Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abgrenzung von unselbständiger und selbständiger Tätigkeit.
2. Stellt ein Unternehmer gewerbsmäßig Büroaushilfskräfte anderen Unternehmen entgeltlich zur Verfügung und bestehen vertragliche Beziehungen nur zwischen dem "Vermittler" und den Aushilfskräften einerseits und dem "Vermittler" und den anderen Unternehmen andererseits, so sind die Büroaushilfskräfte Arbeitnehmer des "Vermitlers", der infolgedessen die steuerlichen Pflichten als Arbeitgeber zu erfüllen hat.
Normenkette
EStG § 19
Tatbestand
Die Stpfl., eine GmbH, stellt Unternehmern, Behörden und Angehörigen der freien Berufe Sekretärinnen und Bürokräfte, die sie selbst als freie Mitarbeiter angeworben hat, gegen Entgelt vorübergehend zur Verfügung. Die Mitarbeiter werden von ihr bezahlt. Die anderen Unternehmer haben das Entgelt an die Stpfl. zu entrichten. Vertragliche Beziehungen bestehen zwischen der Stpfl. und ihren Mitarbeitern einerseits und zwischen der Stpfl. und den fremden Unternehmen andererseits. Die Stpfl. schließt mit ihren Mitarbeitern nach Prüfung der Eignung jeweils eine "Vereinbarung über freie Mitarbeit" und bietet die Mitarbeiter dann den fremden Unternehmen als Aushilfskräfte an. Kommt es zur Annahme des Angebots, so vertreten ihre Mitarbeiter bei dem Kunden erkrankte oder überbelastete oder beurlaubte Angestellte, indem sie deren Arbeiten erledigen.
Die Stpfl. ist der Meinung, die Mitarbeiter stünden zu ihr nicht in einem Arbeitsverhältnis. Das FA hält die Mitarbeiter dagegen für Arbeitnehmer der Stpfl. Es forderte von der Stpfl. als Arbeitgeberin die zu Unrecht nicht einbehaltene Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer für die Jahre 1962 und 1963 nach.
Das FG erließ folgendes Zwischenurteil:
1. Die Mitarbeiter der Berufungsführerin sind steuerlich als ihre Arbeitnehmer anzusehen, soweit es sich um Stenotypistinnen, Maschinenschreiberinnen, Korrespondentinnen, Buchhalterinnen und andere Bürokräfte mit vergleichbarer Tätigkeit handelt.
2. Soweit die Mitarbeiter der Berufungsführerin bei ihr nebenberuflich tätig gewesen sind, richtet sich die steuerliche Beurteilung ihrer bei der Berufungsführerin erzielten Einkünfte nur dann nach der Art des Hauptberufes, wenn die Nebentätigkeit die Ausübung des Hauptberufes voraussetzt und mit ihm unmittelbar zusammenhängt.
3. Die Inanspruchnahme der Berufungsführerin im Wege des Lohnsteuerhaftungsverfahrens ist hinsichtlich der unter Ziff. 1 genannten Personen grundsätzlich gerechtfertigt.
4. Die Inanspruchnahme der Berufungsführerin scheidet jedoch aus, soweit die unter Ziffer 1 genannten Personen bereits rechtskräftig zur ESt veranlagt worden sind.
Nach der Auffassung des FG ist der zwischen der Stpfl. und den angeworbenen Personen geschlossene Vertrag (Mitarbeitervertrag) nur eine Art Rahmenvertrag. Auch nach Unterzeichnung dieses Vertrages stehe es den Mitarbeitern frei, ob sie für die Stpfl. tätig werden wollten. Trotzdem, so führt das FG aus, sei aber von der Zeit ab, zu der die Mitarbeiter die Arbeit bei den Kunden der Stpfl. aufnähmen, ein Arbeitsvertrag gegeben, denn nunmehr schuldeten sie der Stpfl. ihre Arbeitskraft. Die für die Kunden der Stpfl. tätigen Bürokräfte seien in den geschäftlichen Organismus der Kunden in gleicher Weise eingegliedert und deren Weisungen in gleichem Umfange unterworfen wie die eigenen Angestellten der Kunden. § 6 Abs. 2 des Mitarbeitervertrages, wonach die Mitarbeiter jederzeit berechtigt seien, die Ausführung einer übernommenen Arbeit einzustellen, stehe einem Arbeitsverhältnis nicht entgegen, weil auch eine kurzfristige Tätigkeit die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht ausschließe. Die Bezeichnung "freier Mitarbeiter" sei nicht entscheidend. Maßgebend sei vielmehr die tatsächliche Durchführung. Dabei sei vor allem von Bedeutung, daß nicht die Kunden, sondern die Stpfl. die Mitarbeiter entlohne. Die Stpfl. sei "Verleiher" der Mitarbeiter und deren Arbeitgeber. Soweit die Mitarbeiter nur nebenberuflich tätig seien, seien ihre Einkünfte bei der Stpfl. grundsätzlich nicht nach der Art des Hauptberufes zu beurteilen, sondern nach der Art der Nebentätigkeit. Wenn aber die Nebentätigkeit die Ausübung des Hauptberufes voraussetze und mit ihm unmittelbar zusammenhänge, sei die Nebentätigkeit als Ausfluß der Haupttätigkeit steuerlich wie diese zu beurteilen (Urteil des BFH VI 183/59 S vom 24. November 1961, BFH 74, 97, BStBl III 1962, 37). Das komme z. B. bei Dolmetschern in Betracht, die ihren Beruf selbständig ausübten und bei der Stpfl. nur nebenberuflich tätig würden. Die Inanspruchnahme der Stpfl. als Arbeitgeberin für die nicht einbehaltene Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer sei kein Ermessensmißbrauch des FA. Es handle sich für das Jahr 1962 um 85 Fälle und für das Jahr 1963 um 309 Fälle mit meist kleinen Lohnsteuerbeträgen. Die Stpfl. hätte sich, wenn sie Zweifel hatte, beim FA über den Steuerabzug erkundigen müssen. Sie könne sich, weil sie von einem Rechtsanwalt und einem Steuerbevollmächtigten beraten worden sei, nicht auf ihre Unkenntnis berufen. Soweit allerdings Mitarbeiter bereits rechtskräftig zur Einkommensteuer veranlagt seien, sei deren Besteuerung abgeschlossen; in diesen Fällen könne daher die Stpfl. nicht in Anspruch genommen werden.
Mit ihrer Revision rügt die Stpfl. unrichtige Rechtsanwendung. Die Mitarbeiterverträge, so macht sie geltend, seien formularmäßig geschlossen worden und unterlägen daher der Nachprüfung durch den BFH. Das FG habe nicht die für und gegen die Selbständigkeit der Mitarbeiter sprechenden Tatsachen gegeneinander abgewogen, sondern gehe ohne nachprüfbare Begründung davon aus, daß ihr die Mitarbeiter ihre Arbeitskraft schuldeten. Das würde jedoch nur der Fall sein, wenn die Mitarbeiter unter ihrer Leitung tätig seien, in ihren Betrieb eingegliedert seien und ihren Weisungen folgen müßten. Das FG stelle dazu aber nur fest, daß die Mitarbeiter in den Betrieb der Kunden eingegliedert gewesen seien. Daraus hätte das FG indessen folgern müssen, daß die Mitarbeiter Arbeitnehmer der Kunden seien. Im übrigen ergebe das Urteil nicht, welche festgestellten Tatsachen das FG zu der Überzeugung gebracht hätten, daß die Mitarbeiter in den geschäftlichen Organismus der Kunden eingegliedert und den Weisungen der Kunden in gleichem Umfang unterworfen seien wie die eigenen Angestellten. Entgegen den mißverständlichen Ausführungen des FG weise sie ihre Kunden ausdrücklich darauf hin, daß sie nicht berechtigt seien, den Mitarbeitern Weisungen zu erteilen. Eine vorzeitige Beendigung der Tätigkeit sei nicht vom freien Willen der Mitarbeiter, sondern von ihrer Zustimmung abhängig. Die geschlossenen Verträge bewiesen - im Gegensatz zu den Ausführungen des FG -, daß sie kein eigenes Weisungsrecht besitze und auch kein Weisungsrecht auf ihre Kunden übertragen habe. Die Lohnsteuerprüfer hätten Feststellungen getroffen, die denen des FG entgegengesetzt seien. Ein Arbeitsgericht habe - im Gegensatz zu einem Landessozialgericht - den Mitarbeitervertrag nicht als Arbeitsverhältnis angesehen. Ebenso nehme die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) an, daß zwischen ihr und den freien Mitarbeitern kein sozialund arbeitslosenversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bestehe.
Der BdF, der dem Verfahren beigetreten ist, bejaht ein Arbeitsverhältnis der Mitarbeiter zur Stpfl. Er führt im wesentlichen aus: Ob ein Arbeitsverhältnis vorliege, sei nach § 1 Abs. 3 LStDV zu beurteilen. Oft sprächen einzelne Merkmale für die Selbständigkeit, andere dagegen. In derartigen Fällen sei das Gesamtbild der Tätigkeit ausschlaggebend; maßgebend sei dann, in welche Richtung die Merkmale mit dem insgesamt größeren Gewicht wiesen (Urteil des BFH VI 167/63 U vom 3. Dezember 1965, BFH 84, 426, BStBl III 1966, 153). Bei der Ermittlung des Sachverhalts sei zwar an die von den Beteiligten ernsthaft geschaffenen und durchgeführten Verträge anzuknüpfen (Urteil des BFH VI 55/61 U vom 11. Mai 1962, BFH 75, 112, BStBl III 1962, 310). Das schließe aber nicht aus, daß ein "freier Mitarbeiter" nach dem Gesamtbild "Arbeitnehmer" sein könne. Der vorliegende Fall zeige die Besonderheit, daß die Stpfl. ihre Mitarbeiter nicht zur Beschäftigung im eigenen Betrieb eingestellt habe, sondern sie gewerbsmäßig anderen Betrieben oder Behörden als Aushilfskräfte zur Verfügung stelle. Es müsse daher auch berücksichtigt werden, welche Stellung die Mitarbeiter tatsächlich und rechtlich gegenüber den Kunden der Stpfl. einnähmen. Das Gesamtbild werde auch durch die Vereinbarungen der Stpfl. mit ihren Kunden bestimmt, insbesondere durch die allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der Stpfl. Einblick in die Abwicklung der von den Mitarbeitern zu erledigenden Aufträge ermöglichten. Diese Umstände führten zu der Annahme, daß die Mitarbeiter in den ihnen von der Stpfl. zugewiesenen Betrieben Arbeitnehmer seien. Die Mitarbeiter seien als Stenotypistinnen, Maschinenschreiberinnen, Korrespondentinnen, Buchhalterinnen und in vergleichbarer Bürotätigkeit beschäftigt worden. Ihre Arbeit sei untergeordneter Art. Sie hätten aushilfsweise Tätigkeiten verrichtet, wie sie regelmäßig von angestellten Arbeitskräften auf Grund von Weisungen ausgeführt würden. Wenn nach Ziffer 8 der "Vereinbarung über die freie Mitarbeit" die "freien Mitarbeiter" die wesentlichen Merkmale ihrer Tätigkeit selbst bestimmen und bei der Durchführung der ihnen übertragenen Aufgabe keiner Weisung der Kunden der Stpfl. unterstehen und wenn außerdem nach Ziffer 2 der allgemeinen Geschäftsbedingungen die Mitarbeiter nicht in vertragliche Beziehungen zu den Kunden der Stpfl. treten, so stehe die tatsächliche Abwicklung mit diesen Bestimmungen nicht in Einklang. Wenn die Mitarbeiter Anweisungen der Kunden nicht befolgt hätten, so wären die von ihnen übernommenen Aufträge undurchführbar gewesen. Der Tätigkeit der Mitarbeiter als Erfüllungsgehilfen der Stpfl. entspreche, daß sie kein Unternehmerrisiko zu tragen hätten. Auch die Rechtsfolgen, die einträten, wenn ein Mitarbeiter mangelhafte Leistungen erbringe, hätten nichts mit einem Unternehmerisiko zu tun. Nach allem stünden die in Ziffer 1 des Zwischenurteils genannten Mitarbeiter bürgerlich-rechtlich in einem Dienstverhältnis. Sie schuldeten nicht einen bestimmten Arbeitserfolg, sondern nur ihre Arbeitsleistung, wie auch das Landessozialgericht in seinem Urteil vom 30. Oktober 1964 zutreffend ausgesprochen habe. Dieses Gericht und das Sozialgericht hätten die Nichtselbständigkeit der Mitarbeiter bei der Prüfung der Frage, ob die Stpfl. unerlaubte Arbeitsvermittlung nach § 37 Abs. 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) betrieben habe, zutreffend bejaht. Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 3. März 1966 ergebe nichts Gegenteiliges. Das Gericht habe nicht grundsätzlich die Selbständigkeit der Mitarbeiter anerkannt, sondern nur ein Arbeitsverhältnis zwischen der Stpfl. und ihren Mitarbeitern verneint. Die besondere Problematik des Streitfalles liege darin, ob die Stpfl. oder ihre Kunden Arbeitgeber der Mitarbeiter seien. Nach den Verträgen sei allein die Stpfl. Arbeitgeberin gewesen, da die Mitarbeiter nur ihr gegenüber vertraglich gebunden gewesen seien. Nach der tatsächlichen Handhabung übten zwar die Kunden einen Teil der Arbeitgeberfunktionen aus. Welche arbeitsrechtlichen Folgen das nach sich ziehe, könne dahingestellt bleiben; denn der steuerliche Arbeitgeberbegriff decke sich nicht ohne weiteres mit dem des Arbeitsrechts. Vor allem gebe es steuerlich nicht die im Arbeitsrecht anerkannte Möglichkeit der "Aufspaltung des Arbeitgebers in mehrere Personen" (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Juli 1957, AP Nr. 1 zu § 1 Gesamthafenbetriebsgesetz), die dazu führe, daß jede dieser Personen im Rahmen desselben Arbeitsverhältnisses für ihren Teilbereich "Arbeitgeber" sei (Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl. 1961, Bd. I, S. 145). Steuerlich könne ein Arbeitnehmer zwar aus mehreren Dienstverhältnissen (§ 1 Abs. 3 LStDV) Einkünfte beziehen. Bestehe jedoch nur ein Dienstverhältnis, so könne auch nur ein Arbeitgeber vorhanden sein, der die Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen habe (§ 41 EStG). Wer Arbeitgeber sei, sei steuerlich in Zweifelsfällen nach dem Machtverhältnis gegenüber dem Arbeitnehmer zu beurteilen. Der RFH habe im Urteil VI A 135/27 vom 11. Mai 1927 (RStBl 1927, 154) die Anstellungs- und Entlassungsbefugnisse sowie die entscheidenden Weisungsrechte für ausschlaggebend erachtet. Ein weiteres Urteil des RFH VI 853/27 vom 23. Mai 1928 (RStBl 1928, 266) beruhe auf den gleichen Grundsätzen. Danach sei allein die Stpfl. "Arbeitgeber" im Sinne des § 41 EStG gewesen.
In der vom BdF auf Anregung des Senats eingeholten Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung wird im wesentlichen ausgeführt: Arbeitsrechtlich stehe die kurze Dauer der jeweiligen Beschäftigung dem Begriff Arbeitsverhältnis nicht entgegen. Wesentliches Merkmal des Arbeitsverhältnisses sei die sog. persönliche Abhängigkeit, die vielfach gleichbedeutend mit dem Begriff der "Fremdbestimmtheit der Arbeit" gebraucht werde (Fitting-Kraegeloh-Auffarth, Betriebsverfassungsgesetz, 7. Aufl., Anm. 3 zu § 41; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, 7. Aufl., S. 34, 41; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, S. 91; Schelp-Herbst, Bundesurlaubsgesetz, Anm. 4 zu § 2). An dieser Voraussetzung könne es fehlen, wenn eine Arbeitsleistung nur kurzfristig oder gelegentlich als Nebentätigkeit erbracht werde (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Februar 1965 - 5 AZR 358/63; Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammer Stuttgart - vom 15. Juli 1966 - 4 Sa 23/66, auszugsweise veröffentlicht in "Der Betrieb" 1966 S. 1484; Hueck-Nipperdey, a. a. O., S. 49; Staudinger-Nipperdey-Mohnen, 11. Aufl., Vorbem. 20 vor §§ 611 ff. BGB, S. 1108). Dies treffe vor allem zu, wenn die zu leistende Arbeit von vornherein auf einen fest umrissenen Gegenstand beschränkt sei, z. B. die Anfertigung einer bestimmten Schreibarbeit. Vielfach werde zwar aus den vom Landessozialgericht dargelegten Gründen die Tätigkeit bei dem Kunden im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden; es seien jedoch auch andere Fälle denkbar. Würde die Beschäftigung in der Rechtsform eines Werkvertrages oder eines selbständigen Dienstvertrages geleistet, so würde die betreffende Person auch im Rechtsverhältnis gegenüber der Stpfl. dadurch nicht zum Arbeitnehmer werden, daß die Tätigkeit von der Stpfl. vermittelt sei, da die Person nicht in einem ständigen Arbeitsverhältnis bei der Stpfl. stehe, sondern von Fall zu Fall jeweils auf Abruf vermittelt werde. Würde die Person in einem ständigen Arbeitsverhältnis bei der Stpfl. stehen, so würde es für die Natur dieses Rechtsverhältnisses unerheblich sein, ob die Leistungen gegenüber dem Dritten rechtlich als Arbeitsverhältnis oder als Werkvertrag zu qualifizieren sein würden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Für die Heranziehung der Stpfl. als Haftende ist entscheidend, ob die unter Nr. 1 des Urteils des FG genannten Mitarbeiter der Stpfl. Arbeitnehmer gewesen sind und die Stpfl. Arbeitgeberin dieser Mitarbeiter gewesen ist. Bei der Prüfung dieser Frage kommt es, wie der BdF zutreffend darlegt, nicht auf arbeitsrechtliche oder sozialversicherungsrechtliche, sondern allein auf steuerrechtliche Gesichtspunkte an; denn bei der Entscheidung der Frage, ob jemand Arbeitnehmer im Sinne des § 19 EStG ist, geht es lediglich um die Beurteilung der Bezüge für steuerliche Zwecke. Für die Entscheidung des Streitfalles kommt es allein darauf an, ob die Mitarbeiter der Stpfl. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) oder aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) gehabt haben. Nur im Fall des § 19 EStG kommt die Einbehaltung von Lohnsteuer in Betracht (§ 38 EStG), während in den Fällen der §§ 18 und 15 EStG die Mitarbeiter zur Einkommensteuer veranlagt würden und außerdem grundsätzlich zur Umsatz steuer und bei § 15 EStG auch zur Gewerbesteuer herangezogen werden könnten.
Die Einordnung der Bezüge unter § 19 EStG (§ 1 LStDV) einerseits und §§ 15 oder 18 EStG (§ 2 UStG, § 2 GewStG) andererseits, hängt davon ab, ob die Mitarbeiter der Stpfl. unselbständig oder selbständig tätig geworden sind. Nur wer seine Arbeitskraft schuldet und weisungsgebunden in ein fremdes Unternehmen eingegliedert ist, hat Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
In aller Regel macht die Entscheidung, ob eine Tätigkeit selbständig oder unselbständig ausgeübt wird, keine Schwierigkeiten. In Grenzfällen gilt es, wie der BFH in der vom FG und vom BdF angeführten Rechtsprechung dargelegt hat, die für oder gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale gegeneinander abzuwägen und dann die Frage der Selbständigkeit nach dem Gesamtbild zu entscheiden.
In dieser Weise ist das FG vorgegangen. Wenn es zu dem Ergebnis gekommen ist, daß es sich bei den in Nr. 1 des Urteilstenors genannten Mitarbeitern um Arbeitnehmer handelt, so beruht das auf einer Würdigung, wie sie dem FG als Aufgabe übertragen ist (§ 96 FGO) und an die der BFH grundsätzlich gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Daß das FG bei seiner Würdigung des Sachverhalts gegen den Inhalt der Akten verstoßen oder die Gesetze der Logik verletzt habe, ist nicht ersichtlich. Es konnte zu seinem Ergebnis kommen; daß es dazu kommen mußte, ist nicht erforderlich.
Wie erwähnt, kommt es nur darauf an, wie die Bezüge der Mitarbeiter steuerlich einzuordnen sind. Dann ist aber nicht so sehr auf die formalen Abmachungen als auf die Durchführung dieser Abmachungen und insbesondere auf die Art der von den Mitarbeitern geleisteten Tätigkeit abzustellen. Daß die Mitarbeiter, wenn sie sich den Kunden der Stpfl. gegenüber unmittelbar verpflichtet hätten, als Arbeitnehmer anzusehen gewesen wären, kann bei der Art ihrer Tätigkeit, auch wenn sie eine Aushilfstätigkeit war, ebensowenig zweifelhaft sein wie die Tatsache, daß die Mitarbeiter ihre Tätigkeit trotz der Zwischenschaltung der Stpfl. bei deren Kunden tatsächlich nicht anders ausübten und ausüben konnten als die vertretenen eigenen Arbeitnehmer der Kunden. Auch wenn die Stpfl. und ihre Mitarbeiter die normalerweise mit einem Arbeitsverhältnis verbundenen arbeitsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Rechte und Pflichten ausschließen wollten, ist für die steuerliche Einordnung der Bezüge entscheidend, welche Art von Arbeitsleistung die Mitarbeiter bei den Kunden erbracht haben und ob diese Arbeitsleistung ebenso erbracht worden ist wie von den eigenen Angestellten der Kunden, die die Mitarbeiter der Stpfl. vertreten. Ob man, wenn sich das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiter durch die Aufnahme der Arbeit bei den Kunden konkretisiert hat, ein Arbeitsverhältnis allein zwischen der Stpfl. und dem Mitarbeiter oder ein aufgespaltetes Arbeitsverhältnis zwischen der Stpfl. und dem Kunden einerseits und dem Mitarbeiter andererseits annehmen darf, kann hier dahingestellt bleiben. Denn auf jeden Fall hat der Mitarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Arbeitgeberin im steuerlichen Sinne kann nur die Stpfl. sein, die die Bezüge an ihre Mitarbeiter zahlt und auch zu zahlen verpflichtet ist.
Wenn das FG bei den in Nr. 2 des Urteilstenors genannten Mitarbeitern ein Arbeitsverhältnis verneint, so ist das rechtlich nicht zu beanstanden. Daß ein Steuerpflichtiger freiberuflich tätig ist, schließt zwar, wie das FG ausführt, nicht aus, daß er daneben auch Arbeitnehmer sein kann. Ob die Nebentätigkeit ein Arbeitsverhältnis begründet, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Es entspricht aber der Rechtsprechung des BFH, daß die Art der Haupttätigkeit auf die Nebentätigkeit "abfärbt", wenn beide Tätigkeiten innerlich in Verbindung stehen und einander bedingen.
Was schließlich die Feststellung unter Nr. 4 des Urteilstenors angeht, daß die Stpfl. nicht in Anspruch genommen werden könne, soweit die Mitarbeiter bereits veranlagt seien, so kann es, weil das Urteil insoweit nicht angegriffen ist, dahingestellt bleiben, ob die Feststellung in dieser allgemeinen Form zutrifft. Der Senat faßt sie jedenfalls so auf, daß es unzulässig ist, die Stpfl. als Haftende anstelle der Arbeitnehmer selbst als erste in Anspruch zu nehmen. Die Frage, ob die Stpfl. nicht in Anspruch genommen werden könnte, wenn die Steuerschuld beim veranlagten Arbeitnehmer nicht einziehbar sein sollte, bleibt offen. Sie kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden.
Fundstellen
BStBl II 1968, 84 |
BFHE 1968, 289 |