Leitsatz (amtlich)
1. Zur zolltariflichen Abgrenzung von ADV-Maschinen-Einheiten und elektronischen Meßgeräten.
2. Digitalisierungsgeräte, die der maschinenlesbaren Darstellung des Ortes eines jeweils angetasteten Punktes im Rahmen eines Koordinatensystems dienen, sind keine Geräte "zum Messen" i.S. der Tarifnr. 90.28 GZT (Anschluß an BFH-Urteil vom 17.Oktober 1985 VII K 7/85, BFHE 144, 320).
Normenkette
GZT Tarifnr 84.53; GZT Tarifnr 84.55; GZT Tarifnr 90.28; GZT Tarifnr 90.29; GZT Kap 84 Vorschr. 3B Buchst. b
Tatbestand
I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) fertigte auf Antrag der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Januar 1980 sechs magnetostriktive Auswertetabletts für Digitalisierungsgeräte und 40 Abtastsensoren zum freien Verkehr ab. Das HZA wies die Waren der Tarifnr. 90.29 (Teile von Geräten zum Messen) des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Im Juli 1982 fertigte das HZA auf Antrag der Klägerin 36 Digitalisierungsgeräte und 45 Abtastlupen zum freien Verkehr ab. Mit Änderungsbescheid vom 19.November 1982 wies das HZA die Digitalisierungsgeräte der Tarifnr. 90.28 GZT (Geräte zum Messen) und die Abtastlupen der Tarifnr. 90.29 GZT zu. Es erhob für diese Waren, die zuvor entsprechend der Anmeldung der Klägerin der Tarifnr. 84.53 (Automatische Datenverarbeitungsmaschinen und ihre Einheiten) bzw. 84.55 GZT (Teile davon) zugeordnet worden waren, Zoll in Höhe von 5 524,39 DM nach. Die Einsprüche der Klägerin, mit denen sie die Zuordnung der Digitalisierungsgeräte in die Tarifnr. 84.53 GZT und die Zuordnung der übrigen Waren in die Tarifnr. 84.55 GZT begehrte, hatten keinen Erfolg.
Die Digitalisierungsgeräte bestehen aus einem magnetostriktiven Auswertetablett, einer Wandelelektronik und einem Abtaststift. Die Abtastsensoren und Abtastlupen können wahlweise anstelle des Abtaststifts verwendet werden. Das Tablett besteht aus einem Gitterrahmen, in den im Abstand von etwa 2 mm in waagrechter und senkrechter Richtung ferromagnetische Drähte eingespannt sind, zwei Sendespulen, die mit dem Rahmengitter verbunden sind, einem Gehäuse und einer über den Drähten angebrachten ebenen Fläche. Die Wandelelektronik besitzt einen Kleincomputer, der mit programmierbaren Speichern und einem Datenausgang ausgestattet ist. Abtaststift und Abtastsensoren haben ein Kunststoffgehäuse, in das eine Drahtspule und eine Auslösetaste eingebaut sind. Die Abtastsensoren sind ferner mit einem Fadenkreuz und die Abtastlupen zusätzlich mit einer Vergrößerungslupe ausgestattet. Diese Geräte werden durch Kabel mit der Wandelelektronik verbunden.
Die Arbeitsweise der Digitalisierungsgeräte beruht auf dem Prinzip der digitalen Laufzeitmessung. Unter Ausnutzung der Eigenschaft magnetischer Substanzen, bei einer Änderung der Magnetisierungsachse ihre Form spontan zu verändern (Magnetostriktion) können mit Hilfe des Abtaststifts von jedem beliebigen Punkt auf der Fläche des Tabletts die Werte der X- oder Y-Koordinate ermittelt werden. Die jeweils gespeicherten Koordinatenwerte eines Punktes können über die Schnittstellen der Wandelelektronik in der betreffenden Maschinensprache an den Rechner einer automatischen Datenverarbeitungsanlage oder an externe Datenspeicher weitergegeben werden. Es ist auch möglich, diese Werte über eine an den Binärausgang anschließbare Leuchtziffernanzeige in Zahlen wiederzugeben.
Besonders vielfältige Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich für die eingeführten Digitalisierungsgeräte durch die Auswertung der von ihnen ermittelten Daten in einem Rechner. Ein Prospekt der Klägerin erwähnt davon in der Biologie und Medizin: Die Ermittlung von projizierten Flächen bzw. Volumen bestimmer Organe aus Röntgenaufnahmen, die Berechnung der Größenverteilung von Blutkörperchen oder des Kern-Plasma-Verhältnisses von Zellen aus mikroskopischen Bildern, die Auswertung densitometrischer Kurven von Chromatogrammen und die Analyse von EKGs und EEGs; im Bauwesen: Die Übertragung und statische Berechnung von Bauzeichnungen und Installationsplänen; im Maschinenbau: Die Berechnung von Oberfläche, Volumen, Gewicht, Trägheitsmomente und Schwerpunkt komplizierter Maschinenteile aufgrund von Konstruktionszeichnungen; in der Satellitenbildauswertung: Die flächenmäßige Erfassung von Umwelteinflüssen und -verschmutzung; im Vermessungswesen: Die Bestimmung der genauen Wegentfernung zwischen zwei Orten oder der Flächen einzelner Gemarkungen durch Abtasten von fotogrammetrischen Aufnahmen oder Landkarten, die Ermittlung von Gesteins- bzw. Wasservolumina durch Abfahren von Höhenlinien von Gebirgsmassiven oder Tiefenlinien von Gewässern.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin, unter Abänderung der Abgabenfestsetzungen vom 7.Februar 1980 und 19.November 1982 den Zoll auf die Beträge herabzusetzen, die sich bei Einreihung der Digitalisierungsgeräte in die Tarifnr. 84.53 GZT und der Tabletts und Abtastsensoren bzw. -lupen in die Tarifnr. 84.55 GZT ergeben. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab:
Die Digitalisierungsgeräte seien elektronische Meßgeräte und fielen als solche unter die Tarifnr. 90.28 GZT. Es komme auf die Tätigkeit an, die mit dem Gerät verrichtet werde. Diese stelle sich als ein Messen dar. Die Tätigkeit der Digitalisierungsgeräte bestehe nämlich darin, für jeden beliebigen Punkt auf dem Auswertetablett den Abstand zur X- und Y-Koordinate zu bestimmen und diese Werte in einer computerlesbaren Zahl darzustellen. Dies geschehe in der Weise, daß mit Hilfe von in dem Gerät erzeugten elektronischen Vorgängen und elektromagnetischen Erscheinungen die Wegstrecken zwischen den Grundlinien des Tabletts und dem jeweils angetasteten Punkt gemessen und die in einer entsprechenden Zahl elektrischer Impulse dargestellten Meßwerte in eine computerlesbare Zahl umgewandelt (digitalisiert) würden. Die Gesamtheit dieser Vorgänge kennzeichne sich als ein Messen geometrischer Größen und verleihe den Digitalisierungsgeräten den Charakter von Meßgeräten.
Die nicht mit einer Wandelelektronik ausgestatteten Tabletts sowie die Abtastsensoren und -lupen seien, wenn sie wie im Streitfall gesondert eingeführt würden, als Teile von Meßgeräten unter die Tarifnr. 90.29 GZT einzureihen. Die Tabletts könnten nur zusammen mit der Wandelelektronik und dem Abtaststift oder einem Abtastsensor verwendet werden, mit denen sie je durch ein Kabel verbunden würden. Damit bilde das Tablett einen Bestandteil der aus ihm selbst, der Wandelelektronik und der Abtasteinheit bestehenden Vorrichtung, die ihrerseits ein komplettes Meßgerät i.S. der Tarifnr. 90.28 GZT darstelle. Solche Teile wie auch die Abtastgeräte seien nach der Vorschrift 2 b zu Kapitel 90 GZT der Tarifnr. 90.29 GZT zuzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Die Digitalisierungsgeräte sind der Tarifst. 84.53 B und die Tabletts, Abtastsensoren und Abtastlupen der Tarifst. 84.55 C GZT zuzuweisen.
1. Die Digitalisierungsgeräte sind keine Geräte "zum Messen" i.S. der Tarifnr. 90.28 GZT. Unter Messen versteht man das Feststellen des Meßwertes einer physikalischen Größe (der Meßgröße) durch Vergleich mit einer bekannten Bezugsgröße (vgl. z.B. Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, 1980, Stichwort Meßtechnik). Dementsprechend hat der Senat mit Urteil vom 17.Oktober 1985 VII K 7/85 (BFHE 144, 320, 322) entschieden, daß "zum Messen" im Sinne des GZT nur Geräte dienen, die das Messen bestimmter Größen und das Anzeigen des Wertes dieser Größen zum Ziel haben. Allein der Umstand, daß die Arbeitsweise eines Gerätes auf einem meßtechnischen Verfahren beruht, macht es noch nicht zu einem Meßgerät. So hat der Senat im zitierten Urteil entschieden, daß zum Messen von Gewichten dienende elektronische Wiegeindikatoren, deren Arbeitsweise auf einem elektrischen Meßvorgang beruht, keine elektronischen Geräte zum Messen elektrischer Größen sind, da zum Messen solcher Größen außer ihrer Aufnahme auch ihre Anzeige oder Aufzeichnung gehört.
a) Die streitbefangenen Digitalisierungsgeräte dienen der maschinenlesbaren Darstellung (Digitalisierung) des Ortes jeweils angetasteter Punkte im Rahmen eines Koordinatensystems. Dazu bedienen sich die Geräte eines Meßverfahrens unter Ausnutzung der Magnetostriktion. Dieses Meßverfahren ermöglicht es, die Koordinatenwerte des jeweils angetasteten Punktes zu ermitteln, die dann mit Hilfe der Wandelelektronik des Geräts aus Analogwerten in maschinenlesbare Digitalsignale umgewandelt werden. Die von den Digitalisierungsgeräten gelieferten Koordinatenmaßzahlen zeigen nicht den Wert einer bestimmten gemessenen Größe (in entsprechenden Einheiten) an. Sie liefern vielmehr allein die Ortsbestimmung bestimmter Punkte in Gestalt von Zeichen. Die Digitalisierungsgeräte dienen also nicht der Gewinnung von Meßwerten im meßtechnischen Sinn. Damit erfüllen sie nicht die Voraussetzungen der Tarifnr. 90.28 GZT (i.V.m. der Vorschrift 5 zu Kapitel 90 GZT).
Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Auswertung der von den Geräten gelieferten Daten in einer angeschlossenen Datenverarbeitungsanlage zur Darstellung von Meßergebnissen führen kann (z.B. zur Feststellung des Flächeninhalts von durch Abtasten fotogrammatischer Aufnahmen definierten Bodenflächen). Denn es kommt für die Frage, ob die zu tarifierenden Waren Meßgeräte sind, allein darauf an, ob sie selbst Meßdaten liefern. Das ist aber nach den obigen Ausführungen nicht der Fall.
b) Die Digitalisierungsgeräte werden von der Tarifnr. 84.53 GZT erfaßt, da sie --wie auch das FG entschieden hat-- Einheiten i.S. der Vorschrift 3 B zu Kapitel 84 GZT darstellen. Sie können an die Zentraleinheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine angeschlossen werden (Vorschrift 3 B a zu Kapitel 84 GZT). Ihrer Beschaffenheit nach sind die Geräte für eine automatische Datenverarbeitungsmaschine in Form eines Systems bestimmt und auf Grund der in ihnen integrierten Wandelelektronik auch in der Lage, Daten in der vom System verwendeten Form zu liefern (Vorschrift 3 B b zu Kapitel 84 GZT; vgl. auch Senatsurteil vom 10.November 1987 VII K 10/84, BFHE 151, 276). Die Geräte sind daher --da sie bei der Einfuhr gesondert gestellt worden sind-- der Tarifnr. 84.53 GZT zuzuweisen (Vorschrift 3 B letzter Satz zu Kapitel 84 GZT).
Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Digitalisierungsgeräte hätten eine eigene (andere) Funktion als automatische Datenverarbeitungsmaschinen und seien daher der für ihre Funktion in Betracht kommenden Tarifnummer zuzuweisen (ErlZT Tarifnr. 84.53 Teil I Rdnr.8). Die Geräte dienen nach ihrer Funktionsweise als Mittler zwischen (jeweils angetasteten) Punkten und für elektronische Datenverarbeitungsmaschinen lesbaren Zeichen. Sie haben die Funktion von Einheiten zur Eingabe von Punkten (bzw. Graphiken) in von Datenverarbeitungsanlagen verarbeitungsfähiger Form. Eine darüber hinausgehende Funktion besitzen die Geräte nicht.
Nach den Feststellungen des FG könnten die streitbefangenen Geräte ihre Funktion auch unabhängig von Datenverarbeitungsmaschinen ausüben, falls sie --was bei den eingeführten Geräten nicht der Fall ist-- zur Darstellung der ermittelten Koordinatenwerte in einer Leuchtziffernanzeige ausgerüstet sind. Dies schließt aber die Qualifizierung der Geräte als Einheiten i.S. der Vorschrift 3 B zu Kapitel 84 GZT schon deswegen nicht aus, weil, wie sich aus der Vorentscheidung mittelbar entnehmen läßt, diese Art der Verwendung bei den eingeführten Geräten ohne zusätzliche Ausrüstung überhaupt nicht und im übrigen auch nur ausnahmsweise in Betracht kommt.
2. Die (ohne Wandelelektronik) eingeführten Tabletts, Abtastsensoren und Abtastlupen sind Teile von Einheiten von Datenverarbeitungsmaschinen der Tarifnr. 84.53 GZT und daher in die Tarifst. 84.55 C GZT einzuordnen. Nach den Feststellungen des FG bilden diese Waren Bestandteile der aus ihnen selbst, der Wandelelektronik und der Abtasteinheit bzw. den Tabletts bestehenden Vorrichtung. Da diese Vorrichtung nach den Ausführungen unter Nr.1 von der Tarifnr. 84.53 GZT erfaßt wird, sind ihre Teile erkennbar (i.S. der Tarifnr. 84.55 GZT) für Waren dieser Tarifnummer bestimmt.
Fundstellen
Haufe-Index 62228 |
BFHE 153, 265 |
BFHE 1989, 265 |
BB 1988, 1595-1595 (L1-2) |
HFR 1988, 580 (LT) |