Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Tätigkeitsvergütungen einer Personengesellschaft an einen Gesellschafter gehören ausnahmsweise nicht nach § 15 Ziff. 2 EStG zum gewerblichen Gewinn der Gesellschaft, wenn der Empfänger zwar formal Gesellschafter, aber wirtschaftlich kein echter Mitunternehmer ist.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2; GewStG § 7
Tatbestand
An der Bfin. und an weiteren vier Firmen waren A. und B. als persönlich haftende Gesellschafter beteiligt. Durch den Vertrag vom 16. Februar 1953 übertrugen sie diese Beteiligungen an die Firma C. In einem Zusatzvertrag vom 17. Februar 1953 wurde vereinbart, daß beide Gesellschafter für eine übergangszeit von zwei bis drei Jahren noch als persönlich haftende Gesellschafter ohne Kapitalkonten, aber mit dem Recht und der Pflicht zur Geschäftsführung und zur Vertretung in den fünf Firmen tätig sein sollten, um die Geschäfte auf die neue Komplementärin überzuleiten und deren Bevollmächtigten mit den gesamten Geschäftsbeziehungen vertraut zu machen. Sie sollten dafür eine Gesamtvergütung in Form einer Gewinnbeteiligung von jährlich mindestens je 36.000 DM, höchstens aber je 45.000 DM erhalten. Nach Beendigung dieser Tätigkeit sollten sie ein der Höhe nach genau festgelegtes Ruhegehalt beziehen. A. wurde in dieser Zusatzvereinbarung zugestanden, mit 10 v. H. des bilanzmäßig ausgewiesenen Gesamtkapitals an den fünf Firmen beteiligt zu bleiben; von diesem Recht machte er Gebrauch. B. schied dagegen zum 1. Januar 1956 aus der Bfin. endgültig aus.
Das Finanzamt sah nicht nur A., sondern auch B. als Mitunternehmer an und erhöhte die Gewerbeerträge der Bfin. für 1953 und 1954 um die Vergütungen von 12.400 DM und 18.000 DM und außerdem um die zu seinen Gunsten gebildeten Pensionsrückstellungen von 24.652 DM und 27.245 DM.
Der Einspruch und die Berufung hiergegen hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Die Gesellschafter einer Personengesellschaft seien regelmäßig echte Unternehmer. Im Streitfall lägen keine besonderen Umstände vor, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigten. Die Zusatzvereinbarung vom 17. Februar 1953 habe das im Vertrag vom 16. Februar 1953 vereinbarte Ausscheiden des Gesellschafters B. wieder aufgehoben. Er habe weiterhin gegenüber den Gläubigern der Bfin. unbeschränkt gehaftet. Unter diesen Umständen müsse er auch steuerlich als Mitunternehmer behandelt werden. Daß diese Haftung wegen der Kapitalkraft des neuen Hauptgesellschafters keine große Bedeutung gehabt habe, sei unwesentlich. Da B. demnach in den Streitjahren Mitunternehmer sei, seien die ihm gemachten Zuwendungen und die ihn betreffenden Rückstellungen in den Gewerbeertrag der Bfin. einzubeziehen.
Mit der Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. B. sei in den Streitjahren steuerlich nach dem Gesamtbild, dem hierbei die überragende Bedeutung zukomme, kein Mitunternehmer mehr gewesen. Der persönlichen Haftung, die allerdings für Mitunternehmerschaft spreche, stehe gegenüber, daß B. weder am Kapital und an den stillen Reserven noch am Gewinn und Verlust beteiligt gewesen sei. Auch habe er keinen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben gehabt. Die an ihn gezahlte Vergütung sei eine echte Tätigkeitsvergütung gewesen, bei deren Höhe nur ein verhältnismäßig geringer Spielraum bestanden habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Einspruchsentscheidung.
Die Entscheidung hängt davon ab, ob B. in den Streitjahren Mitunternehmer war oder nicht. Das Finanzgericht ist bei seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, daß die Gesellschafter einer Personengesellschaft regelmäßig auch Mitunternehmer im Sinn von § 15 Ziff. 2 EStG sind (Urteil des Bundesfinanzhofs I 139/54 S vom 22. November 1955, BStBl 1956 III S. 4, Slg. Bd. 62 S. 9). Die Würdigung der gesamten Umstände kann im Einzelfall allerdings eine andere Beurteilung rechtfertigen. Das Finanzgericht hat der Tatsache entscheidende Bedeutung beigemessen, daß B. auch noch nach dem 16. Februar 1953 den Gläubigern der Bfin. gegenüber unbeschränkt gehaftet hat. Dieser Umstand ist sicherlich erheblich. Es ist aber auch der einzige Gesichtspunkt, der neben der formalen Rechtsstellung des B. als Gesellschafter in den Streitjahren für eine Mitunternehmerschaft spricht. Das Finanzgericht hat demgegenüber den übrigen Besonderheiten in der Stellung des B. keine wesentliche Bedeutung beigemessen und hat damit das Gesamtbild, dem entscheidendes Gewicht zukommt, nicht ausreichend berücksichtigt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 139/54 S, a. a. O.; I 27/62 vom 11. Dezember 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 140). Es hat insbesondere den Umstand zu gering bewertet, daß B. nach dem Vertrag vom 16. Februar 1953 nicht mehr an den Anlagewerten einschließlich der stillen Reserven beteiligt war, so daß ihm nach Beendigung durch den Vertrag vom 17. Februar 1953 geschaffenen übergangszustands kein Geschäftsanteil auszuzahlen war. B. erhielt für seine Mitarbeit während dieser Zeit lediglich eine Entschädigung, die zwar nicht genau beziffert war, die aber jedoch so festgelegt war, daß sie eher als eine Gehaltszahlung denn als eine Gewinnbeteiligung anzusehen ist. Wesentlich ist dabei vor allem, daß B. an einem etwaigen Verlust nicht beteiligt war und er also kein Geschäftsrisiko zu tragen hatte. Schließlich ist auch zu beachten, daß B. bei seiner persönlichen Besteuerung mit dem Veräußerungsgewinn, der sich für ihn nach dem Vertrag vom 16. Februar 1953 ergab, zur Einkommensteuer herangezogen wurde. Diese Umstände lassen den Schluß zu, daß B. nach dem Vertrag vom 17. Februar 1953 bis zu seinem endgültigen Ausscheiden aus der Bfin. mit Ablauf des Jahres 1955 nicht mehr als Mitunternehmer der Bfin. angesehen werden kann. Für diese Beurteilung spricht auch, daß von den Beteiligten bei dem Abschluß des Vertrags vom 17. Februar 1953 offensichtlich nur eine übergangsregelung für einen begrenzten Zeitraum beabsichtigt war, wenn auch von vornherein nicht alle Einzelheiten, vor allem die Dauer dieses Zustands, genau festgelegt wurden.
Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung, die zum gegenteiligen Ergebnis gelangt sind, waren deshalb aufzuheben. Die Sache wird zur neuen Feststellung des Gewerbesteuermeßbetrags für die beiden Streitjahre unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen an das Finanzamt zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 411285 |
BStBl III 1964, 501 |
BFHE 1965, 76 |
BFHE 80, 76 |