe Erträge aus Beteiligungen angefallen seien. Zu Unrecht habe das FG einen Sonderabschlag nach Abschn. 79 Abs. 3 VStR 1966 abgelehnt. Ohne Berücksichtigung der Erträge aus den Beteiligungsgesellschaften hätte die Klägerin in den Jahren 1963 bis 1965 einen durchschnittlichen Jahresverlust von 6 171 DM hinnehmen müssen. Bei einem durchschnittlichen Jahresverlust von 12 517 DM für die Jahre 1960 bis 1962 könne im Streitfall die Nachhaltigkeit ihrer ungünstigen Ertragslage im Sinne von Abschn. 79 Abs. 3 VStR 1966 bejaht werden.
Die Klägerin beantragt, den gemeinen Wert der Anteile auf 519 v. H. je 100 DM Stammkapital festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Die Vorinstanz hat den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zutreffend auf 628 DM je 100 DM Stammkapital festgestellt.
Nicht notierte Anteile sind gemäß § 11 Abs. 2 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Läßt sich der gemeine Wert nicht aus zeitnahen Verkäufen ableiten, ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen. Das Stuttgarter Verfahren ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein geeignetes, wenngleich die Gerichte nicht bindendes Verfahren zur Ermittlung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile.
Bei der Wertermittlung geht das Stuttgarter Verfahren in erster Linie von dem Vermögenswert der Gesellschaft aus und berücksichtigt die Ertragsaussichten nur als Korrektiv. Bei der Ermittlung des Vermögenswerts der Klägerin ist ihr gesamtes Vermögen zu erfassen. Dazu gehören u. a. die Beteiligungen an den drei GbR, deren Betriebsvermögen wegen des Organschaftsverhältnisses zwischen den drei GbR und den drei GmbH auch den gemeinen Wert der Anteile an den drei GmbH umfaßt. Daß die Anteile an den drei GmbH im Streitfall nicht als Betriebsvermögen der GbR behandelt, sondern dem Betriebsvermögen der Klägerin unmittelbar zugerechnet wurden, rechtfertigt nicht das Begehren der Klägerin, ihren Vermögenswert unter Außerachtlassung des gemeinen Werts der Beteiligungsgesellschaften zu ermitteln und den Wert der Beteiligungsgesellschaften in einem zusätzlichen Rechengang außerhalb des Stuttgarter Verfahrens dem gesondert ermittelten Wert ihrer Anteile zuzurechnen. Der gemeine Wert der Anteile an den drei Beteiligungsgesellschaften gehört zum Betriebsvermögen der drei GbR und erhöht somit zu Recht deren Betriebsvermögen und - da das Betriebsvermögen anteilig der Klägerin zuzurechnen ist - den Vermögenswert der Klägerin. Von diesen Erwägungen wird auch ein fiktiver Erwerber der Anteile an der Klägerin bei der Ermittlung des Vermögenswerts ausgehen.
Die der Klägerin aus ihren Beteiligungen zugeflossenen Gewinne sind auch bei der Ermittlung ihres Ertragshundertsatzes zu berücksichtigen. Bereits in der Entscheidung III 56/65 vom 4. Juli 1969 (BFH 96, 319, BStBl II 1969, 609) hat der Senat die in Abschn. 83 Abs. 4 VStR 1966 vertretene Auffassung gebilligt, daß in Fällen der Organschaft mit Gewinnabführungsvereinbarung bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes der Anteile des Organträgers der vom Organ abgeführte Gewinn in der Regel zu berücksichtigen ist. Hieran hält der Senat fest. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die in jener Entscheidung gebilligte Methode der Anteilsbewertung nicht dazu, daß sich der Ertrag der Tochtergesellschaft zweimal in vollem Umfang werterhöhend auswirkt. Die Klägerin verkennt, daß bei der Berechnung von Vermögens- und Ertragswert nach dem Stuttgarter Verfahren ein System von Abschlägen von wesentlicher Bedeutung für die Höhe der ermittelten Werte ist. Bei Verschachtelung mehrerer Gesellschaften - insbesondere beim Vorliegen von Organschaftsverhältnissen - führt die Systematik des Stuttgarter Verfahrens zu einer wiederholten Gewährung von Abschlägen, die wegen der wirtschaftlichen Einheit der miteinander verbundenen Gesellschaften nicht gerechtfertigt sind und durch die doppelte Erfassung der Erträge der Beteiligungsgesellschaft in der Regel wieder ausgeglichen werden. So übersieht die Klägerin, daß der nach Abschn. 77 Abs. 1 bis 4 VStR 1966 errechnete Wert - in dem u. a. die Anteile an den Beteiligungsgesellschaften enthalten sind - nach Abschn. 77 Abs. 5 VStR 1966 um 10 v. H. zu kürzen ist und daß der abgelieferte Gewinn bei der Klägerin der Körperschaftsteuer unterliegt, also nicht voll angesetzt werden darf. Durch diese Korrekturen, die für das Funktionieren des Stuttgarter Verfahrens von wesentlicher Bedeutung sind, wird in der Regel der Umstand, daß die Ertragsaussichten der Beteiligungsgesellschaften sich bereits bei der Bewertung ihrer Anteile ausgewirkt haben, ausreichend berücksichtigt. Das gilt auch für den Streitfall. Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß es sich bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht um einen jener wenigen Ausnahmefälle handelt, in denen der gemeine Wert der Anteile an der Klägerin durch einen zusätzlichen Abschlag oder in anderer Weise ermäßigt werden müßte (vgl. Urteil III 56/65, a. a. O.). Der Senat hat mehrfach hervorgehoben, daß der nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelte Wert nur ein Annäherungswert sein kann und daß im Einzelfall gewisse Unebenheiten in Kauf genommen werden müssen.
Schließlich entspricht der Ansatz der Anteile an den Beteiligungen mit dem gemeinen Wert auch der Behandlung von Wertpapieren mit Börsenkursen. Besitzt eine GmbH an Börsen notierte Aktien, so werden diese ebenfalls mit dem die Ertragsaussichten berücksichtigenden Börsenkurs bei der Ermittlung des Vermögenswerts erfaßt. Ähnlich wie die Erträge aus Aktien sind auch die Erträge aus den Beteiligungsgesellschaften dem übrigen Gewinn der die Beteiligungen haltenden GmbH zuzurechnen, wirken sich also im Gesamtbetrag der Anteilsinhaberin aus. Die von der Klägerin im Streitfall begehrte getrennte Behandlung der Vermögen und der Erträge aus den Beteiligungsgesellschaften ist demnach auch im Hinblick auf die Behandlung notierter Wertpapiere wirtschaftlich nicht gerechtfertigt.
FA und FG haben zutreffend einen Abschlag wegen nachhaltig geringer Erträge nach Abschn. 79 Abs. 3 VStR 1966 versagt. Entgegen der Auffassung der Klägerin dürfen die Erträge aus Beteiligungen bei der Beurteilung, ob die Kapitalverzinsung angemessen ist, nicht unberücksichtigt bleiben. Denn ein fiktiver Erwerber der Anteile an der Klägerin würde auf die nachhaltige Gesamtverzinsung des von ihm für den Erwerb der Anteile aufzuwendenden Kapitals abstellen. Dabei wird ihm in der Regel gleichgültig sein, wie die Kapitalgesellschaft ihren Gewinn erwirtschaftet, ob und in welchem Umfang das Betriebsergebnis auf der eigenen gewerblichen Tätigkeit der GmbH beruht oder auf Beteiligungserträge zurückgeht. Unter Einbeziehung der Beteiligungserträge beträgt die Verzinsung des eingesetzten Kapitals rd. 7 v. H. Eine solche Verzinsung war zum 31. Dezember 1965 im Verhältnis zu anderen Kapitalgesellschaften keinesfalls außergewöhnlich niedrig.
Das FG hat den gemeinen Wert der Anteile hinsichtlich der übrigen mit der Klage geltend gemachten Beanstandungen ohne Rechtsfehler festgestellt....
Fundstellen
Haufe-Index 69683 |
BStBl II 1972, 5 |
BFHE 1972, 223 |