Entscheidungsstichwort (Thema)
(Erlaß aus Billigkeitsgründen bei "kleiner Übergangsregelung" - Grundrechtswahrung durch Billigkeitserlaß - Anforderungen an eine Übergangsregelung - Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Behandlung selbstgenutzten Wohnungseigentums - Überprüfung einer Ermessensentscheidung)
Leitsatz (amtlich)
1. Die "kleine Übergangsregelung" des § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG führt in den Fällen, in denen sich die wie Sonderausgaben abziehbaren erhöhten Absetzungen mangels positiver Einkünfte nicht auswirken, zu einer --gemessen am Zweck der Übergangsregelung und im Vergleich zur "großen Übergangsregelung"-- verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Härte.
2. In diesen Fällen ist die Steuer aus sachlichen Billigkeitsgründen so zu erlassen, wie sie unter den Voraussetzungen des § 10d EStG zu erstatten gewesen wäre.
Orientierungssatz
1. Eine generell sachgerechte gesetzliche Regelung ist nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie in Einzelfällen oder bei einer vergleichsweise kleinen Fallgruppe unbillige Ergebnisse zur Folge hat. Führt deshalb ein in seinen Generalisierungen grundsätzlich verfassungsgemäßes Gesetz in einzelnen Fällen oder Fallgruppen zu verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbaren Härten, eröffnet die Ermächtigung zum Billigkeitserlaß die Möglichkeit und ausnahmsweise auch die verfassungsmäßige Pflicht, den Grundrechten insoweit Geltung zu verschaffen (vgl. BVerfG- und BFH-Rechtsprechung; Literatur).
2. Soweit der Gesetzgeber bestehende Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse aufhebt oder ändert, muß er den Eingriff in schutzwürdige Vertrauenstatbestände, insbesondere das Ausmaß des Vertrauensschadens nach Möglichkeit in geeigneter Weise durch eine angemessene Übergangsregelung abmildern oder ausgleichen. Bei der Ausgestaltung einer Übergangsregelung steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Er ist nicht gehalten, alle denkbaren Sonderfälle zu erfassen. Eine Übergangsregelung muß notwendigerweise bis zu einem gewissen Grad pauschalieren. Sie kann nach Fallgruppen unterscheiden, soweit für die unterschiedliche Regelung sachliche Gesichtspunkte vorliegen (vgl. BVerfG-Rechtsprechung, BVerwG-Rechtsprechung und BGH-Rechtsprechung; Literatur).
3. Die bis zum Wegfall der Nutzungswertbesteuerung geltende Regelung der unterschiedlichen steuerrechtlichen Behandlung selbstgenutzten Wohnungseigentums --je nachdem, ob ein Eigentümer das Objekt ausschließlich selbst bewohnte (Besteuerung nach § 21a EStG) oder nur eine Wohnung in seinem im übrigen vermieteten Haus (Besteuerung nach § 21 Abs. 2 EStG)-- war wenig einsichtig, wenn auch verfassungsrechtlich noch nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG-Beschluß vom 8.1.1985 1 BvR 1050/84).
4. Die Entscheidung über einen Erlaßantrag bzw. Erstattungsantrag aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, die im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin überprüft werden darf, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen im einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. GmS-OGB-Beschluß vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70).
Normenkette
EStG § 52 Abs. 21 Sätze 4, 2, § 21 Abs. 2, §§ 10d, 7b; AO 1977 § 227; FGO § 102; GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 21a
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist kaufmännischer Angestellter und seit 1983 Eigentümer einer selbstgenutzten Eigentumswohnung, für die er erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 82i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Anspruch nahm. Der Nutzungswert der Wohnung wurde bis zum 31. Dezember 1986 nach § 21a EStG ermittelt.
Im Jahr 1987 war der Kläger längere Zeit arbeitslos. Die Einkommensteuerveranlagung 1987 führte bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 3 678 DM zu einem zu versteuernden Einkommen von ./. 10 695 DM und zu einer Steuerschuld von 0 DM. Die vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) im Steuerbescheid gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben berücksichtigten, den erhöhten Absetzungen für die eigengenutzte Eigentumswohnung entsprechenden Beträge in Höhe von 12 379 DM wirkten sich wegen der geringen Einkünfte im Ergebnis nicht aus.
Der Kläger beantragte daraufhin den Erlaß der Einkommensteuer 1985 aus sachlichen Billigkeitsgründen, soweit diese bei einem Verlustrücktrag nach § 10d EStG hätte erstattet werden müssen (Verlustrücktrag in Höhe von 8 701 DM; Einkommensteuerminderung 3 311 DM). Die sog. kleine Übergangsregelung in § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG habe zur Folge, daß bei Steuerpflichtigen, die wie er, der Kläger, unverschuldet arbeitslos würden, sich die wie Sonderausgaben abziehbaren erhöhten Absetzungen nicht auswirkten, weil durch die Zuweisung dieser Beträge zu den Sonderausgaben ihm die Möglichkeit eines Verlustrücktrages nach § 10d EStG genommen sei. Diese Benachteiligung durch die Gesetzesänderung widerspreche dem Zweck der Übergangsregelung und sei deshalb im Wege eines Erlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen zu korrigieren.
Der Erlaßantrag hatte keinen Erfolg. In der Beschwerdeentscheidung vertrat die Oberfinanzdirektion --OFD-- (vgl. auch OFD Münster vom 19. Januar 1993 unter Ziff.XII 2, Steuererlasse in Karteiform --StEK--, Einkommensteuergesetz, § 10e, Nr. 52) die Auffassung, die vom Kläger als sachlich unbillig beanstandete Rechtsfolge der sog. kleinen Übergangsregelung --kein Verlustabzug nach § 10d EStG-- sei im Gesetzgebungsverfahren bekannt gewesen und in Kauf genommen worden. Ein Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen scheide deshalb aus.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Die durch den Wegfall der Nutzungswertbesteuerung bedingte Systemänderung habe nicht ohne Übergangsregelung eingeführt werden dürfen, weil zahlreiche Steuerpflichtige die Auswirkungen der bisherigen Nutzungswertbesteuerung --Werbungskostenabzug mit hohem Überschuß der Werbungskosten über die fiktiven Einnahmen-- zur Grundlage langfristiger Vermögensdispositionen gemacht hätten. Die "kleine Übergangsregelung", nach der die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge wie Sonderausgaben abziehbar seien, bedeute für Steuerpflichtige, die bisher diese Beträge als Werbungskosten hätten abziehen können, eine Verschlechterung der Rechtsposition im Hinblick auf § 10d EStG. Zweck der Übergangsregelung in § 52 Abs. 21 EStG sei es, den Besitzstand der von der Systemänderung betroffenen Steuerpflichtigen bis zum Ende des Begünstigungszeitraumes zu wahren. Es sei nicht erkennbar, daß der Gesetzgeber die dem Ziel des Bestandsschutzes widersprechende Folge der "kleinen Übergangsregelung" für die Fälle bedacht habe, in denen die Steuerbegünstigung sich nur durch einen Verlustabzug nach § 10d EStG auswirke. In diesen Fällen entspreche es dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers, aus sachlichen Billigkeitsgründen die Steuer zu erlassen, die zu erstatten wäre, wenn auch für die Abzugsbeträge des § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG die Regelung des § 10d EStG anwendbar wäre.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es führt aus: Aus Vereinfachungsgründen und zum Zweck der Gleichbehandlung jeder Form von selbstgenutztem Wohnraum habe der Gesetzgeber dessen Besteuerung aus dem Einkünftebereich herauslösen wollen. Dies habe die selbstverständliche und vom Gesetzgeber gesehene Folge, daß ein Verlustabzug nach § 10d EStG nicht mehr in Betracht komme. Ein planwidriges "Übersehen" dieser Folge sei deshalb nicht nur bei der Neuregelung durch § 10e EStG, sondern auch bei der Übergangsregelung auszuschließen. Bestätigt werde diese Auffassung durch die Änderungen der §§ 10e und 34f EStG im Rahmen des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992. Dort sei unter bestimmten zeitlichen Voraussetzungen nunmehr die Möglichkeit eingeräumt, nicht ausgenutzte Abzugsbeträge i.S. des § 10e EStG während des gesamten Abzugszeitraumes von acht Jahren nachzuholen; für § 34f EStG sei ausdrücklich eine Regelung über Rück- und Vortrag solcher Abzugsbeträge geschaffen worden, die sich nicht steuerentlastend ausgewirkt hätten. Da der Anwendungsbereich des § 10d EStG unverändert geblieben sei, scheide ein Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen aus. Bestätigt werde diese Auffassung auch dadurch, daß der Gesetzgeber in § 52 Abs. 21 EStG zwei Übergangsregelungen getroffen und deren unterschiedliche Auswirkungen deshalb bedacht habe.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Nach § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
Die Entscheidung über einen Erlaß- bzw. Erstattungsantrag aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, die im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin überprüft werden darf, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 der Finanzgerichtsordnung --FGO--; Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Der Maßstab der Billigkeit bestimmt Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens. Die Unbilligkeit kann entweder in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Februar 1991 II R 63/88, BFHE 164, 114, BStBl II 1991, 541).
2. Unbilligkeit aus sachlichen Gründen --wie sie vom Kläger allein geltend gemacht und vom FG bejaht wurde-- kommt in Betracht, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn des Steuergesetzes nicht vereinbar ist, wenn also ein "Überhang" des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers feststellbar ist und der Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, die Besteuerung aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. z.B. Urteil in BFHE 164, 114, BStBl II 1991, 541). Dabei sind bei der Billigkeitsentscheidung auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes (GG) zu berücksichtigen. Die Ermächtigung zum Billigkeitserlaß erlaubt zwar nicht, die einem --notwendigerweise generalisierenden-- gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell zu korrigieren; verfassungsrechtliche Einwände gegen eine steuerbegründende oder --wie hier-- gegen die eine Steuerentlastung hindernde Gesetzesbestimmung können nur in den dafür vorgesehenen Verfahren geltend gemacht werden. Sie rechtfertigen selbst dann, wenn die Unbilligkeit der Steuererhebung auf einer Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Gesetzesbestimmung beruht, keinen Billigkeitserlaß.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat wiederholt hervorgehoben (z.B. BVerfG-Beschluß vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, 111, 114 m.w.N.), für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von generalisierenden und typisierenden Normen des Steuerrechts sei besonders auch die Möglichkeit des Steuererlasses zur Milderung von unbilligen Härten beim Gesetzesvollzug in besonderen Fällen, seien es Einzelfälle oder Fallgruppen, zu berücksichtigen. Das bedeutet, daß eine generell sachgerechte gesetzliche Regelung nicht deshalb verfassungswidrig ist, weil sie in Einzelfällen oder bei einer vergleichsweise kleinen Fallgruppe unbillige Ergebnisse zur Folge hat. Führt deshalb ein in seinen Generalisierungen grundsätzlich verfassungsgemäßes Gesetz in einzelnen Fällen oder Fallgruppen zu verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbaren Härten, eröffnet die Ermächtigung zum Billigkeitserlaß die Möglichkeit und ausnahmsweise auch die verfassungsmäßige Pflicht, den Grundrechten insoweit Geltung zu verschaffen (vgl. z.B. BVerfG-Entscheidungen vom 22. Mai 1963 1 BvR 78/56, BVerfGE 16, 147, 177; vom 13. Oktober 1971 1 BvL 10/69, BVerfGE 32, 78, 86; in BVerfGE 48, 102, 111, 114; vom 19. Dezember 1978 1 BvR 335, 427, 811/76, BVerfGE 50, 58, 86 jeweils m.w.N.; BFH-Urteil vom 21. April 1977 IV R 161-162/75, BFHE 122, 141, 146, BStBl II 1977, 512; Kirchhof in Recht und Staat im sozialen Wandel, Festschrift für Scupin, 1983, S.780, 783; von Groll in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 227 AO 1977 Rz. 180 und 285 f. m.w.N.).
3. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die "kleine Übergangsregelung" des § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG in den Fällen, in denen sich die wie Sonderausgaben abziehbaren erhöhten Absetzungen mangels positiver Einkünfte nicht auswirken, zu einer gemessen an Art. 3 GG sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führt, soweit diese Beträge --anders als in den von der "großen Übergangsregelung" betroffenen Fällen-- nicht nach § 10d EStG im Wege des Verlustabzugs berücksichtigt werden können. In Härtefällen dieser Art besteht die verfassungsmäßige Pflicht, die Steuer in dem Umfang zu erlassen, wie sie unter den Voraussetzungen des § 10d EStG zu erstatten wäre.
a) Soweit der Gesetzgeber bestehende Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse aufhebt oder ändert, muß er den Eingriff in schutzwürdige Vertrauenstatbestände, insbesondere das Ausmaß des Vertrauensschadens nach Möglichkeit in geeigneter Weise durch eine angemessene Übergangsregelung abmildern oder ausgleichen (vgl. z.B. BVerfG-Beschluß vom 30. September 1987 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256, 359; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 8. Dezember 1988 3 C 6.87, BVerwGE 81, 49, 55 f.; Beschluß des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 13. Juli 1992, NotZ 16/91, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1993, 131; ausführlich Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, 1989, S.84 ff.; Aschke, Übergangsregelungen als verfassungsrechtliches Problem, 1986, S.287 ff.). Bei der Ausgestaltung einer hiernach erforderlichen Übergangsregelung steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung (BVerfGE 76, 256, 359 f.). Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, alle denkbaren Sonderfälle zu erfassen. Eine Übergangsregelung muß notwendigerweise bis zu einem gewissen Grad pauschalieren. Sie kann nach Fallgruppen unterscheiden, soweit für die unterschiedliche Regelung sachliche Gesichtspunkte vorliegen.
b) Die nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung aus Gründen des Vertrauensschutzes erforderliche Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 EStG unterscheidet bei den --wie im Streitfall-- zum Privatvermögen gehörenden selbstgenutzten Objekten danach, ob im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswertes als Überschuß des Mietwertes über die Werbungskosten vorgelegen haben (§ 52 Abs. 21 Satz 2 EStG --"große Übergangsregelung"--) oder ob erhöhte Absetzungen in Anspruch genommen werden dürfen und § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG keine Anwendung findet (§ 52 Abs. 21 Satz 4 EStG --"kleine Übergangsregelung"--).
aa) In den von der "großen Übergangsregelung" erfaßten Fällen ist § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG in den folgenden Veranlagungszeiträumen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen weiter anzuwenden und der Nutzungswert bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1998 weiter nach § 2 Abs. 2 EStG zu ermitteln. Das bedeutet, daß der Steuerpflichtige wie bisher seine Aufwendungen für die Wohnung im eigenen Haus --ggf. mit der Folge steuerlich beachtlicher negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung-- geltend machen kann. Ergeben sich bei ihm aufgrund der Überschußrechnung jedoch positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, so kann er gemäß § 52 Abs. 21 Satz 3 EStG für das neue Recht optieren; der Nutzungswert wird dann nicht mehr erfaßt.
bb) Haben im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von erhöhten Absetzungen vorgelegen und findet § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG (Überschußrechnung) keine Anwendung, können die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge wie Sonderausgaben bis einschließlich des Veranlagungszeitraumes abgezogen werden, in dem der Steuerpflichtige die eigenen Absetzungen letztmals hätte geltend machen können ("kleine Übergangsregelung"). Dies betrifft vor allem Fälle, in denen --wie im Streitfall-- im Veranlagungszeitraum 1986 der Nutzungswert nach § 21a EStG pauschaliert ermittelt worden ist.
c) Für den Regelfall, d.h. bei Steuerpflichtigen mit positivem Gesamtbetrag der Einkünfte, führt auch die "kleine Übergangsregelung" dazu, daß die durch die bisherige Rechtslage veranlaßte Vertrauensposition in einer der "großen Übergangsregelung" vergleichbaren Weise geschützt wird:
aa) Bei der "großen Übergangsregelung" kann der Steuerpflichtige die Vorteile der bisherigen Rechtslage --uneingeschränkte Berücksichtigung aller Werbungskosten einschließlich erhöhter Absetzungen-- bis einschließlich des Veranlagungszeitraumes 1998 uneingeschränkt weiterführen. Weil die Einkünfte einschließlich des Nutzungswertes wie bisher nach § 2 Abs. 2 EStG ermittelt werden, können auch weiterhin nicht ausgeglichene Verluste aus dem jeweiligen Objekt nach § 10d EStG ausgeglichen werden.
bb) Bei der Pauschalierung des Nutzungswerts nach § 21a EStG waren vom Grundbetrag nur die mit der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schuldzinsen bis zur Höhe des Grundbetrages und --nach Abzug dieser Schuldzinsen-- erhöhte Absetzungen abziehbar (§ 21a Abs. 3 EStG). Außerdem konnten nach näherer Maßgabe zusätzlich Schuldzinsen abgezogen werden (sog. erweiterter Schuldzinsenabzug). In der überwiegenden Zahl der Fälle bewirkte die bisherige Begünstigung, daß es --abgesehen vom sog. erweiterten Schuldzinsenabzug-- während des Begünstigungszeitraumes bei einem Verlust in Höhe der erhöhten Absetzungen verblieb. Unter diesen Umständen war zur Besitzstandswahrung ausreichend, wenn dem Steuerpflichtigen bis zum Ende des jeweiligen Begünstigungszeitraumes die nach § 21a Abs. 3 und 4 EStG über den Grundbetrag hinaus abziehbaren Beträge, die erhöhten Absetzungen und der erweiterte Schuldzinsenabzug erhalten blieben (vgl. z.B. Stuhrmann, Deutsche Steuerzeitung --DStZ-- 1986, 263, 268; Horlemann, DStZ 1986, 523, 529). Für den Regelfall wird dies auch dadurch erreicht, daß die erhöhten Absetzungen und die im Rahmen des erweiterten Schuldzinsenabzugs abziehbaren Beträge wie Sonderausgaben abgezogen werden dürfen.
Der aus steuersystematischen Gründen geregelte Abzug der Beträge "wie Sonderausgaben" hat allerdings zur Folge, daß stets dann, wenn für eine steuerrechtliche Entlastungsvorschrift die Höhe bestimmter Einkünfte oder der Gesamtbetrag der Einkünfte maßgeblich ist (z.B. § 10b Abs. 1, § 10d, § 14a, § 18 Abs. 4, § 24a, § 33 und § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG), sich diese Beträge nicht mehr auswirken. Diese systembedingten mittelbaren Folgen, die typischerweise auch nicht Gegenstand langfristiger Finanzierungsüberlegungen sind, müssen als zumutbare Härten grundsätzlich hingenommen werden.
d) Zu einer --gemessen am Zweck der gesamten Übergangsregelung und im Vergleich zur "großen Übergangsregelung"-- verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Härte führt die "kleine Übergangsregelung" allerdings, soweit wegen des Abzugs der in § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG bezeichneten Beträge "wie Sonderausgaben" ein Verlustabzug nach § 10d EStG nicht mehr zum Zuge kommt.
aa) Die Übergangsregelung trägt offensichtlich und erklärtermaßen (vgl. BTDrucks 10/3633, S.10 f.; BTDrucks 10/5208, S.39) dem Umstand Rechnung, daß einem Bau oder Erwerb von Eigenheimen meist langfristige Liquiditätsrechnungen unter Einbeziehung erwarteter steuerlicher Entlastungen zugrunde liegen (vgl. Stuhrmann, DStZ 1986, 263, 267). Steuerpflichtigen, die vor dem 1. Januar 1987 ein selbstgenutztes Wohnobjekt hergestellt oder angeschafft haben, soll die bisherige Vergünstigung erhalten bleiben, weil diese Grundlage für die längerfristigen Vermögensdispositionen war und deshalb Vertrauensschutz beanspruchen kann. Dazu gehört zwar nicht zwingend auch die Chance des Verlustausgleichs nach § 10d EStG. Für eine unterschiedliche Behandlung der "Altfälle" derart, daß für einen Teil die bisherige Vergünstigung unter den Voraussetzungen des § 10d EStG geltend gemacht werden darf, für einen anderen Teil dagegen nicht, fehlen sachliche Gründe. Sie wären nur gegeben, wenn
- entweder die "große Übergangsregelung" selbst gegenüber der
"kleinen Übergangsregelung" nachteilig wäre
oder
- wenn sich die Benachteiligung bei der "kleinen Übergangs-
regelung" durch frühere Vorteile der pauschalierten
Nutzungswertermittlung rechtfertigen ließe. Beides trifft
nicht zu.
bb) Die auf 12 Jahre angelegte "große Übergangsregelung" führt
gegenüber der "kleinen Übergangsregelung" nicht zu Nachteilen,
denn der Steuerpflichtige kann die bisherigen Vorteile der
Nutzungswertbesteuerung uneingeschränkt in Anspruch nehmen,
die Nutzungswertbesteuerung aber beenden, sobald sie sich als
nachteilig erweist, d.h. sobald der als Einnahme erfaßte
Nutzungswert die Werbungskosten übersteigt (§ 52 Abs. 21 Satz 3
EStG). Die "kleine Übergangsregelung" läßt zwar den als
Einnahme anzusetzenden Grundbetrag von vornherein außer
Betracht und berücksichtigt nur noch die bisherigen
Vergünstigungen bis zum Ende des Begünstigungszeitraumes,
allerdings --da keine fiktiven Einnahmen mehr erfaßt werden--
insoweit nur "wie Sonderausgaben". Da der Grundbetrag im
allgemeinen ohnehin bereits durch den auf diesen Betrag
beschränkten Abzug von Schuldzinsen aufgezehrt wurde, ist es
kein Vorteil gegenüber der "großen Übergangsregelung", wenn
der pauschalierte Nutzungswert nicht erfaßt wird.
Vorteilhaft ist die "kleine Übergangsregelung" nur gegenüber
der früheren Besteuerung nach § 21a EStG, weil nunmehr beim
sog. erweiterten Schuldzinsenabzug nach § 21a Abs. 4 EStG keine
vorherige Verrechnung der Schuldzinsen mit dem Grundbetrag in
Betracht kommt (vgl. Erlaß des Bundesministers der Finanzen
--BMF-- vom 19. September 1986, BStBl I 1986, 480). Dieser
Vorteil fällt gegenüber der "großen Übergangsregelung" schon
deshalb nicht ins Gewicht, weil der erweiterte
Schuldzinsenabzug nicht den gesamten Begünstigungszeitraum
betrifft und die "große Übergangsregelung" --wie bisher-- den
uneingeschränkten Abzug von Schuldzinsen für einen Zeitraum
von 12 Jahren erlaubt.
Die Ungleichbehandlung hinsichtlich des Verlustabzuges läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß der Nachteil der "kleinen Übergangsregelung" etwa durch Vorteile der bisherigen Regelung bei pauschalierter Besteuerung nach § 21a EStG ausgeglichen wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Die bis zum Wegfall der Nutzungswertbesteuerung geltende Regelung hatte u.a. zur Folge, daß selbstgenutztes Wohnungseigentum steuerrechtlich unterschiedlich behandelt wurde, je nachdem, ob ein Eigentümer das Objekt ausschließlich selbst bewohnte (Besteuerung nach § 21a EStG) oder nur eine Wohnung in seinem im übrigen vermieteten Haus (Besteuerung nach § 21 Abs. 2 EStG). Die Benachteiligung von zumeist einkommens- und vermögensschwächeren (vgl. BTDrucks 10/2404, S.1) Steuerpflichtigen, bei denen der Nutzungswert pauschaliert nach § 21a EStG versteuert wurde, war wenig einsichtig, wenn auch verfassungsrechtlich jedenfalls noch nicht zu beanstanden (vgl. zuletzt BVerfG-Beschluß vom 8. Januar 1985 1 BvR 1050/84, Der Betrieb --DB-- 1985, 468; zu verfassungsrechtlichen Bedenken ausführlich z.B. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 21a EStG Anm. 16 ff.; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 21a Anm. 1 m.w.N.; vgl. BTDrucks 10/2404). Die bisherige unterschiedliche Behandlung war jedoch selbst ein Anlaß zur Neuregelung der Nutzungswertbesteuerung (BTDrucks 10/2404, S.1; BTDrucks 10/5208, S.1; vgl. Stuhrmann, DStZ 1986, 263, 264).
cc) Entgegen der Auffassung des FA läßt die Regelung des StÄndG 1992 keine Rückschlüsse auf die hier allein zu beurteilende Übergangsregelung zu. Danach können nunmehr nicht ausgenutzte Abzugsbeträge nach § 10e EStG nachgeholt und die nicht ausgenutzte Steuerermäßigung des § 34f EStG rück- und vorgetragen werden. Hier indes geht es allein darum, ob die Regelung für Altfälle, gemessen an
- ihrem erkennbaren Ziel (Beibehaltung der bisherigen
Begünstigung bis zum Ende des Begünstigungszeitraumes bzw. bis
zum Ablauf einer typisierend mit 12 Jahren unterstellten
Finanzierungsplanung) und
- am Gleichheitsgebot
in Einzelfällen zu sachwidrigen Härten führt.
Im Hinblick auf die kleine Zahl von Fällen, in denen Steuerpflichtige im Verlauf des Begünstigungszeitraums keine oder insgesamt negative Einkünfte haben, ist nach alledem im Billigkeitswege die Steuer so zu erlassen, wie sie unter den Voraussetzungen des § 10d EStG zu erstatten gewesen wäre. Dem entspricht die Entscheidung des FG.
Fundstellen
Haufe-Index 65277 |
BFHE 177, 246 |
BFHE 1996, 246 |
BB 1995, 1881 |
BB 1995, 1881-1883 (LT) |
DB 1995, 2576-2579 (ST) |
DStR 1996, 100-102 (KT) |
DStZ 1995, 729-730 (KT) |
HFR 1995, 584-585 (LT) |
StE 1995, 447-448 (K) |