Leitsatz (amtlich)
Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB entsteht mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses. Er ist daher, wenn das Vertragsverhältnis zum 31. Dezember 1960 aufgelöst wird, in der Bilanz zum 31. Dezember 1960 zu aktivieren und nimmt damit an der steuerrechtlichen Vergünstigung der § 24 Nr. 1c, § 34 EStG 1961 nicht teil.
Normenkette
EStG 1961 §§ 5-6, 24 Nr. 1c, § 34
Tatbestand
Die Revisionskläger (der Steuerpflichtige und seine Ehefrau) wurden in den Streitjahren 1960 und 1961 zusammen veranlagt. Der Steuerpflichtige war Handelsvertreter für die Firma D. und für die Firma Sch. Am 31. Dezember 1960 gab er seine Tätigkeit für die Firma D. auf. Am 31. Dezember 1961 löste er das Vertragsverhältnis mit der Firma Sch. und gab damit seinen Gewerbebetrieb überhaupt auf.
Im Jahr 1961 erhielt der Steuerpflichtige, der seinen Gewinn nach § 5 EStG ermittelte, von der Firma D. einen Ausgleich nach § 89b HGB in Höhe von 85 000 DM und im Jahr 1962 von der Firma Sch. einen Ausgleich in Höhe von 33 000 DM. Er gab die Zahlungen als Einnahmen in den Jahren des Zuflusses an und beantragte die Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG.
Der Revisionsbeklagte (das FA) vertrat dagegen im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Ansicht, daß die Ausgleichsansprüche jeweils in den Bilanzen zum 31. Dezember 1960 (Firma D.) und 31. Dezember 1961 (Firma Sch.) zu aktivieren seien. Demnach gewährte das FA den ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG nur für die Ausgleichszahlung der Firma Sch., da das Gesetz die Ausgleichszahlungen nach § 89b HGB erst vom Veranlagungszeitraum 1961 an steuerlich begünstigt habe (§ 24 Nr. 1c EStG 1961).
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Das FG hat die Auffassung vertreten, der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB entstehe mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses, nicht nach Beendigung des Vertragsverhältnisses. Im Streitfall sei für die Aktivierung des Ausgleichsanspruchs noch wesentlich, daß jeweils Ende 1960 und Ende 1961 Verhandlungen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses stattgefunden hätten. Zum mindesten im Falle der Firma Sch. sei dabei auch über Höhe des Ausgleichs gesprochen worden. Das gleiche sei im Fall der Firma D. anzunehmen. Damit seien beide Ausgleichsansprüche bereits an den jeweiligen Bilanzstichtagen in ein ganz konkretes Stadium getreten, so daß sie ohnehin schon aus diesem Grund in den Bilanzen zum 31. Dezember 1960 und 31. Dezember 1961 zu aktivieren gewesen seien.
Die Revision des Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Der Steuerpflichtige und seine Ehefrau führen aus, es sei anerkannten Rechts, daß alle Voraussetzungen des § 89b HGB erfüllt sein müßten, um den Ausgleichsanspruch zur Entstehung zu bringen. Diese Voraussetzungen träten erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ein. Sie seien entgegen der Ansicht des FG maßgebend für die Entstehung des Ausgleichsanspruchs, nicht nur für die Fälligkeit des Anspruchs. Auch ein vorhergehendes Gespräch über die mögliche Höhe des Ausgleichsanspruchs könne an dieser Beurteilung nichts ändern. Wenn übrigens das angefochtene Urteil ein solches Gespräch auch mit der Firma D. unterstelle, so bedeute diese Annahme einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten.
Der Steuerpflichtige und seine Ehefrau beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und
1. die Ausgleichszahlung der Firma D. in Höhe von 85 000 DM dem Kalenderjahr 1961 zuzurechnen und somit in diesem Jahr gemäß § 34 Abs. 1 und 2 EStG begünstigt zu versteuern,
2. die Ausgleichszahlung der Firma Sch. in Höhe von 33 000 DM dem Kalenderjahr 1962 zuzurechnen.
Ferner wird beantragt, gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Ausgleichsansprüche des Steuerpflichtigen entstanden als bilanzierungsfähige Forderungen jeweils am 31. Dezember 1960 (Firma D.) und am 31. Dezember 1961 (Firma Sch.). Zur Höhe des Ansatzes der Ausgleichsansprüche bedarf es jedoch noch weiterer Feststellungen durch das FG.
I. Keine Bedenken bestehen gegen die Zulässigkeit der Klage gegen den Steuerbescheid 1961, obwohl der Steuerpflichtige und seine Ehefrau hier die Festsetzung einer höheren Steuer begehren, als sie im angefochtenen Steuerbescheid gefordert wird (Urteil des BFH I 49/64 vom 11. Januar 1967, BFH 87, 431, BStBl III 1967, 215).
II. Die sachliche Prüfung ergibt folgendes:
1. Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses entsteht.
a) Der Ausgleichsanspruch entsteht nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses.
Der BGH hat zwar im Urteil II ZR 134/65 vom 11. Juli 1966 (BB 1966, 915) ausgeführt, der Ausgleichsanspruch habe seinen Grund in den während der Dauer des Vertragsverhältnisses geschaffenen Kundenbeziehungen. Vor Beendigung des Vertragsverhältnisses werde bereits der Tatbestand verwirklicht, aus dem der Ausgleichsanspruch fließe. Damit wollte aber der BGH nach Ansicht des Senats nicht sagen, daß der Ausgleichsanspruch schon vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses vollwirksam entstehe. Denn eine Untersuchung des gesetzlichen Tatbestands des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB ergibt, daß vor Beendigung des Vertragsverhältnisses nur ein Teil dieses Tatbestandes, oder, wie der BGH (a. a. O.) selbst ausgeführt hat, einer der Faktoren des Ausgleichsanspruchs verwirklicht wird, das ist die Tatsache, daß der Handelsvertreter neue Kunden geworben hat (§ 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB). Daraus fließt der Ausgleichsanspruch erst durch das Hinzutreten der weiteren Tatbestandsmerkmale, daß das Vertragsverhältnis beendet wird, daß der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden auch nachher erhebliche Vorteile hat (§ 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB) und der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert (§ 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB). Das alles sind Voraussetzungen für die Entstehung, nicht nur für die Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs. Denn der noch nicht fällige Anspruch ist dadurch gekennzeichnet, daß seine Geltendmachung bis zu einem Zeitpunkt hinausgeschoben wird, der bestimmt eintreten wird (Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Halbband, 15. Aufl., S. 1184 f.). Von den erwähnten weiteren Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs ist aber nicht gewiß, ob und in welchem Umfang sie eintreten werden. Das gilt auch für die Beendigung des Vertragsverhältnisses. Denn sicher ist zwar, daß das Vertragsverhältnis einmal beendet werden wird, nicht sicher ist aber, ob das Vertragsverhältnis in einer Weise aufgelöst werden wird, die den Ausgleichsanspruch zur Entstehung bringt. Denn der Ausgleichsanspruch besteht nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, ohne daß das Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlaß gegeben hat, oder wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag (§ 89b Abs. 3 HGB).
Läßt es sich somit nicht leugnen, daß der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters außer von der Werbung neuer Kunden von weiteren Voraussetzungen abhängt, die frühestens mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses eintreten, so wird er doch von einigen Schriftstellern als ein bereits vor Beendigung des Vertragsverhältnisses entstehender, aber von weiteren Bedingungen abhängiger Anspruch, ähnlich einem aufschiebend bedingten Anspruch (§ 158 Abs. 1 BGB), bezeichnet (Neuburger-Gaa, BB 1968, Beilage 10; Schlegelberger-Schröder, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 89b Anm. 21a). Der Senat bezweifelt, ob dieser Vergleich mit dem aufschiebend bedingten Anspruch nach § 158 BGB zulässig ist, da es sich bei den weiteren "Bedingungen" des Ausgleichsanspruchs nicht um rechtsgeschäftlich bestimmte, sondern um gesetzliche Voraussetzungen des Anspruchs handelt. Selbst wenn aber der Vergleich erlaubt wäre, führte er für die hier zu beurteilende Frage zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch der aufschiebend bedingte Anspruch entsteht als solcher, d. h. als ein Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 BGB), erst mit dem Eintritt der Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB). Vorher besteht nur eine Anwartschaft auf diesen Anspruch. Auch das BGB versteht unter "Entstehung des Anspruchs" in § 198 Satz 1 BGB (Beginn der Verjährung), daß der Anspruch vollwirksam entstanden, eine vereinbarte aufschiebende Bedingung daher eingetreten ist (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 198 Anm. 1).
Entsteht somit der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters vollwirksam nicht vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses, so bleibt allenfalls zu prüfen, ob er nicht gleichwohl schon vor Beendigung des Vertragsverhältnisses zu einem aktivierungsfähigen Wirtschaftsgut erstarkt ist. Denn für die bilanzmäßige Behandlung kommt es nach der Rechtsprechung des BFH nicht immer darauf an, ob ein Anspruch bürgerlich-rechtlich bereits entstanden ist. Auch ein in der Entstehung begriffener Anspruch kann im Einzelfall aktivierungspflichtig sein, wenn er genügend konkretisiert ist (BFH-Urteile IV 187/64 vom 14. März 1968, BFH 92, 207, BStBl II 1968, 518; I 104/65 vom 27. November 1968, BFH 95, 37, BStBl II 1969, 296). Auch diese Voraussetzung ist für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters vor Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht erfüllt. Denn frühestens mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses läßt sich mit einiger Sicherheit feststellen, ob und in welcher Höhe der Ausgleichsanspruch besteht. Vor diesem Zeitpunkt ist zu ungewiß, ob die einzelnen Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs erfüllt sein werden (vgl. BFH-Urteil I 326/56 U vom 4. Februar 1958, BFH 66, 285, BStBl III 1958, 110).
b) Der Ausgleichsanspruch entsteht aber entgegen der Ansicht des Steuerpflichtigen auch nicht nach Beendigung des Vertragsverhältnisses.
aa) Der Anspruch setzt zwar voraus, daß der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat (§ 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB). Das darf aber nicht zu der Annahme verleiten, daß damit das tatsächliche Zufließen erheblicher Vorteile nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zum Tatbestandsmerkmal des Ausgleichsanspruchs erhoben werden sollte, mit der Folge, daß der Ausgleichsanspruch erst und jeweils nach Maßgabe des Zufließens solcher Vorteile rechtlich entstünde. In Wahrheit ist es, wie Brüggemann-Würdinger (Handelsgesetzbuch, Großkommentar, 3. Aufl., § 89b Anm. 12) überzeugend dargelegt haben, so, daß der Ausgleichsanspruch mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses entsteht und den Ausgleich der Chancen zum Inhalt hat, die in dem Kundenstamm eingeschlossen sind, der in diesem Augenblick vorhanden ist. Nicht das tatsächliche Zufließen erheblicher Vorteile, sondern die Chance des Zufließens ist Tatbestandsmerkmal des Ausgleichsanspruchs. Daher ist, wie allgemein anerkannt wird, eine Prognose über die zukünftige Entwicklung der Verhältnisse aufzustellen und zu ermitteln, welche Vorteile dem Unternehmer zufließen werden (Brüggemann-Würdinger, a. a. O.; Laum, BB 1967, 1359 [1360]; Schlegelberger-Schröder, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 89b Anm. 6 a; BGH-Urteile II ZR 1/59 vom 27. Oktober 1960, BB 1960, 1261; VII ZR 120/63 vom 28. Januar 1965, BB 1965, 434).
Das gleiche gilt, wie sich aus den angeführten Belegstellen ergibt, auch für die weitere Voraussetzung, daß der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert.
Dem steht nicht entgegen, daß im Fall eines Rechtsstreits zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter alle tatsächlichen Umstände zu beachten sind, die bis zur Entscheidung eingetreten sind (BGH-Urteil VII ZR 120/63, a. a. O.). Denn das ist ein allgemeiner prozeßrechtlicher Grundsatz, der nichts daran ändert, daß der Ausgleichsanspruch rechtlich schon vorher entstanden ist. Auch der BGH sagt in dem Urteil VII ZR 120/63 (a. a. O.), daß bei der Prüfung, ob der Ausgleich der Billigkeit entspricht (§ 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB), auch Umstände, die "nach Entstehung des Anspruchs" eingetreten sind, zu berücksichtigen seien.
Nur am Rande sei bemerkt, daß der Ausgleichsanspruch, wenn er erst nach Maßgabe des Zufließens erheblicher Vorteile für den Unternehmer und des Verlustes von Provisionsansprüchen für den Handelsvertreter (§ 89b Abs. 1 Nr. 1 und 2 HGB) rechtlich entstünde, in seiner vollständigen Entstehung auf eine unbegrenzte Zeit hinausgeschoben würde, was schwerlich damit vereinbar wäre, daß er innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen ist (§ 89b Abs. 4 Satz 2 HGB). Auch das Verstreichen einer überschaubaren, in ihrer Entwicklung noch schätzbaren Zeitspanne, auf die es bei der erwähnten Prognose nach dem BGH-Urteil II ZR 1/59 (a. a. O.) ankommt, wäre als Voraussetzung für die Entstehung des Ausgleichsanspruchs mit der Ausschlußfrist von drei Monaten kaum vereinbar.
bb) Entsteht somit der Ausgleichsanspruch nicht zu irgendeinem unbestimmten Zeitpunkt nach Beendigung des Vertragsverhältnisses, so bleibt noch die Frage zu untersuchen, ob er nicht, da er die Beendigung des Vertragsverhältnisses voraussetzt, wenigstens eine "logische Sekunde" nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses entsteht, bei Beendigung des Vertrages am Ende des Geschäftsjahres daher erst am Beginn des folgenden Tages (Heuer, DB 1963, 1738). Der Senat verneint auch diese Frage. § 89b HGB sagt zwar, der Handelsvertreter könne von dem Unternehmer "nach Beendigung des Vertragsverhältnisses" einen angemessenen Ausgleich verlangen. Das ist aber keine Aussage über den genauen Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs, sondern eine Aussage über den Zeitraum, in dem der Anspruch geltend gemacht werden kann. Dieser Zeitraum liegt notwendigerweise, auch wenn der Anspruch mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses entsteht, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses.
Die Auffassung, die zwischen die Beendigung des Vertragsverhältnisses und die Entstehung des Ausgleichsanspruchs eine "logische Sekunde" einschiebt, übersieht, daß diese beiden rechtlichen Ereignisse nicht im Verhältnis des zeitlichen Vorher und Nachher, sondern in dem konditionalen Verhältnis zwischen Tatbestand und Rechtsfolge stehen (vgl. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 2. Aufl., S. 35 ff. [42]). Dieses bedeutet kein zeitliches Nacheinander, wie § 158 BGB beweist. Die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemachte Rechtsfolge tritt nicht nach, sondern mit dem Eintritt der Bedingung ein (§ 158 Abs. 1 BGB). Die Wirkung eines unter einer auflösenden Bedingung vorgenommenen Rechtsgeschäfts endigt nicht nach, sondern mit dem Eintritt der Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB). Auch in §§ 1, 2, 1922 BGB wird das Verhältnis zwischen Tatbestand und Rechtsfolge so umschrieben, daß nicht nach, sondern mit einem bestimmten Ereignis ein bestimmtes Rechtsverhältnis entsteht. In all diesen Fällen ist ein rechtlich angeordnetes Zusammentreffen von Tatbestandsverwirklichung und Eintritt der Rechtsfolge anzunehmen (Engisch, Vom Weltbild des Juristen, S. 89).
c) Eine Bestätigung für die hier vertretene Ansicht, daß der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nicht vor und nicht nach, sondern gleichzeitig mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses entsteht, sieht der Senat in dem BGH-Urteil VII ZR 102/66 vom 5. Dezember 1968 (BB 1969, 107). Dieses Urteil verweist auf die Vorschrift in § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB, daß der Ausgleichsanspruch im voraus nicht ausgeschlossen werden kann, und sagt dazu: "Daraus ist eindeutig zu schließen, daß zugleich mit der vertraglichen Beendigung des Vertreterverhältnisses, die allgemein den Ausgleichsanspruch zur Entstehung bringt, im Einzelfall diesen einschränkende oder ganz ausschließende Vereinbarungen rechtswirksam getroffen werden können." Diesen Ausführungen liegt die Vorstellung zugrunde, daß die Beendigung des Vertragsverhältnisses, die Entstehung des Ausgleichsanspruches und die einschränkenden oder ausschließenden Vereinbarungen über den Ausgleichsanspruch gleichzeitig wirksam werden. Denn wenn der Ausgleichsanspruch nicht zugleich mit, sondern nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses entstünde, dann wäre eine zugleich mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffene Ausschließung und Einschränkung des Anspruchs eine nach § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB verbotene "im voraus" getroffene Vereinbarung.
Nach diesen Grundsätzen entstanden der Ausgleichsanspruch des Steuerpflichtigen gegen die Firma D. mit dem Ablauf des 31. Dezember 1960 und der Ausgleichsanspruch gegen die Firma Sch. mit dem Ablauf des 31. Dezember 1961, ohne daß es darauf ankommt, ob Vorverhandlungen über den Ausgleichsanspruch stattfanden und wie weit diese gediehen waren. Der Ausgleichsanspruch gegen die Firma D. ist daher in der Jahresbilanz zum 31. Dezember 1960, der Ausgleichsanspruch gegen die Firma Sch. in der Jahresbilanz zum 31. Dezember 1961 zu aktivieren.
2. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, in welcher Höhe die Ausgleichsansprüche in den Bilanzen anzusetzen sind. Dafür gilt der allgemeine Grundsatz, daß alle Umstände zu berücksichtigen sind, die bis zur Aufstellung der Bilanz bekanntwerden (BFH-Urteil I 324/62 S vom 27. April 1965, BFH 82, 445, BStBl III 1965, 409). Im Streitfall fehlt es an tatsächlichen Feststellungen des FG darüber, wann der Steuerpflichtige die Bilanzen aufgestellt hat und welcher Wert den Ausgleichsansprüchen zu diesen Zeitpunkten beizulegen war. Für die zweite Frage wird es von Bedeutung sein, wie weit die Verhandlungen zwischen dem Steuerpflichtigen und den Firmen über die Höhe der Ausgleichsansprüche in den Zeitpunkten der Bilanzaufstellung fortgeschritten waren oder ob die Ausgleichsansprüche zu diesen Zeitpunkten sogar schon erfüllt waren. Im letzteren Fall bestehen nach Ansicht des Senats keine Bedenken, die Ansprüche in Höhe der Zahlungen in die Bilanzen einzusetzen. Soweit der Anspruch gegen die Firma D. in der Jahresbilanz zum 31. Dezember 1960 zu aktivieren ist, nimmt er an der Steuervergünstigung nach § 34 EStG nicht teil, da die Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89b HGB erst mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1961 an in den Kreis der Begünstigten Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 EStG aufgenommen wurden (§ 24 Nr. 1c EStG 1961; BFH-Urteil I 235/63 vom 19. Juli 1966, BFH 86, 680, BStBl III 1966, 624). Soweit dagegen die tatsächliche Zahlung der Firma D. im Jahr 1961 die Höhe der Forderung übersteigt, wie sie nach den angegebenen Grundsätzen zum 31. Dezember 1960 in der Bilanz zu aktivieren ist, unterliegt sie - ebenso wie der Ausgleichsanspruch gegen die Firma Sch., soweit er in der Bilanz zum 31. Dezember 1961 zu aktivieren ist - dem ermäßigten Steuersatz nach § 24 Nr. 1c, § 34 EStG.
Da die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausreichen, um die Höhe der Ausgleichsansprüche in den Bilanzen zum 31. Dezember 1960 und 31. Dezember 1961 zu bestimmen, wird das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen (BFH-Urteil II R 36/67 vom 5. März 1968, BFH 92, 416, BStBl II 1968, 610).
Fundstellen
Haufe-Index 68568 |
BStBl II 1969, 485 |
BFHE 1969, 497 |