Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltliche Bestimmtheit eines Feststellungsbescheids; Heilung durch Einspruchsentscheidung
Leitsatz (NV)
1. Ein Feststellungsbescheid ist unwirksam, wenn zur Kennzeichnung der Adressaten und der auf sie entfallenden Gewinnanteile allein
a) auf bestimmte Textziffern eines dem Bescheid nicht beigefügten Fahndungsberichts verwiesen wird, oder
b) pauschal auf den Inhalt eines Außenprüfungsberichts oder auf eine Vielzahl von Textziffern eines Außenprüfungsberichts Bezug genommen wird.
2. Es ist mit Sinn und Zweck des Einspruchsverfahrens schlechthin unvereinbar, daß ein infolge inhaltlicher Unbestimmtheit - hier: Adressierungsmangel - nichtiger Verwaltungsakt erstmalig mittels einer Einspruchsentscheidung wirksam erlassen wird.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2, § 48 Abs. 1; AO 1977 §§ 118, 119 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. ist eine Familien-GmbH und Co. KG (KG), die eine S-Handlung betreibt. Die KG ist am 1. Januar 1972 durch Umwandlung der S-Handelsgesellschaft mbH A. Z. entstanden.
A. Z. (Beigeladener und Revisionskläger zu 5.) wurde Komplementär und seine damalige Ehefrau B. Z. (Beigeladene und Revisionsklägerin zu 6.) sowie seine drei minderjährigen Kinder C. Z. (Beigeladene und Revisionsklägerin zu 2.), D. Z. (Beigeladene und Revisionsklägerin zu 3.) und E. Z. (Beigeladener und Revisionskläger zu 4.) Kommanditisten. Ende Dezember 1972 trat die nicht am Kapital beteiligte A. Z. - Verwaltungs - GmbH (GmbH) als Komplementärin in die KG ein; zugleich wurde A. Z. Kommanditist. Gesellschafter der GmbH waren A. Z. mit 19 000 DM und seine Ehefrau mit 1 000 DM. Aufgrund einer kurz vor dem Eintritt der GmbH beschlossenen Kapitalerhöhung waren an der KG nunmehr A. Z. mit 260 000 DM und seine Ehefrau und Kinder mit jeweils 60 000 DM beteiligt.
Eine die Jahre 1972 bis 1975 umfassende Steuerfahndungsprüfung führte zu zahlreichen Beanstandungen. Im wesentlichen handelt es sich nach dem Ergebnis der Prüfung um als Betriebsausgaben fingierte Provisionszahlungen, zu Unrecht in Anspruch genommene Wertberichtigungen auf Forderungen und verschwiegene Einnahmen. Im übrigen sah der Prüfer die Kinder der Eheleute A. Z. nicht als Mitunternehmer an.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) folgte den Prüfungsfeststellungen und setzte mit gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändertem Feststellungsbescheid vom 31. Dezember 1977 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1972 auf ./. . . . DM und mit erstmaligem Bescheid für 1975 vom 31. Dezember 1977 auf . . . DM fest.
Der Bescheid für 1972 wurde an die ,,S-Handelsgesellschaft A. Z., z. Hd. von Herrn A. Z., Justizvollzugsanstalt in X-Stadt" adressiert und mit einfachem Brief zur Post gegeben. Unter ,,B. Erläuterungen" heißt es: ,,Die Feststellung erfolgte aufgrund des Fahndungsberichts vom 14. 12. 1977, Tnr. 42-91. Der Vorbehalt der Nachprüfung wird hiermit aufgehoben. Die weiteren Feststellungen sowie die auf die einzelnen Beteiligten entfallenden Anteile sind aus dem Fahndungsbericht vom 14. Dezember 1977, Tnr. 42-44 ersichtlich." Angaben zu den Feststellungsbeteiligten und die auf sie entfallenden Gewinnanteile enthält der Bescheid im übrigen nicht.
Der Feststellungsbescheid für 1975 wurde an die ,,Firma S-Handelsgesellschaft A. Z., z. Hd. der Geschäftsführung der A. Z.-Verwaltungs-GmbH, S-Str. in O." adressiert und der KG laut Postzustellungsurkunde am 3. Januar 1978 in der B-Straße in O. (Firmensitz) zugestellt. In dem Bescheid wurde hinsichtlich der weiteren Feststellungen sowie der auf die einzelnen Beteiligten entfallenden Anteile auf den beigefügten Fahndungsbericht vom 14. Dezember 1977, Tnr. 42-91 verwiesen. Weitere Angaben zu den Feststellungsbeteiligten und die auf sie entfallenden Gewinnanteile enthielt der Bescheid nicht.
Gegen die Bescheide legte die KG Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 26. April 1978 wurden der gegen den Feststellungsbescheid für 1972 gerichtete Einspruch als unbegründet zurückgewiesen und der Gewinn für 1975 auf . . . DM herabgesetzt und A. Z., B. Z. und der GmbH zugerechnet. In den Entscheidungsgründen führte das FA u. a. aus, daß die Kinder keine Mitunternehmer seien, obwohl sie zivilrechtlich wirksam Kommanditisten geworden seien. Die Entscheidung wurde der KG sowie ihrem Bevollmächtigten bekanntgegeben.
In dem dagegen geführten Klageverfahren hat das Finanzgericht (FG) die Revisionskläger zu 2. bis 6. beigeladen und mit Urteil vom 2. Juli 1985 unter Änderung der Feststellungsbescheide 1972 und 1975 und der Einspruchsentscheidung die jeweilig festgestellten Gewinne zum Teil herabgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen.
Mit der Revision rügen die KG und die Beigeladenen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie tragen u. a. vor, die Feststellungsbescheide seien nicht den Anforderungen des § 183 AO 1977 entsprechend bekanntgemacht worden. A. Z. habe den Bescheid für 1972 nicht erhalten. Im übrigen seien in den Bescheiden die Feststellungsbeteiligten nicht oder nur unvollständig aufgeführt worden.
Das FA trägt u. a. vor, es wäre sicher zweckmäßiger gewesen, die Kinder in den Feststellungsbescheiden zu benennen und die Verneinung der Mitunternehmerschaft durch einen eindeutigen insoweit negativen Feststellungsbescheid darzustellen. Die Ablehnung der Mitunternehmerstellung gehe allerdings einwandfrei aus dem Fahndungsbericht hervor, auf den der Feststellungsbescheid verweise und der dem Bescheid beigefügt gewesen sei. Keinesfalls jedoch sei der gesamte Feststellungsbescheid wegen dieses ,,Fehlers" nichtig. Unwirksam könne er möglicherweise gegenüber den im Bescheid nicht ausdrücklich aufgeführten Beteiligten geworden sein. Diese teilweise Unwirksamkeit habe aber keine entscheidenden Rechtsfolgen, weil der Bescheid insgesamt eine Negativfeststellung enthalte. Allenfalls könne die Beiladung unwirksam sein.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und der Gewinnfeststellungsbescheide für 1972 und 1975.
I. Nicht zu beanstanden ist allerdings, daß das FG die GmbH nicht zum Klageverfahren beigeladen hat. Ihre Beiladung ist nicht notwendig.
Eine Beiladung ist notwendig, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 60 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Mitberechtigte im Sinne dieser Vorschrift sind jedoch nach § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO nicht notwendig beizuladen, wenn sie nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen, grundsätzlich nur die Gesellschaft selbst, vertreten durch ihren Geschäftsführer, klagebefugt. Die nicht zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter können im Regelfall nur dann selbständig Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid erheben, wenn die besonderen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 FGO vorliegen. Im Streitfall hätte die GmbH gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO nicht selbst gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1972 und 1975 Klage erheben können, weil sich durch die Bejahung oder Verneinung der Mitunternehmerstellung der Kinder ihr Anteil am Gewinn der KG nicht hätte ändern können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Mai 1987 IV R 283/84, BFHE 149, 523, BStBl II 1987, 601). Sie war am Gewinn oder Verlust der KG nicht beteiligt.
II. Die Gewinnfeststellungsbescheide für 1972 und 1975 sind unwirksam. Sie sind nicht hinreichend bestimmt. Sie lassen nicht erkennen, für welche Gesellschafter die Gewinne festgestellt werden und wie hoch ihre Gewinnanteile sind.
Ein Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung ist ein Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO 1977 und muß als solcher inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO 1977). Dabei kommt es darauf an, daß sich aus seinem gesamten Inhalt ergibt, für welche Gesellschafter der Gewinn festgestellt wird und wie hoch der Gewinnanteil des einzelnen Gesellschafters ist (vgl. BFH-Urteile vom 28. März 1979 I R 219/78, BFHE 128, 14, BStBl II 1979, 718; vom 8. April 1986 VIII R 343/82, BFH / NV 1986, 647). Adressaten eines Gewinnfeststellungsbescheids sind diejenigen, für die dieser seinem Inhalt nach bestimmt ist. Das sind bei einem Bescheid über die einheitliche Feststellung des Gewinns einer Personengesellschaft deren Gesellschafter, wenn diese als Mitunternehmer anzusehen sind. In einem solchen Fall ist es nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 7. April 1987 VIII R 259/84, BFHE 150, 331, BStBl II 1987, 766) nicht notwendig, daß alle Gesellschafter (als Adressaten) im Anschriftenfeld des Bescheides aufgeführt werden. Es genügt in der Regel, wenn im Anschriftenfeld die Personengesellschaft als solche bezeichnet wird (Sammelbezeichnung) und sich alle Gesellschafter eindeutig als Adressaten aus dem für die Verteilung des Gewinns vorgesehenen Teil des Bescheides ergeben.
Diesen Anforderungen genügen die Bescheide nicht. In ihnen selbst ist nicht angegeben, wer Mitunternehmer ist. Die entsprechenden Angaben können auch nicht dem Fahndungsbericht, auf den in den Erläuterungen der Bescheide hingewiesen wird, entnommen werden. Die Bezugnahmen auf den Fahndungsbericht sind insoweit unbeachtlich.
1. Dem steht nicht entgegen, daß in dem Feststellungsbescheid für 1972 konkret auf die die Gewinnverteilung regelnden Textziffern 42 bis 44 des Fahndungsberichts verwiesen wurde. Dieser Hinweis kann schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil dem Bescheid der Fahndungsbericht nicht beigefügt war. Die einzelnen Adressaten - die namentlich genannten Gesellschafter - und die ihnen jeweils zugerechneten Besteuerungsgrundlagen müssen für jeden Dritten erkennbar aus dem Bescheid selbst oder aus den dem Gewinnfeststellungsbescheid hinzugefügten Anlagen hervorgehen (BFH in BFHE 128, 14, BStBl II 1979, 718; BFH-Urteil vom 28. November 1984 VIII R 293/81, BFH / NV 1986, 185).
2. Dem Gewinnfeststellungsbescheid für 1975 war zwar der Fahndungsbericht beigefügt. Die in dem Bescheid enthaltene Verweisung auf die Textziffern 42 bis 91 kann gleichwohl nicht berücksichtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung (BFH in BFHE 128, 14, BStBl II 1979, 718; BFH / NV 1986, 185) genügt es zur hinreichenden Kennzeichnung der einzelnen Adressaten nicht, wenn in einem Feststellungsbescheid auf den Inhalt eines Betriebsprüfungsberichts oder auf eine Vielzahl von Textziffern eines Betriebsprüfungsberichts Bezug genommen wird.
Dieser zur Unwirksamkeit führende Adressierungsmangel ist nicht durch die Einspruchsentscheidung vom 26. April 1978 geheilt worden. Dabei verkennt der Senat nicht, daß die Einspruchsentscheidung den Feststellungsbescheid für 1975 nicht lediglich bestätigt, sondern geändert hat und den an den Inhalt eines Feststellungsbescheids zu stellenden Anforderungen entspricht. Mit der Einspruchsentscheidung ist der Gesamtgewinn der KG herabgesetzt und auf die Feststellungsbeteiligten aufgeteilt und darüber hinaus die Mitunternehmerstellung der Revisionskläger zu 2. bis 4. verneint worden. Dennoch vermag sie den angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen. Es ist mit dem Sinn und Zweck des Einspruchsverfahrens schlechthin unvereinbar, daß ein infolge inhaltlicher Unbestimmtheit - hier: Adressierungsmangel - nichtiger Verwaltungsakt erstmalig mittels einer Einspruchsentscheidung wirksam erlassen wird (vgl. BFH-Urteile vom 17. März 1970 II 65/63, BFHE 99, 96, BStBl II 1970, 598, 599; vom 28. November 1963 II 103/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964, 126; vom 28. November 1989 VIII R 40/84, BFHE 159, 410, 415, BStBl II 1990, 561; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 367 AO 1977 Tz. 5; Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 367 AO 1977 Anm. 10). Die nicht zuletzt dem Rechtsschutzinteresse des Steuerpflichtigen dienende Überprüfungspflicht des FA im Einspruchsverfahren findet ihre Grenze in dem angefochtenen Verwaltungsakt. Diese Grenze ist aber überschritten, wenn erstmalig mit der Einspruchsentscheidung bestimmt wird, wem gegenüber als Inhaltsadressaten eine Regelung getroffen werden soll. Dieser Auffassung widerspricht nicht, daß durch eine in einer Einspruchsentscheidung erfolgende Berichtigungsveranlagung Bekanntgabemängel des ursprünglichen Bescheids geheilt werden können, weil darin eine wirksame erstmalige Steuerfestsetzung zu sehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 352/83, BFH / NV 1986, 644). In einem solchen Fall geht es nicht darum, daß durch die Einspruchsentscheidung die Nichtigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts begründende Inhaltsmängel beseitigt werden sollen.
Fundstellen
Haufe-Index 417716 |
BFH/NV 1992, 73 |