Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbilligte Wohnungsüberlassung an einen Pfarrer
Leitsatz (NV)
Überläßt eine Gemeinde ihrem Pfarrer eine Wohnung billiger, als sie diese selbst angemietet hat, so ist der Differenzbetrag ein lohnsteuerpflichtiger Vorteil.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Prozeßbeteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) als Sachbezug den Preis für eine ihm verbilligte überlassene Wohnung zu versteuern hat.
Der Kläger ist Pfarrer. Er bewohnt innerhalb des Gebiets seiner Pfarrgemeinde eine Wohnung, die die Gemeinde zu diesem Zweck von einem Dritten für . . . DM monatlich angemietet hat. Der Kläger zahlt als Miete lediglich . . . DM. Den Differenzbetrag von monatlich . . . DM hat der Arbeitgeber des Klägers ab 1. Juli 1977 als zusätzlichen Sachbezug auf der Lohnsteuerkarte ausgewiesen und hierauf Lohnsteuer abgeführt.
Weder in seinem Einkommensbesteuerungsverfahren für das Streitjahr 1977 noch in dem sich hieran anschließenden Einspruchsverfahren hat es der Kläger erreicht, daß der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die als Sachbezug behandelten Miet-Differenzbeträge nicht bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung unterworfen hat.
Mit seiner Klage hatte er indessen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die streitigen Beträge nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an. Es führt hierzu aus: Die Überlassung einer Wohnung zur Nutzung aufgrund eines Areitsverhältnisses stelle zwar nach § 8 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Einnahme bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit dar. Diese Einnahme sei nach § 8 Abs. 2 EStG mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts zu bewerten. Hierbei sei ein objektiver Maßstab anzulegen. Miete daher der Arbeitgeber eine Wohnung von einem Dritten an und überlasse er sie dem Arbeitnehmer, so spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die vom Arbeitgeber gezahlte Miete dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts i.S. der vorgenannten Vorschrift entspreche. Diese Vermutung sei im Streitfalle indes widerlegt. Zu bewerten sei nämlich eine Pastoren-Wohnung, d. h. eine Wohnung, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers angemietet worden sei und berufsbedingten Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeit unterliege. Werde die dem Arbeitnehmer überlassene Wohnung überwiegend von diesem privat genutzt, erfahre sie aber beruflich bedingte Beeinträchtigungen der Nutzungsmöglichkeiten, so sei der Nutzungswert entsprechend zu mindern. Dies habe der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 3. Oktober 1974 VI R 79/72 (BFHE 113, 452, BStBl II 1975, 81) ausdrücklich hinsichtlich einer Hausmeisterwohnung ausgesprochen. Nichts anderes gelte für die Wohnung eine Pfarrers. Deshalb sei der Streitfall mit dem vom BFH entschiedenen Sachverhalt durchaus vergleichbar. Der Pfarrer sei aufgrund seines Dienstverhältnisses verpflichtet, innerhalb seiner Gemeinde eine Wohnung zu nehmen. Außerdem sei er praktisch ,,immer im Dienst". Aufgrund seiner seelsorgerischen Pflichten werde er auch außerhalb seiner Dienststunden häufig von Gemeindeangehörigen in seiner Wohnung aufgesucht, und zwar auch zur Nachtzeit. Ein Pfarrer entfalte deshalb notgedrungen in seiner Wohnung dienstliche Tätigkeiten, die den - privaten - Nutzungswert der Wohnung fühlbar minderten. Ebenso wie bei Hauswartwohnungen in dem vom BFH entschiedenen Fall sei daher ein Abschlag auf die Miete in Höhe von 20 v. H. gerechtfertigt.
Mit seiner Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 8 Abs. 2 EStG durch das FG . . .
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben den Gehältern und Löhnen auch ,,andere Bezüge und Vorteile" aus dem Dienstverhältnis.
Überläßt daher ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer verbilligt eine Wohnung, so liegt darin ein geldwerter Vorteil, der dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Dienstverhältnisses zusteht. Einnahmen dieser Art sind als Sachbezug gemäß § 8 Abs. 2 EStG mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts und dem dem Arbeitnehmer in Rechnung gestellten Betrag anzusetzen. Der erkennende Senat hat in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht (vgl. Urteile vom 9. Februar 1962 VI 219/61 U, BFHE 74, 441, BStBl III 1962, 165; vom 3. März 1972 VI R 242/68, BFHE 105, 124, BStBl II 1972, 490; vom 3. Oktober 1974 VI R 79/72, BFHE 113, 452, BStBl II 1975, 81, und vom 23. Mai 1975 VI R 54/73, BFHE 116, 142, BStBl II 1975, 715), daß es nicht zu beanstanden ist, in der Regel - wie es das FA hier getan hat - die vom Arbeitgeber selbst gezahlte Miete als ortsüblich anzusetzen, wenn die betreffende Wohnung verbilligt an einen Arbeitnehmer abgegeben worden ist. Hierbei handelt es sich zwar, wie das FA zutreffend ausgeführt hat, lediglich um eine widerlegbare Vermutung. Diese Vermutung hat der Kläger indessen auch unter Zugrundelegung der Feststellungen des FG im Streitfalle nicht widerlegt.
Der vorliegende Sachverhalt ist mit dem Urteil in BFHE 113, 452, BStBl II 1975, 81 nicht vergleichbar. Der Wert der Wohnung des Klägers wird nicht dadurch gemindert, daß er Geistlicher ist. Anders als bei einem Hauswart, der einen bestimmten Gebäudekomplex und dessen Bewohner zu betreuen hat, und der daher in Notfällen mit seinem Handwerkszeug unverzüglich zugegen sein muß, und dessen Wohnung (Hausmeisterwohnung) regelmäßig entsprechend gestaltet ist, kann ein dergestalt enger Zusammenhang zwischen der ausgeübten Tätigkeit und der Anmietung einer bestimmten Wohnung hinsichtlich eines Pfarrers nicht angenommen werden. Gerade die vom FG hervorgehobenen Verpflichtungen eines Geistlichen, wie z. B. die Wohnsitznahme innerhalb der Pfarrgemeinde und die Bereitschaft, für jedes seiner Pfarrkinder in Notfällen jederzeit (auch nachts) zu sprechen zu sein, zeigen, daß hierfür nicht eine ganz bestimmte Wohnung Voraussetzung ist, sondern diese Verpflichtungen letztlich einen Ausfluß der Berufsausübung als Geistlicher darstellen, für die er sein Gehalt bezieht. Abgesehen davon, daß der Kläger im Hinblick hierauf unter Umständen ein Arbeitszimmer unterhalten könnte, dessen Kosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dafür auch einkommensmindernd zu berücksichtigen wären, kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Wert seiner Wohnung selbst hierdurch gemindert ist. Schließlich würde der Kläger den geschilderten, rein berufsbedingten Belastungen auch in einer anderen Privatwohnung unterliegen.
Da das FG zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, war seine Entscheidung nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 413905 |
BFH/NV 1986, 52 |