Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungsregelung bei der Investitionszulage
Leitsatz (NV)
Eine Ausnahme von der gesetzlichen Verbleibregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1982 ist dann nicht gerechtfertigt, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter aus in ihnen selbst liegenden Gründen für die betrieblichen Belange des Investors nicht mehr geeignet sind und zu einem nicht zu vernachlässigenden Preis veräußert werden.
Normenkette
InvZulG 1982 § 4 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb bis Anfang 1989 eine Spinne reimaschinenfabrik. In ihrem Unternehmen unterhielt sie u. a. eine Abteilung, die sich ausschließlich mit der Entwicklung und Herstellung von Spinnbandreißmaschinen beschäftigte.
Im November 1985 stellte die Klägerin eine Spinnbandreißmaschine mit der Typenbezeichnung A her. Diese Maschine diente ihr als Vorführ- und Versuchsmodell. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gewährte für die Herstellung der Maschine zunächst wie beantragt eine Investitionszulage gemäß § 4 des Investitionszulagengesetzes 1982 (InvZulG 1982).
Im März 1988 ersetzte die Klägerin die Spinnbandreißmaschine vom Typ A durch eine von ihr ebenfalls entwickelte Maschine mit der Typenbezeichnung B. Die ersetzte Maschine verkaufte sie (nach einer entsprechenden Überholung) laut Ausfuhrlizenz im Juni 1988 nach Südamerika. Die Demontage erfolgte im August 1988, die Übergabe an den Spediteur im September 1988 und die endgültige Lieferung an den Abnehmer im Dezember 1988.
Im Anschluß an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung hob das FA den Investitionszulagenbescheid gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auf und forderte die Investitionszulage zzgl. Zinsen zurück.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Zur Begründung seines in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 556 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) im wesentlichen aus: Aus dem Sinn und Zweck der Zulagenregelungen folge, daß in Ausnahmefällen ein vorzeitiges Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus dem Betrieb oder der Betriebsstätte des Investors unschädlich sei. Eine solche Ausnahme sei dann gegeben, wenn das vorzeitige Ausscheiden in dem jeweiligen Typ und dem Tauglichkeits- bzw. Abnutzungsgrad des Wirtschaftsgutes selbst begründet sei. So habe der Bundesfinanzhof (BFH) das vorzeitige Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betrieb oder der Betriebsstätte des Investors in den Fällen als unschädlich angesehen, in denen es technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht gewesen sei oder einen Totalschaden erlitten habe. Daraus folge, daß die Rückforderung der Zulage wegen Nichteinhaltung der Bindungsfrist dann nicht berechtigt sei, wenn ein (weiterer) Einsatz des betreffenden Wirtschaftsgutes für die vom Gesetz geförderten Zwecke wegen der vom Investor nicht zu vertretenden und im Wirtschaftsgut selbst liegenden Umstände nicht mehr möglich sei. In diesen Fällen könne auch eine "Restverwertung" durch Verkauf nicht zulagenschädlich sein, gleichgültig zu welchem Preis der Verkauf erfolge.
Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß das Ausscheiden der Spinnbandreißmaschine aus dem Betrieb der Klägerin innerhalb der dreijährigen Bindungsfrist unschädlich sei.
Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1982 wird für die Anschaffungs- oder Herstellungs kosten neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Investitionszulage gewährt, wenn die Wirtschaftsgüter u. a. mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung im Betrieb des Investors ausschließlich der Forschung und Entwicklung dienen. Gemäß § 5 Abs. 6 Satz 1 InvZulG 1982 erlischt der Anspruch auf die Investitions zulage mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit die betreffenden Wirtschaftsgüter während des o. a. Zeitraumes die in § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1982 bezeichneten Voraussetzungen nicht erfüllen.
Die Frage, ob die strittige Spinnbandreißmaschine -- wie das FA annimmt -- der Klägerin auch noch zu anderen Zwecken als denen der Forschung und Entwicklung i. S. des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gedient hat, kann dahinstehen, denn die vom Gesetzgeber geforderte dreijährige Bindungsfrist ist im Streitfall nicht gewahrt.
Der BFH hat -- worauf das FG zutreffend hinweist -- ein vorzeitiges Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus dem Betrieb oder der Betriebsstätte des Investors dann als unschädlich angesehen, wenn es technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht (schrottreif) war und auch für Dritte keinen oder nur einen sehr geringen Wert hatte (vgl. Urteile vom 9. März 1967 IV R 149/66, BFHE 87, 589, BStBl III 1967, 238; vom 15. Oktober 1976 III R 139/74, BFHE 120, 317, BStBl II 1977, 59; vom 1. Juli 1977 III R 74/76, BFHE 123, 109, BStBl II 1977, 793, sowie vom 5. Mai 1988 III R 181/83, BFH/NV 1988, 741, und vom 2. Mai 1980 III R 12/79, BFHE 131, 419, BStBl II 1980, 758).
Andererseits ist eine Ausnahme von der Verbleibregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1986 jedoch dann nicht gerechtfertigt, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter z. B. aus testspezifischen Gründen vor Ablauf des Drei-Jahres-Zeitraums ihre Tauglichkeit für den Betrieb des Investors verlieren und zu einem, nicht zu vernachlässigenden Preis veräußert werden (Urteil vom 12. April 1994 III R 64/91, BStBl II 1994, 711). Entscheidend war hierbei für den Senat neben der Größenordnung des Veräußerungserlöses vor allem die Überlegung, daß der Gesetzgeber die Einhaltung der Drei-Jahres-Frist in den Fällen, in denen er sie in das Gesetz aufgenommen hat, als maßgebliche Grundlage für die Erreichung des mit der jeweiligen Zulage bezweckten Erfolges angesehen hat. Auf § 4 InvZulG 1986 (entspricht der Regelung in § 4 InvZulG 1982) bezogen bedeute dies, daß nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nur solche Wirtschaftsgüter begünstigt sein sollten, die wenigstens drei Jahre lang der Forschung und Entwicklung dienten. Aus der Vorstellung des Gesetzgebers bei der (erstmaligen) Einführung einer Investitionszulage für Forschung und Entwicklung, das mit der betrieblichen Forschung und Entwicklung verbundene Risiko teilweise auf den Staat zu verlagern, sei zu folgern, daß grundsätzlich nur besonders risikobehaftete Vorhaben gefördert werden sollten. Zu diesen gehörten in erster Linie die auf einen längeren Zeitraum angelegten Vorhaben. Dieser Zielsetzung entspreche es, wenn das Gesetz nur solche beweglichen Wirtschaftsgüter als begüns tigungsfähig ansehe, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung im Betrieb des Steuerpflichtigen ausschließlich der Forschung und Entwicklung dienten.
Zu berücksichtigen ist im Streitfall außerdem, daß die Spinnbandreißmaschine -- nach dem Vortrag der Klägerin -- zwar für die speziellen betrieblichen Belange der Klägerin nicht mehr geeignet war, doch für einen weit über den Herstellungskosten liegenden Preis veräußert wurde. Daraus wird ersichtlich, daß die Maschine für andere Unternehmen noch von erheblichem Wert war. Die vom FG vertretene Auffassung, einer Verwertung des Wirtschaftsguts durch Verkauf komme keine Bedeutung zu, würde in Fällen wie diesem dazu führen, daß eine Investitionszulage auf Herstellungskosten gezahlt würde, obwohl im Ergebnis keine Herstellungskosten angefallen sind.
Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin eine Investitionszulage für die Spinnbandreißmaschine nach § 4 InvZulG 1982 nicht zu. Sie hat die Maschine nach ihrer Herstellung nicht mindestens drei Jahre lang in ihrem Betrieb ausschließlich zur Forschung und Entwicklung eingesetzt.
Das FG ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß die strittige Maschine im November 1985 hergestellt worden ist. Eigene Feststellungen hierzu hat es nicht getroffen. Doch sind die einem Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen vom FG festgestellt, wenn die Beteiligten übereinstimmend von einem einfachen Rechtsbegriff ausgehen und das FG diesen Begriff übernimmt (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 1990 II R 97/85, BFHE 159, 354, BStBl II 1990, 448; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rdnr. 30).
Die Klägerin hat sowohl in ihrer Klageschrift als auch in ihrem Investitionszu lagen-Antrag vorgetragen, daß die Spinnbandreißmaschine im November 1985 fertiggestellt war bzw. der Tag der Herstellung im November 1985 lag. Von einer Fertigstellung bzw. Herstellung im November 1985 ist auch das FA ausgegangen, wie schon aus der Einspruchsentscheidung hervorgeht. Die Beteiligten haben den Begriffen "Herstellung/Fertigstellung" die gleiche Bedeutung beigemessen und sie in ihren Vorträgen in der Art eines Tatsachenbegriffs verwendet. An die Feststellung, daß das strittige Wirtschaftsgut im November 1985 hergestellt wurde, ist der Senat auch deswegen gebunden, weil zulässige und begründete Gegenrügen nicht vorgebracht worden sind (§§ 118 Abs. 2 und 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Soweit die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vorträgt, die Maschine sei schon Anfang des Jahres 1985 in Betrieb genommen worden, muß dies im Revisionsverfahren unberücksichtigt bleiben. Als Revisionsbeklagte ist die Klägerin zwar grundsätzlich befugt, sog. Gegenrügen zu erheben (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1970 IV R 72/69, BFHE 99, 21, BStBl II 1970, 497); an die Zulässigkeit dieser Rügen sind aber die gleichen Anforderungen zu stellen wie an Verfahrensrügen des Revisionsklägers (vgl. BFH-Urteile vom 4. Mai 1977 I R 27/74, BFHE 123, 20, BStBl II 1977, 802, und vom 10. März 1987 IX R 48/83, BFH/NV 1988, 79). Im Wege der Gegenrüge kann der Revisionsbeklagte daher nur solche Tatsachen in das Revisionsverfahren einführen, die er aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nicht schon vor dem FG hätte geltend machen können. Die Klägerin hat nicht dargetan, daß sie dementsprechend schon vor dem FG wenigstens hilfsweise auf die Möglichkeit einer früheren Herstellung der strittigen Spinnband reißmaschine hingewiesen hat oder weshalb ihr dies nicht möglich gewesen sei. Da unter den Beteiligten nach Lage der dem Senat vorliegenden Akten der Herstellungszeitpunkt niemals streitig war, bestand auch für das FG kein Anlaß, von sich aus diesbezügliche Ermittlungen anzustellen.
Das FG ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 420196 |
BFH/NV 1995, 545 |