Leitsatz (amtlich)
1. Wird der Anteil an einer OHG, der zum notwendigen Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers gehört, im Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe des Einzelunternehmens veräußert, so ist die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 4 EStG für beide Vorgänge gesondert zu prüfen.
2. Die Entscheidung über den für die Veräußerung des Anteils an der OHG zum Zuge kommenden Freibetrag bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der OHG ist für die Einkommensteuerveranlagung des Einzelunternehmers bindend.
Normenkette
AO §§ 215, 218; EStG 1971 § 16 Abs. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb in der Rechtsform eines Einzelunternehmens ein ... unternehmen. Zugleich war sie mit einem Anteil von 14,98 v. H. an einer OHG beteiligt, die alleinige Abnehmerin der im Einzelunternehmen erstellten Produkte war. Die Klägerin hatte die Beteiligung als notwendiges Betriebsvermögen in ihrer Steuerbilanz aktiviert.
Im Streitjahr 1971 gab die damals über 55jährige Klägerin ihr ... unternehmen auf. Da sie deswegen nicht mehr Gesellschafterin der OHG bleiben konnte, schied sie gleichzeitig mit der Einstellung ihres Einzelunternehmens aus der OHG aus. In der Aufgabebilanz des Einzelunternehmens auf den 1. November 1971 wurden die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens mit ihrem Teilwert angesetzt. Dazu rechnete die Klägerin auch ihren Anteil an der OHG (Teilwert 92 500 DM).
Bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der OHG wurde der Veräußerungsgewinn der Klägerin mit 55 000 DM ausgewiesen. Da dieser Betrag 14,98 v. H. aus 60 000 DM und 14,98 v. H. aus 200 000 DM überschritt, kam es bei der einheitlichen Gewinnfeststellung nicht zur Anwendung eines Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG 1971. Bei der Einkommensteuerveranlagung der Klägerin für das Streitjahr setzte der Beklagte und Revisionskläger (FA) den Gewinn aus der Veräußerung des OHG-Anteils in voller Höhe an und versteuerte ihn mit dem halben Steuersatz (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Den aus der Aufgabe des Einzelunternehmens entstandenen Aufgabegewinn in Höhe von 9 491 DM ließ das FA gemäß § 16 Abs. 4 EStG steuerfrei.
Dagegen machte die Klägerin im Rechtsbehelfsverfahren geltend, die Veräußerung des OHG-Anteils sei die Veräußerung eines zu ihrem Einzelunternehmen gehörenden Betriebsvermögensteils. Deshalb müsse der Gewinn aus der Veräußerung dieses Anteils in den Aufgabegewinn des Einzelunternehmens einbezogen werden mit der Folge, daß ihr der für den Fall der Betriebsaufgabe zum Zuge kommende Freibetrag in Höhe von 60 000 DM gewährt werden müsse.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren beim FG erhobene Klage hatte Erfolg. Zwar ging das FG davon aus, daß die Freibeträge in den Fällen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Veräußerung des ganzen Betriebs) und nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG (Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft) jeweils betriebsbezogen seien; Aufgabe des Betriebs des Einzelunternehmens und Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft seien wirtschaftlich getrennte Geschäftsvorfälle. Daher sei die Freibetragsregelung nach § 16 Abs. 4 EStG auch gesondert auf jeden der beiden Geschäftsvorfälle anzuwenden. Der Gewinn aus der Veräußerung des OHG-Anteils sei bei der einheitlichen Gewinnfeststellung richtig berechnet worden. Zu Unrecht habe das FA aber bei der Einkommensteuerveranlagung in den Aufgabegewinn des Einzelunternehmens das zu diesem Unternehmen gehörende Wirtschaftsgut "OHG-Beteiligung" nicht miteinbezogen. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 16 Abs. 3 EStG (Aufgabegewinn) gehöre auch der Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung an der OHG. Der Aufgabegewinn erhöhe sich damit auf (9 491 DM + 55 000 DM =) 64 491 DM. Nach § 16 Abs. 4 EStG könne von diesem Betrag der Freibetrag von 60 000 DM abgezogen werden. Der danach noch steuerpflichtige Betrag von 4 491 DM führe nicht zu einer Einkommensteuerschuld. Diese und die Ergänzungsabgabe 1971 sei daher auf 0 DM herabzusetzen.
Mit seiner Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG. Der Gewinn aus der Veräußerung des OHG-Anteils, so meint das FA, dürfe nicht in den Aufgabegewinn des Einzelunternehmens einbezogen werden. Andernfalls werde die bindende Wirkung der einheitlichen Gewinnfeststellung in unzulässiger Weise durchbrochen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält die Auffassung des FG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
1. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß Aufgabe des Einzelunternehmens und Veräußerung des Anteils an der OHG zwei voneinander getrennte Besteuerungstatbestände sind.
Das Einkommensteuergesetz unterscheidet in § 15 EStG mehrere Arten von Einkünften aus Gewerbebetrieb. Den Einkünften aus gewerblichen (Einzel-) Unternehmen (§ 15 Nr. 1 EStG) stellt es in § 15 Nr. 2 EStG u. a. die Gewinnanteile eines Gesellschafters einer OHG gegenüber. Diese Unterscheidung setzt sich in § 16 EStG fort für den Fall, daß ein Einzelunternehmen veräußert oder aufgegeben (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EStG) oder der Anteil eines Gesellschafters an einer Personengesellschaft veräußert wird (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Die in beiden Veräußerungsfällen jeweils anzuwendenden Freibeträge regelt § 16 Abs. 4 EStG nach unterschiedlichen Grundsätzen. Bei dem Freibetrag, der im Fall der Veräußerung eines Anteils an einer OHG anzuwenden ist, kommt es danach auf die Verhältnisse in der OHG an; der Maßstab für die Gewährung des Freibetrages ist der dem Anteil am Betriebsvermögen der OHG entsprechende Teil. Sinngemäß ist bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung in einer für das Veranlagungsverfahren des Gesellschafters bindenden Weise auch darüber zu befinden, ob und in welcher Höhe ein Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils steuerpflichtig oder gemäß § 16 Abs. 4 EStG steuerfrei ist (§§ 215, 218 Abs. 2 AO; Beschluß des BFH vom 28. März 1974 IV B 58/73, BFHE 112, 171, BStBl II 1974, 459).
2. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie im Streitfall zutreffend angenommen wurde - die Beteiligung an der OHG zum notwendigen Betriebsvermögen des Einzelunternehmers gehört und die Beteiligung an der OHG im Zusammenhang mit der Aufgabe des Einzelunternehmens veräußert wird. Auch in diesem Fall bestimmen sich die Folgen der Veräußerung des OHG-Anteils gesondert von denen der Aufgabe des Einzelunternehmens. Denn die zwingende, auch die Frage der Freibetragsregelung nach § 16 Abs. 4 EStG einbeziehende Wirkung der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung darf auch in diesem Falle nicht durchbrochen werden. Daraus folgt aber auch, daß der Gewinn aus der Veräußerung des OHG-Anteils nicht Teil des Aufgabegewinns des Einzelunternehmens sein kann. Das FG hat diesen Grundsatz der getrennten Gewinnermittlung für Einzelunternehmen einerseits und Personengesellschaft andererseits verkannt. Es hat nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Ansatz der Beteiligung des Einzelunternehmers an der OHG im Betriebsvermögen des Einzelunternehmens für die ertragsteuerliche Gewinnermittlung im wesentlichen seine selbständige Bedeutung verliert. Der Senat hat dies im BFH-Urteil vom 23. Juli 1975 I R 165/73 (BFHE 117, 30, BStBl II 1976, 73) für die Beteiligung einer Aktiengesellschaft an einer Personenhandelsgesellschaft im einzelnen dargelegt. Für die Beteiligung eines Einzelunternehmers an einer Personenhandelsgesellschaft gilt nichts anderes. So ist z. B. für eine Abschreibung der Beteiligung auf den niedrigeren Teilwert bei der Gewinnermittlung des Einzelunternehmens ebensowenig Raum wie für die Besteuerung eines Entnahmegewinns, wenn die OHG-Beteiligung vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt wird.
Wird danach der Anteil an einer OHG, der zum notwendigen Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers gehört, im Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe des Einzelunternehmens veräußert, so ist die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 4 EStG für beide Vorgänge gesondert zu prüfen. Die Entscheidung über den für die Veräußerung des Anteils an der OGH zum Zuge kommenden Freibetrag bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der OHG ist für die Einkommensteuerveranlagung des Einzelunternehmers bindend.
Da die Vorentscheidung von einer abweichenden Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das FA hat § 16 Abs. 4 EStG zutreffend angewandt. Die Klage ist daher als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 72218 |
BStBl II 1977, 259 |
BFHE 1977, 222 |