Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine begünstigten Leistungen "aus der Tätigkeit als Schausteller" bei "ortsfester" Ausführung in einem Freizeitpark
Leitsatz (NV)
1. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG 1980/§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. e UStG 1973 regelt eine tätigkeits- und nicht personenbezogene Steuervergünstigung.
2. Erforderlich sind sog. ambulante, d. h. nicht ortsfest ausgeführte schaustellerische Leistungen i. S. v. § 30 UStDV 1980 (Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen).
3. Handelt es sich um Umsätze aufgrund von Leistungen auf einer ortsfesten Dauerveranstaltung (z. B. in einem Freizeitpark), ist die Steuervergünstigung auch dann nicht zu gewähren, wenn der Leistende im übrigen Schausteller ist.
Normenkette
UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d; UStG 1973 § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. e
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes, eines Reisegewerbetreibenden. Dieser unterhielt Vergnügungsbetriebe auf Märkten und in Freizeitparks. In den Streitjahren (1977 bis 1980) betrieb er u. a. in einem Vergnügungspark Warenspielgeräte und Unterhaltungsautomaten im Sinne der gewerblichen Spielverordnung mit einer Reisegewerbe erlaubnis. Er hatte zu diesem Zweck vom Betreiber dieses Parks drei Pavillons gepachtet und betrieb den Ausspielungsbetrieb während der Öffnungszeiten des Freizeitparks vom 1. April bis zum 1. November jährlich ununterbrochen.
Der Ehemann der Klägerin behandelte in den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre seine Umsätze aus dem Ausspielungsbetrieb im Freizeitpark ebenso wie seine Umsätze auf Jahrmärkten und Messen als gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. e des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG 1980 begünstigte Umsätze aus der Tätigkeit als Schau- steller. Nach einer Umsatzsteuersonder prüfung unterwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Umsätze aus dem Vergnügungspark dem Regelsteuersatz. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Umsätze von Unternehmern aus Vergnügungs- und Freizeitparks unterlägen der Regelbesteuerung. Ähnliche Veranstaltungen i. S. des § 6 der Dritten Umsatzsteuer- Durchführungsverordnung -- UStDV -- (für 1978 und 1979) sowie des § 30 UStDV (für 1980) könnten nur solche Unternehmungen sein, die über kurze Zeiträume, also tage- oder wochenweise durchgeführt würden. Diese Voraussetzung liege bei einem Freizeitpark nicht vor, der eine langfristige und ständige Einrichtung sei.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom FG zugelassenen Revision. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. e UStG 1973 i. V. m. § 6 der 3. UStDV; § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG 1980 i. V. m. § 30 UStDV 1980) und macht geltend, auch die im Freizeitpark erbrachten Leistungen seien Umsätze aus der Tätigkeit als Schausteller; denn ... (Vergnügungspark) sei eine ähnliche Veranstaltung im Sinne der UStDV. Ihr Mann sei mit seinem Warenausspielbetrieb zeitlich begrenzt und in zeitlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von den Öffnungszeiten des Parks tätig gewesen. Er habe überdies aus technischen Gesichtspunkten jederzeit mit dem Spielgerät von Ort zu Ort ziehen können. Dies habe er im übrigen auch getan, wenn auch mit anderen Geräten. Zwar blieben die Betriebsvorrichtungen außerhalb der Betriebszeiten im Freizeitpark. Sie müßten am Ende der Saison sorgfältig und umfangreich gegen Witterungseinflüsse verpackt und gegen Diebstahl gesichert werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Zu Recht hat das FG die Umsätze des Ehemannes der Klägerin dem Regelsteuersatz unterworfen, die er mit seinem im Freizeitpark betriebenen Warenausspiel erzielt hat.
1. Gemäß § 6 der 3. UStDV und § 30 UStDV 1980 gelten als Leistungen aus der Tätigkeit des Schaustellers i. S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. e UStG 1973/§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG 1980 Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lust barkeiten, die der Unternehmer auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen erbringt. Auf dieser Grundlage definiert die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Schausteller Personen, die mit ihren der Unterhaltung dienenden Unternehmen gewerbsmäßig Jahrmärkte, Volksfeste usw. beschicken, also von Ort zu Ort ziehen (BFH-Urteile vom 20. April 1988 X R 20/82, BFHE 153, 454, BStBl II 1988, 796; vom 22. Juni 1972 V R 36/71, BFHE 106, 148, BStBl II 1972, 684; vom 22. Oktober 1970 V R 67/70, BFHE 100, 420, BStBl II 1971, 37).
a) An dieser Rechtsprechung, der auch die Finanzverwaltung (Abschn. 169 Abs. 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien -- UStR --) und das Schrifttum (Schöll in Sölch/Ring leb/List, Kommentar zur Umsatzsteuer, § 12 UStG Bem. 245, 246; Schuhmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 7 d Anm. 16; Widmann in Plückebaum/Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Rz. 1154, 1155; Hartmann/Metzenmacher, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Rz. 75; Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 12 Abs. 2 Nr. 7 Anm. 27) überwiegend folgt, hält der Senat fest.
In seinen Grundsatzentscheidungen in BFHE 100, 420, BStBl II 1971, 37 und in BFHE 106, 148, BStBl II 1972, 684 hatte der Senat bei der Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. e UStG 1967 auf den Sprachgebrauch abgestellt, den er dem bei der Einführung des UStG 1967 und noch zum Zeitpunkt seiner Entscheidungen maßgebenden Wörterbuch entnommen hat. An diesem Sprachgebrauch, den auch -- wie die Entstehungsgeschichte zeigt -- der Gesetzgeber zugrunde gelegt hat, hat sich in den Streitjahren nichts geändert. "Schausteller" ist demgemäß jemand, der, von Ort zu Ort ziehend, auf Messen und Jahrmärkten gewerbsmäßig ein Fahrgeschäft betreibt, etwas zeigt oder vorführt (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache, 1980; Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1983; Meiers Enzyklopädisches Lexikon).
b) Die Steuervergünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. e UStG 1973/§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG 1980 ist -- wovon das FG zu Recht ausgegangen ist -- tätigkeits- und nicht personenbezogen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift; denn danach sind nicht allgemein die Leistungen eines Schaustellers begünstigt, sondern lediglich die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller. Notwendig ist daher, daß der jeweilige Umsatz auf einer ambulanten, d. h. nicht ortsfest ausgeführten schaustellerischen Leistung des Steuerpflichtigen beruht und Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Veranstaltungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen umfaßt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor und handelt es sich etwa um Umsätze aufgrund von Leistungen auf einer ortsfesten Dauerveranstaltung, so ist die Steuervergünstigung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. e UStG 1973/§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG 1980 auch dann nicht zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige, der die Leistungen erbringt, im übrigen Schausteller ist. Von einem tätigkeitsbezogenen Verständnis dieser Steuervergünstigung geht auch das Schrifttum mehrheitlich aus (Widmann, a.a.O., Rz. 1152; Schöll, a.a.O., Bem. 245, 2. Absatz). Nicht entscheidend ist daher, daß der Schausteller (generell) eine (gewerberechtliche) Reisegewerbeerlaubnis hat.
Der Senat kann unerörtert lassen, ob diese Auslegung auch dem subjektiven Willen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen entspricht oder ob danach die Schausteller schlechthin der ermäßigten Besteuerung unterliegen sollten (vgl. den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Umdruck 143, Anlage 5 zum stenographischen Bericht über die 101. Sitzung des Deutschen Bundestags -- 5. Wahlperiode -- vom 12. April 1967, S. 4727 und dessen Begründung, ebendort, S. 4721; dazu auch Schuhmann, a.a.O., Anm. 15 m. w. N.); denn sollten die Motive und Vorstellungen der Mitglieder der gesetzgeberischen Körperschaft in diese Richtung gegangen sein, könnte sie der Senat bereits deshalb nicht berücksichtigen, weil sie im Gesetz selbst keinen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden haben (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 1991 VIII R 31/88, BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167, 172, 2. b a. E. der Gründe; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, 131).
c) Keine Tätigkeit als Schausteller wird nach diesen Grundsätzen ausgeübt, wenn der Unternehmer -- wie im Streitfall der Ehemann der Klägerin -- Vergnügungs leistungen in einem ortsfesten und dauerhaften Freizeitpark bewirkt. Insoweit unterscheidet er sich nicht von einem Märchenwald-Unternehmer. Maßgebend für die unterschiedliche Besteuerung der Umsätze aus der ortsfesten und ambulanten Tätigkeit sind die Erwägungen des Senats in seiner Entscheidung in BFHE 106, 148, 150, BStBl II 1972, 684, zur Vereinbarkeit der Bevorzugung der Schausteller mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Wenn danach als Unterscheidungskriterium die Tatsache für bedeutsam erachtet wurde, daß dem Schausteller wegen seines ständigen Ortswechsels notwendigerweise Reise- und Beförderungskosten sowie der durch den Abbau, Aufbau und dem schnelleren Verschleiß der Anlagen bedingte größere Aufwand erwachsen, so trifft dies auf einen Unternehmer nicht zu, der seine Leistungen dauerhaft und ortsfest im Rahmen eines Freizeitparks erbringt. Dieser hat auch Wettbewerbsvorteile gegenüber einem von Ort zu Ort ziehenden Schausteller. Zwar kann dem Unternehmer in einer ständigen Vergnügungseinrichtung dadurch ein erhöhter Aufwand entstehen, daß er -- wie die Klägerin schildert -- seine Anlagen in den Wintermonaten, in denen der Park geschlossen ist, winterfest machen muß und sie dazu am Ende einer jeden Saison sehr sorgfältig und umfangreich verpackt und gegen Diebstahl sichert. Derartige Maßnahmen muß indes auch ein Märchenwald-Betreiber treffen (vgl. BFH in BFHE 100, 420, BStBl II 1971, 37, Sachverhaltsschilderung), ohne daß seine Leistungen deshalb als solche aus der Tätigkeit eines Schaustellers angesehen werden müßten.
2. Das FG hat es danach zutreffend abgelehnt, die Umsätze des Ehemannes der Klägerin aus dem Warenspielgerät im Freizeitpark steuerlich zu begünstigen; denn nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hatte der Ehemann ortsfeste Pavillons inne, in denen er sein Unternehmen bis auf die Wintermonate in den Streitjahren dauerhaft betrieb. Es kommt nicht darauf an, ob er Spielgeräte benutzte, die -- wie die Klägerin vorträgt -- zum Transport und damit auch für ein ambulantes Schaustellungsunternehmen geeignet wären. Denn das UStG knüpft wie jede steuerrechtliche Vorschrift an tatsächlich verwirklichte Sachverhalte und nicht an hypothetische Kausalverläufe an.
Fundstellen