Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung bei Nachbuchung von Betriebseinnahmen im Jahresabschluß; unschädliche unrichtige Bezeichnung des eingeschlagenen Schätzungsverfahrens
Leitsatz (NV)
1. In einer Einkommensteuersache besteht weder eine Rechtskraftbindung noch eine sonstige Bindung an die Entscheidung in einer rechtskräftig abgeschlossenen Gewerbesteuermeßbetragssache.
2. Eine Buchführung, die unverbuchte bare Betriebseinnahmen erst im Rahmen der Abschlußbuchungen erfaßt, ist nicht ordnungsgemäß.
3. Nicht zu beanstanden ist ein Schätzungsverfahren, das sich zu Unrecht als Hinzuschätzung mit Hilfe eines Sicherheitszuschlags (Fährniszuschlags) bezeichnet, aber erkennbar wegen ungewöhnlicher Umstände bestimmte Verlustgeschäfte als Gewinngeschäfte behandeln will. Eine solche Schätzung ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn der Steuerpflichtige ursprünglich selbst ein Gewinngeschäft erwartet hat und mit dem Vertragspartner schon einmal steuerverschleiernd zusammengewirkt hat.
Normenkette
AO § 162 Abs. 2 S. 1, Abs. 7, §§ 208, 217; AO 1977 § 90 Abs. 2, § 146 Abs. 1, §§ 158, 162; FGO § 96 Abs. 1, § 110 Abs. 1, § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) handelt seit 1957 mit gebrauchten Werkzeugmaschinen. Bei einer früheren Betriebsprüfung (nebst Steuerfahndung) war festgestellt worden, daß der Kläger im Dezember 1970 180 000 DM und im Juli 1971 38 000 DM auf zwei Festgeldkonten (hier mit I und II bezeichnet) eingezahlt hatte; die Festgeldkonten waren bei der Durch suchung durch die Steuerfahndung im Dezember 1972 entdeckt worden. Der Betriebsprüfer und ihm folgend der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) waren davon ausgegangen, daß der erstgenannte Betrag in Höhe von 100 000 DM und der weitere Betrag in voller Höhe von 38 000 DM aus nicht versteuerten Betriebseinnahmen stammten. Der Kläger erhob keine Einwendungen. Für 1970 erging ein entsprechender Änderungsbescheid. Den Betrag von 38 000 DM buchte der Kläger in dem Abschluß zum 31. Dezember 1971, den er im Juni 1973 erstellte, als sonstigen Ertrag nach.
Auf den Festgeldkonten waren weitere Beträge eingezahlt worden: 62 200 DM im Januar 1972 auf dem Festgeldkonto II; 25 300 DM im März 1972 auf dem Festgeldkonto I. Die Einzahlungen stammten aus Scheckgutschriften der Firma M (Italien). An M waren gebrauchte Maschinen lt. Rechnung vom 7. Dezember 1971 für 39 800 DM und lt. Rechnung vom 18. Januar 1972 für 28 700 DM geliefert worden. Die Scheckgutschriften von 62 200 DM und 25 300 DM waren über die Rechnungsbeträge hinaus erteilt worden. Der Kläger buchte die Geschäfte in seinem Abschluß zum 31. Dezember 1972, der im Januar 1974 erstellt wurde, als umsatzsteuerfreie Auslandserlöse nach. Außerdem hob er am 13. Dezember 1972 (vor Durchsuchung seiner Geschäfts- und Wohnräume im Rahmen des am gleichen Tage gegen ihn eingeleiteten Steuerstrafverfahrens) die auf den Festgeldkonten eingezahlten Beträge ab.
Ab Februar 1976 fand eine erneute Betriebsprüfung für die Jahre 1971 bis 1975 statt. Der Betriebsprüfer gelangte zu der Auffassung, daß die Gewinne (Umsätze) 1971/72 um "Fährniszuschläge" von brutto 8 000 DM (1971) und 100 000 DM (1972) zu erhöhen seien. Der Kläger hatte lt. Rechnung vom 3. März 1971 drei gebrauchte Automaten für 4 000 DM an die Firma L (Italien) und lt. Rechnung vom 18. Dezember 1972 zwanzig gebrauchte Maschinen an M für 65 200 DM geliefert. Die Anschaffungskosten hatten 6 194 DM bzw. 83 630 DM betragen. Für die an M gelieferten Maschinen war im Lagerbuch ein Listenverkaufspreis von 187 100 DM vermerkt worden. Der Betriebsprüfer und ihm folgend das FA gingen davon aus, daß der Kläger aus den zuletzt genannten Verkäufen an L und M Erlöse von 12 000 DM bzw. 165 200 DM erzielt habe (Fährniszuschlag 1971: 12 000 DM ./. Rechnungsbetrag 4 000 DM = 8 000 DM, 1972: Listenverkaufspreis 187 100 DM ./. möglicher Preisnachlaß 21 900 DM = 165 200 DM ./. Rechnungsbetrag 65 200 DM = 100 000 DM). Es ergingen entsprechende vorbehaltlose Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide für 1971 und 1972. Außerdem erließ das FA Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1973, 1. Januar 1974 und 1. Januar 1976, in denen der Fährniszuschlag 1972 von 100 000 DM als zusätzlicher Bargeldbestand auf die genannten Stichtage angesetzt wurde.
Die Gewerbesteuermeßbetragssache ist rechtskräftig abgeschlossen. Der Sprungklage hatte das Finanzgericht (FG) mit der Begründung stattgegeben, daß dem Kläger die behaupteten Unterfakturierungen nicht nachgewiesen werden könnten. Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Revision des FA mit Urteil vom 9. August 1991 III R 129/85 (BFHE 165, 326, BStBl II 1992, 55) zurück.
In den verbliebenen Sachen waren nach Erhebung von Untätigkeitsklagen Einspruchsentscheidungen ergangen, in denen das FA die Gewinne um die in den Schätzbeträgen enthaltene Umsatzsteuer von 793 DM (1971) und 9 910 DM (1972) ermäßigt hatte. Die Umsatzsteuerfestsetzungen 1971/72 waren "verbösert" worden; das FA versagte für alle Lieferungen an M und L die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967, weil der Buchnachweis nicht geführt worden war.
Die verbundenen Klagen blieben erfolglos. Das FG (ein anderer Senat als in der Gewerbesteuermeßbetragssache) führte aus: Die Annahme des BFH in dem Urteil in BFHE 165, 326, BStBl II 1992, 55, die Buchführung des Klägers sei in den Jahren 1971/72 formell ordnungsgemäß gewesen (§ 158 der Abgabenordnung -- AO 1k -- 77 --), sei nicht gerechtfertigt. Die auf den Festgeldkonten angelegten Betriebseinnahmen von 38 000 DM (Juli 1971), von 62 200 DM (Januar 1972) und von 25 300 DM (März 1972) seien nicht in der laufenden Buchführung erfaßt worden. Deren Nachbuchung in den Abschlüssen für 1971 (im Juni 1973) und für 1972 (im Januar 1974) liege außerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 110/79, BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227). Auch der Umstand, daß der Kläger die Festgelder kurz vor Beginn der Fahndungsmaßnahmen abgehoben habe, zeige, daß er den Sachverhalt habe verschleiern wollen. Die Rechnungen an L vom 3. März 1971 über 4 000 DM und an M vom 18. Dezember 1972 über 65 200 DM seien wahrscheinlich unterfakturiert worden; hierfür sprächen die Verkäufe unter Anschaffungskosten und der Ausweis der an M gelieferten Maschinen im Lagerbuch mit einem Listenverkaufspreis von 187 100 DM. Zwar sei nicht aufzuklären, ob dem Kläger tatsächlich über die Rechnungsbeträge hinaus Gelder zugeflossen seien. Diese Unaufgeklärtheit gehe indessen zu seinen Lasten, da er seiner Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei. Die Zuschätzungen des FA seien zum Ausgleich der bestehenden Unsicherheiten auch der Höhe nach angemessen. Die in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellten Anträge, ihn eidesstattlich und seinen Prozeßbevollmächtigten als Zeugen darüber zu vernehmen, daß keine Unterfakturierungen vorgekommen seien, seien beweisunerheblich, weil es lediglich darauf ankomme, ob wegen der bestehenden Buchführungsmängel Zuschätzungen zum Ausgleich bestehender Unsicherheiten zulässig seien.
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung des § 162 AO 1977 und das Übergehen seiner Beweisanträge.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG war nicht gehindert, anders als in der Gewerbesteuermeßbetragssache zu entscheiden. Das Urteil des III. Senats des BFH ist zwar zwischen den Beteiligten dieses Rechtsstreits ergangen. Es betrifft auch die Gewinnermittlung. Dennoch bewirkt es keine Rechtskraft (§ 110 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) für den Streitfall, weil die Gewinnermittlung für Gewerbeertragsteuerzwecke (§ 7 des Gewerbesteuergesetzes -- GewStG --) und für Einkommensteuerzwecke (§ 5 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) selbständig nebeneinander stehen (BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 110/87, BFHE 158, 520, 525, BStBl II 1990, 195).
2. Der III. Senat des BFH hat in der Gewerbesteuermeßbetragssache 1971/72 in BFHE 165, 326, 328, BStBl II 1992, 55 angenommen, das FG sei davon ausgegangen, die Buchführung des Klägers sei formell ordnungsmäßig gewesen, und es habe sich zu Recht von einer sachlichen Unrichtigkeit der Buchführung nicht überzeugen können. Eine solche Annahme läßt sich nach den Feststellungen des FG in der hier anhängigen Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Vermögensteuersache aus revisionsrechtlichen Gründen nicht treffen. Nach diesen Feststellungen, die mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), war die Buchführung des Klägers in den Jahren 1971/72 weder formell ordnungsmäßig noch materiell richtig.
Die Einzahlungen von 38 000 DM im Juli 1971 und von 62 200 DM im Januar 1972 auf dem Festgeldkonto II und von 25 300 DM im März 1972 auf dem Festgeldkonto I stammen aus Betriebseinnahmen: der Betrag von 38 000 DM aus nicht erfaßten Provisionsgeschäften und die Beträge von 62 200 DM und 25 300 DM aus unterfakturierten Lieferungen an M. Gemäß § 162 Abs. 2 und 7 der Reichsabgabenordnung (AO), der für die Streitjahre 1971/72 noch anwendbar ist, sind die Eintragungen in den Büchern fortlaufend, vollständig und richtig zu bewirken; Kasseneinnahmen sollen im geschäftlichen Verkehr mindestens täglich aufgezeichnet werden (jetzt § 146 Abs. 1 AO 1977). Die Betriebseinnahmen hätten, was nicht geschehen ist, spätestens bei ihrer Vereinnahmung erfaßt werden müssen. Es fehlt sonach an einer fortlaufenden (zeitgerechten) Einbuchung der Beträge. Die Provisions- und Lieferungsgeschäfte wurden in der Buchführung unvollständig und unrichtig ausgewiesen.
Diese Mängel machen die Buchführung formell und materiell ordnungswidrig. Die Buchführung verstößt gegen § 162 AO (§ 146 AO 1977) und weist inhaltlich einen unzutreffenden Gewinn aus, der zumindest um die bekanntgewordenen unverbuchten Betriebseinnahmen verkürzt ist. Infolgedessen entfällt die Vermutung einer ordnungsmäßigen Buchführung (§ 208 AO, § 158 AO 1977).
Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger im Rahmen der Abschlußbuchungen 1971/72 die nichtfakturierten Kaufpreise nachbuchte. Nachbuchungen von Betriebseinnahmen beseitigen nicht die formelle Ordnungswidrigkeit der Buchführung; eine fortlaufende (zeitgerechte) Verbuchung läßt sich nicht nachträglich herstellen. Soweit die Betriebseinnahmen in bar vereinnahmt wurden, war nicht die Kassensturz fähigkeit der Geschäftskasse gewährleistet (dazu BFH-Urteil vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, 15, BStBl II 1982, 430). Richtigstellende Nachbuchungen -- insbesondere wenn sie eine versehentliche Nichtbuchung zeitnah korrigieren -- mögen allerdings den formellen Verstoß als nicht schwerwiegend erscheinen lassen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies auch für Nachbuchungen (Umbuchungen) im Jahresabschluß -- also nach Beendigung der laufenden Jahresbuchführung -- gelten kann und ob dabei -- wie das FG annimmt -- von Bedeutung ist, daß der Jahresabschluß später als ein Jahr nach dem Bilanzstichtag erstellt wurde (dazu BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227). Keinesfalls können Nachbuchungen die Unterlassung der zeitgerechten Verbuchung von Betriebseinnahmen in einem milderen Licht erscheinen lassen, wenn die Unterlassung im wesentlichen entdeckt worden ist. So lag es hier. Die Festgeldkonten I und II, auf die die verkürzten Beträge eingezahlt wurden, waren bereits anläßlich der Durchsuchung im Dezember 1972 entdeckt worden. Der Kläger buchte die verkürzten Betriebseinnahmen hingegen erst anläßlich der Erstellung des Abschlusses für 1971 im Juni 1973 und des Abschlusses 1972 im Januar 1974 nach.
3. Der Kläger, der 1971/72 nachgewiesener- und eingestandenermaßen Betriebseinnahmen verkürzt hat, wird demnach nicht nach § 208 AO (§ 158 AO 1977) geschützt. Das FA war gemäß § 217 Abs. 2 Satz 2 AO (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO 1977) befugt, die Besteuerungsgrundlagen "Betriebseinnahmen 1971/72" zu schätzen. Entgegen den Ausführungen des Klägers ist es unschädlich, daß das FG § 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO 1977 als maßgebliche Schätzungsvorschriften genannt hat. Zunächst ist es unerheblich, daß das FG auf § 162 AO 1977 abgestellt hat, der im Streitzeitraum noch nicht galt. § 162 AO 1977 stimmt bis auf geringfügige Abweichungen mit dem hier noch einschlägigen § 217 AO überein (BTDrucks VI/1982 zu § 143 AO 1977). Daß das FG auch auf § 162 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 (§ 217 Abs. 2 Satz 2 AO) abstellen wollte, ergibt sich daraus, daß es § 158 AO 1977 anführte.
4. Die Schätzung ist auch der Höhe nach zu billigen. Der Betriebsprüfer und ihm folgend das FA haben allerdings die von ihnen angewandte Schätzungsmethode zu Unrecht als "Fährniszuschlag" (Sicherheitszuschlag, Unsicherheitszuschlag) bezeichnet. Der Sicherheitszuschlag läßt sich als eine griffweise Schätzung, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht verbuchten Umsätzen steht, charakterisieren (BFH-Urteil vom 28. März 1963 V 91/60, Steuerrechtsprechung in Karteiform -- StRK --, Reichsabgabenordnung, § 222, Rechtsspruch 203). Die Hinzuschätzungen des Betriebsprüfers befinden sich hingegen in keinem irgendwie gearteten Verhältnis zu den erklärten oder den Umsätzen, die infolge Aufdeckung der Festgeldkonten zusätzlich erfaßt wurden. Der Betriebsprüfer hat vielmehr zwei konkrete Geschäftsvorfälle, die in der Buchführung als Verlustgeschäfte dargestellt waren, zum Anlaß genommen, Beträge in Höhe der Differenzen zu den von ihm für angemessen gehaltenen Verkaufspreisen hinzuzuschätzen.
Die unrichtige Bezeichnung der Schätzungsmethode kann dem FA im Streitfall nicht entgegengehalten werden. Der Betriebsprüfer hat erkennbar keine griffweise Schätzung gewollt, die möglicherweise einerseits ihm die Arbeit erleichtert, andererseits zu anderen Ergebnissen geführt hätte. Die vorgenommenen Hinzuschätzungen lassen sich als eigenständige Schätzungen nachvollziehen. Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG sie bei seiner Gesamtwürdigung (§ 96 Abs. 1 FGO) gebilligt hat.
Fehlt der Buchführung wie hier die Beweiskraft (§ 208 AO, § 158 AO 1977), kann die Finanzbehörde bereits ungewöhnliche Umstände (Geschäftsvorfälle) zum Anlaß nehmen, Zuschätzungen zu den ausgewiesenen Buchführungsergebnissen vorzunehmen. So darf unter der Voraussetzung einer nicht ordnungsmäßigen Buchführung der ausgewiesene Umsatz, der von den amtlichen Aufschlagsätzen der Richtsatzsammlung abweicht, angehoben werden (BFH- Urteile vom 18. September 1974 I R 94/72, BFHE 114, 1, BStBl II 1975, 217; vom 18. Oktober 1983 VIII R 190/82, BFHE 139, 350, BStBl II 1984, 88). Derart ungewöhnliche Umstände sind im Streitfall auch für die beiden angeblichen Verlust geschäfte mit L und M gegeben.
Zwar ist davon auszugehen, daß der Handel mit Gebrauchtmaschinen generell Risiken enthält, die auch Verlustgeschäfte zur Folge haben können. Für den behaupteten Verlust aus dem Geschäft mit M fehlen indessen konkrete Anhaltspunkte; er erscheint nach den bekanntgewordenen Umständen unwahrscheinlich. Der Kläger erwartete nach seinem Eintrag im Lagerbuch einen Verkaufspreis von 187 100 DM. Er müßte sich mit einem dann tatsächlich erzielten Verkaufspreis von nur 65 200 DM in einem Ausmaß geirrt haben, das für ihn, der als Fachmann im Gebrauchtmaschinenhandel gilt, außerhalb des Möglichen lag. Vielmehr ist anzunehmen, daß die Rechnung im Einverständnis mit M wie bei den Geschäften, die zu den Festgeldanlagen führten, unterfakturiert wurde. Marktteilnehmer, die in zwei nachgewiesenen Fällen zusammengewirkt haben, um Geld am Steuergläubiger vorbeizuschleusen, dürften sich bei vergleichbaren Gelegenheiten vermutlich ebenso verhalten. Auch das nicht so gewichtige angebliche Verlust geschäft mit L war unter den gegebenen Umständen (Italiengeschäft, Vergleich mit dem M-Geschäft) ungewöhnlich.
Der Kläger hätte den Hinzuschätzungen allenfalls dann entgehen können, wenn er an der Aufklärung des Sachverhalts in dem durch § 90 Abs. 2 AO 1977 gebotenen Maße mitgewirkt hätte. Er ist indessen seiner Mitwirkungspflicht bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht nachgekommen; das FG konnte in folgedessen aufgrund geminderten Beweismaßes den für den Kläger nachteiligen Schluß ziehen, daß die beiden Verlustgeschäfte in Wirklichkeit Gewinngeschäfte waren (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462).
Die Mitwirkung des Klägers hat sich darin erschöpft, die Schätzung zu bestreiten und sich und seinen Prozeßbevollmächtigten für eine Vernehmung zur Verfügung zu stellen. Die Beweisangebote sind angesichts der fehlenden Beweiskraft der Buchführung nicht geeignet, die Umstände auszuräumen, die die beiden Verlustgeschäfte als ungewöhnlich erscheinen lassen. Hierfür hätte es der Darlegung und des Nachweises objektiver Umstände bedurft, die der Annahme von Gewinngeschäften entgegengestanden hätten.
Die Hinzuschätzungsbeträge sind angemessen. Der Betriebsprüfer hat im Falle M von dem erwarteten Verkaufspreis lt. Lagerbuch einen Abschlag für einen möglichen Preisnachlaß gemacht. Der Zuschlag im Falle L ist an den Verhältnissen des Falles M ausgerichtet. Die Annahme des Betriebsprüfers für Vermögensteuerzwecke, daß der Kläger den Hinzuschätzungsbetrag für 1972 von 100 000 DM als Vermögensposten auch in den Folgejahren fortgeführt hat, ist nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 64990 |
BFH/NV 1995, 373 |