Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Entnahme durch Bebauung landwirtschaftlicher Grundstücke mit Eigentumswohnungen
Leitsatz (NV)
1. Die Bebauung ursprünglich land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke mit Eigentumswohnungen und deren anschließende Vermietung an betriebsfremde Personen führt grundsätzlich nicht zu einer Entnahme, wenn die Nutzungsänderung nur eine Fläche erfasst, die im Vergleich zur Gesamtfläche des Betriebs von geringer Bedeutung ist.
2. Zwischenurteile i.S. des § 99 Abs. 2 FGO sind selbständig mit der Revision anfechtbar (§ 115 Abs. 1 FGO), da diese Entscheidungen keiner Rechtsmittelbeschränkung unterliegen, wie sie etwa in § 67 Abs. 3 FGO für ein Zwischenurteil nach § 97 FGO über die Zulässigkeit einer Klageänderung vorgesehen ist.
Normenkette
EStG 1986 § 4 Abs. 1, § 13; EStG 1987 § 4 Abs. 1, § 13
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) übernahm 1993 den von seinem Vater ohne Betriebsaufgabeerklärung verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb von ca. 44 ha Eigentumsflächen. Er setzte die Verpachtung fort und erzielte einen Pachtzins von rd. 84 500 DM jährlich. Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft wurde durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Mit Vertrag vom 29. Juli 1994 veräußerte der Kläger eine Teilfläche von ca. 4 300 qm der unter Denkmalschutz stehenden Hofstelle für 2,1 Mio. DM an einen Bauträger, der auf diesem Grundstück durch Altbausanierung und Neubauten Wohnungen errichten wollte. Der Kläger erzielte einen Veräußerungsgewinn von 2 054 853,16 DM, der in eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG in der Bilanz zum 30. Juni 1995 eingestellt wurde. Gleichzeitig schloß der Kläger mit dem Bauträger einen Werkvertrag über die Umgestaltung bestehender Gebäude und die Errichtung von Neubauwohnungen auf dem ihm verbliebenen Teil der Hoffläche von --nach seinem unbestrittenen Vortrag-- 2 243 qm. Die Verträge sahen eine Verrechnung des vom Bauträger geschuldeten Grundstückskaufpreises mit dem Werklohn vor, den der Kläger zu zahlen hatte.
In der Bilanz zum 30. Juni 1996 berichtigte der Kläger die Reinvestitionsrücklage auf 1 080 474,98 DM, weil sich die übertragene Fläche und der darauf entfallende Veräußerungspreis vertragsgemäß minderten, nachdem die Stadt X eine Baugenehmigung für den zweiten Bauabschnitt versagt hatte.
Ende 1996 wurden im Rahmen des ersten Bauabschnitts insgesamt 13 Wohnungen mit Kfz-Stellplätzen zu einem Gesamtaufwand von 3 916 600 DM fertig gestellt und vom Kläger vermietet. Dieser behandelte die Wohnungen und die dazugehörenden Stellplätze als gewillkürtes Betriebsvermögen und die Mietzahlungen als Einnahmen seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Nach dem Umbau war von der ursprünglichen Hofstelle nur noch ein zum Teil baufälliger Unterstand übrig geblieben.
Nach einer Betriebsprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) von einer Betriebsaufgabe auf den 30. Juni 1995 aus, weil die Baugenehmigung für den ersten Bauabschnitt im Mai 1995 erteilt worden war. Es erfasste daher im Jahr 1995 einen Veräußerungsgewinn von 4 792 513 DM und änderte den Feststellungsbescheid 1995; für 1996 erließ das FA einen negativen Feststellungsbescheid.
Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. In dem nachfolgenden Klageverfahren trennte das Finanzgericht (FG) die Klage gegen den negativen Feststellungsbescheid 1996 ab. Über die Klage gegen den Feststellungsbescheid 1995 entschied das FG durch "Grundurteil" und stellte fest, dass der Kläger seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Streitjahr zwar nicht aufgegeben, aber die Grundstücke, auf denen die Mietwohnungen errichtet wurden, entnommen habe.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor, eine Nutzungsänderung, die nur 0,525 v.H. der Gesamtfläche des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erfasse, könne nicht zu einer Entnahme zwingen. Zu Unrecht habe das FG auch auf das Verhältnis der Einnahmen aus der Vermietung der Wohnungen zu den Einnahmen aus der Verpachtung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs abgestellt und nicht die Einkünfte aus diesen Betätigungen zueinander in Beziehung gesetzt.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und den angefochtenen Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung insoweit aufzuheben, als dort Gewinne aus der Entnahme der mit Eigentumswohnungen bebauten Grundstücke enthalten sind.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, der üblicherweise angewandte Aufteilungsmaßstab nach Flächen sei im Streitfall ungeeignet, weil die Tätigkeit des Klägers künftig durch die Vermietung der neu errichteten Wohnungen geprägt sei. Aus diesem Grunde habe der Bundesfinanzhof (BFH) den vom FG gewählten Aufteilungsmaßstab (nach dem Verhältnis der Einnahmen) in seiner Entscheidung vom 1. Februar 2000 IV B 138/98 (BFH/NV 2000, 713) ausdrücklich zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil und der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 1995 sind insoweit aufzuheben, als dort Gewinne aus der Entnahme der mit Eigentumswohnungen bebauten Grundstücke enthalten sind (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
I. Die Revision ist statthaft. Zwischenurteile i.S. des § 99 Abs. 2 FGO sind selbständig mit der Revision anfechtbar (§ 115 Abs. 1 FGO), da diese Entscheidungen keiner Rechtsmittelbeschränkung unterliegen, wie sie etwa in § 67 Abs. 3 FGO für ein Zwischenurteil nach § 97 FGO über die Zulässigkeit einer Klageänderung vorgesehen ist (s. nur Senatsurteil vom 30. August 2001 IV R 30/99, BFHE 196, 507, BStBl II 2002, 49, m.w.N.).
II. Die Revision ist auch begründet.
1. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Zwischenurteils gemäß § 99 Abs. 2 FGO lagen im Streitfall vor. Die Frage, ob die Nutzungsänderung landwirtschaftlicher Flächen durch Bebauung mit Mietwohnungen zu einer Zwangsentnahme führt, ist entscheidungserheblich. Das FG hielt eine Entscheidung durch Zwischenurteil für sachdienlich. Kläger und FA haben dem Erlass des Zwischenurteils insoweit nicht widersprochen.
2. Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass weder die Verpachtung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs durch den Vater des Klägers noch der Umbau der Altgebäude des Hofes sowie die Bebauung der verbliebenen Hofstelle mit Wohnungen und deren Vermietung durch den Kläger zu einer Aufgabe seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs geführt haben. Die Auffassung, dass die Baumaßnahmen des Klägers insgesamt zu einer Betriebsaufgabe geführt haben könnten, wird im Revisionsverfahren auch vom FA nicht mehr vertreten. Das FG hat diesen Vorgang jedoch zu Unrecht als Entnahme dieser Grundstücke aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen beurteilt.
a) Entgegen der Auffassung des FG hat der Umbau der Hofgebäude und die Bebauung der dem Kläger nach der Veräußerung eines Teils der Hofstelle verbliebenen Fläche nicht zu einer Entnahme geführt. Denn dadurch wurden die Grundstücke nicht zu notwendigem Privatvermögen des Klägers, wie dies bei einer Bebauung zu eigenen Wohnzwecken der Fall wäre. Bei der Bebauung im Streitfall handelt es sich vielmehr um eine Nutzungsänderung, die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich nicht zu einer Entnahme kraft schlüssigen Verhaltens zwingt (vgl. zuletzt Urteil vom 22. August 2002 IV R 57/00, BFHE 200, 236, BStBl II 2003, 16, m.w.N. zu 1.b der Gründe). Zwar kann die streitige Fläche einer landwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr zugeführt werden. Dies ist aber im Streitfall auch unter dem Gesichtspunkt der Betriebsverpachtung unschädlich, weil diese Grundstücke objektiv nur eine geringe Bedeutung für den landwirtschaftlichen Betrieb hatten (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 1992 IV R 115/91, BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342); der Kläger konnte die Hofstelle auch schon ungeachtet der Baumaßnahmen zurückbehalten, ohne sein Verpächterwahlrecht zu gefährden (Senatsurteil vom 18. März 1999 IV R 65/98, BFHE 188, 310, BStBl II 1999, 398, zu 2. der Gründe).
b) Nach Auffassung des FG konnten die fraglichen Flächen nicht als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden, so dass sie aus diesem Grunde vom Kläger zu entnehmen waren. Eine solche Entnahme ist indessen --wie ausgeführt-- nur geboten, wenn die Grundstücke mit der Bebauung zu notwendigem Privatvermögen werden. Dass dies bei den fraglichen Grundstücken der Fall sein könnte, hat das FG allerdings selbst ausgeschlossen. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 200, 236, BStBl II 2003, 16 zu einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden hat, wirft entsprechend auch der Streitfall nicht das Problem der Bildung von Betriebsvermögen auf, wie es sich etwa bei einem Grundstückskauf mit anschließender Bebauung durch den Landwirt stellen würde. Bei der Bebauung ursprünglich landwirtschaftlich genutzter Flächen geht es vielmehr allein um die Frage der Nutzungsänderung von Grundstücken des notwendigen Betriebsvermögens. Hierzu hat der Senat angenommen, dass solche Nutzungsänderungen nur in einem Umfang zulässig sein können, der den Charakter des landwirtschaftlichen Betriebs nicht derart beeinträchtigt, dass die Vermögensverwaltung die landwirtschaftliche Betätigung verdrängt (Urteile in BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342, zu 3. der Entscheidungsgründe, und in BFHE 200, 236, BStBl II 2003, 16). Dementsprechend hat der Senat für den Fall der Bestellung einer Vielzahl von Erbbaurechten entschieden, dass eine endgültige Nutzungsänderung im Umfang von weniger als 10 v.H. der landwirtschaftlichen Flächen selbst dann unschädlich ist, wenn die Erträge aus der Vermögensverwaltung die land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte überwiegen (Urteil in BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342). Danach ist ein Vergleich der Erträge aus den verschiedenen Nutzungen oder die Anwendung anderer Abgrenzungskriterien erst dann geboten, wenn der Umfang der anderweitig genutzten Flächen die Geringfügigkeitsgrenze von 10 v.H. der Gesamtfläche des Betriebs übersteigt (s. auch Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- München vom 29. September 1997 S 2239-22 St 426).
3. Diese Grundsätze hat der Senat auf den Fall der Bebauung einer Fläche mit 5 Einfamilienhäusern angewandt, die etwa 2,5 v.H. der bewirtschafteten Flächen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs entsprach (Senatsurteil in BFHE 200, 236, BStBl II 2003, 16). Im Streitfall, in dem zwar 13 Wohneinheiten entstanden sind, aber nur 0,525 v.H. der Gesamtfläche von der Nutzungsänderung erfasst wurden, kann nichts anderes gelten. Ebenso wie in dem mit BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342 entschiedenen Fall, der die Erbbaurechtsbestellung an 15 Parzellen zum Gegenstand hatte, kann es danach im Streitfall weder auf das für die Entscheidung des FG maßgebende Verhältnis der Miet- und Pachteinnahmen oder auf andere Abgrenzungskriterien, wie etwa die Relation der auf die jeweiligen Flächen entfallenden Erträge, noch auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommen.
Zu Unrecht beruft sich das FA in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Senats in BFH/NV 2000, 713. In jener, eine Aussetzung der Vollziehung betreffenden Entscheidung hat der Senat den Flächenmaßstab zur Beurteilung schädlicher Nutzungsänderungen nicht verworfen. Er hat vielmehr, dem vorläufigen Verfahren angemessen, lediglich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung, ob die Geringfügigkeitsgrenze anzuwenden sei oder das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend sein könnte, einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müsse.
4. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Sache ist spruchreif. Der Feststellungsbescheid für 1995 vom 16. September 1999 und die Einspruchsentscheidung vom 17. November 1999 sind aufzuheben, soweit dort Gewinne aus der Entnahme der mit Eigentumswohnungen bebauten Grundstücke enthalten sind.
Fundstellen
Haufe-Index 1310340 |
BFH/NV 2005, 547 |