Leitsatz (amtlich)
Das Fangen von Schlammröhrenwürmern (Tubifex) ist keine Fischzucht, Teichwirtschaft oder Binnenfischerei im Sinne des § 46 UStDB 1951.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Nr. 19; UStDB 1951 § 46
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) für das Kalenderjahr 1964 die Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 19 UStG 1951 wegen der Lieferungen von lebendem Fischfutter zusteht.
Der Steuerpflichtige betreibt einen Handel mit Schlammröhrenwürmern (Tubifex), die er in Bächen, Flüssen und Teichen fängt. Er reinigt, verpackt und verkauft die Ware als lebendes Fischfutter an Zoohandlungen. Für das Jahr 1964 erklärte er seine gesamten Lieferungen als steuerfrei nach § 4 Nr. 19 UStG 1951.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) versagte die Steuerfreiheit mit der Begründung, die Einkünfte aus dem Fischfutterhandel seien als Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 EStG zu behandeln, da das Futter nicht in eigenen Gewässern und nicht aus eigenem Grund und Boden gewonnen werde. Der Einnahmeüberschuß wurde als Gewinn aus Gewerbebetrieb behandelt und der Gewerbesteuer unterworfen.
Gegen den Umsatzsteuerbescheid und den Gewerbesteuermeßbescheid 1964 hat der Steuerpflichtige Sprungklagen gemäß § 45 FGO eingelegt und ausgeführt, die Jagd auf alle Wassertiere gehöre zu dem Begriff der Binnenfischerei. Die Tubifex seien den Fischen gleichzusetzen. Eine Tubifexzucht sei wie die Zierfischzucht zu behandeln, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Landwirtschaft zuzurechnen sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen ab, weil die Tätigkeit des Klägers weder als Binnenfischerei noch als Fischzucht oder Teichwirtschaft im Sinne des § 4 Nr. 19 UStG 1951 in Verbindung mit § 46 UStDB 1951 bzw. des § 13 Abs. 1 Nr. 3 EStG angesehen werden könne. Der Steuerpflichtige gehe nicht dem Fang und der Hege von Fischen nach, die Tubifex seien Würmer und keine Fische.
Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige die Verletzung des § 4 Nr. 19 UStG 1951. Das Urteil wegen der Gewerbesteuer 1964 ist rechtskräftig geworden.
Der Steuerpflichtige trägt unter Hinweis auf die BFH-Urteile IV 93/60 U vom 20. Oktober 1960 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 72 S. 14 – BFH 72, 14 –, BStBl III 1961, 7) und V 319/58 U vom 27. Oktober 1960 (BFH 72, 31, BStBl III 1961, 12) vor, die Begriffe Binnenfischerei, Fischzucht und Teichwirtschaft seien weit auszulegen. Es seien alle, nicht nur die wichtigsten landwirtschaftlichen Betriebsarten, von der Umsatzsteuer freigestellt, weil alle Umsätze der unmittelbaren Naturproduktion befreit sein sollten, auch selten vorkommende Spezialbetriebe. Der Tubifexfang sei Fischzucht, da die pflanzlichen und kleintierischen Bestandteile als Futtergrundlage für die Erzeugnisse der Fischzucht bestimmt seien. Bei den Tubifex, deren eigentlicher Erzeuger wie bei den Fischen die Natur sei, bestehe wegen der Kiemenatmung und ihrem Leben im Wasser in den entscheidenden Punkten Übereinstimmung mit der Art der Fische. Der Steuerpflichtige betreibe eine Urproduktion wie z. B. die Ernte von wildwachsenden Obstbäumen, die auch der Landwirtschaft zugehöre. Das Fangen von Wasserflöhen gehöre zur Binnenfischerei, das gelte auch für Tubifex. Zumindest sei der Begriff der Teichwirtschaft erfüllt.
Der Revisionskläger beantragt, den Umsatzsteuerbescheid und das Urteil des FG aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Steuerfrei nach § 4 Nr. 19 UStG 1951 sind die Lieferungen und der Eigenverbrauch von Gegenständen, die der Unternehmer innerhalb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erzeugt hat und selbst liefert. Nach § 46 Abs. 1 UStDB 1951 in den im Jahre 1964 geltenden Fassungen – bis zum 30. September 1964 galt die Fassung der Achten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 (BGBl I 1957, 6, BStBl I 1957, 131), ab 1. Oktober 1964 die Fassung der Vierzehnten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 8. Juli 1966 (BGBl I 1966, 407, BStBl I 1966, 782) – ist trotz des unterschiedlichen Wortlauts der Fassungen, soweit diese im vorliegenden Fall einschlägig sind, materiell-rechtlich unverändert als Landwirtschaft die Fischzucht, die Teichwirtschaft und die Binnenfischerei anzusehen. Unter keinen der drei genannten Begriffe fällt die Tätigkeit des Klägers.
Der Steuerpflichtige betreibt keine Fischzucht. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfüllt die Voraussetzungen des Begriffs der Fischzucht weder dem Gegenstand noch der Art der Beschäftigung nach. Der Gegenstand des Handels des Klägers sind Schlammröhrenwürmer, die nach Art, Stamm und Klasse nicht zu den Fischen, sondern zu den Süßwasseroligochäten zählen. Diese gehören zu der Art der Würmer, ähnlich wie das in dem Urteil des BFH V 319/58 U vom 27. Oktober 1960 (a. a. O.) genannte Lebendfutter, das aus Dorfteichen entnommen wird (Wasserflöhe, Cyklopse, Cyklopsnauplien und Daphnien). Der Steuerpflichtige übt auch keine Zucht aus. Der Züchter wirkt durch die Schaffung günstiger Voraussetzungen auf die Erzeugung einer oder mehrerer Arten ein (vgl. Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 62 BewG Anm. 3 und 4). Der Steuerpflichtige fängt lediglich die Tubifex, ein Einwirken auf deren Bestand und Vermehrung durch Hege und Pflege findet nicht statt. Der Hinweis auf die oben bezeichneten Urteile greift nicht durch, weil es sich im Falle dieser Urteile um einen andersgelagerten Sachverhalt handelte. Anders als im vorliegenden Fall lag ein Züchten von Fischen, wenn auch in einem selten vorkommenden Spezialbetrieb vor. Aus dem gleichen Grunde liegt auch keine Teichwirtschaft vor, da als Teichwirtschaft Fischzucht in stehenden – meist künstlich für Zwecke der Fischzucht angelegten – Gewässern (Teichen) anzusehen ist (Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, Teil 1, § 62 BewG Anm. 13). Der Steuerpflichtige beschafft lediglich das Futter für Fische zum Zwecke der Hege und Zucht durch die belieferten Zoohandlungen. Eine über das bloße Fangen hinausgehende Bewirtschaftung der Teiche vollzieht er nicht.
Es liegt auch keine Binnenfischerei vor, da, wie oben ausgeführt, die vom Steuerpflichtigen gefangenen Würmer nicht zu den Fischen gehören.
Die Revision des Steuerpflichtigen ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen