Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Rückstellung für Kosten eines Rechtsstreits, in dem ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird, ist zulässig, wenn der Prozeß schwebt und mit Verlusten aus ihm zu rechnen ist. Die Höhe der Rückstellung ist nur nach dem Streitwert am Bilanzstichtag unter Berücksichtigung der in diesem Zeitpunkt angerufenen Instanzen zu berechnen. Die für den Fall des Unterliegens geplante und später verwirklichte Anrufung höherer Instanzen kann nicht berücksichtigt werden.
Auch bei Bildung einer Prozeßkostenrückstellung braucht in der Regel die dem Grunde nach bestrittene Schadensersatzforderung nicht aktiviert zu werden, selbst wenn weitere Aufwendungen für ihre Geltendmachung, z. B. für Gutachten, entstanden sind.
Normenkette
EStG § 4/1, §§ 5, 6/1/3
Tatbestand
Zu entscheiden ist, in welcher Höhe eine Rückstellung für Kosten eines Schadensersatzprozesses zulässig ist, der am Bilanzstichtag vom 31. Dezember 1958 in der ersten Instanz schwebte, aber durch alle Instanzen geführt werden sollte und in dem der Steuerpflichtige aus Kostengründen nur einen geringen Teil des von ihm behaupteten Anspruchs geltend machte.
Der am 30. Juni 1962 verstorbene Erblasser (E.) befaßte sich mit der Herstellung und dem Verkauf von Textilwaren. Im Mai 1949 begannen Streitigkeiten zwischen ihm und dem Bauaufsichtsamt der Stadt B. Das Bauaufsichtsamt versagte die Genehmigung zur gewerblichen Nutzung von Betriebsgrundstücken und lehnte mehrere Anträge auf Erteilung von Baugenehmigungen ab. Mit Urteil vom 5. Februar 1957 hob die verwaltungsgerichtliche Berufungsinstanz nach Zurückverweisung der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht diese von E. angefochtenen Verfügungen auf.
Auf Grund der für ihn günstigen Entwicklung des Rechtsstreits vor den Verwaltungsgerichten erwog E., die Stadt B. wegen der rechtswidrigen Versagung der beantragten Baugenehmigungen und der Behinderung seines gewerblichen Betriebs auf Entschädigung in Anspruch zu nehmen. Seit Mai 1957 ließ er sich von seinen Rechtsanwälten in dieser Frage beraten und machte im August 1957 Ansprüche in Höhe von über 11 Mill. DM gegen die Stadt B. geltend. Im Jahre 1957 zahlte er an seine Rechtsanwälte für Rechtsgutachten und Verhandlungen mit der Stadt B. 18 000 DM und an seinen Steuerberater für die Erstellung eines Gutachtens über die Schadenshöhe 3.000 DM. Nachdem die Verhandlungen mit der Stadt im November 1957 endgültig gescheitert waren, erhob er Anfang 1958 Klage vor dem Landgericht, mit der er aus Kostengründen zunächst die Zahlung von 12 000 DM verlangte. Noch im Jahre 1958 erweiterte er den Antrag auf Zahlung von 49 000 DM, um die Revisionssumme zu erreichen. Das Landgericht wies die Klage im März 1959 in Höhe von 28 000 DM ab und gab ihr im übrigen dem Grunde nach statt. Gegen dieses Urteil legten E. und die Stadt B. Berufung ein. Das Oberlandesgericht entschied im Dezember 1959 über den Grund des Anspruchs, und zwar im wesentlichen zugunsten des E. Die von der Stadt B. eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Oberlandesgericht.
In die Bilanz vom 31. Dezember 1958 setzte E. eine Prozeßkostenrückstellung von 150 000 DM ein, weil bei einem Streitwert von 5 Mill. DM schon die Kosten für eine Instanz - unter Berücksichtigung von 24 000 DM für Gutachten - diesen Betrag ausmachten. Er habe zwar nur 49 000 DM eingeklagt, aber mit einer Widerklage der Stadt B. und damit mit dem vollen Streitwert rechnen müssen. Beide Parteien seien entschlossen gewesen, den Prozeß bis zum Bundesgerichtshof zu führen. Zumindest seinen eigenen Anwälten müsse er wegen ihrer Arbeitsleistung und wegen der Höhe seiner Entschädigungsforderung ein Prozeßhonorar nach einem Streitwert von 5 Mill. DM zahlen.
Das Finanzamt ließ die Rückstellung nur in Höhe von 10 000 DM zu, da am 31. Dezember 1958 ein Kostenrisiko nur für das erstinstanzliche Verfahren und entsprechend dem eingeklagten Betrag bestanden habe. Dagegen legte E. Sprungberufung ein. Im Verfahren vor dem Finanzgericht trug er ergänzend vor, das Prozeßkostenrisiko werde durch die Begrenzung des Klageanspruchs nicht gemindert. Er beziffere den Entschädigungsanspruch auf 5 Mill. DM und müsse vorsichtigerweise damit rechnen, zu 40 % zu unterliegen. Dann betrage sein Kostenrisiko 160 000 DM.
Das Finanzgericht erhöhte die Steuerforderung für 1958. Es führte aus, die Rückstellung sei nur in Höhe von 10 000 DM gerechtfertigt, da am 31. Dezember 1958 nur das Kostenrisiko für die erste Instanz mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bestanden habe. Die Schadensersatzansprüche des E. gegen die Stadt B. bildeten ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens, das wenigstens in Höhe der Anschaffungskosten zu aktivieren sei. Zu diesen Anschaffungskosten gehörten die 1957 gezahlten Rechtsanwalt- und Steuerberaterhonorare von zusammen 21 000 DM und die Prozeßkostenrückstellung von 10 000 DM, so daß die Schadensersatzansprüche des E. am 31. Dezember 1958 mit 31 000 DM aktiviert werden müßten. Der Teilwert der Schadensersatzansprüche sei nicht niedriger gewesen, weil bei Aufstellung der Bilanz für 1958 im Februar 1960 die für E. günstigen Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts vorgelegen hätten.
Mit der Rb. rügen die Testamentsvollstrecker für den Nachlaß des E. als Bf. - § 106 Abs. 1 und 3 AO - Verletzung materiellen Rechts. Sie sind der Ansicht, daß sich die Zulässigkeit der Rückstellung in Höhe von 150 000 DM daraus ergebe, daß bereits bei Beginn des Zivilprozesses festgestanden habe, daß das Verfahren alle Instanzen durchlaufen werde. Die Aktivierung der 31 000 DM als Anschaffungskosten der Schadensersatzforderung führe zum Ausweis eines nicht realisierten Gewinns. Man könne Prozeßkosten nicht zu den Anschaffungskosten einer geltend gemachten Forderung rechnen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist insoweit begründet, als sich die Bf. gegen die Aktivierung von 31 000 DM als Anschaffungskosten der Entschädigungsansprüche wenden. Im übrigen ist sie unbegründet.
Das Finanzgericht erkannte die Rückstellung für Prozeßkosten von 150 000 DM steuerlich zu Recht nur in Höhe von 10 000 DM an. Nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten handelte es sich bei diesem Betrag um das Kostenrisiko der ersten Instanz, vor der der Prozeß am 31. Dezember 1958 mit einem Streitwert von 49 000 DM schwebte. Der Hinweis des Finanzamts in seiner Stellungnahme zur Rechtsbeschwerdebegründung, am 31. Dezember 1958 habe der Streitwert nur 36 000 DM betragen, enthält neues Vorbringen, das der Senat nicht mehr berücksichtigen kann (§§ 288, 296 AO). Daran ändert auch die Aufhebung der Vorentscheidung nichts, weil auf Grund des festgestellten Sachverhalts eine Entscheidung ohne weitere Sachaufklärung möglich ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 413/60 S vom 18. März 1964, BStBl 1964 III S. 413).
Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung kann der Kaufmann für am Bilanzstichtag drohende, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretende Verluste Rückstellungen bilden (vgl. z. B. Urteil des Senats IV 165/59 S vom 17. Januar 1963, BStBl 1963 III S. 237, Slg. Bd. 76 S. 651). Das ist nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs bei einem Aktivprozeß im allgemeinen dann der Fall, wenn der Prozeß am Bilanzstichtag schwebt und unter Berücksichtigung aller Umstände mit Verlusten aus dem Prozeß zu rechnen ist (Urteile I A 289/27 vom 12. August 1927, Steuer und Wirtschaft 1927 Nr. 560; VI A 1483-1485/30 vom 28. Oktober 1931, RStBl 1932 S. 144). Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Bei einer Klage, mit der eine dem Grunde nach bestrittene Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs geltend gemacht wird, ist das Prozeßkostenrisiko gewöhnlich so groß, daß es durch eine Rückstellung berücksichtigt werden kann. Da zudem das Finanzgericht diese zur Feststellung des Sachverhalts gehörende Voraussetzung fehlerfrei bejahte, ist der Senat hieran gebunden. Die Rückstellung ist daher dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Höhe der Rückstellung richtet sich nach dem Prozeßkostenrisiko, wie es am Bilanzstichtag, dem 31. Dezember 1958, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bestand. Das Finanzgericht konnte zu dem Ergebnis kommen, daß zu diesem Zeitpunkt das Risiko, das E. als vorsichtiger Kaufmann in Form einer Rückstellung zum Ausdruck bringen durfte, nicht höher war als die im Fall des Verlustes des anhängigen Prozesses zu erwartenden Kosten, also 10 000 DM. Daß E. vom Beginn des Prozesses an den Willen hatte, den Rechtsstreit bis in die letzte Instanz zu führen, und daß auch die Stadt B. schon damals auf einem letztinstanzlichen Urteil bestand, ist bei der Bemessung der Rückstellung für das Jahr 1958 nicht zu berücksichtigen. Der Wille des Kaufmanns allein, in Zukunft eine zu Verbindlichkeiten führende bestimmte Handlung vorzunehmen, kann im allgemeinen nicht dazu führen, für diese künftigen Verbindlichkeiten eine Rückstellung zuzulassen. Solange die Beteiligten ihren Entschluß, sich für den Fall des völligen oder teilweisen Unterliegens nicht mit dem erstinstanzlichen Urteil zufriedenzugeben, nicht verwirklichten, kann nicht gesagt werden, daß schon am Bilanzstichtag ein erst nach Verwirklichung dieses Entschlusses möglicher Verlust mit hinreichender Sicherheit drohte. Die Möglichkeit, daß der Prozeß auf Grund irgendwelcher Ereignisse schon während oder nach Abschluß der ersten Instanz beendet würde, war am 31. Dezember 1958 nicht so gering, daß ein weiterer Verlust durch Anrufung der folgenden Instanzen mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Das zeigt sich z. B. darin, daß E. den Vorschlag des Bundesgerichtshofs in Erwägung zog, die Stadt B. solle ihm im Vergleichswege 750 000 DM zahlen, und daß der Prozeß auf Grund eines Urteils des Bundesgerichtshofs in einem gleichgelagerten Fall möglicherweise schon in einer früheren Instanz hätte beendet werden können. Diese Erwägungen entsprechen den erwähnten Urteilen des Reichsfinanzhofs. Denn ebensowenig wie es im allgemeinen zulässig ist, eine Prozeßkostenrückstellung zu bilden, bevor die Klage erhoben ist, sind die Voraussetzungen für eine die Kosten einer späteren Instanz berücksichtigende Rückstellung gegeben, solange der Rechtsstreit noch nicht in dieser Instanz schwebt. Das von den Bf. zitierte Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 14. März 1952 I 150-151/49 (II) - Deutsche Steuer-Rundschau (DStR) 1952 S. 274 - behandelte insofern einen anderen Fall, als dort der Steuerpflichtige damit rechnen mußte, als Beklagter in einen Prozeß hineingezogen zu werden. Er hatte es also nicht in der Hand, den Prozeß zu verhindern oder ihn nur in der ersten Instanz zu führen. Insofern gelten für Aktivprozesse nicht notwendig die gleichen Grundsätze wie für Passivprozesse.
Die Tatsache, daß das Oberlandesgericht entschieden hatte und die Revision an den Bundesgerichtshof eingelegt war, als die Bilanz 1958 im Februar aufgestellt wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn da das Urteil des Oberlandesgerichts über die erst 1959 eingelegten Berufungen entschied, deren Einlegung als Geschäftsvorfälle des Jahres 1959 bei der Aufstellung der Bilanz 1958 nicht berücksichtigt werden durfte, kann insoweit auch die spätere Entwicklung der Verhältnisse und die bessere Erkenntnis im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung, die auf diesem Urteil beruhen, nicht berücksichtigt werden. Andererseits kann der spätere günstige Ausgang des Prozesses nicht dazu führen, die Rückstellung für das Prozeßkostenrisiko zu vermindern oder aufzulösen (Urteil des Reichsfinanzhofs I A 261/33 vom 9. April 1935, RStBl 1935 S. 1398).
Eine Rückstellung von mehr als 10 000 DM ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil E. nach einem für ihn günstigen Ausgang des Prozesses über den Grund des Anspruchs im Betragsverfahren eine weit höhere Summe einklagen wollte und damit ein größeres Prozeßrisiko hätte auf sich nehmen müssen. Denn die Bf. können nicht auf der einen Seite die Rückstellung damit begründen, daß ein Unterliegen im ersten Prozeß möglich sei, und auf der anderen Seite deshalb eine höhere Rückstellung begehren, weil E. nach einem günstigen Ausgang des ersten Rechtsstreits im Betragsverfahren noch ein weit höheres Risiko hätte eingehen müssen.
Eine höhere Rückstellung kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil E. nach dem Vorbringen der Bf. mit einer Widerklage der Stadt B. mit dem vollen Streitwert habe rechnen müssen. Eine solche Widerklage war am Bilanzstichtag nicht anhängig und wurde auch, soweit ersichtlich, bis jetzt nicht erhoben. E. brauchte am 31. Dezember 1958 oder bei der Aufstellung der Bilanz 1958 auch nicht mit einer Widerklage zu rechnen. Denn es ist nicht ersichtlich, welches Interesse die Stadt B. hätte haben sollen, eine solche Widerklage zu erheben.
Auch das Vorbringen der Bf., für E. habe es am Bilanzstichtag festgestanden, daß er seine Rechtsanwälte nach einem erheblich höheren Streitwert als 49 000 DM habe honorieren müssen, kann bei der Bemessung der Rückstellung nicht berücksichtigt werden. Denn Rückstellungen für bereits bestehende Verbindlichkeiten sind steuerlich in der Regel nur zuzulassen, wenn die Verbindlichkeiten bürgerlich-rechtlich wirksam sind (Urteil des Bundesfinanzhofs I 66/61 U vom 19. Dezember 1961, BStBl 1962 III S. 64 (S. 65 rechte Spalte unten), Slg. Bd. 74 S. 165). Eine solche Verbindlichkeit des E. gegenüber seinen Rechtsanwälten bestand am 31. Dezember 1958 nicht. E. zahlte seinen Rechtsanwälten 1957 für die von ihnen über die Aussichten des Rechtsstreits erstellten Gutachten 18 000 DM. Alle übrigen mit dem Prozeß zusammenhängenden Tätigkeiten wurden durch die für den jeweiligen Rechtszug erwachsenen gesetzlichen Gebühren abgegolten (§§ 13 Abs. 1, 37 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - BRAGO -). Eine Ausnahme hiervon gilt nur bei schriftlicher Vereinbarung einer höheren Gebühr (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGebO), die am 31. Dezember 1958 nicht vorlag.
Die Bf. wenden sich mit Recht dagegen, daß das Finanzgericht 21 000 DM vorbereitende Prozeßkosten aus dem Jahr 1957 und die Rückstellung von 10 000 DM im Jahr 1958 als Anschaffungskosten der Schadensersatzforderung aktivierte. Diese Aktivierung ist jedenfalls insoweit, als der Aktivposten der zugelassenen Rückstellung entspricht und mit dieser Rückstellung in einem sachlichen Zusammenhang gebracht ist, mit den zutreffenden Erwägungen unvereinbar, die das Finanzgericht dazu führten, die Rückstellung zuzulassen. Denn damit bejahte das Finanzgericht die Möglichkeit, daß E. bei Aufstellung der Bilanz vom 31. Dezember 1958 mit der Möglichkeit rechnen durfte, den Prozeß über den Grund des Anspruchs zu verlieren und im Ergebnis einen Verlust von 10 000 DM zu erleiden. Die Berücksichtigung dieser Möglichkeit durch einen Passivposten hat mit den Anschaffungskosten der Schadensersatzforderung nichts zu tun. Es kann sich also nur fragen, ob sich das Ergebnis des Finanzgerichts ganz oder teilweise damit rechtfertigen läßt, daß E. unabhängig von der Rückstellung entweder einen Teil seiner behaupteten Entschädigungsforderung oder die Aufwendungen von 21 000 DM als nachträgliche Anschaffungskosten der Schadensersatzforderung hätte aktivieren müssen. Auch das ist zu verneinen.
Läßt man die Bedenken außer Betracht, die schon dagegen bestehen, die Aktivierung der in der bereits rechtskräftigen Vorjahrsveranlagung als laufende Betriebsausgaben anerkannten Aufwendungen in der Endbilanz des Folgejahres zu verlangen, so können doch Aufwendungen für die Geltendmachung einer Forderung auf Schadensersatz im Vorbereitungsstadium der Klage nicht als nachträgliche Anschaffungskosten für diese Forderung angesehen werden. Denn sie dienen nicht der Sicherung des Erwerbs der Forderung, sondern der Klärung der Rechtslage und gehören deshalb grundsätzlich zu den laufenden Betriebsausgaben. Eine andere Beurteilung kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Schuldner diese Aufwendung etwa unter dem Gesichtspunkt des Verzugs mit solcher Sicherheit zu erstatten hätte, daß kein begründeter Zweifel an der Durchsetzbarkeit dieser Forderung besteht. Davon kann hier keine Rede sein.
Die Bf. können auch nicht gezwungen werden, einen Teil der Schadensersatzforderung des E. am 31. Dezember 1958 mit der Begründung zu aktivieren, daß bei Aufstellung der Bilanz im Februar 1960 die, wenn auch nicht rechtskräftigen günstigen Urteile der 1. und 2. Instanz vorgelegen hätten. Denn aus den im Handelsrecht ebenso wie im Steuerrecht anerkannten Gründen kaufmännischer Vorsicht und wegen des Verbots des Ausweises nichtrealisierter Gewinne kann der Kaufmann im allgemeinen nicht gezwungen werden, eine dem Grunde nach bestrittene Schadensersatzforderung schon in dem Augenblick ganz oder teilweise zu aktivieren, in dem er ein obsiegendes, aber nicht rechtskräftiges Urteil erstritten hat. Denn solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, kann in der Regel die Möglichkeit nicht verneint werden, daß in der nächsten Instanz ein ungünstiges Urteil ergeht.
Die Streichung der Rückstellung von 10 000 DM durch eine gedachte Verrechnung mit einem entsprechenden Aktivposten könnte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn man für die Bilanzierung auf der Aktiv- und Passivseite die überlegungen, die den Kaufmann zur Erhebung der Klage veranlaßten, als einheitlichen Vorgang würdigt und daraus keine getrennten Folgerungen für die Aktiv- und Passivseite zu ziehen gestattet. Dann könnte man die Auffassung vertreten, daß sich der Kaufmann jedenfalls bei Erhebung der Klage insgesamt gesehen einen Erfolg, also einen Vermögensvorteil, versprach, und daß deshalb bei unterlassener Aktivierung diese überlegungen erst dann einen Passivposten rechtfertigen, wenn sich die Verhältnisse seit der Klageerhebung zuungunsten des Kaufmanns entwickelt haben. Diese Auffassung hält der Senat aber mit Rücksicht auf das die Bilanzierung des Kaufmanns beherrschende Prinzip der Vorsicht und auf das Imparitätsprinzip (kein Ausweis nichtrealisierter Gewinne, aber Ausweis drohender Verluste) nicht für gerechtfertigt. Denn selbst wenn der Kaufmann subjektiv von der Berechtigung seiner Forderung noch so überzeugt ist und zunächst keinen Zweifel hat, daß er gewinnen und der Schuldner zahlen wird, so muß doch erfahrungsgemäß bei objektiver Betrachtung in der Regel mit der Möglichkeit einer anderen Entwicklung gerechnet werden, die auf der Passivseite der Bilanz zum Ausdruck zu bringen dem Kaufmann nicht verwehrt werden kann. Die Aktivierung einer dem Grunde nach bestrittenen Schadensersatzforderung wird deshalb im allgemeinen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, erst nach Ergehen eines rechtskräftigen Urteils oder nach einer Parteivereinbarung verlangt werden können, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang das wegen eines Verlustes drohende Prozeßrisiko auf der Passivseite zum Ausdruck gebracht werden darf.
Diese Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Fall und führen dazu, von einer Aktivierung abzusehen und die Passivierung der Rückstellung in Höhe von 10 000 DM zuzulassen. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sprungberufung der Bf. wird als unbegründet zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 411256 |
BStBl III 1964, 478 |
BFHE 1965, 8 |
BFHE 80, 8 |
BB 1964, 1036 |
DB 1964, 1725 |