Leitsatz (amtlich)
1. Durch eine vorübergehende Unterbrechung im Innehaben einer inländischen Wohnung wird der inländische Wohnsitz nicht beendet, falls die Umstände bestehen bleiben, die auf die Beibehaltung einer solchen - wenn auch anderen - Wohnung schließen lassen. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger beim Auszung aus einer Wohnung bereits die Absicht hat, demnächst eine andere Wohnung im Inland zu beziehen und diese beizubehalten und zu benutzen, und wenn er diese Absicht alsbald verwirklicht.
2. Ein an einer GmbH wesentlich beteiligter Gesellschafter kann auch als Handelsvertreter für die GmbH tätig sein, wenn dies klar und eindeutig vereinbart und die Vereinbarung auch durchgeführt wird. Der Annahme einer selbständigen gewerblichen Betätigung des Gesellschafters steht noch nicht ohne weiteres entgegen, daß der Gesellschafter über den Rahmen einer Handelsvertretung hinaus für die GmbH tätig wird.
Normenkette
StAnpG § 13; EStG §§ 15, 19-20; DBA SWE Art. 3-4
Tatbestand
Streitig ist a) ob der Kläger und Revisionskläger in den Streitjahren 1960 bis 1964 beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig war, b) wie Vergütungen, die der Kläger von den Firmen P-GmbH und J-GmbH erhalten hat, einkommensteuerrechtlich einzuordnen sind und ob sie nach dem Abkommen zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 - DBAS - (BGBl II 1959 S. 1253, BStBl I 1959, 1006) zur deutschen Einkommensteuer heranzuziehen sind.
1. Der Kläger hatte bis 30. September 1960 seinen ausschließlichen Wohnsitz in L. Am 1. Oktober 1960 bezog er zusammen mit seiner Familie aufgrund eines langfristigen Mietvertrags nach Erhalt einer kantonalen Aufenthaltsbewilligung eine Wohnung in A. (Schweiz). Der Kläger behielt jedoch auch seine Wohnung in L., bestehend aus vier Zimmern mit Küche und Bad, bei. Diese Wohnung räumte der Kläger in den letzten Tagen des Januar 1962.
Schon am 19. Mai 1960 hatte der Kläger ein Einfamilienhaus in L., gekauft und laut Vorvertrag vom gleichen Tag den Verkäufern bis zum 31. Oktober 1961 zur Nutzung überlassen. Mit Vertrag vom 1. August 1961 vermietete der Kläger das Einfamilienhaus für drei Jahre. Der Mieter ist im Februar/März 1962 aus dem Einfamilienhaus ausgezogen. Anschließend bewohnte der Kläger anläßlich gelegentlicher Aufenthalte in Deutschland das Haus. Er hat es erst nach Ablauf der Streitjahre geräumt.
2. Die P-GmbH wurde im Jahr 1956 gegründet. Ihr Hauptwerk befindet sich in V. (Bayern) und die Geschäftsleitung in F. (Bayern). Sie befaßte sich mit der Herstellung von Rohstoffen und Rohmaterialien für die Knopf-, Bijouterie- und Verschlußindustrie, ferner mit der Herstellung und dem Verkauf von Knöpfen. Die zunächst im Handelsregister eingetragenen Gesellschafter hielten die Geschäftsanteile treuhänderisch für den Kläger und Sch. Durch notarielle Verträge vom 13. März 1957 und 17. März 1961 erwarb der Kläger auch bürgerlich-rechtlich sämtliche Anteile an der P-GmbH, in Höhe von 30 v. H. jedoch nur als Treuhänder für Sch. Durch Vereinbarung vom 23. März 1962 kaufte der Kläger auch die bisher treuhänderisch für Sch. gehaltenen Anteile. Ende 1962 wurde ein weiterer Gesellschafter mit 8,66 v. H. am Stammkapital der P-GmbH beteiligt. Als Geschäftsführer der P-GmbH waren bis zum 31. Dezember 1960 S. der technische Leiter der Firma, und ab 1. Januar 1961 Gerda M., eine frühere Buchhalterin der GmbH, im Handelsregister eingetragen. Die P-GmbH besitzt neben anderen Beteiligungen sämtliche Geschäftsanteile der J-GmbH, Treuhänderin für die Beteiligung war Gerda M.,
3. Der Kläger erhielt in den Streitjahren - neben Gewinnausschüttungen der P-GmbH - Vergütungen für seine Tätigkeit bei der P-GmbH und bei der J-GmbH, die in den Buchführungen der Gesellschaften m. b. H. als Provisionsaufwand verbucht waren. Grundlage für die Bezahlung der Vergütungen durch die P-GmbH ist ein Vertrag vom 1. Januar 1958. Danach war der Kläger alleiniger Reisevertreter der P-GmbH für das In- und Ausland. Er erhielt Provision für alle Warenverkäufe, und zwar in Höhe von 4 v. H. bei Lieferung an Direktverbraucher und 2 v. H. bei Lieferung an Wiederverkäufer. Die P-GmbH stellte einen PKW zur Verfügung und übernahm alle Unterhaltskosten dafür. Sie war auch zum Ersatz aller nachgewiesenen Spesen verpflichtet. Der Kläger mußte ein Delkredere nicht übernehmen und erhielt unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange einen Urlaub von vier Wochen. In einem Zusatzvertrag vom 15. November 1960 wird der Kläger als Verkaufsleiter bezeichnet, dem der Verkauf der Erzeugnisse der P-GmbH im In- und Ausland unterstehe und dem die Betreuung aller Vertreter der GmbH übertragen sei. Gleichzeitig wurde der Provisionssatz des Klägers auf 5 v. H. für alle Umsätze erhöht, ferner eine Superprovision für alle Verkäufe anderer Vertreter in Höhe von 50 v. H. der an diese Vertreter ausgezahlten Provisionen vereinbart. Für die Unterhaltung eines Büros im Rahmen der Wohnung des Klägers in der Schweiz wurde dem Kläger ein Betrag von 1 000 DM zugesagt. In dieser Wohnung hatte der Kläger ein Telefon und einen Fernschreiberanschluß. Fremde Arbeitskräfte beschäftigte er bei seiner Tätigkeit für die P-GmbH und die J-GmbH nicht. Lediglich seine Frau arbeitete mit. Die Reisekosten wurden dem Kläger für alle Geschäftsreisen anhand von Einzelnachweisen erstattet.
In den den Streitjahren vorausgegangenen Veranlagungszeiträumen wurde der Kläger als selbständiger Gewerbetreibender behandelt. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) den Kläger zunächst für die Jahre 1960 bis 1962 in vollem Umfang vorläufig veranlagt und dabei die von der P-GmbH und der J-GmbH bezogenen Vergütungen für die Zeit ab 1. Oktober 1960 nicht angesetzt hatte, führte es nach Durchführung einer Betriebsprüfung die Steuerfestsetzungen für die Jahre 1960 bis 1964 endgültig durch. Das FA ging davon aus, der Kläger sei unbeschränkt steuerpflichtig. Die Vergütungen von der P-GmbH und der J-GmbH seien bis einschließlich 30. September 1960 gewerbliche Einnahmen und ab 1. Oktober 1960 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, die in der BRD ausgeübt werde. Diese Einkünfte unterlägen daher nach Art. 4 DBAS der deutschen Einkommensteuer.
Mit seiner Sprungklage machte der Kläger geltend, er sei ab 1. Oktober 1960 in der BRD nur noch beschränkt steuerpflichtig. Die Vergütungen seien auch für die Zeit ab 1. Oktober 1960 Einnahmen aus Gewerbebetrieb. Die entsprechenden Einkünfte unterlägen ab 1. Oktober 1960 entsprechend den Grundsätzen des DBAS mangels einer inländischen Betriebstätte nicht der deutschen Einkommensteuer.
Die Sprungklage hatte - von einer rechnerischen Richtigstellung und einer Änderung in der Qualifikation der Einkünffte für die Zeit bis einschließlich 30. September 1960 abgesehen - keinen Erfolg. Das FG führte aus: Der Kläger sei aufgrund eines Wohnsitzes im Inland (§ 13 StAnpG) in den Streitjahren unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers hätten sowohl die Ehefrau und Tochter als auch später er selbst die Wohnung in L. und später das Einfamilienhaus in L. von Zeit zu Zeit benutzt. Lediglich für einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochen zu Beginn des Jahres 1962 habe der Kläger in L. keine Wohnung innegehabt. Für diese Zeit sei aber die unbeschränkte Steuerpflicht durch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§ 14 StAnpG) aufrechterhalten worden. Dies könne daraus ersehen werden, daß der Kläger - wie aus dem Schreiben seines Vertreters an das FA vom 10. Januar 1962 hervorgehe - durch seine Tätigkeit bei den Betriebstätten der P-GmbH in F. und V. so sehr in Anspruch genommen gewesen sei, daß es ihm zweckmäßig erschienen sei, in L. weiterhin eine eingerichtete Wohnung zu unterhalten.
Die vom Kläger von der P-GmbH und J-GmbH bezogenen Vergütungen seien Arbeitslohn. Der Kläger habe für die P-GmbH und die J-GmbH im wesentlichen nicht die Aufgaben eines Handelsvertreters, sondern die eines Organs oder leitenden Angestellten erfüllt. Wie sich aus seiner eigenen Darstellung ergebe, lägen alle wesentlichen kaufmännischen Entscheidungen vom Einkauf über die Versuchsabteilung und die Produktion bis zum Absatz in den Händen des Klägers. Die überragende, alle Bereiche der Gesellschaft umfassende Tätigkeit sei auch entsprechend honoriert worden. Daß die verantwortliche Leitung der P-GmbH nicht bei der ab 1. Januar 1961 allein eingetragenen Geschäftsführerin Gerda M. und den vom Kläger als leitende Angestellte bezeichneten Personen gelegen habe, ergebe sich schon allein aus der Relation der Bezüge des Klägers zu den Bezügen der letztgenannten Personen. Die entscheidende Stellung des Klägers in der Geschäftsführung komme auch dadurch zum Ausdruck, daß er für die wichtigsten Bankkonten der Firma das alleinige Zeichnungsrecht gehabt habe. Der Kläger habe auch kein für eine gewerbliche Tätigkeit typisches Risiko getragen; denn die ihm entstandenen Kosten seien zum Teil aufgrund von Einzelnachweisen (Reisekosten), zum Teil durch Pauschbeträge (Büro in der Schweizer Wohnung mit Telefon und Fernschreibeanschluß) ersetzt worden. Auch die Art der Vergütung könne für sich allein nicht zur Annahme der Selbständigkeit des Klägers führen; denn umsatzabhängige Vergütungen seien auch sonst bei leitenden Angestellten üblich. Es möge sein, daß die Tätigkeit des Klägers sich auch auf solche Bereiche erstreckt habe, die auch besonders qualifizierten selbständigen Handelsvertretern übertragen werden könnten. Eine Aufspaltung der einheitlich vereinbarten Bezüge in solche aus Gewerbebetrieb und nichtselbständiger Arbeit sei aber mangels eines geeigneten Aufteilungsmaßstabes und angesichts des Ineinandergreifens der Funktionen des Klägers nicht möglich.
Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit unterlägen nach Art. 4 DBAS der deutschen Einkommensteuer. Der Kläger habe die Tätigkeit, die nicht so abgegrenzt sei, daß sie nur Aufgaben umfasse, die sich lediglich im Ausland auswirkten, gelegentlich im Inland, vor allem an den Betriebstätten in F. und V. ausgeübt.
Mit seiner Revision rügt der Kläger, das FG habe die §§ 13, 14 StAnpG unrichtig angewandt und die streitigen Einkünfte zu Unrecht als solche aus nichtselbständiger Arbeit angesehen. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Tätigkeitsvergütungen von der Einkommensteuer ab 1. Oktober 1960 freizustellen und seinen Wohnsitz in der Schweiz anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG.
1. Soweit das FG dem Kläger aufgrund eines Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts im Inland als unbeschränkt steuerpflichtig angesehen hat (§ 1 Abs. 1 EStG), fehlt es der Vorentscheidung an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen.
a) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Frage, ob ein die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht begründender Wohnsitz vorliege, nach § 13 StAnpG, nicht nach dem zum Teil abweichenden Wohnsitzbegriff des Art. 8 DBAS zu beurteilen sei (Urteil des BFH I 410/61 U vom 13. Oktober 1965, BFH 83, 635, BStBl III 1965, 738). Danach hat jemand einen Wohnsitz im Inland, wenn er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen werde. Das FG hat diese Voraussetzungen für die Zeit bis zum Auszug aus der Wohnung in L. Ende Januar 1962 und weiter für die Zeit nach dem Einzug in das Einfamilienhaus in L. im Februar/März 1962 bejaht. Diesen Feststellungen des FG kann zwar entnommen werden, daß der Steuerpflichtige in den fraglichen Zeiträumen im Inland Wohnungen innehatte (vgl. BFH-Urteil VI 236/62 U vom 24. April 1964, BFH 79, 626, BStBl III 1964, 462). Indessen läßt die auf die eigenen Ausführungen des Klägers gestützte formelhafte Wendung des FG, der Kläger habe beide Wohnungen "von Zeit zu Zeit benutzt", nicht den Schluß zu, daß der Kläger die Wohnungen unter Umständen innegehabt habe, die darauf schließen ließen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen werde. Diese Voraussetzungen sind nur erfüllt, wenn die Wohnung "dem Steuerpflichtigen dadurch als Bleibe dient, daß er sie ständig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit benutzt" (BFH-Urteile VI 236/62 U, a. a. O.; IV 29/64 U vom 4. Juni 1964, BFH 80, 169, BStBl III 1964, 535, im Anschluß an die Urteile des RFH III A 143/36 vom 24. September 1936, RStBl 1936, 997, und VI A 631/36 vom 10. März 1937, RStBl 1937, 498). Das FG hat nicht dargetan, durch welchen Sachverhalt es die Merkmale der wenigstens regelmäßigen oder gewohnheitsmäßigen Nutzung der Wohnung als erfüllt angesehen hat, insbesondere, ob die vom Kläger selbst erwähnten kurzen Besuche im Inland im Rahmen von Geschäftsreisen nach ihrer Häufigkeit und Dauer die Annahme eines Wohnsitzes rechtfertigen. Das FG wird diese Prüfung nachholen und sich dabei mit den möglicherweise zum Teil widersprüchlichen Ausführungen des Klägers im einzelnen auseinandersetzen.
b) Für die Zeit von Ende Januar 1962 bis Februar/März 1962 hat das FG angenommen, daß die unbeschränkte Steuerpflicht des Klägers durch den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§ 14 StAnpG) begründet worden sei. Tatsächliche Feststellungen dazu hat das FG ebenfalls nicht getroffen. Das FG stützt sich zur Begründung auf den Schriftsatz des Klägervertreters an das FA vom 10. Januar 1962. Aus diesem ergibt sich zwar, daß der Kläger "bisher für die kurze Zeit seines Aufenthalts in Deutschland seine bisherige Wohnung L. bewohnt habe und daß er nunmehr beabsichtige, "für die Dauer seines kurzen Aufenthalts in Deutschland sein eigenes Haus" zu beziehen. Ob in den Aufenthalten des Klägers in L. jedoch mehr als ein "vorübergehendes Verweilen" erblickt werden kann, hat das FG nicht untersucht.
Für die Zeit von Ende Januar 1962 bis Februar/März 1962 hätte das FG überdies in erster Linie prüfen müssen, ob auch für diesen Zeitraum ein Wohnsitz des Klägers im Sinne des § 13 StAnpG weiter bestanden hat. Durch eine vorübergehende Unterbrechung im Innehaben einer inländischen Wohnung wird der inländische Wohnsitz nicht beendet, falls die Umstände bestehen bleiben, die auf ein Beibehalten einer solchen - wenn auch anderen - Wohnung im Inland schließen lassen (RFH-Urteile III A 283/34 vom 13. September 1934, RStBl 1934, 1104; III A 365/34 vom 31. Januar 1935, RStBl 1935, 339; Sewelch, StuW I 1933 Spalte 173/174). Diese Voraussetzungen liegen jedenfalls dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger beim Auszug aus einer Wohnung bereits die Absicht hat, demnächst eine andere Wohnung im Inland zu beziehen und diese dauernd beizubehalten und zu benutzen und wenn er diese Absicht auch alsbald verwirklicht.
Im Streitfall kommt unter diesen Gesichtspunkten insbesondere dem Umstand Bedeutung zu, daß der Steuerpflichtige lt. Schreiben seines Beraters vom 10. Januar 1962, also schon vor Auszug aus der Wohnung in L. die Absicht hatte, das Haus zu beziehen. Da es sich dabei um sein eigenes Einfamilienhaus handelte, war die Verfügungsgewalt des Klägers über diese Wohnung schon im Januar 1962 bereits in greifbare Nähe gerückt.
2. Soweit das FG die streitigen Tätigkeitsvergütungen des Klägers unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einordnete, kann ihm der erkennende Senat aus materiell-rechtlichen Gründen nicht folgen.
a) Ist ein wesentlich beteiligter Gesellschafter einer GmbH für die GmbH tätig, so muß dies nicht notwendig im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geschehen. Auch zwischen der GmbH und ihrem wesentlich beteiligten Gesellschafter herrscht Vertragsfreiheit (vgl. BFH-Urteil I 96/64 vom 29. November 1967, BFH 91, 151, BStBl II 1968, 234). Der Senat hat mehrfach entschieden, es bestehe keine Vermutung, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ihr Angestellter sei (vgl. z. B. BFH-Urteil I 178/63 U vom 10. November 1965, BFH 84, 202, BStBl III 1966, 73). Das Recht der GmbH und ihres wesentlich beteiligten Gesellschafters, ihre Rechtsverhältnisse frei zu gestalten, erschöpft sich jedoch nicht darin zu bestimmen, ob der Gesellschafter als Angestellter oder im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses für die GmbH tätig sein solle. Es umfaßt vielmehr auch die Befugnis zu vereinbaren, daß der Gesellschafter für die GmbH als selbständiger Gewerbetreibender - etwa als Handelsvertreter oder in beratender Funktion - tätig wird (vgl. BFH-Urteil I 188/63 vom 23. November 1965, HFR 1966, 178). Die Begründung derartiger Rechtsverhältnisse mag selten sein. Das schließt indes nicht aus, daß ihr im Einzelfall wirtschaftlich vernünftige Erwägungen zugrunde liegen können. Solche Gründe können z. B. darin bestehen, daß der Gesellschafter für eine Mehrzahl von Unternehmen als selbständiger Vertreter in ähnlicher Weise wie für die GmbH tätig wird. Ist ein solches Rechtsverhältnis zwischen GmbH und Gesellschafter von vornherein klar, eindeutig und ernsthaft vereinbart und durchgeführt, so hat auch die Besteuerung daran anzuknüpfen. Dem steht die wirtschaftliche Betrachtungsweise (§ 1 Abs. 3 StAnpG) nicht entgegen. Diese gestattet es nicht, die bürgerlich-rechtlich gewollten und durchgeführten Vereinbarungen beiseite zu schieben (BFH-Urteil I 216/64 vom 29. November 1966, BFH 88, 370, BStBl III 1967, 392). Danach sind im Streitfall die zwischen der P-GmbH, der J-GmbH und dem Kläger getroffenen Vereinbarungen und ihre tatsächliche Durchführung daraufhin zu prüfen, ob die vom Kläger geleistete Tätigkeit die Voraussetzungen eines selbständigen Gewerbebetriebs (§ 15 EStG) oder diejenigen einer nichtselbständigen Arbeit (§ 19 EStG) erfüllt.
b) Nach dem zwischen der P-GmbH und dem Kläger abgeschlossenen Vertrag vom 1. Januar 1958 - von ähnlichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der J-GmbH gehen die Beteiligten offenbar aus - ist der Kläger alleiniger Reisevertreter für das In- und Ausland auf Provisionsbasis. Der Vertrag enthält zwar einzelne Bestimmungen, die auf eine Unselbständigkeit des Klägers hindeuten könnten. Dies gilt für die Vereinbarung eines Urlaubs und der von der GmbH eingegangenen Verpflichtung zum Spesenersatz sowie für die Freistellung des Klägers vom Delkredere. Andererseits zeigt die Durchführung des Vertrags, daß der Kläger seine Arbeitszeit weitgehend frei bestimmen konnte. Tatsächlich hat der Kläger nach dessen eigener, insoweit vom FG zugrunde gelegter Darstellung die im Vertrag vom 1. Januar 1958 übernommene Handelsvertretertätigkeit - verbunden mit einer Beratung gegenüber den Kunden und den vertretenen Unternehmen - auch ausgeübt. Als entscheidendes Indiz für eine selbständige Tätigkeit wertet der Senat insbesondere den Umstand, daß der Kläger über eine längere Zeit die steuerlichen Belastungen eines selbständigen Gewerbetreibenden getragen hat. Daraus ist nur der Schluß möglich, daß ein auf Selbständigkeit gegründetes Rechtsverhältnis von den vertragschließenden Parteien auch tatsächlich gewollt gewesen ist.
c) Allerdings muß - ebenfalls nach den vom FG zugrunde gelegten Ausführungen des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 22. Januar 1963 und 29. Januar 1964 - davon ausgegangen werden, daß der Kläger für die GmbH Tätigkeiten ausgeübt hat, die über den - auch weitgespannten - Rahmen eines Generalvertreters hinausgegangen sind. Insbesondere gehört dazu die Aufgabe des Klägers, den Einkauf, die Versuchsabteilung und die Produktion auf die Erfordernisse des Marktes abzustimmen. Der Kläger selbst spricht von einer Koordinierung der Einkaufs- und Verkaufspolitik und einer zentralen Steuerung des Konzerns. Der Senat vermag daraus jedoch nicht zu folgern, daß aufgrund dieser zusätzlich vom Kläger übernommenen Aufgaben das zwischen dem Kläger und der P-GmbH bzw. J-GmbH bestehende Rechtsverhältnis insgesamt das Gepräge eines Dienstverhältnisses erhalten habe. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß ein Anstellungsverhältnis zwischen einer Kapitalgesellschaft und einem die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter nur bei von vornherein getroffenen klaren und nachweisbaren Abmachungen anerkannt werden könne (BFH-Urteile I R 26/67 vom 8. Januar 1969, BFH 95, 1, BStBl II 1969, 268; I R 79/68 vom 27. Januar 1971, BFH 101, 361, BStBl II 1971, 352). Diese Grundsätze lassen es im Streitfall nicht zu, unter Mißachtung des ernsthaften vereinbarten und durchgeführten Handelsvertretervertrages ein Arbeitsverhältnis des Klägers zu unterstellen. Vielmehr muß auch hier davon ausgegangen werden, daß der auf die Geschäftsführung entfallende Teil der Leistungen des Klägers im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses erbracht worden ist. In diesem Falle bedarf es jedoch der vom FA begehrten Prüfung, ob in den Provisionen, die der Kläger in den Streitjahren bezogen hat, verdeckte Gewinnausschüttungen enthalten sind, die zu Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 EStG) geführt haben (zum Besteuerungsrecht dieser Einkünfte nach dem DBAS vgl. Art. 3 Abs. 4 DBAS sowie Korn-Dietz-Debatin, Doppelbesteuerung, Anm. 7 zu Art. 3 DBAS).
Fundstellen
BStBl II 1972, 949 |
BFHE 1972, 537 |