Leitsatz (amtlich)
1. Als Anzahlung im Sinn des § 1 Abs. 2 der Ersten Konjunkturverordnung ist jeder Betrag anzusehen, den die Beteiligten als Anzahlung vereinbart haben.
2. Wird die Anzahlung durch Scheck geleistet, so ist als Zeitpunkt der Anzahlung die Hingabe des Schecks an den Lieferanten maßgebend.
Normenkette
Erste Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen vom 10. Februar 1967 (BStBl I 1967, 19) § 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen) für einen im Oktober 1967 bestellten Opel Kadett Caravan die Sonderabschreibung in Höhe von 10 % der Anschaffungskosten nach § 1 der Ersten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen vom 10. Februar 1967 - 1. Konjunkturverordnung - (BStBl I 1967, 19) geltend machen können. Die Anschaffungskosten des Opels betrugen 5654,50 DM, der Wagen wurde im November 1967 geliefert, der steuerpflichtige Ehemann hatte auf den Kaufpreis eine Anzahlung in Höhe von 100 DM gemacht.
Das FA versagte die begehrte Sonderabschreibung. Die Anzahlung von 100 DM reiche für die Gewährung der Steuervergünstigung nicht aus. Es entspreche dem Sinn und Zweck der 1. Konjunkturverordnung, die Sonderabschreibung nur dann zu gewähren, wenn im Begünstigungszeitraum eine angemessene Anzahlung auf den Kaufpreis für bestellte Wirtschaftsgüter geleistet worden den sei. Das könne angenommen werden, wenn sie wenigstens 2 v. H. des Kaufpreises, mindestens 10 000 DM betrage. Daran fehle es im Streitfall. Im übrigen sei die Anzahlung durch Hingabe eines Schecks erfolgt, dessen Empfang vom Lieferanten am 31. Oktober 1967 quittiert sei. Erst am 6. November 1967 sei der Scheckbetrag dem Steuerpflichtigen von seiner Bank belastet worden. Die Anzahlung sei demnach nicht, wie es § 1 Abs. 2 der 1. Konjunkturverordnung verlange, vor dem 1. November 1967 erfolgt.
Die Sprungklage der Steuerpflichtigen gegen den ablehnenden Einkommensteuerbescheid 1967 hatte im Streitpunkt Erfolg. Nach Auffassung der Vorinstanz hat der Steuerpflichtige innerhalb des Begünstigungszeitraumes, also vor dem 1. November 1967, das Fahrzeug nicht nur bestellt, sondern auch eine Anzahlung geleistet. Dafür, daß nur eine solche Anzahlung genüge, die in einem angemessenen Verhältnis zu den gesamten Anschaffungskosten stehe, wie teilweise in der Literatur verlangt werde und wie auch nach dem Erlaß der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg 52 - S 2185 - 16/67 vom 16. Juni 1967 sowie dem Erlaß des Niedersächsischen Finanzministers S 2185 - 2/31.1 vom 6. Juli 1967 (DB 1967, 1197) erforderlich sei, ergebe sich aus der Verordnung nichts. Aus Abschnitt B der Amtlichen Begründung zu § 1 Abs. 2 der Konjunkturverordnung (BT-Drucksache V/1341) folge für das Erfordernis der Anzahlung lediglich, daß hierdurch eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Sonderabschreibung durch Zurückdatierung von Bestellungen verhindert werden solle. Diese Nachweisfunktion erfülle aber bereits eine geringfügige Anzahlung. In der Anzahlung von 100 DM liege auch kein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts. Die Anzahlung sei auch vor dem 1. November 1967 geleistet. Dies ergebe sich aus dem Urteil des BFH VI R 81/67 vom 8. November 1968 (BFH 94, 140, BStBl II 1969, 76), wonach bei einer Zahlung durch Hingabe eines Schecks für den Zeitpunkt der Leistung auf die Leistungshandlung und nicht auf den Leistungserfolg abgestellt werde. Soweit sich das FA unter Hinweis auf §§ 1 Abs. 6 und 2 Abs. 2 des Investitionszulagengesetzes vom 18. August 1969, BStBl I 1969, 477, auf hierzu ergangene Verwaltungsanweisungen (Abschn. 6 Abs. 4 des Schreibens des BdF IV B/2 - S 1987 - 9/70 vom 12. Februar 1970, BStBl I 1970, 226) berufe, wonach eine Anzahlung stets erst dann geleistet sei, wenn die Anzahlungsverpflichtung erfüllt und damit der Leistungserfolg eingetreten sei, könne dieser Auffassung jedenfalls für die Auslegung der 1. Konjunkturverordnung nicht gefolgt werden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Nach § 1 Abs. 2 der 1. Konjunkturverordnung können die Abschreibungen nach Abs. 1 auch für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in Anspruch genommen werden, die vom Steuerpflichtigen innerhalb des Begünstigungszeitraums bestellt und angezahlt worden sind, wenn die Wirtschaftsgüter innerhalb eines Jahres, bei Schiffen innerhalb zweier Jahre nach Ablauf des Begünstigungszeitraums geliefert oder fertiggestellt werden. Nach § 1 Abs. 1 der 1. Konjunkturverordnung läuft der Begünstigungszeitraum vom 20. Januar bis zum 31. Oktober 1967. Erforderlich ist also im Streitfall nach § 1 Abs. 2 der 1. Konjunkturverordnung, daß der Steuerpflichtige den Opel noch vor dem 1. November 1967 bestellte, daß er ihn vor diesem Zeitpunkt anzahlte und daß der Opel innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Begünstigungszeitraums, also in der Zeit zwischen dem 31. Oktober 1967 und dem 1. November 1968 geliefert wurde. Daß die Bestellung des Opels rechtzeitig erfolgte, daß er auch rechtzeitig geliefert wurde, ist unstreitig. Streitig ist lediglich, ob der Steuerpflichtige noch vor dem 1. November 1967 auch eine Anzahlung leistete.
1. Die Auffassung der Vorinstanz, daß die 100 DM eine Anzahlung im Sinne der genannten Bestimmung darstellen, ist zutreffend. Weder dem Wortlaut noch dem von der Vorinstanz zutreffend hervorgehobenen Sinn der Verordnung läßt sich entnehmen, daß nur Anzahlungen in Höhe bestimmter Mindestbeträge, insbesondere gemessen am Gesamtkaufpreis, als Anzahlungen im Sinne der Vorschrift anzusehen seien. Der Verordnung kann auch nicht entnommen werden, daß mit Leistung einer Anzahlung der Besteller einen irgendwie ins Gewicht fallenden Beitrag zur Finanzierung des Lieferanten leisten sollte. Entscheidend ist die Belebung der Investitionsgüterindustrie durch Anschaffungen und Herstellungen, im Fall des § 1 Abs. 2 der Verordnung durch Bestellungen. Daß der Erwerber die angeschafften Wirtschaftsgüter schon bezahlt hat, verlangt die Verordnung auch in den Fällen des § 1 Abs. 1 nicht. Die Leistung einer Anzahlung kann daher in der Tat nur den Sinn haben, die Rückdatierung von Bestellungen, die sonst ohne weiteres möglich und von der Finanzverwaltung nur schwer feststellbar wäre, zu verhindern, mindestens erheblich zu erschweren. Auf die Höhe der Anzahlung kann es daher nicht ankommen. Es ließen sich hierfür auch keine Maßstäbe finden. Es muß vielmehr jeder Betrag als Anzahlung gelten, der nach dem Willen der Beteiligten als Anzahlung geleistet wurde. Daß aber etwa die vom Steuerpflichtigen an die Lieferfirma gezahlten 100 DM keine Anzahlung sein sollten, wurde weder vom FA behauptet noch von der Vorinstanz festgestellt.
2. Dem FG ist auch darin zu folgen, daß mit der Übergabe des Schecks an die Lieferfirma "angezahlt" wurde. Anzahlung ist eine Vorwegzahlung, durch die die Verbindlichkeit in Höhe der Anzahlung zum Erlöschen gebracht wird. Dies tritt bei Anzahlungen durch Scheck nach § 364 II BGB im Zweifel erst in dem Zeitpunkt ein, in dem die Schuld aus dem Scheck erlischt, also im Zeitpunkt der Gutschrift des Scheckbetrags auf dem Konto des Scheckempfängers. Die Hingabe des Schecks selbst erfolgt nicht mit Erfüllungswirkung, sondern lediglich erfüllungshalber. Fraglich ist aber, ob die Hingabe eines Schecks nicht doch für den Zeitpunkt der Anzahlung als solcher genügt, nämlich unter dem Gesichtspunkt der zur Zahlung erforderlichen Leistungshandlung des Anzahlenden.
Die Rechtsprechung des BFH zu dieser Frage schwankt. Im Urteil IV 262/52 U vom 5. Dezember 1952 (BFH 57, 124, BStBl III 1953, 49) wird die Hingabe eines § 7 c-Zuschusses, der durch Scheck geleistet wird, erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Scheckempfängers als bewirkt angesehen. Hingegen wird im Urteil VI R 81/67 vom 8. November 1968 (BFH 94, 140, BStBl II 1969, 76) - in Weiterentwicklung der im Urteil VI 20/61 vom 1. Dezember 1961 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 11, Rechtsspruch 31) entwickelten Grundsätze - eindeutig die Auffassung vertreten, daß der Abfluß im Sinn des § 11 Abs. 2 EStG bereits mit Hingabe des Schecks vorliege. Die Entscheidung legt in diesem Zusammenhang u. a. dar: "Es ist seit langem anerkannt, daß es für die Rechtzeitigkeit einer Zahlung genügt, wenn der Gläubiger den Scheck innerhalb der Zahlungsfrist erhält, vorausgesetzt, daß der Leistungserfolg später eintritt. Für den im bargeldlosen Zahlungsverkehr noch bedeutsameren Verrechnungsscheck gilt das gleiche (vgl. Urteil des BGH II ZR 120/63 vom 7. Oktober 1965, BGHZ 44, 178, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung; Palandt, BGB, 27. Aufl. § 270 Anm. 2 c; Baumbach-Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 9. Aufl. S. 351). Die rechtliche Möglichkeit, daß der Scheck gesperrt oder widerrufen wird, wird dabei außer Betracht gelassen. Andernfalls wäre der im Interesse aller Beteiligten liegende bargeldlose Zahlungsverkehr wenig wirkungsvoll. Im bargeldlosen Zahlungsverkehr wird die Hingabe des Schecks mehr und mehr als Zahlungsmittel angesehen, wenn auch die Möglichkeit, daß der Scheck nicht eingelöst wird, wie gesagt, rechtlich dazu führt, daß die Scheckhingabe zwar als Leistung, jedoch noch nicht als Erfüllung angesehen wird."
Der Senat schließt sich dieser Auffassung für die Frage, ob der Steuerpflichtige "angezahlt" hat im Sinn des § 1 Abs. 2 der 1. Konjunkturverordnung, an. Es liegen keine zwingenden Erfordernisse vor, entgegen den unter Kaufleuten bestehenden Üblichkeiten in ihrem Verhältnis zueinander auf den Zahlungserfolg statt auf die Zahlungshandlung abzustellen. Weder der Wortlaut des Gesetzes noch sein Sinn verlangen solches. Mit Recht führt die Vorinstanz hierzu auch aus, die Nachweisfunktion der Anzahlung werde bei Anzahlung durch Scheck bereits mit der Hingabe des Schecks erfüllt. Scheckhingaben werden im allgemeinen auch in der Buchführung der Beteiligten wie Barzahlungen behandelt (durch Scheckausgangs- und Scheckeingangsbuchungen). Wird der Scheck später nicht eingelöst, so werden die beiderseitigen Buchungen storniert. Ob in anderen Fällen, namentlich in Fällen, in denen auf geleistete Anzahlungen erhöhte Absetzungen für Abnutzung vorgenommen werden dürfen (z. B. nach § 14 Abs. 4 BHG 1968) oder in denen für Anzahlungen Investitionszulagen gewährt werden (vgl. §§ 1 Abs. 6, 2 Abs. 3 des Investitionszulagengesetzes vom 18. August 1969), auf den Leistungserfolg, nicht auf die Leistungshandlung abzuheben ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Für die Auslegung des § 1 Abs. 2 der 1. Konjunkturverordnung hält er bei Anzahlung durch Scheck die Hingabe des Schecks, also die Leistungshandlung für ausreichend, vorausgesetzt selbstredend, daß der Scheck alsbald eingelöst, der Scheckbetrag auf dem Konto des Scheckempfängers gutgeschrieben wird.
Fundstellen
BStBl II 1971, 94 |
BFHE 1971, 501 |