Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein Unternehmen handelt nicht mit Gewinnabsicht (ß 1 Abs. 1 Satz 1 GewStDV), wenn die zu erzielenden Einnahmen lediglich die Selbstkosten decken sollen.
Wird der Teil der selbstkostendeckenden Einnahmen, der auf die Absetzung für Abnutzung entfällt, zum Zwecke späterer Ersatzbeschaffung auf einem besonderen Konto festgelegt, so kann daraus allein eine Gewinnabsicht nicht hergeleitet werden.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV §§ 1-2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Bgin. gewerbesteuerpflichtig ist.
Die Bgin. hat die Aufgabe, die für ihre Mitgliedergemeinden erbaute Wasserversorgungsanlage zu betreiben, zu unterhalten und gegebenenfalls zu erweitern (ß 3 I der Verbandssatzung - VS -). Sie bezweckt, die Bevölkerung der Verbandsgemeinden mit Trink- und Nutzwasser zu beliefern. Im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten sollen auch landwirtschaftliche, gewerbliche und industrielle Betriebe beliefert werden, gegebenenfalls auch Anschlußnehmer aus Gemeinden, die nicht Mitglieder der Bgin. sind (ß 3 II VS). § 3 III VS bestimmt:
"Das Unternehmen ist gemeinnützig im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. 12. 1953 (BGBl I S. 1592). Es wird ohne Absicht einer Gewinnerzielung betrieben."
über die Deckung des Aufwands bestimmt § 15 I VS u. a. folgendes:
"Die jährlichen Kosten für Betrieb, Wartung, Instandhaltung, Erneuerungsrücklage, Kapitaldienst und sonstige, sich aus der Haushaltsaufstellung des Zweckverbandes ergebende Ausgaben sind durch Wassergebühren (Wasserzins) der angeschlossenen Anwesensbesitzer zu decken ..."
Nach § 16 II VS gelten für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen "im übrigen" sinngemäß u. a. die Bestimmungen der Eigenbetriebsverordnung vom 21. November 1938 (RGBl I S. 1650).
Die Bgin. erzielte im Streitjahr wie auch in den vorangegangenen Jahren keinen Gewinn. Auch ein Gewerbeertrag ergab sich nicht. Das Finanzamt setzte lediglich einen Gewerbesteuer-Meßbetrag aus dem Gewerbekapital fest.
Hiergegen wandte die Bgin. mit ihrem Einspruch ein, sie sei ein Hoheitsbetrieb im Sinne des § 2 Abs. 2 GewStDV, da die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser zu den öffentlichen Pflichtaufgaben der Gemeinden gehöre (Art. 83 der Bayerischen Verfassung; Art. 57 der Bayerischen Gemeindeordnung). Im übrigen fehle es ihr an der Gewinnabsicht und damit an einem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewStDV wesentlichen Merkmal eines Gewerbebetriebes. Dies ergebe sich aus § 3 III VS, ferner aus § 18 III VS, wonach im Falle ihrer Auflösung das verbleibende Vermögen gemeinnützigen Zwecken der Wasserversorgung im Gebiet der Verbandsmitglieder zuzuführen sei. Schließlich sei sie auch selbst gemeinnützig und daher jedenfalls gemäß § 3 Ziff. 6 GewStG von der Gewerbesteuer befreit.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt führte aus, ein Hoheitsbetrieb (ß 2 Abs. 2 GewStDV) liege nicht vor, da die Bgin. nicht nur der Aufrechterhaltung der Gesundheit diene, sondern allgemein der Belieferung ihres Versorgungsgebiets mit Wasser. Hierin liege eine gewerbliche Tätigkeit. Der Verkauf von Wasser sei auch nicht gemeinnützig. Schließlich betätige sich die Bgin. auch mit Gewinnabsicht, da nach § 15 I VS aus den Einnahmen (Wasserzins) eine Erneuerungsrücklage zu bilden sei, die ertragsteuerlich nicht abzugsfähig sei.
Das Finanzgericht gab der Berufung der Bgin. statt und hob den Gewerbesteuer-Meßbescheid 1958 ersatzlos auf. Es verneinte eine Gewinnabsicht und führte u. a. aus, das Bestreben, eine Erneuerungsrücklage zu bilden, sei kein Gewinnstreben, wenn und solange diese Rücklage nur zum Ersatz unbrauchbar gewordener Gegenstände gebildet werde, also letztlich nichts anderes sei, als eine Abschreibung entsprechend der laufenden Wertminderung.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Rechtsanwendung. Er macht geltend, die Gewinnabsicht der Bgin. ergebe sich daraus, daß nach § 16 II VS für das Rechnungswesen die Eigenbetriebsverordnung gelte, nach deren § 8 Abs. 5 der Jahresgewinn mindestens so hoch sein müsse, daß eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet werde. Aber auch die Absicht, eine Erneuerungsrücklage zu bilden, sei ein Gewinnstreben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Sind Unternehmen von KdöR keine Hoheitsbetriebe (ß 2 Abs. 2 GewStDV), so sind sie gewerbesteuerpflichtig, wenn sie als stehender Gewerbebetrieb anzusehen sind (ß 2 Abs. 1 Satz 1 GewStDV). Dies gilt u. a. für Versorgungsbetriebe von KdöR, und zwar auch dann, wenn sie mit Zwangs- oder Monopolrechten ausgestattet sind (ß 2 Abs. 1 Satz 2 GewStDV). Die Gewerbesteuerpflicht derartiger Unternehmen setzt daher eine Betätigung voraus, die auf Gewinnabsicht gerichtet ist (ß 1 Abs. 1 Satz 1 GewStDV). Dies ist nicht der Fall, wenn mit den Einnahmen lediglich Selbstkosten gedeckt werden sollen (vgl. hierzu Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 2 Anm. 24; Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 7. Auflage, § 2 Anm. 20; siehe ferner Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs I 17/49 S vom 21. Januar 1950, Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen 1950 S. 87, BStBl 1952 I S. 237; Urteil des Bundesfinanzhofs I 40/53 U vom 23. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 226, Slg. Bd. 57 S. 589).
Das Finanzgericht hat nach diesen Grundsätzen die Gewinnabsicht der Bgin. zu Recht verneint. Für die Frage, ob diese Absicht besteht, kommt den Bestimmungen der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsgebarung wesentliche Bedeutung zu. Nach § 3 III VS wird das Unternehmen ohne Absicht der Gewinnerzielung betrieben. Diese Bestimmung wird durch § 1 II der von der Bgin. erlassenen Wasserleitungsordnung ergänzt, wonach die Einnahmen aus dem Betrieb der Wasserversorgungsanlage nur die Betriebskosten decken und den dauernden Bestand der Anlage sicherstellen sollen. Auch die übrigen Bestimmungen der Satzungen stehen hierzu nicht im Widerspruch:
Den Folgerungen, die der Vorsteher des Finanzamts aus § 16 Abs. 2 VS für die Frage der Verzinsung des Eigenkapitals herleiten will, kann nicht beigetreten werden. Wenn dort für das Haushalts, Kassen- und Rechnungswesen u. a. die Bestimmungen der Eigenbetriebsverordnungen für sinngemäß anwendbar erklärt werden, so gilt dies, wie sich aus dem Wortsinn dieser Satzungsbestimmung ergibt, nur "im übrigen". Daraus folgt, daß die Vorschriften der Eigenbetriebsverordnung nur anzuwenden sind, soweit nicht die VS besondere Bestimmungen enthält. § 3 III VS, wonach eine Gewinnabsicht nicht besteht, muß als eine derartige Sonderbestimmung angesehen werden. Es kann daher aus § 16 II VS nicht geschlossen werden, daß die Bgin. eine Verzinsung ihres Eigenkapitals anstrebt, wie sie nach § 8 Abs. 5 der Eigenbetriebsverordnung erreicht werden soll.
Die Auffassung des Finanzgerichts, daß das Streben nach einer Erneuerungsrücklage nicht als Gewinnabsicht angesehen werden kann, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Von wesentlicher Bedeutung ist, was unter einer derartigen Erneuerungsrücklage zu verstehen ist. Die Bgin. hat im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragen, unter dem Begriff Erneuerungsrücklage sei eine Rücklage im kommunalrechtlichen Sinne (Rücklagen-Verordnung vom 5. Mai 1936 - RücklVO - RGBl I S. 435) zu verstehen, die auf der Aktivseite der Bilanz gebildet werde. Nach den Bestimmungen der RücklVO sind für Vermögensgegenstände, die nach Alter, Verbrauch oder aus sonstigen Gründen jeweils ersetzt werden müssen, die Mittel zur Ersatzbeschaffung in Erneuerungsrücklagen anzusammeln (ß 6 Abs. 1 Satz 1 RücklVO). Die jährlichen Zuführungen zu den Erneuerungsrücklagen sind so zu bemessen, daß die voraussichtlichen Ersatzkosten auf die mutmaßliche Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung des Gegenstandes in gleichmäßigen jährlichen Hundertsätzen verteilt werden (ß 6 Abs. 2 Satz 1 RücklVO). Der Bewertung der voraussichtlichen Ersatzkosten sind die durch die Anschaffung oder Herstellung entstandenen Aufwendungen für die Vermögensgegenstände zugrunde zu legen (ß 6 Abs. 2 Satz 2 RücklVO).
Eine so verstandene "Erneuerungsrücklage" kann als Aktivposten gebildet werden, ohne daß die Bgin. einen überschuß der Einnahmen über die Selbstkosten erzielt. Die jährliche Absetzung für Abnutzung (AfA) ist Bestandteil der Selbstkosten und darf dem Abnehmer daher in Rechnung gestellt werden, ohne daß darin eine Gewinnerzielung zu erblicken wäre. Die Beträge für die Erneuerung der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einem Wertverzehr unterliegen, können in der Weise angesammelt werden, daß derjenige Teil der selbstkostendeckenden Einnahmen, der auf die AfA entfällt, auf einem besonderen Aktivkonto zweckentsprechend festgelegt wird. Aus dem Inhalt der Akten ist zu entnehmen, daß die Bgin. eine derartige "Erneuerungsrücklage" bisher nicht gebildet hat. Würde sie jedoch in der dargelegten Weise verfahren, was ihr nicht widerlegt werden kann, so befände sie sich in übereinstimmung mit § 3 III VS.
Wenn der Vorsteher des Finanzamts schließlich vorbringt, die Bgin. habe im Streitjahr tatsächlich einen Gewinn erzielt, weil sie die AfA für bestimmte Gebäude und sonstige Anlagen von den vollen Anschaffungskosten berechnet habe, ohne diese zuvor um öffentliche Zuschüsse, die sie erhalten hat, zu kürzen, so gibt auch dies keinen Anlaß zur Aufhebung der Vorentscheidung. Das Finanzgericht hatte auf Grund der ihm vorliegenden Akten und des Vorbringens der Beteiligten keinen Anlaß, die Frage der Gewinnerzielung durch zu hohe AfA nachzuprüfen. Es handelt sich insoweit um ein neues tatsächliches Vorbringen, das in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr berücksichtigt werden darf (§§ 288, 296 AO). Es bleibt dem Finanzamt unbenommen, das Ergebnis der inzwischen durchgeführten Betriebsprüfung im Wege einer Berichtigungsveranlagung nach § 222 AO auszuwerten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.
Auch im übrigen hat die überprüfung keine Umstände ergeben, aus denen das Finanzgericht hätte schließen müssen, daß die Bgin. Einnahmen erzielt hat oder erzielen will, die über ihre Selbstkosten hinausgehen. Was den Aufwand der Bgin. für Fremdkapitalzinsen anbelangt, so hat das Finanzgericht zutreffend ausgeführt, daß sie als betrieblicher Aufwand zu beurteilen und daher nicht geeignet sind, eine Gewinnerzielungsabsicht zu begründen. Anlaß zu der Annahme, daß die tatsächliche Geschäftsgebarung der Bgin. vom Inhalt ihrer Satzungen abweicht, besteht nicht. Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411260 |
BStBl III 1964, 485 |
BFHE 1965, 29 |
BFHE 80, 29 |