Leitsatz (amtlich)
Haben sich die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft verpflichtet, deren Verluste anteilig zu übernehmen, so ist das gesellschaftsteuerrechtliche Tatbestandsmerkmal der Leistung nicht schon dann verwirklicht, wenn die Gesellschafter die einen Verlust und die Deckungsforderung ausweisende Bilanz genehmigen, sondern erst dann, wenn sie die der Übernahmepflicht entsprechende Vermögensverschiebung bewirken.
Normenkette
KVStG § 2 Abs. 1 Nrn. 2, 4 Buchst. a
Tatbestand
Die Gesellschafter der Klägerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, hatten sich verpflichtet, ab 1. Januar 1967 deren Verluste anteilig zu übernehmen. Der von der Gesellschafterversammlung auf den 31. Dezember 1967 festgestellte Jahresabschluß wies einen erheblichen Verlust aus. Die Gesellschafterversammlung beschloß, etwa vier Fünftel dieses Betrages zur späteren Übernahme vorzutragen; nur etwa ein Fünftel des Verlustes sollte von den Gesellschaftern sofort gedeckt werden.
Das FA (Beklagter) hat aus dem vollen Betrage des festgestellten Verlustes 1 v. H. Gesellschaftsteuer festgesetzt. Das FG hat die Steuer entsprechend dem Antrag der Klägerin herabgesetzt. Die "zur späteren Übernahme vorgetragenen" Beträge rechnete es nicht in die Besteuerungsgrundlage, weil insoweit die Gesellschafter noch keine Leistung erbracht hätten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
§ 2 (Abs. 1) Nr. 2 Satz 1 KVStG unterwirft der Gesellschaftsteuer "Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden". Diese Vorschrift gilt auch für die Übernahme der Verluste einer Tochtergesellschaft durch die Organmutter auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrages (Urteil des BFH II 176/61 vom 8. November 1967, BFH 91, 172, BStBl II 1968, 213) weil die Verlustdeckungspflicht des beherrschenden Gesellschafters die Kehrseite seines Rechtes ist, die Ergebnisse der Gesellschaft abzusaugen. Dieses wird durch die gesellschaftsrechtliche Machtstellung der Organmutter begründet; die der Ergebnisabführungspflicht korrespondierende Verpflichtung zur Verlustdeckung ist also "im Gesellschaftsverhältnis begründet" (BFH, a. a. O.).
Ob der vorliegende Fall, in dem die Gesellschafter nur die Deckung der Verluste übernommen haben, gleichliegt, kann dahingestellt bleiben. Denn auch wenn man in der effektiven Abdeckung der Verluste freiwillige Zuschüsse im Sinne des § 2 (Abs. 1) Nr. 4 Buchst. a KVStG sieht - "freiwillig" insofern, als die Leistung des Zuschusses stets Erfüllung einer (sei es auch gleichzeitig begründeten) obligatorischen Verpflichtung ist, die Freiwilligkeit somit nicht auf die Erfüllung, sondern auf das ihr zugrunde liegende Geschäft zu beziehen ist -, bleibt für Nr. 4 Buchst. a nicht anders als für Nr. 2 des § 2 (Abs. 1) KVStG das tatbestandliche Erfordernis der "Leistung", ohne die weder aus dem einen noch aus dem anderen der beiden Tatbestände eine Steuerpflicht entstehen kann (§ 3 Abs. 1 StAnpG). Eine Leistung in diesem Sinne hat das FG mit Recht verneint, soweit es um den "zur späteren Übernahme vorgetragenen" Betrag geht.
Wie der BFH in dem Urteil II 64/62 vom 17. März 1970 (BFH 99, 393 [396 ff.], BStBl II 1970, 702) des näheren dargelegt hat, wird bei der auf einem Ergebnisabführungsvertrag beruhenden Verlustübernahme die Leistung nicht schon in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem die Gesellschafter die Bilanz der Tochter genehmigen und damit die Voraussetzungen für die Verlustübernahme begründen, sondern erst in dem Zeitpunkt, zu dem sie die diesbezügliche Verpflichtung erfüllen. Entsprechendes gilt für reine Verlustdeckungsverträge, selbst wenn diese nicht an Nr. 2, sondern an Nr. 4 Buchst. a (oder ggf. b) des § 2 (Abs. 1) KVStG gemessen werden. Auch hier ist die Leistung erst bewirkt, wenn die Vermögensverschiebung (ohne Rückgewährpflicht) vollzogen wird. An einer solchen fehlt es hinsichtlich der streitigen Beträge der Besteuerungsgrundlage; die insoweit bestehenden Verpflichtungen wurden nicht erfüllt, sondern "zur Übernahme vorgetragen".
Allerdings hat der BFH in dem eben erwähnten Urteil anerkannt, daß im Einzelfall die Verpflichtung zur Leistung auch darauf gerichtet sein kann, der Gesellschaft eine selbständige - vom Schuldgrund losgelöste (§ 780 BGB) - Forderung gegen den Gesellschafter zu verschaffen. Das hat das FG, das vor diesem Urteil entschieden hatte, nicht verkannt. Es hat ausdrücklich festgestellt, daß eine derartige Forderung nicht vereinbart, sondern nur durch Gesamtakt der Gesellschafter - nämlich den Beschluß der Gesellschafterversammlung als eines Organs der Gesellschaft - die Höhe der zu übernehmenden Verluste festgestellt wurde. Darin liegen keine individuellen Erklärungen der einzelnen Gesellschafter als Schuldner der Gesellschaft.
Die Ansicht des FG widerspricht nicht dem Urteil des BFH II 189/65 vom 28. Januar 1969 (BFH 95, 121, BStBl II 1969, 323). Dieses befaßt sich mit der Frage, ob eine bereits entstandene Steuerschuld bei Änderung der Bilanz, aus der die Verlustdeckungspflicht des Gesellschafters entstanden war, nachträglich wegfalle; diese Frage war zu verneinen. Das Urteil hat nicht angenommen, daß bei einem Ergebnisabführungsvertrag bereits die Feststellung der Bilanz, die einen Verlust ausweist, die Steuerschuld zur Entstehung bringe. Im Gegenteil wurde dem FG, das sich von seinem Rechtsstandpunkt aus mit dieser Frage nicht zu befassen brauchte, bei der Zurückverweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO) unter anderem aufgegeben, festzustellen, "ob und wodurch die Organmutter der Klägerin die geschuldeten Leistungen erbracht hat".
Demnach war die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels fallen dem Beklagten zur Last (§ 135 Abs. 2 FGO). Entsprechend ergeht der Vorbescheid (§§ 121, 90 Abs. 3 Satz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 69590 |
BStBl II 1971, 786 |
BFHE 1972, 355 |