Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abgrenzung der Grundstücksarten Ein- und Zweifamilienhaus zu gemischtgenutzten Grundstücken.
2. Weist das äußere Erscheinungsbild eines Grundstücks Merkmale auf, die die gewerbliche Mitbenutzung deutlich in den Vordergrund rücken und damit dem Grundstück das Gepräge geben, so kommt es auf das Verhältnis der gewerblich genutzten Fläche zur Wohnfläche in Gebäuden oder Gebäudeteilen grundsätzlich nicht mehr an. Der inneren baulichen Gestaltung kommt in diesem Zusammenhang nur noch nachrangige Bedeutung zu.
Normenkette
BewG 1965 § 75 Abs. 4, 5 S. 4, Abs. 6 S. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind je zur Hälfte Miteigentümer eines etwa 1 500 qm großen Grundstücks, in dem sie einen Handel und eine Reparaturwerkstatt für Altmöbel betreiben. Das Finanzgericht (FG) stellte durch Augenscheinseinnahme folgendes fest: Auf dem Grundstück befinden sich im wesentlichen ein altes zweieinhalbstöckiges Fachwerkhaus --das Hauptgebäude-- und ein langgezogenes Nebengebäude. Das Hauptgebäude liegt an der Straßenseite des Grundstücks. Seine Frontbreite beträgt rd. 16 m, die Tiefe an der Südseite 11,40 m. Zur Straßenseite befinden sich an der Süd- und an der Nordseite je ein Frontspieß. Unterhalb des südseitigen 4,5 m breiten Frontspießes tritt das Gebäude etwa 1,4 m vor. Im Erdgeschoß befinden sich zur Straßenseite hin sechs Fenster normaler Größe und der Haupteingang, im ersten Stockwerk sieben Fenster. An der Nordseite des Hauptgebäudes schließt sich ein eingeschossiges 5,65 m breites und 5,5 m tiefes Nebengebäude an, in dem sich Haushaltsarbeitsräume befinden. Im westlichen Teil des Grundstücks steht ein Schuppen, der sich nahezu über die gesamte Grundstücksbreite erstreckt, mit Garage, Lager-, Werkstatt-, Fahrradraum und dergleichen. Ein in Richtung Hauptgebäude offener, überdachter Unterstellraum und eine Art Hühnerstall schließen sich in nördlicher Richtung an. Der nördliche Teil des Schuppens ist von der Straße aus zu sehen. Auf Kundenparkplätze wird durch ein Schild hingewiesen. Durch den Haupteingang gelangt man in einen Flur, von dem aus der etwa 11,40 m x 4,50 m große Ausstellungsraum zu erreichen ist. Durch einen weiteren Flur nach rechts gelangt man in den Wohnbereich. Die Gesamtwohnfläche beträgt 329,96 qm, die gewerblich genutzte Fläche etwa 120 qm. Die Jahresrohmiete beträgt nach dem bestandskräftigen Wert- und Zurechnungsfortschreibungsbescheid auf den 1.Januar 1978 für den Wohnteil 4 585 DM, für den gewerblich genutzten Teil 3 181 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat den Einheitswert für das streitbefangene Grundstück zum 1.Januar 1964 (Hauptfeststellung) auf 64 000 DM und die Grundstücksart gemischtgenutztes Grundstück festgestellt. Den Antrag der Kläger auf Artfortschreibung des Grundstücks zum 1.Januar 1978 als Einfamilienhaus hat das FA mit Bescheid vom 16.Juni 1978 abgelehnt.
Der Einspruch und die Klage hiergegen waren erfolglos. In seiner Entscheidung vertrat das FG die Auffassung, nach dem äußeren Erscheinungsbild handele es sich nicht um ein typisches Einfamilien- oder Zweifamilienhaus, weil der Wohncharakter dem Gebäude nicht das Gepräge gebe. Das verhältnismäßig große Hauptgebäude wirke äußerlich durch das nördlich angebaute Nebengebäude mit Wirtschaftsräumen und dem Schuppen --soweit er von der Straße sichtbar sei-- wie ein Grundstück mit aufstehenden Wirtschaftsgebäuden. Dieses Erscheinungsbild werde mitgeprägt durch den von außen einsehbaren Ausstellungsraum. Der äußere Eindruck werde beim Betreten des Hofraumes bestätigt, da hier Werkstatt und Lagerraum auf die gewerbliche Nutzung hinwiesen. Auch in der inneren Gestaltung trete die gewerbliche Nutzung durch den Ausstellungsraum deutlich in Erscheinung. Das Grundstück sei vom FA zutreffend der Grundstücksart gemischtgenutztes Grundstück zugeordnet worden.
Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das Grundstück der Kläger ist zu Recht der Grundstücksart gemischtgenutztes Grundstück zugeordnet.
Wie zu verfahren ist, wenn ein Ein- oder Zweifamilienhaus zu gewerblichen Zwecken mitbenutzt wird, ergibt sich aus § 75 Abs.5 Satz 4 und Abs.6 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG). Ob im Streitfall eine andere Artfeststellung als Ein- oder Zweifamilienhaus in Betracht kommt, hängt demnach davon ab, ob wegen der gegebenen gewerblichen Mitbenutzung deren Eigenart wesentlich beeinträchtigt wird. Zu dieser Frage hat das FG nach Ortsbesichtigung zutreffend und überzeugend die Umstände dargelegt, aus denen sich eine wesentliche Beeinträchtigung ergibt. Seine Feststellungen wurden insoweit von der Revision auch nicht angegriffen. Der Senat kann es daher dahingestellt sein lassen, ob das Grundstück andernfalls als Ein- oder Zweifamilienhaus zu bewerten wäre.
Ein besonderes Gewicht könnte allerdings den Ausführungen der Kläger zukommen, die gewerblich genutzte Fläche (120 qm) trete gegenüber der Wohnfläche (330 qm) des Hauses in den Hintergrund.
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 9. Oktober 1985 II R 249/81 (BFHE 145, 232) ausgeführt, es hänge vom Umfang der freiberuflichen (im Streitfall handelt es sich um gewerbliche) Nutzung, dem äußeren Erscheinungsbild des Grundstücks und der inneren baulichen Gestaltung des Gebäudes ab, ob die Eigenart des Wohngrundstücks als Einfamilienhaus wesentlich beeinträchtigt werde. Er wies darauf hin, daß der räumliche Umfang kein ausschließliches Beurteilungsmerkmal, sondern nur einen Anhaltspunkt darstellt, der im Zusammenhang mit weiteren Merkmalen von Bedeutung ist. Er maß dabei neben der inneren Gestaltung des Gebäudes dem äußeren Erscheinungsbild besondere Bedeutung zu. Der bisher zuständige III.Senat hat in seiner Entscheidung vom 27.Mai 1970 III R 65/68 (BFHE 99, 493, BStBl II 1970, 678), der sich der erkennende Senat anschließt, hierzu ausgeführt, auch bei einer flächenmäßig untergeordneten Mitbenutzung zu anderen als Wohnzwecken, könne die Eigenart des (im Entscheidungsfall) Einfamilienhauses wesentlich beeinträchtigt werden. Dies muß bei einer gewerblichen Mitbenutzung --wie im Streitfall-- in erhöhtem Maße zutreffen (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2.Juli 1976 III R 54/75, BFHE 119, 294, BStBl II 1976, 640). Weist demnach im Einzelfall --wie hier-- nach den tatsächlichen Feststellungen des FG das äußere Erscheinungsbild eines Grundstücks Merkmale auf, die die gewerbliche Mitbenutzung deutlich in den Vordergrund rücken und damit dem Grundstück das Gepräge geben, so kommt es auf das Verhältnis der gewerblich genutzten Fläche zur Wohnfläche in Gebäuden oder Gebäudeteilen grundsätzlich nicht mehr an. Der inneren baulichen Gestaltung kommt in diesem Zusammenhang nur noch nachrangige Bedeutung zu.
Fundstellen
Haufe-Index 60834 |
BStBl II 1986, 173 |
BFHE 145, 92 |
BFHE 1986, 92 |