Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Organgesellschaftsverlusten nach Beendigung der Organschaft
Leitsatz (amtlich)
Verluste einer Organgesellschaft, die während der Dauer einer gewerbesteuerlichen Organschaft entstanden sind, können auch nach Beendigung der Organschaft nur vom maßgebenden Gewerbeertrag des Organträgers abgesetzt werden.
Orientierungssatz
1. Der Gewerbetreibende, dem der Gewerbeverlust gewerbesteuerrechtlich zuzurechnen ist, muß mit dem Gewerbetreibenden identisch sein, der die Kürzung gemäß § 10a GewStG 1974 begehrt. Aus der Bezugnahme des § 10a GewStG 1974 auf "Gewerbetreibende" hat die höchstrichterliche Rechtsprechung seit jeher das Erfordernis einer Unternehmeridentität abgeleitet (Festhaltung an BFH-Rechtsprechung).
2. Bei der Ermittlung des dem Organträger zuzurechnenden Gewerbeertrags sind vororganschaftliche oder außerorganschaftliche Verluste einer Organgesellschaft abzusetzen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
3. Der Zweck der gewerbesteuerlichen Organschaft ist darin zu sehen, die Unternehmen eines Organkreises daran zu hindern, das Hebesatzgefälle zwischen den hebeberechtigten Gemeinden durch entsprechende Verlagerungsmaßnahmen auszunutzen (vgl. RFH-Rechtsprechung und BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2, § 10a
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 06.08.1985; Aktenzeichen X 2986/81 G) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die in den Streitjahren 1974 und 1975 eine Landmaschinenfabrik betrieb. Neben der Klägerin bestand bis zum 31.Dezember 1971 die Gebrüder C KG (KG). An der Klägerin und an der KG waren dieselben Gesellschafter in dem gleichen Verhältnis beteiligt. Die Geschäftsführung beider Gesellschaften sowie ab 1969 der Beirat der KG und der Aufsichtsrat der Klägerin waren jeweils mit denselben Personen besetzt. Aufgrund des Pachtvertrages vom 1.Oktober 1952 hatte die KG der Klägerin ihr wesentliches Betriebsvermögen übertragen und nur noch eine Versuchswerkstatt zurückbehalten, mit deren Hilfe sie die Prototypenforschung betrieb. Die Weiterentwicklung, Serienherstellung und der Vertrieb waren jedoch Sache der Klägerin. Diese wertete auch alle Patente und Gebrauchsmuster aus.
In den Jahren bis 1971 einschließlich hatten die Beteiligten übereinstimmend die Klägerin als Organgesellschaft der KG im gewerbesteuerlichen Sinne behandelt. Durch Gesellschafterbeschluß vom 28.März 1972 wurde die KG mit Wirkung zum 31.Dezember 1971 auf die Klägerin umgewandelt.
Nach einer Betriebsprüfung ermittelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) für die Klägerin folgende Gewerbeerträge (ohne Verlustabzug gemäß § 10a des Gewerbesteuergesetzes ―GewStG―):
1971 1972 1973 1974
―― ―― ―― ――
DM DM DM DM
./. 31 145 537 ./. 32 832 280 6 154 450 36 642 277
Die KG hatte für 1971 einen eigenen Gewerbeverlust in Höhe von 1 372 521 DM erwirtschaftet. Für das Jahr 1973 ergab sich bei der Klägerin ein maßgebender Gewerbeertrag von 0 DM, weil von dem Fehlbetrag 1972 ein Teilbetrag in Höhe von 6 154 450 DM gemäß § 10a GewStG angesetzt wurde. Für 1974 ergab sich dadurch der Abzug eines Gewerbeverlustes aus 1972 in Höhe von 26 677 830 DM. Einen Verlustabzug aus 1971 lehnte das FA sowohl für 1974 als auch für 1975 ab. Die Klägerin legte gegen die entsprechenden Gewerbesteuermeßbescheide vom 11.November 1980 (1974) und vom 29.Oktober 1980 (1975) erfolglos Einspruch ein. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 622 veröffentlicht.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 und 10a GewStG.
Es beantragt, das Urteil des FG Münster vom 6.August 1985 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragte zunächst, die Revision zurückzuweisen.
Unter dem Datum des 21.Juni 1985 hat das FA einen geänderten Gewerbesteuermeßbescheid 1975 erlassen. Die Klägerin hat diesen Bescheid in das Revisionsverfahren übergeleitet (§ 123 Satz 2, § 68 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Bezüglich des geänderten Bescheides beantragt die Klägerin dessen erneute Änderung dahin, daß der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag auf 638 352 DM festgesetzt wird.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).
1. Das FG hat dahinstehen lassen, ob die Klägerin im Jahre 1971 der KG als Organgesellschaft untergeordnet war. Es hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe die geltend gemachte Kürzung um Fehlbeträge aus ihrem Gewerbeverlust 1971 so oder so zu. Mit dieser Auffassung hat das FG §§ 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 und 10a GewStG verletzt. Bei zutreffender Gesetzesauslegung kann die Klägerin den Verlustabzug gemäß § 10a GewStG nur dann beanspruchen, wenn sie damals nicht Organgesellschaft der KG gewesen sein sollte. Im einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
2. Nach § 10a GewStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung vom 15.August 1974 ―GewStG 1974― (BGBl I 1974, 1971, BStBl I 1974, 658) ist bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln, der maßgebende Gewerbeertrag um die Fehlbeträge zu kürzen, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrages für die fünf vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG 1974 ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die vier vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Aus der Bezugnahme des § 10a GewStG 1974 auf "Gewerbetreibende" hat die höchstrichterliche Rechtsprechung seit jeher das Erfordernis einer Unternehmeridentität abgeleitet (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12.Januar 1983 IV R 177/80, BFHE 138, 90, BStBl II 1983, 425, und vom 19.Dezember 1984 I R 165/80, BFHE 143, 276, BStBl II 1985, 403, m.w.N.). An dieser Auffassung hält der erkennende Senat fest. Bezogen auf die hier zu entscheidende Rechtsfrage bedeutet sie, daß der Gewerbetreibende, dem der Gewerbeverlust gewerbesteuerrechtlich zuzurechnen ist, mit dem Gewerbetreibenden identisch sein muß, der die Kürzung gemäß § 10a GewStG 1974 begehrt. Daran fehlt es im Streitfall.
3. Unter dem Gewerbeverlust im Sinne der Überschrift vor § 10a GewStG 1974 ist der Fehlbetrag zu verstehen, der sich bei der Ermittlung des "maßgebenden Gewerbeertrags" ergeben hat. Daraus folgt, daß das GewStG den Gewerbeverlust als einen solchen des Gewerbetreibenden behandelt, für den der "maßgebende Gewerbeertrag" zu ermitteln ist. Nach § 10 Abs.1 GewStG 1974 ist "maßgebender Gewerbeertrag" derjenige, für den der einheitliche Steuermeßbetrag (§ 14 GewStG 1974) festgesetzt wird. Da der einheitliche Steuermeßbetrag nur gegenüber dem Organträger festgesetzt wird, kann für die Dauer einer Organschaft unter dem "maßgebenden Gewerbeertrag" nur derjenige verstanden werden, der gegenüber dem Organträger zu ermitteln und festzusetzen ist. Ergibt sich bei der Ermittlung des "maßgebenden Gewerbeertrags" ein Fehlbetrag, so ist dieser Fehlbetrag wegen der Regelung in § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 GewStG 1974 als ein solcher des Organträgers zu behandeln. Nur er ist deshalb zum Verlustabzug berechtigt.
4. Die unter II.3. wiedergegebene Rechtsfolge ergibt sich nicht nur aus der wortgetreuen Auslegung des § 10a GewStG 1974, sondern ebenso aus der des § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 GewStG 1974. Danach gilt eine Kapitalgesellschaft, die in ein anderes gewerbliches Unternehmen in der Weise eingegliedert ist, daß die Voraussetzungen des § 7a Abs.1 Nrn.1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968 erfüllt sind, als Betriebsstätte des des anderen Unternehmens. Dies bedeutet, daß die Organgesellschaft für die Dauer der Organschaft als eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage gilt, die der Tätigkeit des Organträgers dient (§ 16 des Steueranpassungsgesetzes -StAnpG―, § 12 der Abgabenordnung ―AO 1977―). Als fingierte Betriebsstätte ist der Organgesellschaft die Fähigkeit genommen, selbst Gewerbetreibender i.S. des § 10a GewStG 1974 zu sein. Die an die Existenz der Betriebsstätte anknüpfenden Gewerbesteuerfolgen setzen nur beim Organträger ein. Es geht die Eigenschaft der Organgesellschaft, Gewerbetreibender i.S. des § 2 Abs.2 Satz 1 Nr.2 GewStG 1974 zu sein, auf den Organträger über. Nur er ist Gewerbetreibender i.S. des § 10a GewStG 1974. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß die Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags gemäß § 7 GewStG 1974 an den nach den Vorschriften des EStG und des KStG 1968 ermittelten Gewinn bzw. die Ermittlung des Gewerbekapitals gemäß § 12 Abs.1 GewStG 1974 an den festgestellten Einheitswert des gewerblichen Betriebes der Organgesellschaft anknüpft. Die Rechtsfolge des § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 GewStG 1974 berührt weder die rechtliche Selbständigkeit der Organgesellschaft noch die bestehenden Gewinnermittlungspflichten noch die Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebes gegenüber der Organgesellschaft. Sie wirkt nur auf die Eigenschaft als Gewerbetreibender i.S. des § 10a GewStG 1974. Im übrigen hat für Zwecke der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen jede Organgesellschaft ihren eigenen Gewerbeertrag und ihr eigenes Gewerbekapital. Insoweit gebietet § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 GewStG 1974 nur die rechnerische Zusammenfassung der Ergebnisse der dem Organkreis angehörenden Unternehmen.
5. Der vom erkennenden Senat vertretenen Rechtsauffassung steht nicht entgegen, daß vor- und außerorganschaftliche Verluste einer Organgesellschaft bei der Ermittlung des dem Organträger zuzurechnenden Gewerbeertrages abzusetzen sind (vgl. BFH-Urteile vom 2.März 1983 I R 85/79, BFHE 138, 94, BStBl II 1983, 427, und vom 10.November 1983 IV R 56/80, BFHE 140, 93, BStBl II 1984, 150). Die Organgesellschaft ist schon wegen ihrer Rechtsform grundsätzlich Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 1 GewStG 1974. Ihre Gewerbesteuerpflicht geht bei der Begründung der Organschaft ebensowenig unter, wie sie nach Beendigung der Organschaft nicht wieder neu entsteht. Die Steuerpflicht wird vielmehr lediglich für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet. Die Organgesellschaft bleibt "Gewerbetreibender" für die Besteuerungsmerkmale, die nur an ihre Person anknüpfen und vorher dem Organträger noch nicht zugerechnet wurden. Dies gilt insbesondere für den Abzug der Gewerbeverluste, die vor- oder außerorganschaftlich erwirtschaftet wurden. Erst der unter Berücksichtigung der entsprechenden Fehlbeträge ermittelte Gewerbeertrag ist dem Organträger als Betriebsstättenergebnis zuzurechnen. Die o.g. Entscheidungen beinhalten insoweit eine über den an sich engeren Gesetzeswortlaut hinausgehende Gesetzesauslegung zugunsten der Steuerpflichtigen. Daraus kann im Umkehrschluß für den Streitfall nichts abgeleitet werden.
Die Ermittlung der im Falle einer Organschaft für die Gewerbesteuer maßgebenden Besteuerungsgrundlagen vollzieht sich damit in zwei Stufen. Auf der ersten Stufe sind der Gewerbeertrag (§§ 7 bis 9 GewStG 1974) und das Gewerbekapital (§ 12 Abs.1 bis 4 GewStG 1974) für jedes Unternehmen des Organkreises getrennt zu ermitteln. Rechtsgrundlage ist insoweit die Verweisung des § 7 GewStG 1974 auf den nach den Vorschriften des EStG und des KStG 1968 für das einzelne Unternehmen zu ermittelnden Gewinn bzw. die Verweisung des § 12 Abs.1 GewStG 1974 auf den für das einzelne Unternehmen festzustellenden Einheitswert des gewerblichen Betriebes im Sinne des Bewertungsgesetzes (BewG). Für den gesamten Organkreis wird weder ein Gewinn ermittelt noch ein Einheitswert festgestellt. Da die Kürzungen und Hinzurechnungen i.S. der §§ 8, 9 und 12 Abs.2 und 3 GewStG 1974 beim Gewinn bzw. beim Einheitswert ansetzen, sind die genannten Vorschriften ebenfalls auf der Stufe des einzelnen dem Organkreis angehörenden Unternehmen anzuwenden. Nach dem BFH-Urteil vom 6.November 1985 I R 56/82 (BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73) sind auf dieser ersten Stufe auch noch die dem Organträger zuzurechnenden Ergebnisse zu bereinigen (vgl. Abschn.42 Abs.1 Sätze 4 ff. der Gewerbesteuer-Richtlinien ―GewStR― 1974). Auf einer zweiten Stufe sind die zuzurechnenden Ergebnisse zusammenzufassen. Auf dieser zweiten Stufe ist auch § 10a GewStG 1974 anzuwenden, soweit es sich um Gewerbeverluste handelt, die während der Organschaft entstanden sind und dem Organträger zugerechnet wurden. Der sich so ergebende Gewerbeertrag ist zwar nach den zusammengefaßten Besteuerungsgrundlagen aller zum Organkreis gehörenden Unternehmen berechnet. Da jedoch die Organgesellschaften nur als Betriebsstätten des Organträgers fungieren (§ 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 GewStG 1974), trifft die sich aus der Existenz des Organkreises ergebende Steuerpflicht nur den Organträger. Es besteht deshalb auch kein "gemeinsamer Gewerbeertrag" aller Unternehmen des Organkreises. Vielmehr ist der vermeintlich "gemeinsame Gewerbeertrag" wegen § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 GewStG 1974 auch materiell-rechtlich als ein solcher des Organträgers zu beurteilen. Dem entspricht auch die Regelung in § 114 der Reichsabgabenordnung ―AO― (§ 73 AO 1977). Danach haftet die Organgesellschaft nur für Steuern des Organträgers, für die die Organschaft zwischen ihnen von Bedeutung ist. Ohne die Regelung des § 114 AO (§ 73 AO 1977) müßte die Organgesellschaft weder für eine eigene noch für eine fremde Steuerschuld einstehen.
6. Gewerbesteuerrechtlich besteht keine Möglichkeit, einen während der Organschaft erwirtschafteten und nicht ausgeglichenen Gewerbeverlust bei Beendigung der Organschaft zwischen den Unternehmen des Organkreises aufzuteilen. Mag eine solche Aufteilung auch der betriebswirtschaftlichen Beurteilung der gewerbesteuerlichen Organschaft entsprechen, so fehlt es doch an der dafür erforderlichen Rechtsgrundlage. § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 GewStG 1974 hat zur Folge, daß ein während der Organschaft erwirtschafteter Verlust gewerbesteuerrechtlich als Betriebsstättenverlust des Organträgers zu behandeln ist. Die Aufteilung des Verlustes bei Beendigung der Organschaft würde deshalb eine Vorschrift voraussetzen, die die Fiktion des § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 GewStG 1974 entweder rückwirkend wieder aufhebt oder aber die Aufteilung des Gewerbeverlustes auf die einzelnen Unternehmen vorschreibt. Der Gewerbeverlust müßte allen Unternehmen, die ursprünglich dem Organkreis angehörten, anteilig als "Gewerbetreibende i.S. des § 10a GewStG 1974" zugerechnet werden. An einer solchen Vorschrift fehlt es jedoch. Deshalb ist die Aufteilung rechtlich nicht möglich.
7. Der Senat verkennt nicht, daß nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs vom 12.Dezember 1939 I 94/39, RStBl 1940, 264; I 205/38, RFHE 48, 67, RStBl 1940, 29; vom 4.Dezember 1940 VI 660/38, RStBl 1941, 26; BFH-Urteile vom 6.Oktober 1953 I 29/53 U, BFHE 58, 101, BStBl III 1953, 329; vom 27.September 1960 I 162/60 U, BFHE 71, 594, BStBl III 1960, 471; vom 8.Januar 1963 I 237/61 U, BFHE 76, 513, BStBl III 1963, 188; vom 23.März 1965 I 338/60 U, BFHE 82, 559, BStBl III 1965, 449; vom 26.April 1966 I 102/63, BFHE 85, 472, BStBl III 1966, 426; vom 29.Mai 1968 I 198/65, BFHE 93, 289, BStBl II 1968, 807; vom 30.Juli 1969 I R 21/67, BFHE 96, 362, BStBl II 1969, 629; vom 17.Februar 1972 IV R 17/68, BFHE 105, 383, BStBl II 1972, 582; vom 5.Mai 1977 IV R 186/72, BFHE 122, 310, BStBl II 1977, 701; vom 28.März 1979 I R 81/76, BFHE 127, 420, BStBl II 1979, 447; vom 6.November 1985 I R 56/82, BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73) der Zweck der gewerbesteuerlichen Organschaft darin gesehen wird, die Unternehmen eines Organkreises daran zu hindern, das Hebesatzgefälle zwischen den hebeberechtigten Gemeinden durch entsprechende Verlagerungsmaßnahmen auszunutzen. Auch kann man in konsequenter Verfolgung des Gemeindeschutzgedankens die Forderung aufstellen, daß der in einem Organkreis erzielte und bei Beendigung der Organschaft noch nicht ausgeglichene Gesamtverlust auf die Unternehmen des Organkreises aufgeteilt werden müsse und nicht nur "zu Lasten" der Organträger gehen dürfe. Jedoch hat der Gesetzgeber den Gemeindeschutzgedanken in § 10a GewStG 1974 nicht in dieser Konsequenz zu Ende geführt und geregelt. Andernfalls hätte er neben der Unternehmensidentität in § 10a GewStG 1974 nicht auch noch eine Unternehmeridentität fordern dürfen. Die sich aus dieser Überlegung ergebenden Folgen werden deutlich, wenn man das folgende Beispiel mit dem Streitfall vergleicht:
Beispiel:
Das inländische Unternehmen U verfügt im Inland über eine Zweigniederlassung (§ 12 Abs.2 Nr.2 AO 1977). In der Zweigniederlassung wurden in der Vergangenheit erhebliche Verluste erwirtschaftet, die die übrigen Gewinne von U überstiegen. U veräußert die Zweigniederlassung. Kann der Veräußerer oder der Erwerber die Kürzung gemäß § 10a GewStG 1974 beanspruchen?
Der einzige Unterschied zwischen dem Beispielsfall und dem Streitfall besteht darin, daß die Zweigniederlassung eine Betriebsstätte ist (§ 12 Abs.2 Nr.2 AO 1977), während die Organgesellschaft nur als Betriebsstätte gilt (§ 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 GewStG 1974). Das GewStG 1974 behandelt jedoch weder die Zweigniederlassung noch die Organgesellschaft als Gewerbetreibenden i.S. des § 10a GewStG 1974. Deshalb kann weder der Erwerber der Zweigniederlassung noch die Organgesellschaft (nach Beendigung der Organschaft) die Kürzung nach § 10a GewStG 1974 für einen vorher erzielten Verlust beanspruchen. § 10a GewStG 1974 enthält damit eine gewisse Durchbrechung des Gemeindeschutzgedankens. Die Kürzung um einen Fehlbetrag i.S. des § 10a GewStG 1974 geht zu Lasten einer Gemeinde, in deren Bereich der Fehlbetrag nicht notwendigerweise erwirtschaftet wurde. Dies muß für Verluste einer Organgesellschaft gleichermaßen wie für die einer Zweigniederlassung gelten.
8. Eine andere Rechtsfolge ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß im Streitfall der Organträger (KG) mit Wirkung zum 31.Dezember 1971 auf die Klägerin umgewandelt wurde. Zwar hat das FG nicht festgestellt, in welcher Weise die "Umwandlung" vollzogen wurde. Selbst wenn jedoch die Gesellschafter der KG ihre Anteile auf die Klägerin übertragen haben sollten, so wäre die KG ohne Liquidation aufgelöst worden. Ihre Firma wäre erloschen. Damit würde es an der Unternehmeridentität zwischen der nach dem 31.Dezember 1971 fortbestehenden Klägerin und der zu diesem Stichtag aufgelösten KG fehlen.
9. Der erkennende Senat folgt damit der Auffassung des beigetretenen BMF in dessen Stellungnahme vom 15.Dezember 1986.
10. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs.2 FGO gebunden ist, erwirtschaftete die Klägerin in den Jahren 1971 und 1972 Verluste. Es ist jedoch unklar, ob die Klägerin im Erhebungszeitraum 1971 Organ der KG war und ob deshalb die von der Klägerin erwirtschafteten Verluste gemäß § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 GewStG 1974 der KG zuzurechnen waren. Von der entsprechenden Feststellung hängt es ab, ob die Klägerin die Kürzung ihrer Gewerbeerträge 1974 und 1975 gemäß § 10a GewStG 1974 um den Verlust 1971 begehren kann. Die erforderlichen Feststellungen nachzuholen ist die Aufgabe des FG. Zu diesem Zweck war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 63113 |
BFH/NV 1990, 77 |
BStBl II 1990, 916 |
BFHE 161, 157 |
BFHE 1991, 157 |
BB 1990, 2103 |
BB 1990, 2103-2105 (LT) |
DB 1990, 1950-1952 (LT) |
HFR 1990, 694 (LT) |
StE 1990, 336 (K) |