Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Stirbt der Gesellschafter einer Personengesellschaft und wird die Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag ohne die Erben fortgeführt, so ist der Veräußerungsgewinn, der darin liegt, daß die Erben dem Gesellschaftsvertrag entsprechend zu einem über dem Buchwert des Geschäftsanteils des Erblassers liegenden Betrag abgefunden werden, dem Erblasser zuzurechnen.
EStG § 16.
Normenkette
EStG § 16
Tatbestand
Die Bfin. zu 1., eine KG, betreibt eine Brauerei. Die Gesellschafterin T. ist 1951 verstorben. Auf Grund eines Testaments, das sie und ihr verstorbener Ehemann gemeinschaftlich errichtet hatten, ist sie beerbt worden von den Geschwistern ihres Ehemannes, den Bf. zu 2., zu je 1/4 und von den drei Kindern des ebenfalls verstorbenen Bruders ihres Ehemanneszu je 1/12.
Nach dem Gesellschaftsvertrag der KG waren nur die Erben, die Ehegatte oder Abkömmling eines Gesellschafters waren, zur Fortführung der Gesellschaft berechtigt. Danach waren also die Geschwister des Ehemannes nicht zur Fortführung der Gesellschaft berechtigt (sogenannte Nichtgesellschaftererben), während die drei Kinder des Bruders es waren und als Erben ihres Vaters der KG ohnehin als Gesellschafter angehörten (sogenannte Gesellschaftererben). Beide Erbengruppen haben sich in einem Vergleich dahin geeinigt, daß an jeden Nichtgesellschaftererben eine Abfindung von 100.000,00 DM zu zahlen sei. Dieser Vergleich beendete die Streitigkeiten, zu denen es zwischen den Erben wegen der Höhe der Abfindung gekommen war. Nach dem Gesellschaftsvertrag in seiner letzten, von der verstorbenen Gesellschafterin T. mit ihren Mitgesellschaftern vereinbarten Fassung war die Auseinandersetzungsbilanz in der Weise aufzustellen, daß die selbständig bewertbaren Wirtschaftsgüter mit den Einheitswerten oder mit den Werten der Steuerbilanz anzusetzen waren. Dies bedeutete eine Einschränkung der Abfindungsrechte, wie sie in dem Gesellschaftsvertrag in seiner ursprünglichen Fassung vorgesehen waren. Nach der Auffassung der abzufindenden Erben könnte die Änderung von der verstorbenen Gesellschafterin nicht vereinbart werden, weil sie durch das gemeinschaftliche Testament mit ihrem verstorbenen Ehemann gebunden gewesen sei.
Das Finanzamt führte die einheitliche Gewinnfeststellung für das Jahr 1951 in der Weise durch, daß es neben dem laufenden Gewinn noch einen Veräußerungsgewinn errechnete und diesen der verstorbenen Gesellschafterin zurechnete. Diesen Veräußerungsgewinn ermittelte es mit 107.000,00 DM, indem es die Abfindungsbeträge dem Buchwert von 3/4 des Gesellschaftsanteils der verstorbenen Gesellschafterin gegenüberstellte. Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht, das zu dem Verfahren auch die abzufindenden Erben herangezogen hatte, vertrat ebenso wie das Finanzamt die Auffassung, daß ein Veräußerungsgewinn entstanden sei, und zwar in der Person der verstorbenen Gesellschafterin. Die Vereinbarung, daß die Gesellschaft mit den Nichtgesellschaftererben nicht fortgesetzt werde, der Gesellschaftsanteil also erlösche und den verbleibenden Gesellschaftern zuwachse, sei nicht etwa eine erbrechtliche Verfügung von Todes wegen, sondern eine schuldrechtliche Verfügung zwischen den Gesellschaftern, die durch den Eintritt des Todes eines Gesellschafters aufschiebend bedingt sei. Hinsichtlich des auf die Nichtgesellschaftererben entfallenden und insoweit erloschenen Anteils an ihrem Gesellschaftsanteil liege die Veräußerung eines Betriebsanteils durch die verstorbene Gesellschafterin vor; dieser sei der dabei entstehende Gewinn zuzurechnen. Die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils sei als letzter Akt der gewerblichen Betätigung eines Gesellschafters als Unternehmer in die einheitliche Gewinnfeststellung aufzunehmen. Die von den Beteiligten erstrebte Aufteilung der Abfindung in eine nach dem Gesellschaftsvertrag unter Zugrundelegung der Buchwerte sich ergebende Abfindung und in eine auf dem Auseinandersetzungsabkommen beruhende Abfindung sei nicht gerechtfertigt; die Tatsache, daß die Nichtgesellschaftererben abzufinden seien, bilde den entscheidenden Rechtsgrund.
Mit der Rb. rügen die Bf. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Zur Begründung wird geltend gemacht
a)von der Bfin. zu 1.: Der verstorbenen Gesellschafterin könne kein Veräußerungsgewinn zugerechnet werden. Selbst wenn man von der gegenteiligen Auffassung des Finanzgerichts ausgehe, sei der in ihrer Person entstandene Veräußerungsgewinn gleich Null. Nach dem Gesellschaftsvertrag sei an die Nichtgesellschaftererben nur der buchmäßige Kapitalanteil auszuzahlen. Soweit hierin mit dem Finanzgericht ein bedingtes Veräußerungsgeschäft zu sehen sei, habe die Erblasserin damit klar und rechtlich einwandfrei zum Ausdruck gebracht, daß im Interesse des Fortbestandes des Unternehmens ihr Anteil nur zum Buchwert veräußert werden solle. Diesen Willen müsse man auch der steuerlichen Behandlung zugrunde legen. Das Auseinandersetzungsabkommen zwischen den beiden Erbengruppen sei somit - im Gegensatz zur Auffassung des Finanzgerichts - ein neuer Rechtsgrund für die Zahlung der Abfindung. Der steuerliche Tatbestand des sogenannten bedingten Veräußerungsgeschäftes könne nur unterstellt werden, soweit er in der Person der Erblasserin verwirklicht worden sei. Das Mehr beruhe auf dem erst nach dem Tod der Erblasserin geschlossenen Auseinandersetzungsabkommen zwischen den Erben. Danach müsse die Abfindung aufgeteilt werden in einen Veräußerungspreis für den Buchwert der Anteile und in ein zusätzliches Entgelt von je 35.000,00 DM, das seinen Rechtsgrund in den außergesellschaftlichen Vereinbarungen zwischen den Erben habe. Dieser Mehrbetrag sei kein Veräußerungsgewinn der Erblasserin, sondern sei den Nichtgesellschaftererben zuzurechnen;
b)von den Bf. zu 2.: Es sei überhaupt kein Veräußerungsgewinn gegeben. Die Gesellschaftererben hätten ihren Anteil geerbt; die Nichtgesellschaftererben hätten dagegen nur einen Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft als solche geerbt. Hier wie dort handele es sich um erbrechtliche Vorgänge ohne einkommensteuerliche Folgen. Wollte man mit dem Finanzgericht eine Anteilsveräußerung durch die Erblasserin annehmen, so könnte es sich nur um eine Veräußerung zugunsten des Nachlasses handeln, daraus müßte dann ein Geldanspruch des Nachlasses gegen Dritte hervorgehen. Abfindungs- und Ausgleichszahlungen zwischen den Erben könnten aber nicht als Veräußerungserlös des Nachlasses angesehen werden. Die Auseinandersetzung zwischen den Erben habe nur erbschaftsteuerliche Bedeutung. Das, was mit Rücksicht auf zwischen den Erben streitigen Fragen gezahlt worden sei, könne nicht als "Veräußerungserlös der Erblasserin" besteuert werden.
Entscheidungsgründe
Die Rbn. sind nicht begründet.
Den Bf. zu 2., den Nichtgesellschaftererben, ist zwar zuzugeben, daß die hier zu beurteilenden Vorgänge durch den Tod der Erblasserin ausgelöst sind, und daß ihre eigene Stellung ebenso wie die der Gesellschaftererben in erster Linie auf dem Testament ihrer Erblasserin beruht. Wenn auch Erbfälle Gegenstand der Erbschaftsteuer sind, so schließt das doch nicht aus, daß die durch den Tod eines Erblassers ausgelösten Vorgänge auch einkommensteuerrechtliche Wirkungen haben können. Die Erbschaftsteuer und die Einkommensteuer haben verschiedene Steuerobjekte und schließen darum einander nicht ohne weiteres aus (vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 266/30 vom 28. Februar 1930, RStBl 1930 S. 202, und das Urteil des Senats VI 155/60 vom 5. Mai 1961, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961 S. 196, Der Betrieb 1961 S. 901).
Auf Grund des Erbfalls treten die Erben grundsätzlich in die Rechtsstellung des Erblassers ein (vgl. § 1922 Abs. 1 BGB). Ist der Erblasser Gesellschafter einer KG gewesen, so kommt es für die Frage, ob die Erben auch in dieser Hinsicht in die Rechtsstellung des Erblassers eintreten und Gesellschafter werden, auf die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags an. Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, daß beim Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehen soll, so scheidet nach § 138 HGB "mit dem Zeitpunkt, in welchem mangels einer solchen Bestimmung die Gesellschaft aufgelöst werden würde, der Gesellschafter, in dessen Person das Ereignis eintritt, aus der Gesellschaft aus". Was dies im einzelnen bedeutet, kann zunächst dahingestellt bleiben; denn jedenfalls wird die Gesellschaft mit den Erben nicht fortgesetzt. Ist im Gesellschaftsvertrag dagegen bestimmt, daß beim Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft mit dessen Erben fortgesetzt wird, so werden die Erben nach § 139 HGB mit dem ihrem Erbteil entsprechenden Bruchteil am Gesellschaftsanteil des Erblassers Gesellschafter. In solchen Fällen kann die Frage nach einem Veräußerungsgewinn nicht auftauchen, denn die Erben erhalten nichts, was über den auf sie entfallenden Bruchteil am Gesellschaftsanteil des Erblassers hinausgeht. Ihr Gesellschaftsanteil wird mit dem anteiligen Buchwert fortgeführt. Sind stille Reserven vorhanden, so kommt eine Heranziehung zur Einkommensteuer erst mit der Realisierung in Betracht, sei es im laufenden Geschäftsbetrieb, sei es beim späteren Ausscheiden des Erbengesellschafters aus der Gesellschaft.
Wird die Gesellschaft dem Gesellschaftsvertrag entsprechend nach § 138 HGB ohne die Erben fortgesetzt, so werden diese abgefunden. Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob der Abfindungsanspruch bereits in der Person des verstorbenen Gesellschafters oder erst in der Person der Erben entstanden ist (vgl. § 738 BGB in Verbindung mit § 105 Abs. 2 HGB). Jedenfalls entsteht, wenn die Abfindung über den Buchwert des auf den Erben entfallenden Anteils am Gesellschaftsanteil des Erblassers liegt, in Höhe des Unterschieds ein Veräußerungsgewinn.
Wenn die die Erben abfindenden Gesellschafter nicht selbst Erben sind, so ist ohne weiteres klar, daß ihre Abfindungspflicht nicht auf Erbrecht, sondern auf Gesellschaftsrecht beruht, daß es sich mithin nicht um einen erbrechtlichen Vorgang, sondern um einen betrieblichen Vorfall handelt. Der Vorgang steht wirtschaftlich dem Erwerb des Anteils eines zu Lebzeiten ausscheidenden Gesellschafters gleich. Die abfindenden Gesellschafter können und müssen den Betrag der Abfindung, der über den Buchwert des ihnen zugewachsenen Gesellschaftsanteils des verstorbenen Gesellschafters hinausgeht, aktivieren. Die durch diese Aktivierung offengelegten anteiligen stillen Reserven werden bei ihnen nicht durch die Einkommensteuer erfaßt, wenn sie die entsprechenden Wirtschaftsgüter später veräußern.
Was demgegenüber die abzufindenden Erben angeht, so ergibt sich schon aus dem bisher Ausgeführten, daß dem betrieblichen Vorgang und der neutralisierenden Buchung des Mehrbetrags der Abfindung auf der Seite der abfindenden Gesellschafter auch ein betrieblicher Vorgang und ein Veräußerungsgewinn entsprechen müssen. Zweifelhaft kann nur sein, ob der Veräußerungsgewinn den Erben oder dem Erblasser zuzurechnen ist.
Wie dargelegt, scheidet nach § 138 HGB, wenn die Gesellschaft ohne die Erben fortgesetzt wird, "mit dem Zeitpunkt, in welchem mangels einer solchen Bestimmung die Gesellschaft aufgelöst werden würde, der Gesellschafter, in dessen Person das Ereignis eintritt, aus der Gesellschaft aus". Scheidet ein Gesellschafter aus, so wächst sein Anteil nach § 738 BGB in Verbindung mit § 105 Abs. 2 HGB anderen Gesellschaftern zu, die dann verpflichtet sind, "ihm dasjenige zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre". Mit dem Bundesgerichtshof (vgl. Urteil II ZR 222/55 vom 22. November 1956, Der Betrieb 1956 S. 1227) ist der Senat der Auffassung, daß wenn der Gesellschaftsvertrag die Fortführung ohne die Erben vorsieht, bereits der verstorbene Gesellschafter als mit dem Tod ausgeschieden und damit als Abfindungsberechtigter angesehen werden muß, die von der Fortführung der Gesellschaft ausgeschlossenen Erben also nicht Gesellschafter geworden sind und nur den Abfindungsanspruch geerbt haben. Dann ist aber die notwendige Folge, daß, wie es das Finanzgericht angenommen hat und es den Grundsätzen des Urteils des Reichsfinanzhofs VI A 687/34 vom 26. September 1935 (RStBl 1936 S. 21) entspricht, der Veräußerungsgewinn in der Person des verstorbenen Gesellschafters entstanden ist.
Weil es wirtschaftlich keinen großen Unterschied macht, ob ein Erbe von vornherein abgefunden wird oder ob seine Abfindung wie im Fall des § 139 HGB erst auf seinem freiwilligen Ausscheiden aus der Gesellschaft beruht, könnte man zwar an eine steuerliche Gleichstellung beider Fälle denken und dann den Veräußerungsgewinn nicht dem Erblasser, sondern dem Erben zurechnen. Dem Senat erscheint es aber aus den Gründen, die der I. Senat in dem Urteil I 82/60 U vom 21. August 1962 (BStBl 1963 III S. 178) zu der steuerlichen Behandlung einer vorweggenommenen Erbfolge dargelegt hat, erforderlich, für die Besteuerung grundsätzlich von der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung auszugehen, die die Beteiligten ernsthaft gewählt und durchgeführt haben. Jedenfalls hält der Senat die wirtschaftliche Ähnlichkeit der verschiedenen Fälle angesichts der bürgerlich-rechtlichen Verschiedenheit nicht für ausschlaggebend.
Nach allem konnten die Vorinstanzen einen Veräußerungsgewinn bejahen und diesen nicht den Nichtgesellschaftererben, sondern der verstorbenen Gesellschafterin zurechnen. Daß nur ein Teil der Miterben Nichtgesellschafter war, während die übrigen bereits Gesellschafter waren und blieben, ist ohne Belang und ändert insbesondere auch daran nichts, daß es sich bei der Abfindung um einen gesellschaftsrechtlichen Vorgang innerhalb des Betriebs der KG und nicht um einen rein erbrechtlichen Vorgang handelte.
Dem Finanzgericht ist auch darin beizutreten, daß es die Aufteilung der Abfindung in dem von den Gesellschaftererben (Bfin. zu 1.) gewünschten Sinn abgelehnt hat. Mag das, was die Nichtgesellschaftererben als Abfindung erhalten haben, dem Gesellschaftsvertrag in seiner letzten Fassung entsprochen haben oder nicht, so beruht doch die Abfindung auf jeden Fall dem Grunde nach allein auf der Tatsache, daß die Nichtgesellschaftererben an der Fortführung der Gesellschaft nicht beteiligt sind, sondern nur den Abfindungsanspruch der Erblasserin geerbt haben. Der Höhe nach ist die Abfindung zwar erst durch die Vereinbarung der Gesellschaftererben und der Nichtgesellschaftererben festgesetzt worden. Das ändert aber nichts daran, daß die Auseinandersetzung allein den wegen des Ausschlusses der Nichtgesellschaftererben "erloschenen" Bruchteil des Geschäftsanteils der Erblasserin und den dadurch bedingten Abfindungsanspruch betraf.
Fundstellen
Haufe-Index 410892 |
BStBl III 1963, 481 |
BFHE 1964, 438 |
BFHE 77, 438 |