Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Kommanditist kann ein seiner KG nur teilweise dienendes Grundstück nach denselben Grundsätzen im ganzen als Betriebsvermögen behandeln wie ein Einzelunternehmer.
Normenkette
EStG § 2/2, § 2/3/2, §§ 5, 15 Nr. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -), eine KG, hat ihr Unternehmen bis zum Jahre 1962 in den Räumen eines Gebäudes betrieben, das der Kommanditistin gehörte. Die betrieblich genutzten Räume waren an die Stpfl. und die anderen Räume an Fremde vermietet. Das Gebäude hatte früher dem verstorbenen Ehemann der Kommanditistin gehört, der auf dem Grundstück ein Einzelunternehmen betrieben hatte. Die Kommanditistin hat als Alleinerbin ihres Ehemanns das Unternehmen in das Gesamthandsvermögen der KG eingebracht, nicht aber auch das Gebäude. In den Steuerbilanzen der KG ist das Gebäude mit Grund und Boden - ebenso wie schon im früheren Einzelunternehmen - zwar als Betriebsvermögen ausgewiesen. Zugunsten der Kommanditistin ist aber ein "Ausgleichsposten für Grundvermögen" angesetzt. Sämtliche Einnahmen und Ausgaben sind in den Verlust- und Gewinnrechnungen enthalten.
Die Kommanditistin hat das Grundstück im Jahre 1962 für 200.000 DM veräußert; die Veräußerungskosten stellen sich auf 7.295,35 DM. Das Grundstück hat zu diesem Zeitpunkt bei der KG mit 31.113 DM zu Buch gestanden.
Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1962 behandelte das Finanzamt (FA) den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks als Teil des Gewinns der KG und rechnete ihn der Kommanditistin zu.
Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das Grundstück sei, so führte das Finanzgericht (FG) aus, notwendiges Betriebsvermögen gewesen, soweit die KG es betrieblich genutzt habe. Der übrige Teil sei gewillkürtes Betriebsvermögen gewesen. Das Grundstück habe zwar handelsrechtlich nicht zum Gesamthandsvermögen der KG gehört. Das stehe aber der steuerrechtlichen Behandlung als Betriebsvermögen nicht entgegen, weil das Grundstück im Eigentum der Kommanditistin stehe, die Gesellschafterin der Stpfl. sei. Wie die Stpfl. mit Recht betone, weiche diese steuerliche Behandlung von der zivilrechtlichen Gestaltung ab. Entgegen der Ansicht der Stpfl. entspreche das aber dem geltenden Recht. Die Auffassung, daß jeder Teilhaber einen selbständigen Gewerbebetrieb habe und die KG nur eine Zusammenfassung der Teilbetriebe der Gesellschaft darstelle, erweitere nicht, wie die Stpfl. im Anschluß an Schmidt-Rux (Steuerberater-Jahrbuch 1963/64 S. 273 ff.) und Paulick (Finanz-Rundschau 1964 S. 294 ff.) vortrage, unzulässig den gesetzlichen Steuertatbestand. Die Abweichung von Handelsrecht und Steuerrecht beruhe vielmehr auf dem EStG. Sie ergebe sich zwingend aus der Interpretation der einkommensteuerrechtlichen Vorschriften insgesamt und aus § 15 Ziff. 2 EStG. Das EStG betrachte nicht die Personengesellschaft als solche, sondern die Gesellschafter als natürliche Personen als Subjekt der Einkommensteuer. Bei der Ermittlung des Gewinns sei der überschuß aus der gesamten gewerblichen (unternehmerischen) Betätigung des einzelnen Gesellschafters zu ermitteln. "Betrieb" im Sinne der einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften sei nicht der Betrieb im Sinne des Sprachgebrauchs der Wirtschaft als organisatorische Einheit von sachlichen und persönlichen Betriebsmitteln, sondern der Inbegriff der gewerblichen, unternehmerischen Betätigung des einzelnen Gesellschafters (Kraneis, "Die Grenzen der Bilanzbündeltheorie", Schriftenreihe des Instituts für Steuerrecht der Universität Köln Bd. 38 S. 45). Dieser aus § 2 EStG gewonnenen Auslegung der Begriffe "Gewinn" und "Gewerbebetrieb" stehe § 15 Ziff. 2 EStG nicht entgegen. Wenn dort von "Gewinnanteilen" die Rede sei, so sei zwar der Gewinn des Unternehmens im ganzen gemeint, an dem der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt sei. Der dem Gesellschafter zufließende Anteil am gesamten Unternehmensgewinn sei aber nur ein Teil seines gewerblichen Gewinns, der der Einkommensbesteuerung zugrunde gelegt werde; denn der Gewinn sei noch um die in § 15 Ziff. 2 EStG genannten Zurechnungen zu erhöhen. Dadurch werde die Subjektbezogenheit des Einkunfts- und Gewinnbegriffs klargestellt (Kraneis a.a.O.). Da das EStG somit auf die gewerbliche Betätigung des Gesellschafters auf seinen "Betrieb" abstelle, sehe es auch in der Teilhaberschaft des einzelnen Mitunternehmers einen gewerblichen Betrieb und demgemäß in der Personengesellschaft nur die Zusammenfassung der gewerblichen Betriebe aller Gesellschafter (Veiel, Steuer und Wirtschaft 1941 Spalten 825 ff. 828, 832). Daraus folge, daß einkommensteuerrechtlich schuldrechtliche Beziehungen zwischen den Gesellschaftern und der Personengesellschaft unbeachtlich seien. Eine weitere Folgerung sei, daß Wirtschaftsgüter, die der einzelne Gesellschafter der Personengesellschaft zur Verfügung stelle, notwendiges Betriebsvermögen der Personengesellschaft seien; denn notwendiges Betriebsvermögen seien alle Wirtschaftsgüter, die ein Steuerpflichtiger seinem Betrieb (seiner gewerblichen Tätigkeit) widme. Der Bundesfinanzhof (BFH) betone immer die grundsätzliche Richtigkeit dieser Auffassung (Urteile I 117/60 S vom 29. November 1960, BStBl 1961 III S. 183, Slg. Bd. 72 S. 500; VI 337/62 S vom 31. Januar 1964, BStBl 1964 III S. 240, Slg. Bd. 79 S. 19). Er habe lediglich klargestellt, daß die gedankliche Aufgliederung einer Personengesellschaft nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, daß tatsächlich doch ein einheitliches unternehmerisches Gebilde bestehe, in dem die Gesellschafter Ihre Gewinne erzielten. Er sei zwar konstruktiven überspitzungen der Bilanzbündeltheorie entgegengetreten (Urteile VI 43/56 U vom 15. November 1957, BStBl 1958 III S. 68, Slg. Bd. 66 S. 171; I 159/57 U vom 14. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 75, Slg. Bd. 66 S. 193), habe aber keinen Zweifel gelassen, daß die Theorie grundsätzlich richtig sei und daß Wirtschaftsgüter, die ein Gesellschafter dem Betrieb der Personengesellschaft zur Verfügung stelle, notwendiges Betriebsvermögen seien (Urteil IV 323/59 U vom 22. November 1962. BStBl 1963 III S. 234, Slg. Bd. 76 S. 640). Die vom Handelsrecht abweichende steuerrechtliche Behandlung der Personengesellschaft verletzte nicht, wie die KG meine, den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Sie sei deshalb unzulässig. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 13 S. 331, BStBl 1962 I S. 500 ff.) sei der Steuergesetzgeber wegen der Eigenart des in erster Linie fiskalischen Zwecken dienenden Steuerrechts nicht unbedingt an die bürgerlich-rechtliche Ordnung gebunden. Die Besonderheiten des Einkommensteuerrechts geböten für die Personengesellschaft eine Abweichung vom Zivilrecht, weil es im EStG, wie dargelegt, nicht um die Besteuerung der Personengesellschaft als solcher, sondern um die Besteuerung der einzelnen Gesellschafter gehe.
Mit ihrer Revision rügt die Stpfl. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Das Grundstück, so macht sie geltend, hätte in ihrer Bilanz nicht aktiviert werden dürfen, weil es nicht ihr, sondern der Kommanditistin gehört habe. Die bürgerlich-rechtliche Gestaltung müsse auch für das Steuerrecht maßgebend sein. Aus § 15 Ziff. 2 EStG sei nichts anderes zu folgern, weil diese Vorschrift bei der Verpachtung eines Wirtschaftsguts eines Gesellschafters an seine Personengesellschaft nur die Nutzungsentschädigungen, nicht aber das Wirtschaftsgut selbst in den "gewerblichen" Bereich ziehen wolle. Der BFH habe wiederholt ausgesprochen, daß die sogenannte Bilanzbündeltheorie nicht überspitzt werden dürfe. Aus der Rechtsprechung des BFH und des BVerfG ergebe sich, daß von der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung nur abgewichen werden dürfe, wenn dies zwingend angeordnet sei. Daß § 15 Ziff. 2 EStG bei verfassungsgerechter Auslegung dazu führe, nur die Nutzungsentschädigung als solche in den Gewinn einzubeziehen, werde im Schrifttum überwiegend angenommen.
Die Stpfl. beantragt, den einheitlichen Gewinn sowie den Gewinnanteil der Kommanditistin um 140.514 DM zu kürzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision kann keinen Erfolg haben. Die Entscheidung des FG ist rechtlich nicht zu beanstanden und entspricht der Rechtsprechung des BFH und auch des erkennenden Senats.
Unstreitig fällt das Grundstück handelsrechtlich nicht in das Gesamthandsvermögen der KG. § 15 Ziff. 2 EStG zwingt, auch wenn die Bilanzbündeltheorie, die dieser Vorschrift zugrunde liegt, nicht zu überspitzungen führen soll, doch dazu, Wirtschaftsgüter, die dem von der Personengesellschaft betriebenen Unternehmen dienen, auch dann zu ihrem Betriebsvermögen zu ziehen, wenn sie im Eigentum nur eines Gesellschafters stehen. Daß die dem Gesellschafter aus diesem Grundstück zufließenden Erträge (Miete usw.) - wie übrigens auch die Aufwendungen (z. B. Absetzung für Abnutzung - AfA -, Grundsteuern, Reparaturkosten usw.) - seinen Gewinn beeinflussen, kann nach § 15 Ziff. 2 EStG nicht zweifelhaft sein. Dann muß aber auch das Grundstück selbst in das Betriebsvermögen einbezogen werden. Wirtschaftlich steht der Mitunternehmer - und das ist nach der Auffassung des Senats der klare Sinn des § 15 Ziff. 2 EStG - nicht anders als ein Einzelunternehmer. Diese Auffassung ist nicht etwa nur dem Steuerpflichtigen ungünstig, sondern kann ihm auch günstig sein.
Im Streitfall können übrigens an der Zugehörigkeit des ganzen Grundstücks zum Betriebsvermögen um so weniger Bedenken bestehen, als das Grundstück ganz zum Betriebsvermögen des verstorbenen Ehemanns der Kommanditistin gehört hatte. Die Kommanditistin hätte die Frage, ob das Grundstück weiterhin ganz Betriebsvermögen sein sollte, bei der Einbringung des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens in die KG aufwerfen können, wenn sie zuvor den Teil des Grundstücks, der nicht notwendig dem Betrieb der KG diente, entnommen und einen entsprechenden Entnahmegewinn ausgewiesen hätte. Das hat sie nicht getan. Der Senat hat keine Bedenken, daß die Kommanditistin das Gebäude, auch soweit es nicht zum notwendigen Betriebsvermögen gehörte, als gewillkürtes Betriebsvermögen behandeln konnte.
Fundstellen
Haufe-Index 412068 |
BStBl III 1966, 352 |
BFHE 1966, 80 |
BFHE 86, 80 |