Leitsatz (amtlich)
Die erweiterte Kürzung des Gewinns gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1962 kann im Hinblick auf die gebotene verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes die Haupttätigkeit bildet und die Errichtung sowie Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen demgegenüber eine Nebentätigkeit von nur untergeordneter Bedeutung darstellt. Der I. Senat tritt den Entscheidungen des VI. und des IV. Senats VI 294/65 vom 7. April 1967 (BFH 89, 130, BStBl III 1967, 559) und IV 183/65 vom 26. Oktober 1967 (BFH 90, 180, BStBl II 1968, 16) insoweit bei.
Normenkette
GewStG 1962 § 9 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige), eine GmbH, befaßte sich im Streitjahr 1962 mit der Errichtung und Verwaltung von Mietwohngebäuden für eigene Rechnung sowie mit der Errichtung und Veräußerung von Eigenheimen, Wohnungs- und Teileigentum. Ferner fungierte sie für das von ihr errichtete und veräußerte Wohnungseigentum als Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Darüber hinaus verwaltete sie von ihr errichtete Eigenheime und Garagen für fremde Rechnung. Das Verhältnis der bewirtschafteten eigenen Einheiten zur Fremdbewirtschaftung hat das FG zum 31. Dezember 1962 (Ende des Streitjahres) wie folgt festgestellt:
Bewirtschaftung für Bewirtschaftung für
eigene Rechnung fremde Rechnung
Mietwohnungen 162 -
Eigenheime - 190
Eigentumswohnungen 7 621
gewerbliche Einheiten 3 40
Garagen 22 234
Aus der Hausbewirtschaftung für eigene Rechnung erlöste die Steuerpflichtige 250 956 DM an Miet- und ähnlichen Erträgen. Aus der Verwaltung für fremde Rechnung erzielte sie rd. 75 921 DM an Betreuungsgebühren.
Im Streitjahr stellte die Steuerpflichtige 93 Eigentumswohnungen und 32 Garagen fertig und begann mit dem Bau von weiteren 228 Eigentumswohnungen, 72 Eigenheimen, drei gewerblichen Einheiten und 154 Garagen. Die Überschüsse der Erlöse aus dem Verkauf von Eigenheimen, Wohnungs- und Teileigentum über die Herstellungskosten (Verkaufsgewinne) und andere Erträge aus Verkaufsgrundstücken betrugen 581 424,50 DM. Dem standen Verkaufsverluste und andere Aufwendungen für Verkaufsgrundstücke in Höhe von 197 277 DM gegenüber.
Die Steuerpflichtige war zudem zu 80 v. H. an der B-GmbH beteiligt, von der ihr im Streitjahr aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrages rd. 80 000 DM zuflossen.
Der Revisionskläger (FA) versagte der Steuerpflichtigen im vorläufigen Gewerbesteuermeßbescheid 1962 die Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.
Die hiergegen von der Steuerpflichtigen erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Das FG hob den angefochtenen vorläufigen Gewerbesteuermeßbescheid auf und begründete seine in EFG 1967, 579 veröffentlichte Entscheidung wie folgt:
Weder die Tatsache, daß die Steuerpflichtige ihre Bautätigkeit 1962 durch eine Organgesellschaft gefördert und das Ergebnis dieser Organgesellschaft durch Ergebnisabführungsvertrag auf sich übertragen habe, noch die Tatsache, daß sie von ihr errichtete und veräußerte Eigenheime, Eigentumswohnungen etc. für fremde Rechnung verwaltet habe und ihre Betreuungs- und Verkaufstätigkeit im Vergleich zu der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes und eigenen Kapitalvermögens über den Umfang einer Nebentätigkeit hinausgegangen sei, stünden der Kürzung entgegen. Insbesondere sei unschädlich, daß die Steuerpflichtige Wohnungen, Eigenheime etc. für fremde Rechnung verwalte. Diese Tätigkeit erfülle den Tatbestand der "Betreuung von Wohnungsbauten". Zwar sei der Bau der betreuten Objekte schon abgeschlossen, doch umfasse der Begriff "Betreuung" die Verwaltung fertiggestellter Wohnungsbauten jedenfalls dann, wenn das betreuende Unternehmen - wie hier die Steuerpflichtige - die verwalteten Objekte selbst errichtet und veräußert habe. Für Eigentumswohnungen sähen § 20 Abs. 2 und §§ 26 ff. WEG die Bestellung eines Verwalters vor. Es liege nahe, einem Grundstücksunternehmen, das die Eigentumswohnungen errichtet und veräußert habe, die Verwaltung zu übertragen. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG stelle u. a. die Erträge aus der Wohnungsbaubetreuung und aus der Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen etc. von der Gewerbesteuer frei. Gesetzgeberischer Zweck dieser Maßnahme sei letztlich die Förderung der Bildung breitgestreuten Eigentums. Es würde diesem Zweck des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG widersprechen, dem Grundstücksunternehmen die Kürzung zu versagen, weil es nach der Veräußerung der Eigentumswohnungen die Verwalterfunktion des WEG übernommen habe.
Das FG könne dem FA auch darin nicht folgen, daß Grundstücksunternehmen den Gewerbeertrag nur dann nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1961 kürzen könnten, wenn ihre Betreuungs-, Bau- und Verkaufstätigkeit den Rahmen einer Nebentätigkeit nicht überschritten habe.
Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt die unrichtige Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.
Die für fremde Rechnung vorgenommene Verwaltung der von der Steuerpflichtigen zuvor errichteten Wohnungen, Eigenheime, gewerblichen Einheiten und Garagen sei in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht genannt und daher schädlich für die Inanspruchnahme der Vergünstigung. Mit dem Begriff "Wohnungsbauten betreuen" sei nur die Betreuung während der Errichtung eines Baues und nicht auch die verwaltungsmäßige Betreuung von bereits fertiggestellten Gebäuden gemeint. Hätte der Gesetzgeber mit § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch die wirtschaftliche Verwaltung fertiger Gebäude begünstigen und für steuerunschädlich erklären wollen, so hätte er nicht von der Betreuung von Wohnungs bauten gesprochen, sondern er hätte dann den für fertige Bauwerke gebräuchlichen Ausdruck "Gebäude" gewählt. Ferner würde er für diese Art der Betreuung dann ebenso wie bei der Regelung bezüglich des eigenen Grundbesitzes den Ausdruck "verwalten" gebraucht haben. Selbst wenn aber der Begriff "Wohnungsbauten betreuen" anders auszulegen sei, sei die Tätigkeit der Steuerpflichtigen steuerschädlich, weil sie zusammen mit dem Verkauf von Grundstücken die Haupttätigkeit des Unternehmens dargestellt habe, wogegen die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes, gemessen an den Erträgen, nur eine untergeordnete Rolle gespielt habe. Aus dem Urteil des BFH VI 294/65 vom 7. April 1967 (BFH 89, 130, BStBl III 1967, 559) ergebe sich aber, daß die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nur dann vorgenommen werden dürfe, wenn die Haupttätigkeit des Unternehmens in der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bestehe. Bei der Steuerpflichtigen sei jedoch gerade das Gegenteil der Fall. Bei ihr stehe - gemessen an der Gewinn- und Verlustrechnung - die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes zur Verkaufstätigkeit und zur verwaltungsmäßigen Betreuung im Verhältnis 27 : 73.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, die aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes resultierenden Gewerbeerträge freizustellen und den Gewerbesteuer-Meßbetrag somit um 1 600 DM auf 9 050 DM zu ermäßigen. Für den Fall, daß diesem Antrag nicht gefolgt werde, beantragt sie, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber einzuholen, ob § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG mit dem GG vereinbar ist (Art. 100 Abs. 1 GG).
Zur Begründung ihrer Anträge führt sie aus, daß der Begriff "Wohnungsbauten" sowohl nach grammatischer wie auch nach systematischer, historischer und teleologischer Auslegung nicht auf die im Bau befindlichen Objekte beschränkt werden dürfe. Auch die Betreuung bei der Bewirtschaftung von Wohnungsbeständen (Bewirtschaftungsbetreuung) werde vom Begriff "Betreuung von Wohnungsbauten" mit umfaßt. Hinzu komme aber in ihrem Falle, daß die Bewirtschaftungsbetreuung zu Fehlbeträgen geführt und auch nur weniger als 1 v. H. ihres Gesamtumsatzes ausgemacht habe.
Die im Urteil VI 294/65 (a. a. O.) enthaltene Auffassung, derzufolge die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes die Haupttätigkeit bilden müsse und die Errichtung sowie Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen demgegenüber eine Nebentätigkeit von nur untergeordneter Bedeutung bilden dürfe, beruhe auf einer unzutreffenden Gesetzesauslegung, die auch nicht unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift ("ausschließlich" - "daneben") zu rechtfertigen sei. Die im einzelnen von der Steuerpflichtigen dargelegte Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeige zudem, daß das Wort "daneben" vom Gesetzgeber nicht bewußt, sondern als Relikt des ursprünglichen Regierungsentwurfs in die Wortfassung einbezogen worden sei. Hinzu komme, daß die im Urteil VI 294/65 (a. a. O.) vorgenommene Auslegung verfassungswidrig sei, denn sie erlaube eine sozial inadäquate Bevorzugung großer Besitz- und Verwaltungsunternehmen. So sei die Veräußerung einer kleinen Zahl von Eigentumswohnungen steuerunschädlich bei einem Großunternehmen, das 10 000 eigene Mietwohnungen besitze und verwalte, steuerschädlich dagegen bei einem Kleinunternehmen, das nur über 500 eigene Mietwohnungen verfüge.
Selbst wenn man jedoch die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG dahin auslege, daß die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes die Haupttätigkeit bilden müsse und die Errichtung sowie Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen demgegenüber eine Nebentätigkeit von nur untergeordneter Bedeutung bilden dürfe, könne die Revision des FA keinen Erfolg haben. Denn die Finanzverwaltung, die zwar in koordinierten Ländererlassen aus dem Jahre 1964 (vgl. Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 3; Der Betrieb 1964 S. 1316 - DB 1964, 1316 -) ihre Auslegung gegenüber den GewStR 1961 eingeschränkt habe, habe immerhin denjenigen Unternehmen den Anspruch auf Anwendung der erweiterten Kürzung eingeräumt, bei denen die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im Verhältnis zu den übrigen Tätigkeiten nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben müsse sich die Verwaltung an der von ihr selbst gegebenen und amtlich veröffentlichten Auffassung in noch stärkerem Maße festhalten lassen, als dies bei einer Zusage im Einzelfalle geboten sei.
Der BdF, der dem Verfahren gemäß § 122 FGO beigetreten ist, hob hervor, daß für die Gesetzesauslegung der im Wortlaut des Gesetzes konkretisierte Wille des Gesetzgebers maßgebend sei. Dieser rechtfertige die bisherigen Grundsatzentscheidungen des IV. und VI. Senats des BFH.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1962 tritt "an Stelle der Kürzung nach Satz 1 (d. h. des Abzugs von 3 v. H. des EW des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen ... errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes, auf die Betreuung von Wohnungsbauten und die Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen entfällt".
Die von der Steuerpflichtigen vorgenommene Auslegung derzufolge § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG über die Gewichtigkeit der einzelnen Tatbestandsmerkmale keine Aussage enthalte, ist möglich. Insbesondere dem Wortlaut der Vorschrift kann nicht notwendig eine unterschiedliche Gewichtung der verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen entnommen werden. Die Worte "ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten" und "daneben Wohnungsbauten betreuen ..." zwingen für sich betrachtet nicht dazu, die Betreuung von Wohnungsbauten ... nur dann als unschädlich anzusehen, wenn sie gegenüber der Verwaltung eigenen Grundbesitzes von untergeordneter Bedeutung ist. Auch Entstehungsgeschichte und Sinn der Vorschrift stehen der von der Steuerpflichtigen vorgenommenen Gesetzesinterpretation nicht entgegen. Sie erlauben den Schluß, daß eine erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch dann möglich ist, wenn die Betreuung von Wohnungsbauten ... nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist.
Der Senat vermag indes dieser von der Steuerpflichtigen vorgenommenen, an sich möglichen Auslegung des Gesetzes aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu folgen. Bereits der VI. Senat des BFH hat im Urteil VI 294/65 (a. a. O.) dargelegt, daß es mit Art. 3 GG unvereinbar wäre, Unternehmen, die nur Kaufeigenheime usw. bauen und veräußern, also den Wohnungsbau zumindest im gleichen Maße fördern, bei der Erhebung der Gewerbesteuer wesentlich schlechter zu stellen als andere Unternehmer, die daneben noch in mehr oder minder großem Umfange Grundbesitz verwalten. Dieser Gesichtspunkt, den auch das BVerfG im Beschluß 1 BvR 568/67 vom 20. März 1969 (HFR 1969, 348) aufgegriffen hat, erscheint dem Senat bedeutsam. Er steht einer Auslegung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG im Sinne des von der Steuerpflichtigen gestellten Begehrens entgegen, da diese oben dargestellte möglicherweise verfassungswidrige Auffassung, daß die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gleichgewichtig nebeneinander stehen, nur eine von mehreren möglichen Gesetzesauslegungen darstellt. In Fällen dieser Art ist ein Gesetz nur dann als verfassungswidrig zu erachten, wenn auch die anderen möglichen Gesetzesauslegungen mit dem GG nicht in Einklang stehen, so daß eine Anwendung der Vorschrift bei jeder möglichen Auslegung grundgesetzwidrig wäre (vgl. Beschlüsse des BVerfG 1 BvL 104/52 vom 7. Mai 1953, BVerfGE 2, 266, und 2 BvL 9/62 vom 9. Juni 1964, BVerfGE 18, 70). Dies ist hier nicht der Fall.
Der BFH hat in den Urteilen VI 294/65 (a. a. O.), VI R 285/66 vom 7. April 1967 (BFH 89, 215, BStBl III 1967, 616) und IV 183/65 vom 26. Oktober 1967 (BFH 90, 180, BStBl II 1968, 16) die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG dahin gehend ausgelegt, daß ein Unternehmen den auf die Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen entfallenden Teil des Gewerbeertrags von seinem Gewinn und den Hinzurechnungen im Sinne von § 8 GewStG nur dann abziehen könne, wenn die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes seine Haupttätigkeit bildet und die Errichtung sowie Veräußerung von Eigenheimen etc. demgegenüber eine Nebentätigkeit von nur untergeordneter Bedeutung darstelle. Der erkennende Senat ist dieser Auffassung für einen ähnlich gelagerten Fall im Urteil I R 21/67 vom 30. Juli 1969 (BFH 96, 362, BStBl II 1969, 629) gefolgt. Das BVerfG hat diese Auslegung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG als eine nach Wortlaut, Sinnzusammenhang und Zweckbestimmung der Vorschrift mögliche und mit guten Gründen vertretbare Gesetzesanwendung angesehen, die der Systematik des GewStG und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift gerecht und auch im Schrifttum überwiegend gebilligt werde und außerdem dem GG entspreche (vgl. Beschluß 1 BvR 568/67, a. a. O.). Der Senat hegt keine Bedenken, dieser Auffassung auch für den zu entscheidenden Fall beizutreten, da sie sich als einzige mögliche verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift darstellt. Einer Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf es daher nicht.
Der Antrag der Steuerpflichtigen auf Zurückweisung der Revision kann auch nicht etwa deshalb Erfolg haben, weil nach den Grundsätzen von Treu und Glauben eine Bindung der Verwaltung an die GewStR oder allgemeine Verwaltungserlasse eingetreten ist. Verwaltungsanordnungen sind vom BdF bzw. von den obersten Finanzbehörden der Länder aufgestellte Richtlinien für die Gesetzesanwendung. FG und BFH sind an solche verwaltungsinternen Weisungen nicht gebunden (vgl. BVerfG-Urteil 1 BvR 314/60 vom 21. Januar 1961, BStBl I 1961, 63). Aus dem Grundsatz, daß das FA nach Treu und Glauben an eine in einem konkreten Einzelfall gegebene Zusage gebunden sein kann, darf nicht gefolgert werden, daß auch eine durch eine Ministerialentschließung für eine Gruppe von Fällen getroffene Regelung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben bindend sein könne (vgl. BFH-Urteile IV 133/63 S vom 5. März 1964, BFH 79, 218, BStBl III 1964, 311; I 18/65 vom 15. Januar 1969, BFH 95, 92, BStBl II 1969, 310). Ob Billigkeitsmaßnahmen der Verwaltung für das Gericht bindend wären (vgl. BFH-Urteil VI 170/65 vom 16. August 1967, BFH 89, 447, BStBl III 1967, 700), bedarf hier keiner Entscheidung.
Dem Hilfsantrag der Steuerpflichtigen, ihr mindestens die Steuerbefreiung der Mieterträge zuzubilligen, konnte nicht entsprochen werden. Die Steuerpflichtige, die durch die nicht unbedeutende Bautätigkeit zu einer Baugesellschaft geworden ist, erfüllt als solche - wie dargestellt - die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht. Die Rechtsfolgen dieser Vorschrift können daher auch nicht teilweise eintreten.
Fundstellen
Haufe-Index 68960 |
BStBl II 1970, 387 |
BFHE 1970, 265 |