Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerpflichtiger, der durch schwerwiegende sachliche Mängel seiner Buchführung Anlaß zur Schätzung seines Umsatzes gegeben hat, kann nicht verlangen, daß das Finanzamt oder das Finanzgericht bei der Schätzung sämtliche vom Steuerpflichtigen ausgeführten Arbeiten nach den vorhandenen Unterlagen kalkuliert, wenn sich dieses Verlangen nicht in den Grenzen des Zumutbaren hält.

 

Normenkette

AO § 217

 

Tatbestand

Streitig sind Grund und Höhe von Umsatzschätzungen für die Veranlagungszeiträume 1950 - 1953, die das Finanzamt auf Grund einer Betriebsprüfung im April 1954 im Bau-Zimmereigeschäft des Beschwerdeführers (Bf.) vorgenommen hat.

Der Einspruch blieb erfolglos. Die Berufung hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht den Aufschlag auf den produktiven Lohneinsatz von 68 % auf 64 % ermäßigt hat.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt, daß die Vorinstanz insoweit von unrichtigen rechtlichen Erwägungen ausgegangen sei, als nach Auffassung des Finanzgerichts das jeder Schätzung anhaftende Risiko vom Steuerpflichtigen in Kauf genommen werden müsse. Es werden ferner Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs durch Ablehnung des Antrags auf mündliche Verhandlung sowie sachliche Mängel bei der Schätzung des Umsatzes gerügt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Die Vorinstanzen waren nach § 217 der Reichsabgabenordnung (AO) zur Schätzung des Umsatzes berechtigt und verpflichtet. Die festgestellten formellen und sachlichen Mängel, die zum größten Teil schon bei einer Betriebsprüfung des Jahres 1950 bestanden haben und bis zur nächsten Betriebsprüfung nicht abgestellt worden sind, insbesondere die einwandfrei festgestellte Nichtverbuchung von Einnahmen, die Mängel der Kassenbuchführung, die nicht vollständige Verbuchung des Wareneingangs, stellen so grobe Verstöße gegen die dem Bf. nach § 15 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB), §§ 160 - 162 AO und die Verordnung über die Führung eines Wareneingangsbuchs vom 20. Juni 1935 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 752) auferlegten Verpflichtungen dar, daß die Ergebnisse der Buchführung zu verwerfen und die Umsätze zu schätzen waren. Der Bf. hat in seiner Stellungnahme zum Betriebsprüfungsbericht vom 12. November 1954 die durch den Betriebsprüfer festgestellten Mängel wohl zu bagatellisieren versucht, sie aber nicht widerlegen können. Es entspricht, wie dem Vorbringen der Rb. gegenüber festzustellen ist, der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, daß bei gröblicher Verletzung der Buchführungspflichten die einer jeden Schätzung anhaftende Unsicherheit zu Lasten des Steuerpflichtigen geht, der selbst Anlaß zu der Schätzung gegeben hat. Ein Grundsatz, daß bei Schätzungen im Zweifel zugunsten des Steuerpflichtigen zu schätzen sei, besteht für das Steuerrecht nicht. Andererseits ist es anerkannten Rechts, daß bei der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die hierfür von Bedeutung sind (ß 217 Abs. 1 Satz 2 AO). Es ist nicht erkennbar, daß die Vorinstanzen diesen Grundsatz verletzt haben. Den Besonderheiten des Betriebes ist vielmehr, wie schon die Höhe der Aufschläge auf den Material- und produktiven Lohneinsatz ergibt, die an der untersten Grenze der Richtsätze oder darunter liegen, ausreichend Rechnung getragen. Das Ergebnis der Schätzung hält sich im Rahmen des Möglichen und ist daher für den Senat bindend.

Der Senat kann auch eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs nicht feststellen. Der Betriebsprüfungsbericht und damit die Schätzungsgrundlagen sind dem Bf. rechtzeitig bekanntgegeben worden. Er hatte ausreichend Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen und hat dies auch mehrfach im Einspruchs- und Berufungsverfahren getan. Der Bf., der im Berufungsverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten war, hatte damit rechnen müssen, daß unter Umständen auch ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 630/55 U vom 21. Februar 1957, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 164, Slg. Bd. 64 S. 437). Der Senat vermag den gerügten Verfahrensmangel vor allem deshalb nicht anzuerkennen, weil nach seiner überzeugung das Urteil der Vorinstanz auch nach mündlicher Verhandlung nicht anders ausgefallen wäre; denn der Bf., der die Richtigkeit der vom Betriebsprüfer verwendeten Ausgangszahlen, die der Buchführung des Bf. entnommen sind, im einzelnen nicht bezweifelt hat, kann angesichts des Umfangs der festgestellten Buchführungsmängel nicht verlangen, daß die Schätzung auf anderen Unterlagen aufgebaut wird, denen zufolge in Einzelfällen möglicherweise einmal niedriger kalkuliert worden ist. Vor allem hat der Bf. keinen Anspruch darauf, daß nun das Finanzgericht den Umsatz dadurch ermittelt, daß es sämtliche vom Bf. in den vier streitigen Veranlagungszeiträumen ausgeführte Arbeiten nach den vorhandenen Unterlagen kalkuliert. Wäre dies rechtens, so verlören die eingehenden Buchführungsvorschriften ihren Sinn. Die vom Gesetz den Steuerpflichtigen auferlegten Pflichten können vom Finanzamt immer nur in einem Umfang nachgeholt werden, der sich in den Grenzen des Zumutbaren hält. Außerdem besteht angesichts der in Anlage 3 zum Betriebsprüfungsbericht zusammengestellten nicht verbuchten Geschäftsvorfälle durchaus nicht die Gewähr, daß ein so ermittelter Umsatz einen höheren Grad von Wahrscheinlichkeit hat als der Umsatz nach der vom Finanzamt angewendeten Schätzungsmethode.

Nach allem war die Rb. mit der Kostenfolge des § 307 AO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409208

BStBl III 1959, 16

BFHE 1959, 41

BFHE 68, 41

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