Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitlicher Zusammenhang beim gewerblichen Grundstückshandel
Leitsatz (NV)
Bei der Beurteilung, ob Anschaffung und Veräußerung der Grundstücke bzw. Eigentumswohnungen in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen, ist auf den Zusammenhang zwischen der Anschaffung/Herstellung und der Veräußerung des einzelnen Objekts sowie auf den zwischen der Verwertung der einzelnen Objekte abzustellen.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Kaufmann und in verschiedenen Branchen tätig. U.a. betrieb er in Gesellschaft mit dem Kaufmann S ein Elektrohandelsgeschäft. In der Zeit vom 15. November 1979 bis 1. April 1982 war der Kläger an einem Blumeneinzelhandelsgeschäft beteiligt. Vom 1. September 1982 bis 13. Juni 1983 war er als atypischer Gesellschafter an der Firma A (Immobilienverwaltung) insoweit beteiligt, als diese das Mietwohnhaus I-Straße in Eigentumswohnungen aufteilte und verkaufte. Seit dem 1. Januar 1983 ist der Kläger Gesellschafter-Geschäftsführer der W GmbH, einer Gesellschaft, die Grundstückshandel betreibt.
Am 22. Dezember 1978 kaufte der Kläger mit S das Mietwohngrundstück E-Straße. Bei der Auseinandersetzung erhielt der Kläger fünf der neun Eigentumswohnungen sowie eines der beiden Ladengeschäfte. Der Kläger verkaufte drei Eigentumswohnungen, eine mit Vertrag vom 23. September 1981 an den Arzt F, der im Nachbarhaus eine Arztpraxis betrieb, und dessen Ehefrau, eine weitere am 23. Dezember 1982 an die Lebensgefährtin des S und eine dritte Wohnung im April/Mai 1991.
Am 23. Juli 1981 erwarb der Kläger eine Eigentumswohnung in dem Zweifamilienhaus B-Straße, die er am 16. Mai 1984 weiterverkaufte.
Das Gebäude auf dem Grundstück I-Straße wurde in 13 Eigentumswohnungen aufgeteilt. Der Kläger hatte vor allem für den Vertrieb zu sorgen. Die Firma A veräußerte 1982 vier Wohnungen, 1983 fünf Wohnungen, 1984 zwei Wohnungen.
Die S-GmbH, an der der Kläger zu 50 v.H. beteiligt ist und deren Geschäfte er führt, verkaufte 1983 13 Eigentumswohnungen und 16 Garagenstellplätze.
Am 7. Februar 1983 kaufte der Kläger eine Eigentumswohnung in Z, die er am 19. Mai 1983 seiner Ehefrau schenkte, die die Wohnung am 1. August 1984 mit Gewinn veräußerte.
Am 17. März 1983 kauften der Kläger und Herr F das Zweifamilienhaus M-Straße zu je 1/2; der Kläger veräußerte seinen Anteil, eine - wie er vorträgt - privat genutzte Wohnung, im Jahr 1986.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beurteilte die Einkünfte des Klägers aus dem Grundstück E-Straße zunächst als private Vermögensverwaltung. Nach einer Außenprüfung erfaßte das FA die Tätigkeit des Klägers im Immobilienbereich als gewerblich. Zu den Wirtschaftsgütern dieses Gewerbebetriebs zählten die Wohnungen E-Straße (ohne das Ladenlokal) und die stille Beteiligung an der Firma A. Folglich sei der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Eigentumswohnungen E-Straße (Veräußerungsgewinn 1981 38572 DM; Veräußerungsgewinn 1982 227370 DM) - neben dem laufenden Gewinn aus der Vermietung - einkommen- und gewerbesteuerpflichtig. Die Einkommensteuerbescheide änderte das FA gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977), die Gewerbesteuerbescheide ergingen erstmals.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 521 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts:
Entgegen der Auffassung des FG sei die Grenze der privaten Vermögensverwaltung im Streitfall nicht überschritten.
Der Beginn des Fünf-Jahres-Zeitraums sei auf den 22. Dezember 1978 festzusetzen. Der Kläger habe zwischen dem 22. Dezember 1978 und Ende 1983 lediglich zwei Objekte veräußert, nämlich die beiden Eigentumswohnungen E-Straße. Lasse man den Zeitraum mit dem FG erst in 1982 beginnen, seien ebenfalls nicht mehr als drei Objekte veräußert worden, und zwar E-Straße (23. Dezember 1982), B-Straße (16. Mai 1984) und M-Straße (1986).
Die von der Firma A veräußerten Eigentumswohnungen dürften dem Kläger im Rahmen der Objektzählung auch nicht anteilig zugerechnet werden. Die originäre Tätigkeit der Gesellschaft dürfe auf der Ebene der Gesellschafter keine Berücksichtigung finden. Die von der Firma A vollzogenen Wohnungsveräußerungen seien zudem bereits der Steuer unterworfen worden.
Das FG habe gegen das Verböserungsverbot des § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen, indem es die Objektveräußerungen M-Straße und B-Straße als gewerblich beurteilt habe. Mit Schriftsatz vom 11. Mai 1989 habe das FA ausdrücklich erklärt, daß es sich bei der Veräußerung dieser Objekte um keine gewerbliche Tätigkeit handele. Das Klagebegehren betreffe nur noch die Veräußerungen der Eigentumswohnungen E-Straße. Somit sei das FG über das Klagebegehren hinausgegangen.
Das FA trägt demgegenüber vor:
Auch wenn die Tätigkeit der Firma A bei der Beurteilung der Grundstücksgeschäfte nicht zu berücksichtigen sei, sei die Revision zurückzuweisen. Denn in die Betrachtung einzubeziehen seien neben den beiden Eigentumswohnungen E-Straße auch noch die Objekte B-Straße und M-Straße. Entgegen der Ansicht der Revision sei auf zwei verschiedene Fünf-Jahres-Zeiträume abzustellen, nämlich zum einen auf den Zeitraum, innerhalb dessen eine bestimmte Zahl an Objekten veräußert werde, und zum anderen auf den Zeitraum, innerhalb dessen ein Objekt ge- und verkauft sein müsse, um die bedingte Verkaufsabsicht annehmen zu können. Im Streitfall habe der gewerbliche Grundstückshandel in dem Augenblick begonnen, in dem der Steuerpflichtige Tätigkeiten aufgenommen habe, die objektiv erkennbar auf die Vorbereitung der Grundstücksgeschäfte gerichtet seien. Das sei 1981 der Fall gewesen, als der Kläger seine Verkaufsabsicht in den Abfindungsvereinbarungen mit den Mietern des Objekts E-Straße manifestiert habe und die Teilungserklärung hinsichtlich dieses Objekts abgegeben worden sei.
Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO liege nicht vor; dem Gericht sei es erlaubt, das Urteil auf einen Gesichtspunkt zu stützen, den die Einspruchsbehörde abgelehnt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, daß sich der Kläger als gewerblicher Grundstückshändler betätigt hat.
Gemäß § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung a.F. (GewStDV) bzw. - seit 1983 - gemäß § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist unter einem Gewerbebetrieb jede selbständige, nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Es darf sich dabei weder um Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch um Ausübung eines freien Berufs oder eine andere selbständige Tätigkeit handeln und die Betätigung muß den Rahmen privater Vermögensverwaltung überschreiten.
Im Streitfall bedarf es keiner weiteren Erörterung, daß sich der Kläger mit dem An- und Verkauf von Grundstücken am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt und sich selbständig und mit Gewinnerzielungsabsicht betätigt hat. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt daher davon ab, ob die Grundstücksgeschäfte des Klägers als nachhaltige Betätigung zu werten sind und den Rahmen privater Vermögensverwaltung überschritten haben.
a) Eine private Vermögensverwaltung ist dann gegeben, wenn der Erwerb der Grundstücke lediglich den Beginn und die spätere Veräußerung das Ende einer grundsätzlich auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen. Ein gewerblicher Grundstückshandel hingegen ist anzunehmen, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung die Umschichtung von Vermögenswerten und deren Verwertung als Vermögenssubstanz entscheidend in den Vordergrund treten (vgl. Vorlagebeschluß vom 2. September 1992 XI R 21/91, BFHE 171, 31, BStBl II 1993, 668).
Werden innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs - in der Regel fünf Jahre - nach Anschaffung/Errichtung mindestens vier Objekte veräußert, ist ohne Vorliegen besonderer Umstände von einem gewerblichen Grundstückshandel auszugehen, weil die äußeren Umstände den Schluß zulassen, daß es dem Steuerpflichtigen nachhaltig auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt. Grundstücksgeschäfte erlangen deshalb grundsätzlich gewerblichen Charakter, wenn mehr als drei Objekte verkauft werden und objektive Beweisanzeichen, z.B. ein enger zeitlicher Zusammenhang, dafür sprechen, daß die Grundstücke bereits in zumindest bedingter Veräußerungsabsicht erworben worden sind bzw. die auf den Grundstücken errichteten Häuser von vornherein veräußert werden sollten. Je größer der zeitliche Abstand zwischen Anschaffung bzw. Gebäudeerrichtung und anschließendem Verkauf ist, desto weniger ist, wenn nicht besondere äußere Umstände vorliegen, anzunehmen, daß der Steuerpflichtige die Grundstücke in Weiterveräußerungsabsicht zur Ausnutzung von Substanzwertsteigerungen angeschafft bzw. die Gebäude errichtet hat. Bei einer Zeitspanne zwischen Anschaffung bzw. Bauabschluß und anschließendem Verkauf von nicht mehr als fünf Jahren wird ein zeitlicher Zusammenhang als gegeben angesehen.
In dem Urteil vom 18. September 1991 XI R 23/90 (BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135) hat der erkennende Senat den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang in der Weise näher bestimmt, daß auf der einen Seite ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Erwerb bzw. der Herstellung und der Veräußerung des einzelnen Grundstücks bestehen, auf der anderen Seite sich aber auch die Verwertung der einzelnen Grundstücke selbst in einem engen zeitlichen Zusammenhang vollziehen muß. Die Einwände des Klägers beruhen hingegen auf der unzutreffenden Annahme eines einheitlichen Fünf-Jahres-Zeitraums.
Allerdings haben sowohl die Zahl der Objekte als auch der zeitliche Zusammenhang lediglich indizielle Bedeutung. Besondere Umstände des Einzelfalles können zu einem abweichenden Ergebnis führen. Insgesamt ist anhand der objektiven Gegebenheiten auf das Gesamtbild der Betätigung und die Verkehrsanschauung abzustellen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. September 1990 X R 107, 108/89, BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060; BFH-Beschluß in BFHE 171, 31, BStBl II 1993, 668).
b) Im Streitfall sind nach diesen Maßstäben folgende Objekte zu berücksichtigen:
Zwei Eigentumswohnungen des Mietwohngrundstücks E-Straße (Anschaffung: Dezember 1978; Veräußerung: September 1981 und Dezember 1982);
Eigentumswohnung in der B-Straße (Anschaffung: Juli 1981; Veräußerung: Mai 1984);
Wohnung in der M-Straße (Anschaffung: März 1983; Veräußerung: 1986).
Der zeitliche Abstand zwischen der Anschaffung und der Veräußerung des einzelnen Objekts betrug nicht mehr als vier Jahre. Die Verwertung als solche vollzog sich in dem Zeitraum von September 1981 bis zum Jahr 1986.
Die Zahl der veräußerten Objekte und der zeitliche Zusammenhang zwischen Erwerb und Veräußerung überschreiten bereits den Rahmen privater Vermögensverwaltung. Dabei sind die Wohnungen in der B-Straße und in der M-Straße als selbständige Objekte zu bewerten, da die (Zweifamilien-) Häuser real geteilt wurden und der Kläger über die ihm jeweils zustehende Wohnung frei verfügen konnte (dazu vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl. 1993, § 15 Anm. 12c am Ende). Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß der Kläger auch beruflich als Geschäftsführer der W-GmbH im Bereich der Immobilienveräußerung tätig war (dazu vgl. BFH-Urteil in BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060).
Nach ständiger Rechtsprechung sind persönliche oder finanzielle Beweggründe, die zu der Veräußerung der einzelnen Objekte geführt haben, für die Zuordnung zum gewerblichen Bereich prinzipiell ohne Bedeutung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060). Das gleiche gilt für den Umstand, daß die Wohnung in der M-Straße privat genutzt wurde. Nur auf Dauer privat genutzte Gebäude gehören zum notwendigen Privatvermögen (BFH-Urteil vom 28. November 1991 XI R 39/89, BFH/NV 1992, 310).
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob - wie es seiner in dem Vorlagebeschluß in BFHE 171, 31, BStBl II 1993, 668 vertretenen Auffassung entspricht - auch die Verkäufe im Rahmen der atypisch stillen Beteiligung an der Firma A und der Beteiligung an der W-GmbH in die Betrachtung einzubeziehen sind. Es ist daher nicht erforderlich, die Entscheidung des Großen Senats abzuwarten.
c) Entgegen der Auffassung des Klägers bedeutet die Einbeziehung der Veräußerung der in der M-Straße und in der B-Straße gelegenen Objekte keine Verböserung. Bei der Beurteilung, ob eine Verböserung vorliegt, ist allein auf den Regelungsgehalt (den Tenor) des angefochtenen Bescheids, nicht auf seine Begründung abzustellen (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 96 Rz. 6; List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 96 FGO Anm. 64). Da das FG die Klage abgewiesen hat, ist es bei dem bisherigen Ausspruch der angefochtenen Verwaltungsakte geblieben; eine Verböserung ist nicht eingetreten.
Fundstellen
Haufe-Index 419358 |
BFH/NV 1994, 463 |