Leitsatz (amtlich)
Die Ausstellung eines Erlaubnisscheines für bleibende Zollgutverwendung unter zollamtlicher Überwachung ist eine begünstigende Verfügung im Sinne des § 96 AO.
Inhalt der begünstigenden Verfügung ist nicht die Gewährung eines Anspruches auf Zollfreiheit oder Zollermäßigung, sondern nur des Rechtes, ein Abfertigungsverfahren in Anspruch zu nehmen, sofern und soweit dieses im Zeitpunkt des Zollantrages nach den Vorschriften des Zolltarifs zur Zollfreiheit oder Zollermäßigung führt.
Normenkette
ZG §§ 55, 85; AO § 96
Streitjahr(e)
1962
Tatbestand
- Der Klägerin und Revisionsbeklagten - im folgenden Steuerpflichtigen (Stpfl.) - war seit dem 1. Januar 1958 die Erlaubnis erteilt, Erbsen, ungeschält, der Tarif-Nr. 07.05 A-II-c-1 zum Herstellen von glasierten Schälerbsen unter Zollsicherung zollfrei aus dem Zollausland zu beziehen. Am 14. Dezember 1961 wurde ihr hierfür ein neuer Erlaubnisschein für das Kalenderjahr 1962 erteilt.
Am 3. Januar 1962 beantragte die Stpfl., aus Ungarn eingeführte Speiseerbsen zu dem ihr bewilligten Zollsicherungsverkehr abzufertigen. Die Zollzweigstelle wies am 11. Januar 1962 den "Zollantrag auf Abfertigung zur bleibenden Zollgutverwendung zurück, da der Zolltarif 1962 eine Abfertigung zu dem beantragten Zollverkehr nicht vorsieht (ß 15 Abs. 1 ZG)".
Gegen die Ablehnung des Zollantrags legte die Stpfl. mit Schreiben vom 17. Januar 1962 Beschwerde ein. Da Verhandlungen mit der Zollzweigstelle, die Erbsen in ein Zollgutlager einzulagern oder sie gegen Sicherheitsleistung in Höhe der gegebenenfalls zu zahlenden Eingangsabgaben freizugeben, bis über das Rechtsmittel entschieden sei, erfolglos blieben, ließ die Stpfl. die Erbsen am 14. Februar 1962 zum freien Verkehr abfertigen, bezahlte die Eingangsabgaben und legte gegen den Eingangsabgabenbescheid Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
Die gegen die Ablehnung des Zollantrag mit Schreiben vom 17. Januar 1962 eingelegte Beschwerde wurde durch Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 25. Mai 1962 als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die Berufung hob das Finanzgericht (FG) die Beschwerdeentscheidung der OFD und die ihr zugrunde liegende Verfügung der Zollzweigstelle vom 11. Januar 1962 ersatzlos auf und legte die Kosten des Verfahrens dem Bunde auf. Das FG ist der Auffassung, daß durch den für das Jahr 1962 erteilten Erlaubnisschein der Stpfl. bewilligt worden sei, die Erbsen zollfrei zu beziehen und zur Herstellung von glasierten Schälerbsen zu verwenden, daß diese Bewilligung eine begünstigende Verfügung im Sinne des § 96 AO sei und daß der aus ihr entstandene Rechtsanspruch auch nicht dadurch erloschen sei, daß die Stpfl. bewilligte Zollvergünstigung durch den Zolltarif 1962 auf solche Erbsen beschränkt worden sei, die aus den Ländern der EWG eingeführt werden. Denn begünstigende Verwaltungsakte würden nach allgemeinem Verwaltungsrecht durch eine Änderung der Rechtslage nicht unwirksam werden, er erhebe sich nur die Frage, ob sie dann widerrufen werden könnten oder nicht. § 96 AO sage nichts von einem Unwirksamwerden begünstigender Verwaltungsakte durch Änderung der für den Erlaß des Verwaltungsaktes maßgebenden Rechtslage, gehe also offensichtlich von ihrer Wirksamkeit bis zum Widerruf aus.
- Mit der nunmehr als Revision anzusehenden Rb. rügt die OFD, daß das FG den Inhalt einer Bewilligungsverfügung, durch die eine Zollgutverwendung nach § 55 ZG bewilligt werde, und die Bedeutung der Erteilung eines Erlaubnisscheins verkannt habe. Der Stpfl. könne auch nicht auf Grund der übergesetzlichen Rechtsnorm von Treu und Glauben die erstrebte Zollvergünstigung verlangen.
Der Vertreter des dem Verfahren beigetretenen Bundesministers der Finanzen beantragte in der mündlichen Verhandlung, die Vorentscheidung aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Kosten der Stpfl. aufzuerlegen, hilfsweise das angefochtene Urteil und die Beschwerdeentscheidung der OFD aufzuheben und die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Zollantrags vom 3. Januar 1962 durch die Verfügung der Zollzweigstelle vom 11. Januar 1962 als unzulässig zu verwerfen, da vom Zeitpunkt der Beantragung der Abfertigung zum freien Verkehr an die Zurückweisung des Antrags auf Abfertigung zur Zollgutverwendung, weil rechtlich bedeutungslos geworden, keine Beschwer mehr dargestellt habe. Er trägt vor, die Bewilligung einer Zollgutverwendung - wie auch früher eines Zollsicherungsverkehrs - hätte nicht zum Inhalt die "Bewilligung" oder "Einräumung" eines ermäßigten Zollsatzes oder die Zollfreiheit, diese ergebe sich vielmehr aus dem Gesetz. Die Bewilligung der Zollgutverwendung sei nur die Voraussetzung dafür, daß die Zollschuld in ermäßigter Höhe oder gar nicht entstehe. Werde durch Änderung des Zolltarifs der ermäßigte Zollsatz geändert oder die Zollfreiheit beseitigt, so ändere das zwar nichts am Bestand der bewilligten Zollgutverwendung, doch ändere sich künftig des zollschuldrechtliche Ergebnis bei den jeweiligen Abfertigungen zur Zollgutverwendung. Insoweit gebe es jedenfalls keinen Schutz vor Gesetzesänderungen.
Die Stpfl. beantragt, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Sie hält die Entscheidung des FG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
- Der Auffassung des Bundesministers der Finanzen, daß die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen gewesen wäre, weil es im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung mangels Beschwer an einem Rechtsschutzbedürfnis gefehlt habe, vermag der Senat allerdings nicht zu folgen. Ziel der Beschwerde war die Aufhebung der die Abfertigung zur Zollgutverwendung ablehnenden Verfügung. Im Zeitpunkt ihrer Einlegung war sie zweifellos zulässig, weil eine Beschwer für die Stpfl. gegeben war, die darin bestand, daß sie ein Interesse an der Aufhebung dieser ablehnenden Verfügung hatte, um die Ware zur Zollgutverwendung abfertigen lassen zu können. Nachdem die Stpfl. dann den Antrag auf Abfertigung zum freien Verkehr gestellt hatte und diesem Antrag entsprochen worden war, konnte die Aufhebung des mit der Beschwerde angefochtenen Verwaltungsaktes zwar nicht mehr dem Zweck dienen, den Weg für eine Abfertigung der Ware zur bleibenden Zollgutverwendung freizumachen. Dennoch hatte die Stpfl. nach wie vor ein rechtliches Interesse an der Aufhebung der ablehnenden Verfügung. Denn wäre diese aus Rechtsgründen aufzuheben gewesen, so hätte eine solche rechtskräftig erstrittene Entscheidung für die Stpfl. unter Umständen ein Grund sein können, der Geltendmachung der durch die Abfertigung zum freien Verkehr entstandenen Abgabenschulden unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben entgegenzutreten. Daher sind die OFD und das FG zu Recht in eine sachliche Prüfung des Streitstoffes eingetreten, dessen rechtlicher Beurteilung durch das FG jedoch nicht gefolgt werden kann.
- Das Urteil des FG beruht, wie mit der Revision zutreffend hervorgehoben wird, auf einer falschen Vorstellung über die rechtliche Bedeutung und den Inhalt der Bewilligung der Zollgutverwendung.
Der Stpfl. ist noch im Dezember 1961, also noch nach dem mit Ablauf des 31. Dezember 1961 außer Kraft getretenen ZG 1939 ein Erlaubnisschein für einen Zollsicherungsverkehr erteilt worden. Ab 1. Januar 1962 galt damit nach § 85 Abs. 2 ZG 1961 eine entsprechende Zollgutverwendung (ß 55 ZG) als widerruflich bewilligt. § 55 ZG bestimmt, daß dann, wenn die Zollfreiheit oder die Anwendung eines ermäßigten Zollsatzes davon abhängt, daß Zollgut unter zollamtlicher Überwachung verwendet wird, es zur Zollgutverwendung abgefertigt wird und daß die Zollgutverwendung der Bewilligung bedarf. Daraus ergibt sich eindeutig, daß nicht der ermäßigte Zollsatz oder die Zollfreiheit bewilligt wird, sondern daß die Zollermäßigung bzw. die Zollfreiheit die Abfertigung zur Zollgutverwendung voraussetzt und daß diese Verwendung bewilligt sein muß. In welchen Fällen aber die Zollfreiheit oder die Anwendung eines ermäßigten Zollsatzes davon abhängt, daß Zollgut unter zollamtlicher Überwachung verwendet wird, d. h. also in welchen Fällen eine diese abgabenrechtlichen Folgen auslösende Abfertigung zur Zollgutverwendung überhaupt möglich ist, bestimmt das Gesetz, nämlich der im Zeitpunkt des Zollantrags geltende Zolltarif. Das wieder ergibt sich aus dem Gesetzeszusammenhang und § 55 Abs. 1 Satz 2 ZG. Die Bewilligung der Zollgutverwendung hat, wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend ausführt, rechtlich also nur die Bedeutung, daß sie die Inanspruchnahme einer Zollvergünstigung ermöglicht, die der Zolltarif bei einer bestimmten Tarifstelle in Form einer Zollvergünstigung oder Zollfreiheit vorsieht, sie ist also "lediglich eine verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer materiellen Zollvergünstigung, die das gesetzte Recht bereits einräumt; sie begründet aber nicht eigenständig, d. h. unabhängig von den im Zeitpunkt des Zollantrags geltenden Zollvorschriften einen Anspruch auf Zollfreiheit oder Zollermäßigung und damit auf Abfertigung zur Zollgutverwendung" (so zutreffend Lenkewitz, "Zur rechtlichen Bedeutung der Bewilligung der Zollgutverwendung" in Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1964 S. 68).
Mit der Ausstellung eines Erlaubnisscheins, die zweifellos eine begünstigende Verfügung im Sinne des § 96 AO ist, wird also nicht unmittelbar ein Anspruch auf Zollfreiheit oder Zollermäßigung begründet, sondern lediglich das Recht gegeben, ein Verfahren in Anspruch zu nehmen, das zur Zollfreiheit bzw. Zollermäßigung führt, sofern und soweit eine solche im Zeitpunkt des Zollantrags für die Verwendung der abzufertigenden Ware unter zollamtlicher Überwachung im Zolltarif vorgesehen ist. Ist aber, entgegen der Meinung des FG, die Bewilligung eines ermäßigten Zollsatzes oder der Zollfreiheit nicht Inhalt der Bewilligung einer Zollgutverwendung, so kann letztere, wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend vorträgt, insoweit auch nicht unter § 96 AO fallen und es kann daher unerörtert bleiben, ob auch für das Steuer- und insbesondere auch für das Zollrecht der vom FG erwähnte Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsrechts gilt, das begünstigende Verwaltungsakte durch eine Änderung der Rechtslage nicht unwirksam werden, sondern allenfalls widerrufen werden können.
Wird nach Ausstellung eines Erlaubnisscheines für eine bleibende Zollgutverwendung durch eine spätere Änderung des Zolltarifs ex nunc die bis dahin bestehende Zollfreiheit in der Weise eingeschränkt, daß sie nur noch für Waren bei Herkunft aus bestimmten Ländern gilt, dann ist eine Zollgutverwendung für solche Waren aus anderen Ländern nicht mehr möglich; sie können also nicht mehr zu einer solchen abgefertigt werden. Im Streitfall bezieht sich demnach die Bewilligung der Zollgutverwendung nur noch auf Erbsen aus EWG-Ländern, im übrigen ist sie durch die gesetzliche Änderung gegenstandslos geworden. Gegenüber einer solchen Gesetzesänderung selbst gibt es keinen Vertrauensschutz.
Aber auch aus § 96 AO läßt sich ein solcher Vertrauensschutz nicht ableiten. Wie sich aus dem Antrag der Stpfl. vom 30. November 1961 auf Erteilung eines neuen Erlaubnisscheins ergibt, war ihr die eigentliche Rechtsgrundlage für die Zollbefreiung, nämlich die Anmerkung 1 zu Tarif-Nr. 07.05 des Zolltarifs bekannt. Es war ihre Sache als Importeurin, sich über etwaige Änderungen der ihre Geschäfte betreffenden Nummern des Zolltarifs und der dazugehörenden Anmerkungen auf dem laufenden zu halten. Wenn sie ihren Antrag auf Ausstellung eines neuen Erlaubnisscheins in der gleichen Weise erst im Januar 1962 gestellt hätte, hätte der ihr erteilte Erlaubnisschein nicht anders gelautet als der ihr im Dezember 1961 ausgestellte. In beiden Fällen konnte die darin angesprochene zollfreie Einfuhr sich nur auf die Zollfreiheit beziehen, die der Zolltarif gewährte. Damit widerlegt sich der von dem Bevollmächtigten der Stpfl. in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand, die Stpfl. hätte sich auf den Wortlaut des Erlaubnisscheins verlassen können und bis zum Widerruf dieses Erlaubnisscheins unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben einen Anspruch auf Gewährung von Zollfreiheit gehabt.
Da nach allem das FG die Rechtslage verkannt hat, war seine Entscheidung aufzuheben und in der spruchreifen Sache die nunmehr als Klage anzusehende Berufung gegen die Beschwerdeentscheidung der OFD vom 25. Mai 1962 abzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 140 Abs. 3 FGO.
Einer Entscheidung über den Antrag nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO bedurfte es im Hinblick auf die Kostenentscheidung nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 425824 |
BFHE 1967, 189 |
BFHE 88, 189 |