Leitsatz (amtlich)
1. Das Halten eines zur Beförderung von Zuchttieren (Pferden, Rindern, Schweinen) besonders hergerichteten Kraftfahrzeugs ist nicht gemäß § 2 Nr. 6 Satz 1 Buchst. a, Satz 2 KraftStG von der Kraftfahrzeugsteuer befreit.
2. Die Bescheinigung nach § 15 KraftStG ist ihrem Wesen nach eine Unbedenklichkeitsbescheinigung.
2. Konnte der Steuerpflichtige auf Grund des Inhalts der Bescheinigung davon ausgehen, daß von ihm Kraftfahrzeugsteuer nicht gefordert werde, oder war ihm Steuerfreiheit in Aussicht gestellt worden, so kann das FA nach Treu und Glauben gehindert sein, Kraftfahrzeugsteuer zu fordern.
Normenkette
KraftStG 1961 i.d.F. des ÄndG vom 17. März 1964 (BGBl I 1964, 145), § 2 Nr. 6 S. 1 Buchst. a, S. 2; KraftStG 1961 i.d.F. des ÄndG vom 17. März 1964 (BGBl I 1964, 145), § 15
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb. Er züchtet Pferde, Rinder und Schweine. Um seine Zuchttiere befördern, z. B. zum Decken oder zur Auktion bringen zu können, beabsichtigte er im Jahre 1968 einen "mot. Viehtransportwagen" zu kaufen. Vom Sachgebietsleiter des FA wurde ihm - laut der von ihm und dem Sachgebietsleiter unterschriebenen Niederschrift vom 7. Februar 1968 - auf Anfrage "zugesagt, daß eine Verwendung ausschließlich in diesem Rahmen und soweit es sich ausschließlich um die eigenen Tiere" handele, möglich sei und nach § 2 Nr. 6 Satz 1 Buchst. a KraftStG in der Fassung des KraftStÄndG (BGBl I, 145, BStBl I, 243) von der Kraftfahrzeugsteuer befreit werden könne; ein entsprechender Antrag sei "bei Zulassung des Fahrzeugs zu stellen". Erst daraufhin kaufte der Kläger das Fahrzeug, meldete es bei der Zulassungsstelle an und beantragte Steuerbefreiung nach § 2 Nr. 6 Satz 1 Buchst. a KraftStG.
Der Beklagte und Revisionskläger, das FA, hielt zunächst die Voraussetzungen der Steuerbefreiung für gegeben und erteilte dem Kläger eine entsprechende Bescheinigung "nach Vordruck KraftSt 19". Später, "nach nochmaliger Prüfung der gesetzlichen Bestimmungen" kam es zu der Ansicht, daß die Steuerbefreiung nicht gewährt werden könne, weil das Fahrzeug auch außerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebs (z. B. zum Viehtransport im Viehhandel) verwendet werden könne, und setzte für die Zukunft Kraftfahrzeugsteuer fest.
Der Kläger legte Einspruch ein und führte dem FA das Fahrzeug vor: Es handelte sich um ein umgebautes Möbeltransportfahrzeug mit einem kastenförmigen Aufbau. Der Laderaum war in der Längsrichtung durch eine mit Schrauben befestigte Mittelwand unterteilt, so daß gleichzeitig zwei Großtiere befördert werden konnten. Ein Teil der sonst üblichen Trennwand zwischen Fahrerkabine und Laderaum war entfernt, damit der Beifahrer das zu befördernde Vieh beobachten konnte. Das verkehrsrechtlich höchstzulässige Gesamtgewicht des Fahrzeugs betrug 3 600 kg. Das FA wies den Einspruch zurück.
Das FG hob Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung auf. Es komme nicht darauf an, ob das Fahrzeug auch in anderen als landwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden könne, weil es ein typisch landwirtschaftliches Sonderfahrzeug sei. Die Möglichkeit, mit ihm etwas anderes als Vieh befördern zu können, sei so begrenzt, daß sie nicht entscheidungserheblich sei. Die Befreiungsvorschrift dürfe nicht so eng ausgelegt werden, daß ihre Anwendung fast ausgeschlossen oder auf ganz wenige Fälle beschränkt werde, weil der Gesetzgeber das nicht beabsichtigt haben könne.
Das FA stützt seine Revision darauf, daß das angefochtene Urteil § 2 Nr. 6 Satz 1 Buchst. a KraftStG verletze.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Bei jedem Sonderfahrzeug bestehe die Möglichkeit, es für einen anderen als den begünstigten Zweck zu verwenden. Er regt an, einen Vertreter der Bundesregierung dazu zu hören, ob mit der Ersetzung des Wortes "ausschließlich" durch "nur" in der Gesetzesfassung nicht auch beabsichtigt gewesen sei, die "regelmäßige" Eignung und Bestimmung genügen zu lassen. Außerdem macht er geltend, das FA sei an seine ursprüngliche Rechtsauffassung gebunden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das angefochtene Urteil muß aufgehoben werden, weil es auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts (§ 2 Nr. 6 KraftStG) beruht (§ 118 Abs. 1 Satz 1, § 126 Abs. 3 FGO).
Nach § 2 Nr. 6 Satz 1 Buchst. a KraftStG ist von der Steuer unter anderem befreit das Halten von Sonderfahrzeugen, solange diese Fahrzeuge ausschließlich in landoder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden. Als Sonderfahrzeuge gelten Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit ihnen fest verbundenen Einrichtungen nur für die bezeichneten Verwendungszwecke geeignet und bestimmt sind (§ 2 Nr. 6 Satz 2 KraftStG). Das vom Kläger gehaltene Fahrzeug ist kein Sonderfahrzeug in diesem Sinne, weil es nach Bauart und Einrichtung nicht "nur" für die Verwendung in einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb "geeignet und bestimmt" ist, sondern auch zur Verwendung außerhalb eines solchen Betriebs, z. B. zur Beförderung von Tieren für Reitschulen, Viehhandelsbetriebe, Schlachthöfe geeignet ist (vgl. das Urteil vom 17. Januar 1973 II R 26/ 69, BFHE 109, 81, BStBl II 1973, 463).
Die Auslegung der Vorschrift nach ihrem Wortlaut führt dazu, daß ihr Wirkungsbereich eng begrenzt ist. Dies entspricht ihrem Zweck. Der Gesetzgeber will "grundsätzlich nur die Transporte der Landwirtschaft, nicht jedoch die gewerblichen Unternehmen begünstigen" (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses vom 17. Mai 1963, Bundestagsdrucksache IV/1281, Abschn. A S. 1 rechte Spalte unten). Die Vorschrift soll "nach ihrem Sinn und Zweck so weit wie nur möglich auf den Bereich der Land- und Forstwirtschaft beschränkt bleiben" (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses vom 3. Dezember 1963, Bundestagsdrucksache IV/1690 S. 2, linke Spalte). Die ursprünglich vorgeschlagene Änderung der bisherigen (im wesentlichen gleichlautenden) Befreiungsvorschrift dahingehend, "daß es für die Anerkennung von Fahrzeugen als Sonderfahrzeuge genügen soll, daß die Fahrzeuge nach ihrer Bauart oder ihren besonderen, mit ihnen fest verbundenen Einrichtungen regelmäßig - nicht mehr ausschließlich - für die steuerbegünstigte Verwendung geeignet und bestimmt sind" (Begründung zum Gesetzesantrag vom 16. Januar 1963, Bundestagsdrucksache IV/902 - neu - S 3, rechte Spalte), ist nicht Gesetz geworden, obwohl die dem Gesetzgeber bekannte Auslegung der erwähnten Befreiungsvorschrift durch den BFH (Urteil vom 30. Januar 1963 II 69/62 U, BFHE 76, 524, BStBl III 1963, 191) verschiedentlich als zu eng empfunden worden war. Es ist schon aus diesem Grunde nicht erforderlich, der Anregung des Klägers zu folgen und einen Vertreter der Bundesregierung dazu zu hören, ob mit der Ersetzung des Wortes "ausschließlich" durch "nur" in der Gesetzesfassung nicht auch beabsichtigt gewesen sei, die "regelmäßige" Eignung und Bestimmung genügen zu lassen.
Zudem ist die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder nicht entscheidend (vgl. Beschluß des BVerfG vom 15. Dezember 1959 1 BvL 10/55, BVerfGE 10, 234, 244).
Die Ansicht des FG, bei einem "typisch landwirtschaftlichen Sonderfahrzeug" komme es nicht darauf an, ob ein solches Fahrzeug auch in anderen als landwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden könne, findet im Gesetz keine Stütze.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), damit es jenes Vorbringen des Klägers, auf das es von seinem bisherigen Rechtsstandpunkt aus nicht einzugehen brauchte, würdigt.
Dabei sind folgende rechtliche Gesichtspunkte zu beachten: Die Bescheinigung, "daß den Vorschriften über die Kraftfahrzeugsteuer genügt ist", ist ihrem Wesen nach eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Ihr Zweck erschöpft sich darin, dem Kläger als Nachweis gegenüber der Zulassungsstelle zu dienen, daß er den Vorschriften des Kraftfahrzeugsteuergesetzes genügt hat, infolgedessen die Zulassungsstelle ihm den Kraftfahrzeugschein aushändigen darf (§ 15 KraftStG in Verbindung mit dem Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 31. Juli 1961 S 6115 - 13 - 31 3, BStBl II 1961, 134). Entsprechend diesem begrenzten Zweck der Bescheinigung hätte ihr Inhalt auf die Erklärung beschränkt werden können, daß der Aushändigung des Kraftfahrzeugscheins kraftfahrzeugsteuerrechtlich keine Bedenken entgegenstehen. Eine solche schlichte Bescheinigung hätte das FA nicht gehindert, Steuer - auch mit Wirkung für die Vergangenheit - nachzufordern. Der vom FA verwendete "Vordruck KraftSt 19" enthielt jedoch die Wendung: "Hiermit wird Ihnen für das Halten des... mit dem Kennzeichen... nach § 2 Nr... des Kraftfahrzeugsteuergesetzes ab... 19.. Steuerbefreiung ... gewährt, weil...". Diese Ausdrucksweise konnte beim Kläger, an den die Verfügung sich richtete, die rechtsirrige Vorstellung erwecken, durch die Verfügung des FA sei ihm ein Rechtsvorteil eingeräumt worden, den er vorher nicht gehabt hatte. In Wahrheit war das FA gesetzlich nicht ermächtigt, Steuerfreiheit zu gewähren oder zu versagen, sondern war auf die rechtliche Prüfung beschränkt, ob die vom Gesetz für die Steuerbefreiung geforderten Merkmale gegeben waren oder nicht. Angesichts des durch den Wortlaut einer solchen Erklärung erzeugten Rechtsscheins und des Rechtsgedankens des - hier nicht einschlägigen - § 96 AO wäre zu prüfen, ob der Steuerpflichtige nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, von ihm werde Kraftfahrzeugsteuer nicht gefordert werden, und ob daraus für das FA folgt, daß es Kraftfahrzeugsteuer für die Vergangenheit nicht fordern darf.
Ob im vorliegenden Falle der Sachgebietsleiter des FA dem Kläger gegenüber eine Erklärung abgegeben hat, die sich ihrem äußeren Gehalt und ihrer inneren Willensrichtung nach als verbindlich darstellt, ob diese Erklärung nach den in der Rechtsprechung für die (verbindliche) Zusage oder "verbindliche Auskunft" anerkannten Regeln das FA nach Treu und Glauben auch für die Zukunft und ggf. für welchen Zeitraum hinderte, Kraftfahrzeugsteuer zu fordern, ist noch zu prüfen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens wird dem FG übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 70475 |
BStBl II 1973, 599 |
BFHE 1973, 282 |