Entscheidungsstichwort (Thema)
(Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem vermieteten Grundstück - Unternehmereigenschaft des Miteigentümers - nachträgliche Statthaftigkeit einer Revision - Darlegung der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs)
Leitsatz (amtlich)
1. Haben sich die bisherigen Miteigentümer eines Grundstücks zwecks Vermietung zu einer GbR zusammengeschlossen, kann der Erwerber eines Miteigentumsanteils entweder dieser Gesellschaft beitreten oder in Gemeinschaft mit dieser das Mietverhältnis fortsetzen. In beiden Fällen tritt er zivilrechtlich als Mitvermieter in die sich aus dem Mietvertrag ergebenden Rechte und Pflichten ein.
2. Umsatzsteuerrechtlich werden die Vermietungsleistungen von der GbR bzw. der Gemeinschaft als Unternehmer ausgeführt. Der Gesellschafter bzw. der Teilhaber wird nicht allein durch seine zivilrechtliche Stellung als Mitvermieter Unternehmer. Er kann der unternehmerisch tätigen GbR oder Gemeinschaft seinen Miteigentumsanteil unentgeltlich und gegen Beteiligung am Gewinn/Überschuß überlassen oder er kann seinen Miteigentumsanteil entgeltlich im Rahmen eines Vertrages besonderer Art zur Nutzung überlassen. Im letzteren Fall ist der Miteigentümer in der Regel als Unternehmer zu beurteilen.
Orientierungssatz
1. NV: Eine gleichzeitig mit der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegte bedingungslose und vorbehaltlose Revision wird mit ihrer Zulassung durch den BFH nachträglich (rückwirkend) statthaft (vgl. BFH-Urteil vom 28.3.1979 I R 58-59/78; hier: Die bereits vor Zulassung der Revision vorgelegte Revisionsbegründung enthielt --im Gegensatz zu der nach Zulassung der Revision eingereichten Revisionsbegründung-- hinreichende Darlegungen zum gerügten Verfahrensmangel).
2. NV: Wird Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt, muß dargelegt werden, wozu sich der Beteiligte nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte. Außerdem muß dargelegt werden, daß bei Berücksichtigung des nicht beachteten Sachvortrags eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre (vgl. Literatur).
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2, § 120 Abs. 1, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Architekt X war zu einem 1/10 Bruchteil Mitinhaber eines Teileigentums (Miteigentumsanteil, der mit dem Sondereigentum an einem Geschäftslokal verbunden war) sowie zu dem gleichen Bruchteil Mitinhaber von zehn weiteren Teileigentumseinheiten (Miteigentumsanteilen, die mit dem Sondereigentum an jeweils einem Einstellplatz in der Tiefgarage verbunden waren). Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 25. September 1985 gemeinsam jeweils den Bruchteil von 1/10 an den oben bezeichneten Teileigentumseinheiten. Der Kaufpreis betrug für alle erworbenen Bruchteile zusammen . . . DM; der darin enthaltene Betrag der Umsatzsteuer war im Kaufvertrag gesondert ausgewiesen.
Die Teileigentumseinheiten waren insgesamt vor Fertigstellung des Gebäudes von einem Voreigentümer an die C-AG vermietet worden. Nach dem Mietvertrag sollte der Voreigentümer berechtigt sein, die Vermieterstellung auf einen noch zu benennenden Dritten zu übertragen. Die Miete sollte maximal . . . DM betragen. Die Vermieterstellung ging auf die "Grundstücksverwaltungsgesellschaft bürgerlichen Rechts ...straße..." (GV-GbR) über. Gesellschafter der GV-GbR waren die Miteigentümer der Teileigentumseinheiten. Ob auch die Kläger der Gesellschaft beigetreten sind, ist streitig.
Die Kläger legten dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) einen zwischen ihnen und der GV-GbR geschlossenen "Mietvertrag" vor. Nach diesem Vertrag überließen die Kläger in Anlehnung an den Hauptmietvertrag ihren 1/10 Miteigentumsanteil an den Teileigentumseinheiten der GV-GbR zur Nutzung. Der monatliche Mietzins sollte . . . DM betragen; der darin enthaltene Betrag der Umsatzsteuer war mit . . . DM gesondert ausgewiesen.
Die Kläger verzichteten auf die Steuerbefreiung der Mietumsätze (§ 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- 1980) und auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG 1980. Im Besteuerungsverfahren für das Streitjahr machten die Kläger den im Kaufvertrag gesondert ausgewiesenen Betrag der Umsatzsteuer sowie andere ihnen in Rechnung gestellte Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuerbeträge geltend. Sie vertraten die Ansicht, sie hätten der GV-GbR ihren Miteigentumsanteil an den Teileigentumseinheiten entgeltlich zur Nutzung überlassen und seien hierdurch unternehmerisch tätig geworden.
Das FA berücksichtigte im Umsatzsteuerbescheid 1985 diese Vorsteuerbeträge nicht. Es setzte --gestützt auf § 14 Abs. 2 UStG 1980-- Umsatzsteuer gegen die Kläger mit der Begründung fest, diese hätten im Mietvertrag mit der GV-GbR unberechtigt Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. Das FA vertrat die Ansicht, nicht die Kläger, sondern lediglich die GV-GbR sei als Vermieterin unternehmerisch tätig geworden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es kam zu dem Ergebnis, die Kläger seien als Gesellschafter der GV-GbR beigetreten. Alle Gesellschafter hätten ihre Miteigentumsanteile an den Teileigentumseinheiten der GV-GbR als Gesellschafterbeitrag zur Nutzung überlassen. Die Kläger hätten keine entgeltlichen Leistungen an die GV-GbR erbracht und seien demgemäß insoweit auch nicht unternehmerisch tätig gewesen.
Mit der nach Zulassung durch den Senat (Beschluß vom 26. Mai 1994 V B 115/93, BFH/NV 1995, 453) erhobenen Revision rügen die Kläger Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie Verstöße gegen materielles Recht. Sie beantragen, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils den Umsatzsteuerbescheid für 1985 dahingehend zu ändern, daß der Überschuß auf . . . DM festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Kläger ist begründet; sie führt wegen eines Verfahrensmangels zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletzt.
++/ a) Das FG hat die Auffassung vertreten, die Kläger hätten ihren Miteigentumsanteil an den Teileigentumseinheiten der GV-GbR als Gesellschafterbeitrag zur Nutzung überlassen und demnach keine entgeltlichen Leistungen an die GV-GbR erbracht. Sie seien demgemäß insoweit nicht unternehmerisch tätig gewesen. Für die Meinungsbildung des FG war dabei von Bedeutung, daß nicht die GV-GbR, sondern die Mieterin --die C-AG-- den Klägern die anteilige Miete überwiesen habe. Diesen Schluß zog das FG anhand der von den Klägern vorgelegten Bankbelege.
b) Die Kläger haben dazu vorgetragen, sie hätten auf die Frage des Gerichts, wer die Zahlungen an sie geleistet habe, die GV-GbR angegeben und zum Beweise dessen die Zahlungsbelege vorgelegt. Das FG habe jedoch aus dem Umstand, daß auf den Zahlungsbelegen als Auftraggeber "C-GBR" angegeben war, geschlossen, die Mieterin --die C-AG-- sei die Zahlende gewesen. Wenn sie --die Kläger-- sich hierzu hätten äußern können, hätten sie klargestellt, daß unter der Bezeichnung "C-GBR" die GV-GbR zu verstehen gewesen sei. Da das FG die Ablehnung eines Leistungsaustausches mit der GV-GbR auch darauf gestützt habe, daß die Zahlungen von der Mieterin --der C-AG-- geleistet worden seien, wäre bei Berücksichtigung ihres Vortrags durch das FG eine andere Entscheidung möglich gewesen.
c) Die Verfahrensrüge der Kläger ist zulässig.
aa) Die Revisionsbegründung erfüllt die bei einer Verfahrensrüge zu beachtenden Voraussetzungen aus § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, wonach bei einem gerügten Verfahrensmangel die Tatsachen zu bezeichnen sind, die den Mangel ergeben. Wird Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt, muß somit dargelegt werden, wozu sich der Beteiligte nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte. Außerdem muß dargelegt werden, daß bei Berücksichtigung des nicht beachteten Sachvortrags eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 119 Rz. 13, mit Nachweisen zur Rechtsprechung).
Die Kläger haben diese Umstände zwar nicht in ihrer nach Zulassung der Revision eingereichten Revisionsbegründungsschrift dargelegt. Jedoch lassen sich hinreichende Darlegungen in der Revisionsbegründung finden, die die Kläger bereits vor Zulassung der Revision vorgelegt haben. Die vorhergehende, gleichzeitig mit der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegte Revision war bedingungs- und vorbehaltlos. Sie wurde deshalb mit ihrer Zulassung durch den Bundesfinanzhof (BFH) nachträglich (rückwirkend) statthaft (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 1979 I R 58-59/78, BFHE 128, 135, BStBl II 1979, 650). Die in diesem Rahmen vorgelegte Revisionsbegründungsschrift ist daher Grundlage der Revisionsprüfung.
bb) Die Kläger sind in ihrer (ersten) Revisionsbegründungsschrift auch der Erwägung schlüssig entgegengetreten, sie könnten durch ihr Verhalten in der Vorinstanz das Recht auf die jetzt geltend gemachte Rüge eingebüßt haben.
Ein Verfahrensmangel kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozeßbeteiligten verzichten konnten und verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung --ZPO--). Auf die Beachtung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs kann verzichtet werden (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 37, mit Nachweisen). Mit der Verfahrensrüge muß demnach vorgetragen werden, inwieweit alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, das rechtliche Gehör vor dem FG in Anspruch zu nehmen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 13, mit Nachweisen).
Die Kläger haben diesbezüglich hinreichend vorgetragen, die Rüge dieses Verfahrensmangels sei zu keinem Zeitpunkt vor dem FG möglich gewesen, weil die unzutreffende Deutung durch das FG erst aus den Entscheidungsgründen erkennbar gewesen sei.
d) Die Verfahrensrüge der Kläger ist begründet.
Das FG hätte, bevor es die von den Klägern zum Nachweis des Auftraggebers (GV-GbR) vorgelegten Zahlungsbelege in einer für die Kläger nicht vorhersehbaren Weise (C-AG) deutete, den Klägern Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Dies ist nach dem Inhalt der FG-Akten nicht geschehen. Da das FG seine tatrichterliche Würdigung, wonach die Kläger ihren Miteigentumsanteil der GV-GbR nicht im Rahmen eines Leistungsaustauschs zur Nutzung überlassen haben und deshalb insoweit nicht unternehmerisch tätig gewesen seien, unter anderem auf den Umstand der Mietzahlung durch die C-AG gestützt hat, ist nicht auszuschließen, daß das FG bei Berücksichtigung des Sachvortrags der Kläger, die GV-GbR sei Zahlende gewesen, zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Die Kläger waren auch nicht in der Lage, den Verfahrensmangel vor dem FG zu rügen, denn aus den Akten des FG ergibt sich nicht, daß den Klägern die unzutreffende Deutung durch das FG vor dem Bekanntwerden der Entscheidungsgründe hätte erkennbar sein können. /++
2. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der Antrag der Kläger, die Umsatzsteuer auf ./. . . . DM festzusetzen, kann nicht beschieden werden. Das FG wird bei erneuter tatrichterlicher Würdigung folgendes zu beachten haben.
Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 kann nur ein Unternehmer Vorsteuerbeträge abziehen.
a) Die Kläger waren nicht bereits deshalb Unternehmer, weil sie einer Gesellschaft oder Gemeinschaft angehörten, die Vermietungsleistungen erbrachte. Zwar tritt zivilrechtlich der Erwerber eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück (Teileigentum) in die Rechtsstellung des Veräußerers als Teilhaber der Gemeinschaft und als Mitvermieter ein (vgl. Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Rdnr.I 12; Staudinger-Emmerich, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 571 Rz. 31 a, 2. Bearbeitung 1981). Haben sich die bisherigen Miteigentümer zwecks Vermietung zu einer GbR zusammengeschlossen, kann der Erwerber eines Miteigentumsanteils entweder dieser Gesellschaft beitreten oder in Gemeinschaft mit dieser das Mietverhältnis fortsetzen. In beiden Fällen tritt er zivilrechtlich als Mitvermieter in die sich aus dem Mietvertrag ergebenden Rechte und Pflichten ein.
Umsatzsteuerrechtlich werden die Vermietungsleistungen von der GbR bzw. der Gemeinschaft ausgeführt. Der Gesellschafter bzw. der Teilhaber wird nicht allein durch seine zivilrechtliche Stellung als Mitvermieter Unternehmer. Nur die GbR bzw. die Gemeinschaft ist Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980. Die Tätigkeit der Personenvereinigung wird im Umsatzsteuerrecht nicht ihrem Mitglied zugerechnet. Eine Mitunternehmerschaft kennt das UStG nicht (BFH-Beschluß vom 9. März 1989 V B 48/88, BFHE 156, 535, BStBl II 1989, 580). Der unternehmerisch tätigen Gemeinschaft bzw. GbR kann der Teilhaber bzw. der Gesellschafter entweder seinen Miteigentumsanteil unentgeltlich und gegen Beteiligung am Überschuß oder Gewinn überlassen (d.h. im Falle der GbR als Gesellschafterbeitrag) oder er kann seinen Miteigentumsanteil entgeltlich im Rahmen eines Vertrages besonderer Art (Leistungsaustausch) zur Nutzung überlassen. Im letzteren Fall wird der Miteigentümer aufgrund der nachhaltigen entgeltlichen Nutzungsüberlassung in der Regel als Unternehmer zu beurteilen sein.
b) Welche dieser rechtlichen Möglichkeiten im Einzelfall vorliegt, unterliegt im wesentlichen der tatrichterlichen Würdigung. Das FG ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, die Kläger hätten nicht als Unternehmer ihren Miteigentumsanteil der GV-GbR im Rahmen eines Leistungsaustauschs zur Nutzung überlassen. Dem erkennenden Senat ist es --obwohl dem FG bei seiner tatrichterlichen Würdigung ein Verfahrensfehler unterlaufen ist-- verwehrt, seine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des FG zu setzen.
Fundstellen
Haufe-Index 65624 |
BFH/NV 1995, 93 |
BStBl II 1995, 915 |
BFHE 178, 249 |
BFHE 1996, 249 |
BB 1995, 2253 |
BB 1995, 2253 (LT) |
DB 1995, 2200 (L) |
DStR 1995, 1832-1833 (KT) |
DStZ 1996, 55 (KT) |
HFR 1996, 33-34 (LT) |
StE 1995, 689 (K) |