Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgängigmachung einer Schenkung
Leitsatz (amtlich)
Gingen Schenker, Beschenkter und Notar von der Einkommensteuerfreiheit der Schenkung aus und werden sie später auf die erheblichen einkommensteuerlichen Auswirkungen hingewiesen, ist die nachträgliche Korrektur über die steuerlichen Auswirkungen der Schenkung so bedeutungsvoll, dass sie zum Wegfall der ursprünglichen Geschäftsgrundlage führen mußte; deshalb kann die Schenkungsteuerfestsetzung nicht aufrecht erhalten werden, wenn Schenker und Beschenkter die Schenkung mit notariellem Vertrag wieder rückgängig machen.
Normenkette
ErbStG 1951 § 3 Abs. 1 Nr. 1
Gründe
In einer notariellen Verhandlung vom 1. Mai 1950 übertrug die Witwe K., ihrem Enkel L.,dessen Erben die Beschwerdeführer (Bf.) geworden sind, schenkweise 1 % der Gesellschaftsanteile an der Firma L. & Co. KG. Der Bedachte nahm die Schenkung am 1. Juni 1950 ebenfalls durch notariell beurkundete Erklärung an.
Diese Vorgänge wurden der Schenkungsteuer unterworfen. Das Finanzamt setzte dafür zunächst auf Grund eines Vorläufigen Bescheides vom 1. September 1950 eine Schenkungsteuer in Höhe von 14.400 DM nach einem steuerpflichtigen Erwerb von 90.000 DM fest, die auch in voller Höhe entrichtet worden ist.
Ehe es zur endgültigen Festsetzung der Schenkungsteuer kam, gaben die am Schenkungsvertrag Beteiligten unter dem 16. Dezember 1950 eine weitere notariell beurkundete Erklärung nachstehenden Inhalts ab:
„Wir haben am 1. Mai/1. Juni 1950 (vgl. Urkundenrolle Nr. 485 und 532 des amtierenden Notars) einen Schenkungsvertrag geschlossen in welchem ich, Frau K., meinem Enkel L. 1 % des Gesellschaftskapitals an der Firma L. & Co., … übertrug. Bei Abschluß dieses Schenkungsvertrages waren wir beide im Irrtum über seine Auswirkungen bei der Einkommensteuer. Wir vereinbaren nunmehr, daß nur 1/100 Anteil eines Gesellschaftsanteils von Frau K auf Herrn L. einschließlich des Nießbrauchs übertragen werden soll. Diesen Anteil muß sich bei einer späteren Erbfolge. Herr Ludwig Povel auf seinen zukünftigen Erbanteil anrechnen lassen. Für die 99/100 des übertragenen Anteils heben wir den Schenkungsvertrag vom 1.5./1.6.1950 hiermit auf.”
Dessen ungeachtet hielt das Finanzamt in dem endgültigen Steuerbescheid vom 2. Oktober 1958 die Besteuerung der Vorgänge vom 1. Mai/1. Juni 1950 in vollem Umfang aufrecht und erhöhte überdies den ursprünglich festgesetzten Schenkungsteuerbetrag nach einem Schenkungswert von 127.415 DM auf 23.482 DM. Das Abkommen, vom 16. Dezember 1950 behandelte das Finanzamt als Rückschenkung, die es aber gemäß § 18 Abs. 1 Ziff. 12 das Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) steuerfrei ließ.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
In der Berufung machten die Bf. zur Begründung des Rechtsmittels im einzelnen folgendes geltend: Es werde zwar anerkannt, daß bei Abschluß der notariellen Vereinbarungen vom 1. Mai/1. Juni 1950 der subjektive Bereicherungswille auf Seiten des Schenkenden und der subjektive Annahmewille auf seiten des Bedachten vorhanden gewesen seien. Zur Erfüllung des Schenkungsgeschäftes und damit zur Übertragung von 1 % der Gesellschaftsanteile an der L. & Co. KG sei es jedoch nicht gekommen. Im übrigen würde Frau K. die Schenkung am 1. Mai 1950 bei verständiger Würdigung des Falles und bei Kenntnis der Sachlage, daß die Schenkung nach einer später ergangenen Anweisung des Bundesministers der Finanzen als schädliche Entnahme im Sinne des Einkommensteuerrechts angesehen und zu einer erheblichen Einkommensteuerbelastung führen werde, nicht vorgenommen haben. Sie habe sich also über den Inhalt ihrer in der Schenkung zum Ausdruck gebrachten Erklärung in einem gemäß § 119 BGB erheblichen Irrtum befunden. Auf jeden Fall sei durch die Regelung des Bundesministers der Finanzen die Geschäftsgrundlage für die Schenkung vom 1. Mai/1. Juni 1950 weggefallen; denn die Beteiligten seien bei Abschluß des Schenkungsvertrages übereinstimmend davon ausgegangen, daß nach dem Wortlaut des § 32a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 die unentgeltliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen keine steuerschädliche Entnahme im Sinne des Einkommensteuerrechts darstelle. Dies sei auch die Ansicht des beurkundenden Notars gewesen. Es verstoße deshalb gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, die Beteiligten trotz der Aufhebung des ursprünglichen Vertrages vom 1. Mai/1. Juni 1950 schenkungsteuerrechtlich daran festhalten zu wollen. Insoweit werde auf das Urteil des I. Senats des Bundesfinanzhofs I 143/56 U vom 24. Juni 1957 (Bundessteuerblatt –BStBl– 1957 III S. 400, Slg. Bd. 65 S. 433) verwiesen sowie auf ein weiteres – allerdings nicht veröffentlichtes– Urteil des II. Senats des Bundesfinanzhofs II 263/57 vom 3. August 1960 Bezug genommene im übrigen sei die Erhebung der Schenkungsteuer in dem ursprünglichen Umfang unbillig.
Die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, die Schenkung sei im Streitfalle vollzogen worden. Denn bei der unentgeltlichen Übertragung eines Rechts sei die Schenkung bereite mit Abschluß der die Übertragung enthaltenden Vereinbarung ausgeführt. Der Schenkungsvertrag könne auch nicht wegen Irrtums angefochten werden, da es sich im Streitfalle höchstens um einen Motivirrtum handle. Im übrigen vertrat das Finanzgericht die Auffassung, der Wegfall der Geschäftsgrundlage hebe die Schenkung nicht auf, begründe vielmehr nur ein Rücktrittsrecht, dessen Ausübung die durch den Vollzug der Schenkung eingetretenen dinglichen Wirkung an nicht beseitige.
Die mit im wesentlichen gleichbleibender Begründung erhobene Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Dem Finanzgericht ist allerdings darin beizupflichten, daß die Vereinbarungen, die zwischen der Witwe K. und ihrem Enkel am 1. Mai/1. Juni 1950 getroffen worden sind, sich nicht in einer nur schuldrechtlichen Schenkungszusage erschöpften, sondern daß sie schon die als Vollzug der Schenkung zu betrachtende Übertragung des 1 %igen Gesellschaftsanteils zum Gegenstande hatten. Das Finanzgericht ist deshalb der Auffassung, daß aus diesem Grunde mit dem Abschluß der Vereinbarung die Schenkung bereits vollzogen gewesen sei. Ob diese Ansicht auf das vom Finanzamt in der Berufungserwiderung angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs III 63/42 vom 18. Juni 1942 (Reichssteuerblatt – RStBl – 1942 S. 827, Slg. Bdc 52 S. 54) gestützt werden könnte, muß allerdings bezweifelt werden, weil der Sachverhalt in dem damals entschiedenen Falle anders gelagert war. Die seinerzeitige Entscheidung des Reichsfinanzhofs war in einem Falle ergangen, in dem nicht der Gesellschaftsanteil an einer bereits bestehenden OHG oder KG übertragen worden war. Vielmehr war damals die Gesellschaft erst durch die Zuwendung eines Kapitalanteils an dem bis dahin vom Schwiegervater des Empfängers allein betriebenen Unternehmen begründet worden. Der erkennende Senat hat aber seinerseits … den Fall der Abtretung von Kapitalanteilen an einer bereits bestehenden KG in wiederholten Entscheidungen (vgl. u.a. Urteil II 283/58 U vom 22. August 1962, BStBl 1962 III S. 502, Slg. Bd. 75 S. 647) behandelt, zuletzt in der Entscheidung II 207/61 U vom 24. Juli 1963 (veröffentlicht im BStBl 1963 III S. 442, Slg. Bd. 77 S. 335). Der Senat hat in allen diesen von ihm entschiedenen Fällen zwischen dar sich durch die Einräumung einer Kapitalbeteiligung vollziehenden Vermögensverschiebung unter den Vertragspartnern und der Aufnahme des Bedachten als neuen Gesellschafters, die sich nur unter Mitwirkung der Altgesellschafter in ihrer Gesamtheit vollziehen läßt, scharf unterschieden. Dabei ist nach Auffassung des Senats Gegenstand der schenkungsteuarrechtlich allein beachtlichen Vermögensverschiebung nur die Abtretung bzw. teilweise Übertragung des Kapitalanteils von dem abtretenden Altgesellschafter auf den Erwerber. Ist diese, wie im Streitfalle, bereits vollzogen und damit die Vermögensverschiebung unter den Partnern des Schenkungsvertrages eingetreten, so ist der schenkungsteuerrechtliche Tatbestand im Sinne des § 3 Abs. 1 Ziff. 1 Erb. Stg erfüllt.
Es trifft auch nicht zu, daß das Abkommen vom 1. Mai/1. Juni 1950 wegen Irrtums angefochten werden könnte. Denn die damaligen Vertragspartner sind bei ihrem Vertragsabschluß nicht durch einen Irrtum über den Inhalt der Einkommensteuer-Richtlinien IX/1948 und 1949 beeinflußt worden. Von diesem hatten weder die Schenkerin noch der Beschenkte Kenntnis, da bei Abschluß des Vertrages diese Richtlinien noch nicht veröffentlicht waren. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß sie eich im Hinblick auf den ihnen erst später bekannt gewordenen Inhalt der Richtlinien bei Abgabe ihrer Schenkungserklärungen im Irrtum befunden hätten oder daß sie eine vertragliche. Erklärung des vom Notar beurkundeten Inhalts nicht hätten abgeben wollen.
Dagegen greift der Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage durch. Die Ansicht, daß dieser Einwand nicht nur bei gegenseitig verpflichtenden Verträgen erhoben werden kann, sondern auch bei einseitig verpflichtenden Verträgen möglich und denkbar ist, wird jedenfalls in der Rechtslehre zum bürgerlichen Recht vertreten Außerdem hat das Reichsgericht in einer Reihe von Fällen den Mangel der Geschäftsgrundlage auch benutzt, um daraus ein Rücktrittsrecht abzuleiten, wenn ein von beiden Parteien zugrunde gelegter Umstand schon beim Vertragsschluß nicht gegeben war und zwar insbesondere, wo eins Irrtumsanfechtung deshalb nicht in Betracht kam, weil, wie im Streitfall, ein bloßer Irrtum im Beweggrund vorlag. (Vgl. Enneccerus-Lehmann, Lehrbuch des Schuldrechts, § 41 S. 178; Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen – RGZ – Bd. 108 S. 109). Der Senat hat dazu in mehreren, allerdings nicht veröffentlichten Entscheidungen, darunter in der von den Bf. angeführten Entscheidung II 263/57 vom 3. August 1960 die Auffassung vertreten, daß auch eine Änderung der beim Vertragsschluß vorausgesetzten steuerrechtlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt das Wegfalls der Geschäftsgrundlage berücksichtigt werden kann.
Die Bf. berufen sich in diesem Zusammenhang darauf, daß die Beteiligten beim Abschluß des ursprünglichen Schenkungsvertrages vom 1. Mai/1. Juni 1950 von seiner einkommensteuerrechtlichen Unschädlichkeit ausgegangen seien. Die Beteiligten sowohl als auch der beurkundende Notar hätten angenommen, die unentgeltliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen stelle nach dem Wortlaut des § 32a EStG 1949 keine steuerschädliche Entnahme dar. Erst durch den im September oder Oktober 1950 gegebenen Hinweis des Steuerberaters der Beteiligten auf die in den Einkommensteuer-Richtlinien II/1948 und 1949, Abschnitt 108 vertretene gegenteilige Auffassung seien sie darüber belehrt worden, daß eine derartige Übertragung von Gesellschaftsanteilen nach Ansicht der Finanzverwaltung als einkommensteuerschädliche Entnahme wirke. Die Bf. haben dieses an sich unbestrittene Vorbringen auch unter Beweis gestellt.
Geht man davon aus, daß die Beteiligten beim Abschluß des Schenkungsvertrages vom 1. Mai/1. Juni 1950 zwar die Erhebung einer Schenkungsteuer in Rechnung gestellt und auch in Kauf genommen haben, während sie mit einer zusätzlichen einkommensteuerlichen Belastung in der sehr beträchtlichen Höhe von etwa 250.000 DM nicht rechneten, so wird man einräumen müssen, daß sich unter Berücksichtigung der von der Finanzverwaltung damals vertretenen, wenn auch späterhin im Urteil des Bundesfinanzhofs IT 233/51 U vom 24. Oktober 1951 (BStBl 1952 III S. 5, Slg. Bd. 56 S. 10) als fehlerhaft erkannten Rechtsansicht über die Steuerschädlichkeit solcher unentgeltlicher Anteilsübertragungen die wirtschaftlichen Grundlagen des Schenkungsvertrages für die Beteiligten verschoben hatten bzw. in Wegfall geraten waren. Dabei kann es nichts ausmachen, daß sich anders als in dem vorerwähnten vom Senat in dem Urteil II 263/57 vom 3. August 1960 entschiedenen Falle die Vorstellungen der Beteiligten beim Vertragsschluß nicht auf schenkungsteuerliche, sondern auf einkommensteuerliche Auswirkungen des Vertrages bezogen. Entscheidend ist vielmehr, ob den Vorstellungen der Beteiligten über die steuerlichen Auswirkungen ihres Vertrages eine so wesentliche Bedeutung zukam, daß die nachträgliche Korrektur dieser Vorstellungen zum Wegfall der ursprünglichen Geschäftsgrundlage führen mußte. Das war auf unwiedersprochenen Angaben der Bf. zu bejahen, die die einkommensteuerliche Belastung, die von den Beteiligten nicht vorauszusehen war, auf mehr als das Doppelte des Wertes der Zuwendung beziffert haben.
Allerdings wird in der bürgerlich-rechtlichen Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage die Auffassung vertreten, der Einwand könne dann nicht mehr erhoben werden, wenn das Vertragsverhältnis abgewickelt und der Vertrag in allen Teilen erfüllt sei. Für das Schenkungsteuerrecht ist mit Rücksicht auf den ihm innewohnenden Bereicherungsgrundsatz aber allein entscheidend, daß mit dem durch den Wegfall der Geschäftsgrundlage bedingten Recht zum Rücktritt von dem ursprünglichen Vertragsverhältnis die Bereicherung das Bedachten in dem Umfang, wie sie ihm auf Grund des ursprünglichen Vertrages vom 1. Mai/1. Juni 1950 zugefallen war, beseitigt worden ist. Auf welchem Weg zivilrechtlich die Bereicherung in Wegfall gebracht worden ist, ist dagegen bedeutungslos. Man wird deshalb in einem Falle wie dem vorliegenden nicht wie das Finanzgericht von der formal-rechtlichen Ausgestaltung des Rücktrittsverfahrens im bürgerlichen Recht ausgehen dürfen, sondern muß entscheidend darauf abstellen, daß die durch den Wegfall der Vertragsgrundlage bedingte Auflösung des Vertrages vom 1. Mai/1. Juni 1950 auch die Grundlage der Bereicherung in ihrem Ausgangspunkt zerstört hat und daß deshalb eine Bereicherung des Bedachten auf Grund des ursprünglichen Vertrages nach den Grundsätzen des Schenkungsteuerrechts nicht gegeben ist.
Die angefochtene Entscheidung, die Einspruchentscheidung des Finanzamts und der zugrunde liegende Steuerbescheid waren deshalb aufzuheben und die Bf. – als Rechtsnachfolger des Beschenkten – von der Schenkungsteuer freizustellen.
Fundstellen