Leitsatz (amtlich)
Wird eine im Privatvermögen gehaltene wesentliche Beteiligung i. S. des § 17 EStG gegen eine nicht wesentliche Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft getauscht, so erfüllt dieser Vorgang auch dann den Tatbestand einer gewinnrealisierenden Veräußerung nach § 17 EStG, wenn der Anteilstausch der Vorbereitung der Umwandlung der Kapitalgesellschaft, an welcher die wesentliche Beteiligung besteht, auf die andere Kapitalgesellschaft unter Vermeidung einer Verschmelzung dient.
Normenkette
EStG § 17; UmwStG 1969 § 16 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war an der S-GmbH mit 38,5 v. H. des Stammkapitals von 2 250 000 DM (866 250 DM) beteiligt. Die Anteile befanden sich in ihrem Privatvermögen. Mit Wirkung vom 31. Dezember 1971 verkaufte sie einen Teil der Geschäftsanteile in Höhe von 440 000 DM für 1 369 060 DM an die S-AG. Die restlichen Anteile an der S-GmbH im Nominalwert von 426 250 DM übertrug die Klägerin am 27. September 1973 auf die S-AG, welche ihr als Gegenleistung eigene Aktien im Nominalwert von 363 600 DM und einem gemeinen Wert von 1 047 200 DM übertragen ließ. Die S-AG beschloß unmittelbar nach dem Erwerb der Anteile die Umwandlung der S-GmbH auf sich. Das Stammkapital der S-GmbH befand sich zu diesem Zeitpunkt zu 100 v. H. in ihren Händen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ging bei der Einkommensteuerveranlagung 1973 (Streitjahr) davon aus, daß bei der Anteilsübertragung vom 27. September 1973 (ebenso schon wie bei dem früheren Veräußerungsgeschäft im Jahre 1971) ein Veräußerungsgewinn erzielt worden sei, der nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Einkommensteuer unterliege. Diesen Veräußerungsgewinn setzte das FA mit 936 746 DM an, wobei es einen Veräußerungserlös von 1 047 200 DM und Anschaffungskosten von 110 454 DM zugrunde legte. Den Veräußerungsgewinn unterwarf das FA dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, daß der Anteilstausch vom 27. September 1973 zu einem nach § 17 EStG steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn geführt habe. Die Klägerin sei innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der S-GmbH wesentlich beteiligt gewesen und die innerhalb des Streitjahres veräußerten Anteile hätten 1 v. H. des Kapitals der S-GmbH überstiegen. Der Tausch der Anteile sei ein Veräußerungsgeschäft i. S. des § 17 EStG (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Oktober 1974 IV R 223/72, BFHE 113, 456, BStBl II 1975, 58). Entgegen der Ansicht der Klägerin seien die vom BFH im sog. Tauschgutachten vom 16. Dezember 1958 I D 1/57 S (BFHE 68, 78, BStBl III 1959, 30) entwickelten Grundsätze, nach welchen keine Gewinnverwirklichung eintrete, wenn wegen Wert-, Art- und Funktionsgleichheit der Tauschanteile die wirtschaftliche Identität der Anteile zu bejahen sei, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Sie träfen nur auf den Tausch von Anteilsrechten an Kapitalgesellschaften zu, die beim Anteilseigner Betriebsvermögen seien. Die Klägerin aber habe ihre Anteile im Privatvermögen gehabt. Eine wirtschaftliche Identität der getauschten Anteile liege im Streitfall im übrigen schon deshalb nicht vor, weil die hingegebenen Anteile steuerbefangen gewesen seien, während es den eingetauschten Anteilen hieran gemangelt habe. Die S-AG habe zwar ihre Entschlossenheit betont, die Verschmelzung mit der S-GmbH durchzuführen, falls die Klägerin nicht mit einer einvernehmlichen Regelung einverstanden gewesen wäre. Der Vorstellung der S-AG habe es jedoch mehr entsprochen, die restlichen S-GmbH-Anteile der Klägerin im Wege einer freien Vereinbarung zu erwerben und anschließend die Umwandlung der S-GmbH zu beschließen. So sei es dann auch geschehen. Unstreitig habe eine Verschmelzung, bei der unter den Voraussetzungen des § 16 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform vom 14. August 1969 - UmwStG 1969 - (BStBl I, 498) kein Veräußerungsgewinn entstehe, nicht stattgefunden.
In ihrer Revision beantragt die Klägerin, unter Aufhebung der Vorentscheidung den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1973 (in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. September 1976) dahin zu ändern, daß der vom FA errechnete Veräußerungsgewinn aus dem Anteilstausch steuerfrei bleibe. Die Klägerin rügt Verletzung materiellen Rechts. Sie geht davon aus, daß der Anteilstausch keine Veräußerung dargestellt habe. Bei Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei der S-GmbH-Anteil lediglich in einem entsprechenden Anteil an der S-AG umgewandelt worden. Wirtschaftlich sei das Ergebnis das gleiche gewesen wie bei einer Verschmelzung der beiden Gesellschaften. In diesem Falle seien die im Zuge der Verschmelzung gewährten Anteile einkommensteuerfrei (§ 16 Abs. 2 UmwStG 1969). Wirtschaftlich sei die Klägerin durch den Tausch vom 27. September 1973 so gestellt gewesen, als ob sie Minderheitsgesellschafterin bei einer Verschmelzung gemäß § 355 des Aktiengesetzes (AktG) gewesen wäre. Die S-AG sei im Falle der endgültigen Weigerung der Klägerin zur Veräußerung ihrer restlichen 18,94 v. H. der Anteile an der S-GmbH zur Verschmelzung entschlossen gewesen. Eine Umwandlung, wie sie dann sogleich durchgeführt worden sei, wäre ohne vorherige Veräußerung durch die Klägerin nicht möglich gewesen, weil ihr Anteil nicht weniger als 10 v. H. des Stammkapitals der S-GmbH betragen habe (§§ 9, 24 des Umwandlungsgesetzes vom 6. November 1969 - UmwG 1969 -). Der Weg der Verschmelzung sei zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile aller Beteiligten vermieden worden. Diese Nachteile - unangemessen hohe Kosten und lange Verfahrensdauer - hätten auf außersteuerlichem Gebiet gelegen. Nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise seien die erworbenen Aktien der Klägerin als nach § 16 Abs. 2 UmwStG 1969 angeschafft anzusehen. Eine Gewinnverwirklichung habe somit nicht stattgefunden. Außerdem sei wirtschaftliche Identität der getauschten Anteile i. S. des BFH-Gutachtens I D 1/57 S gegeben. Beide Anteile hätten bloße Kapitalanlagefunktion gehabt. Im Rahmen des § 17 EStG dürften private Anteile steuerlich nicht ungünstiger behandelt werden, als dies bei Anteilen im Betriebsvermögen der Fall sei (Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 7. Oktober 1969 2 BvR 701/64 und 2 BvL 3/66, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1970 S. 37 - HFR 1970, 37 - BVerfGE 27, 111, BStBl II 1969, 160). Die wirtschaftliche Identität könne nicht deshalb verneint werden, weil die hingegebenen S-GmbH-Anteile im Gegensatz zu den eingetauschten Aktien steuerbefangen gewesen seien. Steuerbefangenheit sei keine Eigenschaft der Anteile. Schließlich berufe sich die Klägerin auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Düsseldorf vom 16. August 1960 (Der Betriebs-Berater 1960 S. 1122 - BB 1960, 1122 -; Der Betrieb 1960 S. 1196 - DB 1960, 1196 -), welche die FÄ verpflichte, die Besteuerung von Gewinnen in Fällen der vorliegenden Art zu unterlassen. Zwar unterstehe das im Streitfall beklagte FA nicht der OFD Düsseldorf. Diesem Umstand könne indessen keine Bedeutung beigemessen werden. Die Verwaltungsanweisung habe einen Vertrauenstatbestand begründet, zumal sie offenbar auf der Entscheidung des VI. Senats des BFH vom 23. Januar 1959 VI 68/57 S (BFHE 68, 245, BStBl III 1959, 97) beruhe.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ist im Streitfall der Gewinnverwirklichungstatbestand des § 17 Abs. 1 EStG sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinne nach erfüllt. Es liegt eine Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft vor, bei welcher der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war; die innerhalb des Streitjahres veräußerten Anteile überstiegen 1 v. H. des Kapitals der Gesellschaft. Die von der Klägerin erhobenen Einwendungen sind nicht begründet.
a) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin darauf, daß die wirtschaftliche Betrachtungsweise es nahelege, eine nicht steuerbare "Umwandlung" des bisherigen S-GmbH-Anteils in Aktien anzunehmen, da bei einem solchen Vorgang tatsächlich kein Gewinn - im Wortsinn - realisiert werde. Dieser Einwand richtet sich gegen die ständige Rechtsprechung zur Gewinnverwirklichung beim Tausch von Wirtschaftsgütern im Grundsätzlichen. Dazu hat der erkennende Senat für den Bereich des Betriebsvermögens vor allem im Tauschgutachten I D 1/57 S Stellung genommen (vgl. auch BFH-Urteile vom 2. November 1965 I 169/63 U, BFHE 84, 353, BStBl III 1966, 127; vom 27. Mai 1970 IV R 222/69, BFHE 99, 474, BStBl II 1970, 743). Die Gewinnverwirklichung wird grundsätzlich auch beim Tausch von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens bejaht, soweit die Veräußerung solcher Wirtschaftsgüter überhaupt einkommensteuerrechtlich zu erfassen ist (vgl. BFH-Urteil IV R 223/72; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 70 zu § 17 EStG). Allerdings tritt die Gewinnverwirklichung in diesen Fällen nach Maßgabe des gemeinen Wertes der empfangenen Gegenleistung ein, während sich bei Tausch von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens der Umfang des Veräußerungsgewinns nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts bestimmt (vgl. BFH-Urteil IV R 223/72, m.w.N.). Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Auf dieser Rechtsauffassung beruht offensichtlich auch die Vorschrift des § 16 Abs. 2 UmwStG 1969.
b) Das Vorliegen einer gewinnverwirklichenden Veräußerung kann auch nicht deshalb verneint werden, weil, wie die Klägerin geltend macht, die getauschten Anteile im Sinn des Gutachtens I D 1/57 S wirtschaftlich identisch gewesen seien. Der Senat unterstellt die Anwendbarkeit der Grundsätze des Tauschgutachtens zur wirtschaftlichen Nämlichkeit (Art-, Wert- und Funktionsgleichheit) von Anteilen an Kapitalgesellschaften auf Beteiligungen, die sich im Privatvermögen befinden. Er braucht abschließend nicht zu der Frage der Anwendbarkeit dieser Grundsätze, die in der Rechtsprechung und im Schrifttum streitig ist (vgl. BFH-Urteile VI 68/57 S, IV R 223/72; ablehnend Eisenberg, Anmerkungen zur Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK-A -, Einkommensteuergesetz, § 17, Rechtsspruch 35), Stellung zu nehmen. Denn auch nach jenen Grundsätzen könnte im Streitfall die wirtschaftliche Identität der getauschten Anteile nicht bejaht werden, und zwar aus zwei Gründen.
aa) Die Klägerin war zuletzt noch mit 18,94 v. H. am Stammkapital der S-GmbH beteiligt. Sie hat dafür Aktien erhalten, welche nur noch einen Bruchteil von einem Prozent des Grundkapitals der S-AG ausmachten. Die wirtschaftliche Funktion dieser Anteile war verschieden. Zwar stellte der Restanteil der Klägerin von 18,94 v. H. für sich keine wesentliche Beteiligung mehr dar, welche der Klägerin eine Sperrminorität im Sinn des § 53 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) gewährt hätte. Sie bildete jedoch eine Beteiligung, die der Klägerin eine qualifizierte Gesellschafterstellung verschaffte, wie sich aus den besonderen Minderheitenrechten nach § 50 GmbHG und nach §§ 9, 24 UmwG 1969 ergibt. Dagegen gewährten die der Klägerin übertragenen Aktien nur einen Anteil an dem im Streubesitz befindlichen Teil des Kapitals der S-AG, ohne daß damit die Möglichkeit einer Einflußnahme auf die S-AG verbunden gewesen wäre. Es fehlte somit schon an der Funktionsgleichheit der getauschten Anteile. Jedenfalls bestand bei objektiver Betrachtung die Funktion der veräußerten Anteile nicht in bloßer Kapitalanlage (wegen dieses Gesichtspunkts Hinweis auf Herrmann/Heuer, a. a. O.; BFH-Urteil I 169/63 U).
Der Umstand, daß die Klägerin, wie sie vorträgt, beide Beteiligungen - subjektiv - nur als Kapitalanlagen betrachtet hat, ist für die Beurteilung der Frage der Funktionsgleichheit unerheblich. Denn es kommt auf die mit dem Anteilsbesitz verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten an, ohne Rücksicht darauf, ob der Inhaber von ihnen Gebrauch macht (vgl. BFH-Urteil IV R 223/72). Im übrigen bemerkt der Senat im Hinblick auf die S-GmbH-Beteiligung der Klägerin, daß, je höher eine Beteiligung ist, es um so unwahrscheinlicher ist, daß die Anteile nur der Kapitalanlage dienen (vgl. BFH-Urteil I 169/63 U, BFHE 84, 356).
bb) Für die Beurteilung der Funktionsgleichheit ist auch bedeutsam, daß die hingegebenen Anteile steuerbefangen waren und daß die als Gegenleistung empfangenen Aktien es nicht sind (BFH-Urteil IV R 223/72). Eine Veräußerung der S-GmbH-Anteile gegen Barzahlung hätte in jedem Fall zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG geführt. Gleiches trifft auf die erworbenen Aktien nicht zu. Die Klägerin wendet ein, daß "Steuerbefangenheit" keine Eigenschaft sei, welche den S-GmbH-Anteilen anhafte. Sie verkennt indes, daß es wirtschaftlich für den Anteilsinhaber - und auf seine Sicht kommt es hier an - einen wichtigen Unterschied im Anteilsbesitz ausmacht, ob die Anteile latent steuerbelastet sind oder nicht, auch wenn nach Ablauf der Fünfjahresfrist des § 17 Abs. 1 EStG diese Steuerverstrickung weggefallen wäre. Innerhalb dieses Zeitraums hätte sie auch ein unentgeltlicher Erwerber gegen sich gelten lassen müssen (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG).
c) Unbegründet ist die Ansicht der Klägerin, der Anteilstausch müsse steuerneutral behandelt werden, weil die Vorschrift des § 16 Abs. 2 UmwStG 1969 entsprechend anzuwenden sei. Diese Vorschrift bestimmte für Fälle echter Verschmelzung von Kapitalgesellschaften - nach den Bestimmungen des Ersten Teils des Vierten Buches des Aktiengesetzes -, daß die nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft, für welche die Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllt sind, als zu den Anschaffungskosten veräußert gelten und daß die im Zuge der Verschmelzung gewährten Anteile als Anteile im Sinne des § 17 EStG gelten. Der Gesetzgeber bestätigte damit die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH, welche in Erweiterung der Grundsätze des § 15 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - (a. F.) den Tausch der Anteile an der übertragenden (schwindenden) Kapitalgesellschaft gegen Anteile der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht als steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang angesehen hatte, da es sich um einen Fall der wirtschaftlichen Identität der Anteile handle (vgl. RFH-Urteil vom 3. Februar 1932 VI A 805/31, RStBl 1932, 464; BFH-Gutachten I D 1/57 S, BFHE 68, 103; Bundestags-Drucksache V/4245 S. 5; BFH-Urteil VI 68/57 S). Diese einkommen- und körperschaftsteuerrechtliche Behandlung galt und gilt indes nur für Fälle echter Verschmelzung. Dagegen führt die sog. unechte Verschmelzung, bei welcher der Hauptgesellschafter Inhaber aller Anteile wird und für deren Übertragung eigene Anteile gewährt, grundsätzlich zur Gewinnrealisierung (vgl. BFH-Gutachten I D 1/57 S, BFHE 68, 104 ff.; Herrmann/Heuer, a. a. O., Anm. 96 zu § 17 EStG; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Bd. III, Randziff. 3532 zu § 15 UmwStG 1969). Der im Schrifttum teilweise vertretenen abweichenden Ansicht stimmt der Senat aus den angeführten Gründen in dem BFH-Gutachten I D 1/57 S, Abschn. B IV 4, nicht zu. Dies gilt insbesondere für die Ausführungen von Thiel in DB 1958, 1281 [1283], nach denen eine Gewinnverwirklichung entfallen solle, wenn der Gesellschafter nach der Übertragung mit weniger als 25 v. H. an der herrschenden Kapitalgesellschaft beteiligt sei. Es wäre nicht zu begründen, daß zwar in Fällen der sog. unechten Fusion mit Erwerb aller Anteile durch einen Gesellschafter bei den übertragenden Gesellschaftern von Gewinnverwirklichung abzusehen wäre, daß dies indes nicht für Übertragungsvorgänge gelten würde, welche erst der Vorbereitung der unechten Fusion dienen. Dehnte man aber die Steuerneutralität auf die letzten Fälle aus, wären diese von normalen Übertragungsvorgängen häufig praktisch nicht mehr abgrenzbar und die Besteuerung der Gesellschafter hinge von bloßen Absichten der Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens ab. Es muß deshalb nach Auffassung des erkennenden Senats dabei bewenden, daß in Fällen sog. unechter Fusion der Anteilstausch grundsätzlich zur Gewinnverwirklichung führt.
d) In dem Tauschgutachten I D 1/57 S ist in Abschn. B IV 4 (BFHE 68, 104) ausgeführt, daß eine Ausnahme nur für die Fälle gemacht werden könne, in denen die unechte Verschmelzung der Vorbereitung der echten Verschmelzung diene und diese in so engem zeitlichem Zusammenhang folge, daß in beiden Vorgängen bei wirtschaftlicher Betrachtung ein einheitlicher Vorgang zu sehen sei. Der Senat braucht die sich hier ergebende Problematik nicht zu vertiefen, weil im Streitfall keine echte Verschmelzung nach dem Anteilserwerb durch die S-AG herbeigeführt worden ist. Nach den Feststellungen des FG ist die S-GmbH auf die S-AG umgewandelt worden (verschmelzende Umwandlung). Der Anteilserwerb hat der Vorbereitung der Umwandlung gedient. Der rechtliche und wirtschaftliche Charakter einer Umwandlung ist ein anderer als derjenige der Verschmelzung. Er drückt sich u. a. in der unterschiedlichen steuerrechtlichen Behandlung der Minderheitsgesellschafter der schwindenden Kapitalgesellschaft aus. Während die Anteile im Fall der Verschmelzung ohne Gewinnrealisierung ersetzt werden durch Anteile der übernehmenden Gesellschaft (§ 16 UmwStG 1969), führt die Umwandlung zur Abfindung der ausscheidenden Minderheitsgesellschafter, die in Geld oder - anstatt einer Barabfindung - in Form von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft geschehen kann und bei welcher grundsätzlich ein Veräußerungsgewinn realisiert wird (vgl. § 13 UmwStG 1969; Widmann/Mayer, a. a. O., Randziff. 3195, 3201 zu § 13 UmwStG 1969). Eine Anteilsveräußerung, welche der Vorbereitung einer Umwandlung dient, kann aber steuerrechtlich nicht grundsätzlich günstiger behandelt werden als eine Veräußerung, die im Zuge einer Umwandlung stattfindet. Ein Gesellschafter, der unter solchen Umständen seine Anteile an eine Kapitalgesellschaft veräußert, muß für die steuerrechtliche Behandlung des Vorgangs diese von ihm mitgetragene Gestaltung des Sachverhalts gegen sich gelten lassen.
Im Streitfall war die Sach- und Rechtslage, die durch den Anteilstausch im Jahre 1973 herbeigeführt wurde, nicht wesentlich anders als bei dem zwei Jahre zuvor vorgenommenen Verkauf eines Teils der Beteiligung an dieselbe AG.
e) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin darauf, daß, wenn sie ihre restliche Beteiligung nicht auf die S-AG übertragen hätte, diese gegen ihren Willen die Verschmelzung hätte erzwingen können und daß diese Absicht ihr gegenüber auch bekundet worden sei. Der Senat unterstellt, daß im Streitfall ein gewisser wirtschaftlicher Zwang zur Anteilsveräußerung bestanden hat. Eine solche Zwangslage kann indes keine andere Beurteilung der Rechtslage begründen (vgl. BFH-Gutachten I D 1/57 S, BFHE 68, 105).
f) Schließlich ist eine andere Entscheidung im Streitfall auch nicht deshalb veranlaßt, weil die Klägerin, wie sie vorträgt, im Hinblick auf die Verfügung der OFD Düsseldorf vom 16. August 1960 (a. a. O.) darauf vertraut habe, daß der Anteilstausch steuerneutral behandelt werde. Eine Selbstbindung der Verwaltung, welche auch für die Steuergerichte verbindlich wäre, kommt hier - abgesehen von der Bedeutung der fehlenden Zuständigkeit der OFD Düsseldorf für das beklagte FA - schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich nicht um die Ausübung eines Verwaltungsermessens, sondern um eine Frage der zutreffenden Gesetzesauslegung handelt. Im übrigen wäre, worauf die Vorentscheidung mit Recht hinweist, selbst nach der genannten Verwaltungsanweisung eine wirtschaftliche Identität der Anteile zu verneinen, weil es sich im Streitfall um eine wesentliche Änderung der Beteiligungsquoten handelte. Die Ansicht der Klägerin, daß auch die hingegebenen S-GmbH-Anteile nur eine unbedeutende Beteiligungsquote dargestellt hätten, trifft, wie oben zu b) aa) ausgeführt, nicht zu.
2. Da gegen die Bemessung des vom FG zugrunde gelegten Veräußerungsgewinns der Höhe nach (§ 17 Abs. 2 EStG) keine Einwendungen erhoben sind und auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Veräußerungsgewinn rechtsfehlerhaft ermittelt sei, sieht der Senat keinen Anlaß, hierauf näher einzugehen.
Fundstellen
BStBl II 1979, 774 |
BFHE 1979, 499 |