Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen einer ,,verdeckten" Mitunternehmerschaft
Leitsatz (NV)
1. Für das Erfordernis der Gesellschaftereigenschaft kommt es nicht auf die (formale) Bezeichnung der Rechtsbeziehungen an, sondern auf deren wirklichen Inhalt.
2. Wer Mitunternehmer ist, erfüllt regelmäßig die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Gesellschaft nach § 705 GBG, weil der Begriff des Mitunternehmers auch gemeinsames Handeln zu einem gemeinsamen Zweck von einander gleichgeordneten Personen zum Inhalt hat.
3. Läßt sich die Gegenleistung im Rahmen eines Austauschvertrages nicht durch die erhaltenen Sachleistungen erklären, so kann darin ein Anhaltspunkt für ein Gesellschaftsverhältnis liegen.
4. Die Abgrenzung von (gegenseitigen) Austauschverträgen und Gesellschaftsverhältnissen erfordert letztendlich eine nach dem Gewicht der jeweiligen Merkmale differenzierende Abwägung aller Umstände.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BewG § 97 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beigeladene zu 2 Mitunternehmer an der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war.
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, wurde 1967 gegründet und übernahm das Produktionsprogramm der in Vergleich geratenen Firma. Alleinige Kommanditistin war die Beigeladene zu 1, die Ehefrau des Beigeladenen zu 2. Die Komplementär-GmbH, deren Geschäftsführung - neben fremden Dritten - die Beigeladene zu 1 innehatte, war zu keinem Zeitpunkt am Kapital der Klägerin beteiligt. Anteilseigner ist seit 1971 der damals minderjährige Sohn der Beigeladenen.
Der Beigeladene zu 2 gewährte der Klägerin umfangreiche Darlehen, übernahm Bürgschaften und vermietete ihr umfangreichen Grundbesitz.
Im Jahre 1970 hatte der Beigeladene zu 2 das Grundstück X erworben und mit Fabrikgebäuden bebaut. Die Gebäude vermietete er u. a. an die Klägerin. Durch Vertrag vom 20. Dezember 1973 verkaufte er dieses Grundstück an seinen damals minderjährigen Sohn und übernahm für diesen die Verwaltung. Die Vereinbarung wurde durch das Vormundschaftsgericht genehmigt. 1972 erwarb der Beigeladene zu 2 das angrenzende Grundstück Y, das er ebenfalls mit Fabrikgebäuden bebaute und u. a. an die Klägerin vermietete. Im Jahre 1976 erließ der Beigeladene zu 2 der Klägerin Mietzinsforderungen in Höhe von 90 000 DM und erstattete darüber hinaus Mietzahlungen in Höhe von weiteren 90 000 DM.
Vom 1. Januar 1976 bis zum 31. Dezember 1976 war der Beigeladene zu 2 Prokurist der Komplementär-GmbH; er erhielt für diese Tätigkeit eine Vergütung von 60 000 DM.
Die Beigeladene zu 1 hatte dem Beigeladenen zu 2 am 5. November 1971 Generalvollmacht eingeräumt.
Nach einer bei der Klägerin für die Streitjahre durchgeführten Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Beigeladenen zu 2 als Mitunternehmer der Klägerin an und änderte die angefochtenen Bescheide entsprechend.
Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidungen vom 12. November 1984).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Nach seiner Auffassung sei der Beigeladene zu 2 in den Streitjahren als Mitunternehmer bei der Klägerin anzusehen. Er habe sowohl Mitunternehmerinitiative entfaltet als auch Mitunternehmerrisiko getragen. Dies sei auch ,,eingebettet in ein Geflecht von rechtlichen Gestaltungen" geschehen, ,,die in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit wirtschaftlich durchaus einem Gemeinschaftsverhältnis vergleichbar" gewesen seien.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts und führt aus:
1. Der Beigeladene zu 2 könne nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht als Mitunternehmer angesehen werden, da ein dem Gesellschaftsverhältnis ähnliches Gemeinschaftsverhältnis nicht vorliege. Zwischen den Beteiligten sei nicht - auch nicht konkludent - eine Vereinbarung getroffen worden, gemeinsam einen Gesellschaftszweck zu verfolgen und an den Früchten der Gesellschaft teilhaben zu wollen. Für die Annahme auch nur einer Innengesellschaft fehlten die tatsächlichen Grundlagen. Austauschverhältnisse könnten nicht zu einem Gesellschaftsverhältnis addiert werden.
2. Das FG lasse unberücksichtigt, daß der Beigeladene zu 2 das vermietete Grundstück auf seinen Sohn übertragen habe. Ein aus der Vermietung folgendes Unternehmerrisiko treffe allenfalls diesen. Auch die Darlehensgewährung beruhe nicht auf familiären Beziehungen.
3. Das FG gehe zu Unrecht von der Entfaltung von Mitunternehmerinitiative durch den Beigeladenen zu 2 aus. Die vom FG aufgeführten Tätigkeiten seien im Rahmen eines anwaltschaftlichen und wirtschaftlichen Beratungsverhältnisses zwischen ihm und seiner Ehefrau vorgenommen worden. Ein vom FA angeführter Schriftwechsel stamme aus der Zeit, als der Beigeladene zu 2 noch Prokurist der Klägerin gewesen sei.
4. Die vermieteten Grundstücke seien nicht als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen. Die vereinbarten Mietzinsen seien nicht überhöht gewesen.
Das FA führt aus:
1. Nach seiner Kenntnis sei der Beigeladene zu 2 lediglich bis Ende 1973 Prokurist der Komplementär-GmbH und zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 1976 Geschäftsführer der Klägerin gewesen. Die Beigeladene zu 1 habe dem Beigeladenen zu 2 am 5. November 1971 nicht lediglich eine Generalvollmacht für den Verkauf von bestimmten Grundstücken ausgestellt. Nach Aussage des Betriebsprüfers sei der Beigeladene zu 2 anläßlich einer 1980 stattgefundenen Betriebsprüfung als Bevollmächtigter seiner Ehefrau aufgetreten. Nach seiner Legitimation befragt, habe er erklärt, er habe Generalvollmacht und werde diese nachreichen.
2. Im Gegensatz zu der von der Klägerin überbetonten Bedeutung des zivilrechtlichen Hintergrundes komme es nach dem Wortlaut des Beschlusses des Großen Senates vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) nicht auf formale Beziehungen, sondern auf den wirklichen Inhalt dieser Rechtsbeziehung an. Die dem Beigeladenen zu 2 eingeräumten und von ihm wahrgenommenen Rechte und das von ihm getragene Risiko beruhten auf dem einem Gesellschaftsverhältnis vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnis und belegten seine Mitunternehmerschaft. In keinem der vom BFH entschiedenen und von der Klägerin zitierten Fälle habe der umstrittene ,,Mitunternehmer" eine vergleichbar starke Position wie der Beigeladene zu 2 gehabt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen läßt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Beigeladene zu 2 Mitunternehmer der Klägerin (vgl. § 15 Abs. 1 - Satz 1 - Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 97 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a des Bewertungsgesetzes - BewG -) war.
1. Nach dem Beschluß des Großen Senates in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C V 3. Buchst. b), c) kann Mitunternehmer i. S. des § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 EStG nur sein, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder - in Ausnahmefällen - eine diesem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat. An dieser Auffassung hat der Große Senat im Beschluß vom 25. Februar 1991 GrS 7/89 (BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691) festgehalten. Für die Beurteilung der Gesellschaftereigenschaft kommt es nicht auf die (formale) Bezeichnung der Rechtsbeziehungen an, sondern auf die von den Beteiligten gewollten Rechtswirkungen und deren zutreffende rechtliche Einordnung; hieraus kann sich ergeben, daß zwischen ihnen verdeckt ein Gesellschaftsverhältnis besteht. Voraussetzung für das Vorliegen einer Gesellschaft nach § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist (nur), daß sich mehrere Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks vertraglich verbinden und sich verpflichten, diesen zu fördern. Wer Mitunternehmer ist, erfüllt regelmäßig diese Voraussetzungen, weil der Begriff des Mitunternehmers auch gemeinsames Handeln zu einem gemeinsamen Zweck von einander gleichgeordneten Personen zum Inhalt hat.
Kennzeichnend für den Mitunternehmer i. S. des § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 EStG ist, daß er zusammen mit anderen Personen Unternehmerinitiative (Mitunternehmerinitiative) entfalten kann und Unternehmerrisiko (Mitunternehmerrisiko) trägt. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z. B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführer, Prokuristen oder andere leitende Angestellte obliegen. Ausreichend ist indes schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen.
Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche Teilhabe oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilhabe am Erfolg oder Mißerfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswertes vermittelt.
Im Anschluß an diese Ausführungen des Großen Senates geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß eine Mitunternehmerschaft nur durch ein Gesellschaftsverhältnis begründet wird, das eine (allseitige) Beteiligung am Gewinn gewährt. Diese fehlt, wenn feste Bezüge vereinbart sind; sie fehlt auch dann, wenn eine Umsatzbeteiligung oder eine gewinnabhängige Vergütung in üblicher Höhe vereinbart ist (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1988 VIII R 362/83, BFHE 156, 93, BStBl II 1989, 705; vom 21. November 1989 VIII R 96/85, BFH/NV 1990, 427, und vom 26. Juni 1990 VIII R 81/85, BFHE 161, 472).
Im Rahmen der Gesamtwürdigung kann allerdings im Einzelfall dem Umfang der Bezüge aus den geschlossenen gegenseitigen (Austausch-)Verträgen Bedeutung zukommen. Lassen sie sich nicht als Gegenleistung für übernommene Sachleistungen erklären, kann darin ein Anhaltspunkt für ein Gesellschaftsverhältnis liegen (vgl. BFH-Urteile vom 22. Oktober 1987 IV R 17/84, BFHE 151, 163, BStBl II 1988, 62, und vom 23. August 1990 IV R 58/89, BFH/NV 1991, 661).
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, daß sich die Merkmale des Mitunternehmerrisikos und der Mitunternehmerinitiative ergänzen können und ein schwach ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko durch eine besonders stark ausgebildete Mitunternehmerinitiative ausgeglichen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1990 VIII R 122/86, BFHE 163, 346).
2. Nach den vom FG festgestellten Gesamtzusammenhängen spricht zwar vieles dafür, daß der Beigeladene zu 2 Mitunternehmer war. Insbesondere sein unternehmerisches Engagement in Verbindung mit den Vermögenstransaktionen lassen es als möglich erscheinen, daß er der eigentliche Herr des Unternehmens war und seine Ehefrau und der Sohn die Anteile nur als verdeckte Treuhänder für ihn hielten. Die Feststellungen des FG reichen indes nicht aus, um diese Beurteilung vornehmen zu können. Es ist vollkommen ungewiß, ob - neben der Beigeladenen zu 1 - zwei weitere Geschäftsführer bestellt waren und - ggf. - welche Funktion sie ausübten. Zudem ist unklar geblieben, ob der Beigeladene zu 2 Prokurist oder Geschäftsführer war und ob er im übrigen Generalvollmacht der Beigeladenen zu 1 besaß. Ebenso ist unzureichend, daß das FG die Beurteilung der Stellung des Beigeladenen zu 2 vornehmlich auf die Aussage eines Mitarbeiters gestützt hat, ohne diesen selbst und ggf. weitere Mitarbeiter als Zeugen vernommen zu haben. Auch fehlen noch Feststellungen zum Bereich des Mitunternehmerrisikos (Höhe der Bürgschaften, Risiko der Inanspruchnahme). Weiterhin fehlen genaue Feststellungen zu den vielen zwischen dem Beigeladenen zu 2 und der Klägerin abgeschlossenen Austauschverträgen. Der Gegenstand, der Umfang und die Angemessenheit dieser Verträge sind detailliert aufzuklären, da diese Umstände für die Beurteilung der Mitunternehmerschaft mit von entscheidender Bedeutung sind.
Fundstellen
Haufe-Index 423124 |
BFH/NV 1992, 803 |