Leitsatz (amtlich)
Steht bei der Begründung einer Versorgungsrente, die die Witwe eines verstorbenen Gesellschafters von der Personengesellschaft erhält, der Gedanke der Entlohnung des verstorbenen Gesellschafters für Tätigkeiten im Dienst der Gesellschaft im Vordergrund, so handelt es sich selbst dann um eine betriebliche Versorgungsrente, wenn das Rechtsverhältnis über die Tätigkeit des verstorbenen Gesellschafters im zeitlichen Zusammenhang mit der schenkweisen Aufnahme naher Angehöriger in die Personengesellschaft begründet worden ist.
Orientierungssatz
Auf die Versorgungsbezüge ist § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht anwendbar, wenn die Witwe zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Versorgungsleistungen bezieht, ihrerseits nicht Gesellschafterin (Mitunternehmerin) ist. Die Versorgungsleistungen sind bei der Gewinnermittlung der Personengesellschaft als Betriebsausgaben abzugsfähig. § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG kam im Streitfall nicht zum Zuge (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 24 Nr. 2, § 15 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Persönlich haftender Gesellschafter war V.L. Seine Söhne J und V waren Kommanditisten. V.L. hatte 1964 sein bisheriges Einzelunternehmen in die Klägerin eingebracht. Nach dem Gesellschaftsvertrag stand V.L. eine monatliche Arbeitsentschädigung in Höhe von 3 000 DM mit Wertsicherungsklausel zu. Im Fall seines Ablebens sollte seine Witwe (Beigeladene) die Hälfte als Rente erhalten.
V.L. starb am 16.April 1969. Erben waren die Beigeladene zu 1/4 und die beiden Söhne zu je 3/8. In Vollziehung der vereinbarten Erbauseinandersetzung wurde der durch die Erbfolge auf die Beigeladene entfallende Teil des Kapitalkontos des V.L. in Höhe von 271 652,69 DM in ein Darlehen umgewandelt. Die vorgesehenen Witwenbezüge wurden an die Beigeladene gezahlt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte die Rentenzahlungen an die Beigeladene nicht als Betriebsausgaben an.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe.
Das Finanzgericht (FG) hat rechtsfehlerhaft eine private Versorgungsrente angenommen.
1. Kennzeichnend für eine betriebliche Versorgungsrente --diese verstanden im Gegensatz zur privaten Versorgungsrente-- ist, daß "der Gedanke der Entlohnung der früher für den Betrieb geleisteten Dienste im Vordergrund" steht (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.Dezember 1977 I R 75/77, BFHE 124, 178, 180, BStBl II 1978, 269; vom 25.Oktober 1984 IV R 165/82, BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
a) Nach den Feststellungen des FG beruhen die Rentenzahlungen an die Beigeladene auf § 4 des Gesellschaftsvertrages vom 30.September 1964. Danach sollte V.L. als persönlich haftender Gesellschafter eine monatliche Arbeitsentschädigung von 3 000 DM und im Fall seines Ablebens die Beigeladene die Hälfte dieses Betrags als Rente erhalten. Diese gesellschaftsvertragliche Vereinbarung kann nur dahin verstanden werden, daß die Rente im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Arbeitsentschädigung, also mit der Tätigkeit des V.L. im Dienst der Klägerin, steht.
b) Bei den Versorgungsleistungen an die Beigeladene steht damit --was das FG nicht erkannt hat-- der Gedanke der Entlohnung der früher von V.L. für den Betrieb geleisteten Dienste im Vordergrund. Infolge der Verkennung dieser Tatsache ist das FG fälschlicherweise aufgrund der Vermutung, daß außerbetriebliche Gründe "den Charakter der Betriebsübertragung und die Natur der damit im Zusammenhang zugesagten Versorgungsleistungen bestimmen" zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich um eine außerbetriebliche, auf familiären Gründen beruhende Versorgungsrente handele.
Die zugesagte Versorgungsrente zugunsten der Beigeladenen steht damit nach der Auslegung des Gesellschaftsvertrages, wie sie dem Senat zutreffend erscheint, nicht im Zusammenhang mit einer Betriebsübertragung, sondern im Zusammenhang mit der Tätigkeit des V.L. für die Klägerin. Dieser sollte zeitlich unbegrenzt für die Klägerin tätig sein und dafür eine monatliche Arbeitsentschädigung in Höhe von 3 000 DM erhalten. Im Zusammenhang damit wurde ferner vereinbart, daß nach dem Ableben von V.L. die Beigeladene die Hälfte als Rente erhalten sollte. Das Arbeitsverhältnis zwischen V.L. und der Klägerin war betrieblich veranlaßt. Folglich ist auch die Zusage und die Zahlung der Witwenrente betrieblich veranlaßt.
Der betrieblichen Veranlassung des Arbeitsverhältnisses zwischen V.L. und der Klägerin steht nicht entgegen, daß es sich bei der aufgrund dieses Verhältnisses an V.L. gezahlten Tätigkeitsvergütung um eine solche i.S. von § 15 Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelte. Denn die Anwendung des § 15 Abs.1 Nr.2 EStG zerstört nicht die betriebliche Veranlassung einer Vergütungszahlung bei der Personengesellschaft. Die gezahlte Vergütung bleibt für das Gesellschaftsvermögen und damit für die Personengesellschaft zunächst eine Betriebsausgabe. Sie verliert diesen Charakter erst dadurch, daß sie aufgrund des § 15 Abs.1 Nr.2 EStG im Sonderbetriebsvermögen des die Vergütung empfangenden Gesellschafters als Sonderbetriebseinnahme zu behandeln ist.
2. An dem Ergebnis, daß im Streitfall hinsichtlich der Witwenrente der Gedanke der Entlohnung der früher von V.L. für den Betrieb geleisteten Dienste im Vordergrund steht, kann --entgegen der Ansicht des FA-- der Umstand nichts ändern, daß im selben Zeitpunkt, in dem die Vereinbarungen über die Arbeitsvergütung und die Witwenrente getroffen wurden, die Söhne J und V als Kommanditisten aufgenommen wurden.
a) Es ist zwar zutreffend, daß --worauf das FA hinweist-- eine nur in Ausnahmefällen zu widerlegende Vermutung dafür spricht, daß Versorgungsleistungen, zu denen sich Kinder gegenüber ihren Eltern verpflichtet haben, nicht betrieblich, sondern außerbetrieblich veranlaßt sind, wenn die Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der schenkweisen Überlassung eines Betriebs- oder Gesellschaftsanteils von den Eltern auf die Kinder vereinbart werden und die dabei von den Eltern auf die Kinder übertragenen Vermögensteile nicht nur von unbedeutendem Wert sind (u.a. BFH-Urteil vom 18.Januar 1979 IV R 76/76, BFHE 127, 171, BStBl II 1979, 403, m.w.N.).
b) Im Streitfall liegt jedoch keine Verpflichtung der aufgenommenen Söhne J und V, sondern eine Verpflichtung der Klägerin vor, an der die Söhne J und V im Zeitpunkt der Begründung der Verpflichtungen nicht allein beteiligt waren. Deshalb ist es auch nicht entscheidungserheblich, ob die Söhne 1964 entgeltlich oder unentgeltlich beteiligt worden sind.
3. Der Beurteilung der Witwenrente als betrieblich veranlaßt steht auch nicht das Urteil in BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212 entgegen. Zwar hat der IV.Senat in dieser Entscheidung ausgeführt, daß eine von einer Personengesellschaft an die Witwe eines verstorbenen Gesellschafters gezahlte, im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Rente "jedenfalls bei einer Fremdbeteiligung an der Personengesellschaft von immerhin 50 v.H." nicht als überwiegend privat bezeichnet werden kann. Damit aber wird keineswegs ausgeschlossen, daß auch beim Nichtbestehen einer Fremdbeteiligung die Rente an die Witwe eines verstorbenen Gesellschafters als betrieblich angesehen werden kann.
4. Der Einwand des FA, der BFH dürfe von der Feststellung des FG, im Streitfall handele es sich um eine privat veranlaßte Rente, nicht abweichen, geht fehlt. Denn bei der Beurteilung, ob die der Beigeladenen gezahlte Rente privat oder betrieblich veranlaßt ist, handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung des FG, sondern um eine Auslegung der im Gesellschaftsvertrag getroffenen Vereinbarungen. Eine solche Auslegung kann vom BFH überprüft werden.
5. Sind die Rentenzahlungen an die Beigeladene als betriebliche Versorgungsrente aufgrund der früheren Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemanns V.L. für die Klägerin anzusehen, so liegt es nahe, bei ihr diese Zahlungen als Gewinn anzusetzen und der Beigeladenen nach § 24 Nr.2 EStG zuzurechnen.
Nach dieser Vorschrift gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs.1 EStG u.a. auch Einkünfte aus einer ehemaligen gewerblichen Tätigkeit, also auch aus einer Tätigkeit als Mitunternehmer, und zwar auch dann, wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen.
6. Einer solchen Betrachtung stehen jedoch die BFH-Urteile vom 24.November 1983 IV R 14/83 (BFHE 139, 549, BStBl II 1984, 431) und in BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212 entgegen. Der IV.Senat hat in diesen Urteilen entschieden, daß § 15 Abs.1 Nr.2 EStG nicht anwendbar ist auf Versorgungsbezüge, die eine Personengesellschaft der Witwe eines verstorbenen Gesellschafters gewährt, sofern die Witwe zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Versorgungsleistungen bezieht --wie im Streitfall-- ihrerseits nicht Gesellschafterin (Mitunternehmerin) ist, und daß demgemäß die Versorgungsleistungen bei der Ermittlung des Gewinns der Personengesellschaft als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
7. § 15 Abs.1 Satz 2 EStG, wonach § 15 Abs.1 Nr.2 EStG auch für Vergütungen gilt, die als nachträgliche Einkünfte (§ 24 Nr.2 EStG) bezogen werden, kommt für die Streitjahre nicht zum Zuge. Die Vorschrift ist erst durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19.Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) eingeführt worden. Sie gilt erstmals für Versorgungsleistungen, die nach dem 31.Dezember 1985 fällig geworden sind oder werden.
8. Die Sache ist entscheidungsreif. Bei der Feststellung der Gewinne wurde berücksichtigt, daß die bisher gebildeten Gewerbesteuerrückstellungen wegen des Wegfalls der streitigen Zurechnungsbeträge teilweise aufzulösen waren.
Fundstellen
Haufe-Index 62520 |
BFH/NV 1989, 39 |
BStBl II 1989, 888 |
BFHE 157, 405 |
BFHE 1990, 405 |
BB 1989, 1958-1959 (LT1) |
DB 1989, 2000-2001 (LT) |
HFR 1989, 660 (LT) |