Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Entstehung eines Auflösungsverlusts
Leitsatz (NV)
Ein Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entsteht ausnahmsweise schon vor dem Abschluss der Liquidation, wenn mit einer wesentlichen Änderung des Verlustes nicht mehr zu rechnen ist
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde mit ihrem Ehemann im Streitjahr 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Sie war Alleingesellschafterin und Alleingeschäftsführerin der F-GmbH, deren Wirtschaftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmte. Die Auflösungsbilanz der F-GmbH zum 30. Juni 1999 wies kein Anlagevermögen und keine fertigen Erzeugnisse oder Waren mehr aus; im Anlagenspiegel waren der Geschäfts- oder Firmenwert, ein Pkw und die sonstige Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie eine Beteiligung als Abgänge gebucht. Nach den Erläuterungen zur Bilanz waren außerplanmäßige Abschreibungen aufgrund der Auflösung der GmbH vorgenommen worden. Die von der GmbH angemieteten Räume wurden an einen Dritten überlassen. Am … Mai 2000 wurde die F-GmbH wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Handelsregister gelöscht.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 machte die Klägerin einen Auflösungsverlust aus der Beteiligung an der F-GmbH nach § 17 Abs. 1, 2 und 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte den Auflösungsverlust nicht.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 537, veröffentlicht. Das FG führte im Wesentlichen aus, ein Auflösungsverlust der Klägerin wäre nicht im Streitjahr, sondern bereits im Jahr 1999 zu berücksichtigen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Der Auflösungsverlust sei erst im Streitjahr zu erfassen, da dessen Höhe im Jahr 1999 noch nicht endgültig festgestanden habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 EStG in Höhe von … DM festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat zutreffend entschieden, dass der von der Klägerin geltend gemachte Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG nicht im Streitjahr zu erfassen ist.
1. Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. April 2008 IX R 76/06, BStBl II 2008, 706, m.w.N.).
Ein Auflösungsverlust --der die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft voraussetzt (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344, m.w.N.)-- entsteht regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation. Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Auflösungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des Verlustes nicht mehr zu rechnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter wegen der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731) und absehbar ist, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG berücksichtigungsfähige Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen; insofern dürfen keine wesentlichen Änderungen mehr eintreten (BFH-Urteil vom 25. März 2003 VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305, m.w.N.).
2. Nach diesen Maßstäben ist ein Auflösungsverlust der Klägerin aus ihrer Beteiligung an der F-GmbH bereits im Jahr 1999 zu erfassen.
a) Die F-GmbH wurde im Jahr 1999 durch einen konkludenten Beschluss der Klägerin gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung aufgelöst. Die F-GmbH hatte schon seit längerer Zeit ihren Geschäftsbetrieb eingestellt. Nach ihrer Auflösungsbilanz zum 30. Juni 1999 waren kein Anlagevermögen und keine fertigen Erzeugnisse oder Waren mehr vorhanden; in den Erläuterungen wurden außerplanmäßige Abschreibungen mit der Auflösung der GmbH begründet. Auch die von der GmbH angemieteten Räume waren an einen Dritten überlassen worden. Damit kam zum Ausdruck, dass das Unternehmen der GmbH nicht werbend fortgeführt werden konnte und sollte (vgl. hierzu Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. November 1998 II ZR 70/97, Neue Juristische Wochenschrift 1999, 1481).
b) Auch war der Auflösungsverlust bereits im Jahr 1999 entstanden; denn mit einer wesentlichen Änderung des bereits festgestellten Verlustes war nicht mehr zu rechnen.
aa) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG konnte die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an die Klägerin ausgeschlossen werden. Denn die F-GmbH hatte nach der Bilanz zum 30. Juni 1999 --wie ausgeführt-- kein Anlagevermögen und keine fertigen Erzeugnisse oder Waren mehr. Dem steht nicht entgegen, dass die F-GmbH nur einen Teil ihres Anlagevermögens verkauft hat. Soweit im Jahr 2000 noch Anlagevermögen vorhanden gewesen sein sollte, ist nach der Bilanz zum 30. Juni 1999 davon auszugehen, dass die Klägerin dieses entnommen hat; die sonstige Betriebs- und Geschäftsausstattung war im Anlagenspiegel als Abgang gebucht.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin --wie sie vorträgt-- bis zum Frühjahr 2000 mit einem anderen Fotografen über den Verkauf des GmbH-Mantels verhandelt hat. Ein Verkauf des GmbH-Mantels hätte nichts daran geändert, dass die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen der Gesellschaft an die Klägerin ausgeschlossen war. Im Übrigen stand von vornherein fest, dass die Verkaufsbemühungen keinen Erfolg haben würden, da die F-GmbH ihren Geschäftsbetrieb bereits eingestellt hatte und ein Erwerber des GmbH-Mantels damit mögliche Verlustvorträge nicht würde nutzen können (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung).
bb) Zudem war nach den tatsächlichen Feststellungen des FG im Jahr 1999 absehbar, in welcher Höhe der Klägerin nachträgliche Anschaffungskosten entstehen und dass Auflösungskosten nur noch in unwesentlicher Höhe anfallen würden.
Fundstellen
Haufe-Index 2114408 |
BFH/NV 2009, 561 |
DStRE 2009, 539 |