Leitsatz (amtlich)
Ändert das FA im Laufe des Revisionsverfahrens den angefochtenen Verwaltungsakt und stellt der Steuerpflichtige den nach § 68 FGO erforderlichen Antrag, wird der geänderte Steuerbescheid kraft Gesetzes Gegenstand des Verfahrens vor dem BFH. Diese Wirkung tritt unabhängig davon ein, ob die Prozeßvoraussetzungen gegen den neuen (geänderten) Bescheid gegeben sind, wenn die Revision bereits form- und fristgerecht eingelegt und an sich statthaft war.
Normenkette
FGO §§ 68, 123, 127
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) war seit vielen Jahren, so auch in dem hier in Betracht kommenden Veranlagungszeitraum 1960, für zwei Versicherungsgesellschaften tätig, und zwar für die X Lebensversicherungs-AG (AG) und die Y Versicherungsbank AG (Bank), die ihm die Verwaltung des Sachversicherungsbestandes in einem bestimmten Bezirk übertragen und ihn mit der Vermittlung neuer Sachschadenversicherungen beauftragt hatte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) behandelte den Steuerpflichtigen bis einschließlich 1959 umsatzsteuerrechtlich als Arbeitnehmer der AG und zog ihn mit den von der Bank vereinnahmten Verwaltungsprovisionen nicht zur Umsatzsteuer heran. Im Veranlagungszeitraum 1960 unterwarf das FA sämtliche Entgelte des Steuerpflichtigen, die er von der AG und der Bank für seine Leistungen vereinnahmt hat, der Umsatzsteuer. Es setzte diese auf 2 055 DM fest.
Die Berufung (Klage) des Steuerpflichtigen blieb erfolglos.
Gegen das Urteil des FG hat der Steuerpflichtige Rechtsbeschwerde eingelegt, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (§§ 184 Abs. 2, 115 ff. FGO). Er rügt Verletzung des § 2 Abs. 1 UStG und begehrt Freistellung von der Umsatzsteuer.
Das FA hat im Laufe des Revisionsverfahrens den Umsatzsteuerbescheid 1960 nach einer Verhandlung mit dem Steuerpflichtigen mit dessen Zustimmung nach §§ 93 Abs. 2, 94 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert. Es berücksichtigte entsprechend dem Erlaß des BdF IV A/3 - S 4235 A - 22/63 vom 5. April 1963 (Umsatzsteuer-Rundschau 1963 S. 106 - UStR 1963, 106 -) die Provisionen aus der verwaltenden Tätigkeit gemäß § 131 Abs. 1 Satz 2 AO bei der Festsetzung nicht mehr und veranlagte demgemäß den Steuerpflichtigen zur Umsatzsteuer 1960 von 878 DM. Der Steuerpflichtige beantragt, nunmehr den geänderten Verwaltungsakt nach §§ 68, 123 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens zu machen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist zulässig.
Nachdem das FA den angefochtenen Verwaltungsakt geändert, dem Rechtsmittelbegehren jedoch nicht voll entsprochen und der Steuerpflichtige den erforderlichen Antrag gestellt hat, wird der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1960 nach §§ 68, 123 FGO kraft Gesetzes Gegenstand des Revisionsverfahrens. Weil die prozessuale Stellung des Steuerpflichtigen durch das jetzt zulässige Tätigwerden des FA während des Rechtsmittelverfahrens nicht beeinträchtigt werden soll, tritt diese Wirkung unabhängig davon ein, ob die Prozeßvoraussetzungen für eine Revision gegen den neuen (geänderten) Bescheid gegeben sind. War die Revision bereits form- und fristgerecht eingelegt und an sich statthaft (§ 124 FGO), ist über den geänderten Verwaltungsakt ohne weiteres Vorverfahren sachlich zu entscheiden (v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., Anm. 7 zu § 68 FGO). Der Umstand, daß der im § 115 Abs. 1 FGO vorgeschriebene Streitwert durch die Herabsetzung der Umsatzsteuer 1960 auf 878 DM nicht erreicht wird, hindert also den Senat im gegebenen Fall nicht, in der Sache zu erkennen. Eine andere Auslegung des § 68 in Verbindung mit § 123 FGO würde die prozessuale Stellung des Steuerpflichtigen in nicht vertretbarer Weise verschlechtern. Das FA könnte ein Unterliegen im Rechtsstreit durch Änderung des angefochtenen Bescheids vermeiden und dem Steuerpflichtigen, wenn die Streitwertgrenze für das Revisionsverfahren nicht mehr erreicht ist, die Möglichkeit nehmen, das aus materiell-rechtlichen Gründen anhängige Verfahren fortzusetzen.
Im vorliegenden Fall ist die Sache ungeachtet der Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes spruchreif. Die nach § 127 FGO rechtlich zulässige Aufhebung der Vorentscheidung und eine Zurückverweisung der Sache an das FG erscheint bei dem vorliegenden Sachverhalt prozeßökonomisch nicht zweckmäßig und auch nicht geboten.
Fundstellen
BStBl II 1969, 524 |
BFHE 1969, 28 |