Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 7b-Absetzungen des ,,Zweiterwerbers" nach Rückgängigmachung des Kaufvertrags betreffend den Ersterwerb; Kostenentscheidung hinsichtlich der Beigeladenen
Leitsatz (NV)
1. Wird ein Kaufvertrag über ein Einfamilienhaus rückgängig gemacht, nachdem der Erwerber hieran wirtschaftliches Eigentum erlangt hatte, so kann ein weiterer Käufer nicht mehr Ersterwerber, sonder nur noch Zweiterwerber im Sinne des § 7 b EStG 1975 sein (Anschluß an bisherige Rechtsprechung).
2. Die Regelung des § 7 b Abs. 4 Satz 1 EStG 1975, wonach ein Zweiterwerber erhöhte Absetzungen im Sinne dieser Vorschrift in Anspruch nehmen kann, wenn sie weder der Bauherr noch der Zwischenerwerber in Anspruch genommen hat, bedeutet, daß die erhöhten Absetzungen gänzlich wegfallen, wenn sie dem Rechtsvorgänger - und sei es auch nur für ein Jahr - gewährt worden sind.
3. Sind zum finanzgerichtlichen Verfahren Beigeladene im Revisionsverfahren nicht vertreten gewesen und ist auch nicht erkennbar, daß ihnen besondere außergerichtliche Kosten entstanden sind, bedarf es im Revisionsverfahren keiner Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Normenkette
EStG 1975 § 7b Abs. 1, 3-4; StAnpG § 11 Nr. 4; FGO §§ 57, 60, 135 Abs. 2, 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), die bei der Einkommensteuer zusammenveranlagt werden, erwarben durch notariellen Kaufvertrag vom 13. Mai 1975 ein Einfamilienhaus, für das ihnen vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) antragsgemäß für die Streitjahre 1975, 1976 und 1978 erhöhte Absetzungen gemäß § 7 b EStG gewährt wurden. Nach Kenntnis des nachfolgend geschilderten Sachverhalts änderte das FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) die Einkommensteuerbescheide für 1975, 1976 und 1978, indem es nunmehr die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG versagte.
Der Bauherr des von den Klägern erworbenen Einfamilienhauses hatte dieses bereits am 24. Juli 1974 an die vom Finanzgericht (FG) auf Antrag des FA zum Verfahren beigeladenen Eheleute X (Beigeladene) veräußert. In dem Vertrag war u.a. vereinbart worden, daß der Besitz am 1. August 1974 und die mit dem Grundbesitz verbundenen Rechte und Nutzungen wie auch die damit verbundenen öffentlichen Lasten am 1. September 1974 auf die Beigeladenen übergehen sollten. Für sie wurde im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Sie zogen am 1. September 1974 in das Haus ein.
Nachdem zwischen den Beigeladenen und dem Veräußerer Differenzen aufgetreten waren, schlossen sie am 13. Januar 1975 einen notariellen Ergänzungsvertrag, in dem den Beigeladenen ein bis zum 31. Dezember 1975 befristetes Rücktrittsrecht eingeräumt wurde. Dieses sollte nur unter der Bedingung gelten, daß die Beigeladenen einen solventen Käufer für das Haus stellten, der das Haus bis spätestens 31. Dezember 1975 für mindestens 260 000 DM übernahm. Ein etwaiger Mehrerlös sollte bis zu einem Betrag von 15 000 DM dem Veräußerer und ein über diesen Betrag hinausgehender Mehrerlös bis zu 40 000 DM den Beigeladenen zustehen. Ein über 315 000 DM liegender Kaufpreis sollte zwischen dem Veräußerer und den Beigeladenen aufgeteilt werden.
In dem Ergänzungsvertrag war weiter vereinbart worden, daß die Beigeladenen ab 1. September 1974 eine monatliche ,,Nutzungsentschädigung" von 1 500 DM nebst allen Nebenkosten für Heizung, Kanal, Grundsteuer, Müllabfuhr, Gas, Wasser, Straßenreinigung und Versicherung bis zum 15. Oktober 1975 zu zahlen hatten, soweit nicht vorher ein Käufer diese Belastungen übernahm. Für den Fall, daß bis zum 31. Dezember 1975 kein Käufer gefunden war, sollten die Beigeladenen ab 16. Oktober 1975 alle mit dem Grundbesitz verbundenen Lasten und Abgaben tragen; bis zum 15. Oktober 1975 wurden sie von diesen Belastungen freigestellt.
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machten die Kläger wie bisher geltend, daß entgegen der Ansicht des FA die Beigeladenen nicht wirtschaftliche Eigentümer des Einfamilienhauses geworden seien. Demzufolge seien sie, die Kläger, Ersterwerber und damit zur Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG berechtigt.
Das FG wies die Klage durch sein wegen der Kostenentscheidung in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 188 veröffentlichtes Urteil in diesem Streitpunkt ab.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorentscheidung verletzt nicht § 7 b Abs. 3 EStG i.d.F. vom 5. September 1974 (BGBl I 1974, 2169, BStBl I 1974, 733 - EStG 1975 -).
Nach § 7 b Abs. 3 EStG 1975 kann der Rechtsnachfolger des Bauherrn (Ersterwerber) die erhöhten Absetzungen i. S. des Abs. 1 vornehmen, wenn das Eigentum an einem Einfamilienhaus innerhalb von acht Jahren nach der Fertigstellung auf einen anderen übergeht, soweit der Bauherr sie nicht geltend gemacht hat. Die Rechtsprechung des BFH hat es nicht für erforderlich gehalten, daß der Rechtsnachfolger des Bauherrn (Ersterwerber) rechtlicher Eigentümer des erworbenen Grundstücks wird, sondern hat es genügen lassen, wenn er wirtschaftliches Eigentum erlangte, selbst wenn es zur Erlangung des zivilrechtlichen Eigentums nicht kam (Urteile vom 15. März 1973 VIII R 90/70, BFHE 109, 254, BStBl II 1973, 591, und in BFHE 109, 257, BStBl II 1973, 593). Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Beigeladenen die Stellung von wirtschaftlichen Eigentümern erlangt hatten mit der Folge, daß diese und nicht die Kläger Ersterwerber des Einfamilienhauses waren. Die Bejahung von Eigenbesitz der Beigeladenen ist frei von Rechtsirrtum. Denn sie hatten am 1. September 1974 die mit dem Grundbesitz verbundenen Rechte und Nutzungen sowie die damit zusammenhängenden Lasten übernommen und sich bereits am 1. August 1974 in den Besitz des Hauses gesetzt, und zwar mit dem Ziel des rechtlichen Eigentumserwerbs. Die Beigeladenen waren hiernach Eigenbesitzer (§ 11 Nr. 4 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Die Beigeladenen waren zudem aufgrund der erklärten Auffassung und der ins Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung in der Lage, den Veräußerer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut auszuschließen. Die Beigeladenen haben ihre Position als wirtschaftliche Eigentümer durch den Ergänzungsvertrag nicht verloren. Denn diese Rechtsposition ist durch den Ergänzungsvertrag unbeeinflußt geblieben. Sie entsprach auch der Interessenlage des Veräußerers, der die Erwerber nur um den Preis des Nachweises eines anderen und solventen Käufers aus dem Vertrag entlassen wollte. Hieraus folgt, daß der Veräußerer selbst an der Weggabe seines wirtschaftlichen Eigentums und damit an dem Ausschluß der Einwirkungsmöglichkeit auf das Wirtschaftsgut auf Dauer festhalten wollte.
Dieses Ergebnis wird auch noch durch die Überlegung bestätigt, daß die Beigeladenen durch ihre Verpflichtung, einen neuen Erwerber für das Einfamilienhaus zu finden, sich wirtschaftlich in der Position befanden wie ein Eigentümer, der ein Wirtschaftsgut veräußern will. Hier kommt hinzu, daß die Beigeladenen bei Vorliegen bestimmter Umstände sogar an einem höheren Veräußerungserlös partizipiert hätten.
Das wirtschaftliche Eigentum der Beigeladenen ist nicht dadurch wirkungslos geworden, daß der Ergänzungsvertrag die Zahlung einer Nutzungsentschädigung mit weiteren Leistungen rückwirkend ab 1. September 1974 vorsah. Eine solche Vereinbarung könnte allenfalls Wirkung für die Zukunft entfalten. An dem einmal von den Beigeladenen erlangten wirtschaftlichen Eigentum und ihrer Stellung der Ersterwerber ändert sich indessen hierdurch nichts.
Die Kläger meinen zu Unrecht, daß sich aus dem Urteil in BFHE 137, 456, BStBl II 1983, 315 etwas Gegenteiliges ergebe. Sie verkennen, daß in diesem Fall bereits bei Abschluß des Kaufvertrages ein Rücktrittsrecht vorgesehen war und nicht erst nachträglich vereinbart wurde. Die Entscheidung erging im übrigen zur Auslegung des § 7 b Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 EStG 1977, wobei es nur darum ging, ob ein bei Vertragsabschluß vereinbartes und wirksam ausgeübtes Rücktrittsrecht als Veräußerung i. S. dieser Vorschrift zu werten war, was bei Bejahung zur Folge gehabt hätte, daß der nochmalige Erwerb desselben Objektes zu einer Versagung der erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG geführt hätte. Dieser Fall ist mit dem hier zu entscheidenden schon deshalb nicht zu vergleichen, weil erst nach dem Abschluß des Kaufvertrages eingetretene Umstände zur Vereinbarung eines nachträglichen Rücktrittsrechts geführt haben.
Der Senat hat noch erwogen, ob dem Begehren der Kläger nicht deshalb hätte stattgegeben werden müssen, weil nach dem Gesetz zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung vom 23. Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3676, BStBl I 1975, 48) in den § 7 b EStG 1975 ein Absatz 4 eingefügt wurde, durch den auch Zweiterwerber die erhöhten Absetzungen nach Absatz 1 Satz 1 in Anspruch nehmen konnten. Diese Regelung war nach § 52 Abs. 10 a EStG 1975 erstmals auf nach dem 30. November 1974 vom Zweiterwerber angeschaffte Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen anzuwenden. Der zeitliche Geltungsbereich des § 7 b EStG 1975 würde hiernach auch den durch notariellen Kaufvertrag vom 13. Mai 1975 beurkundeten Erwerb des Einfamilienhauses erfassen. Die Wortfassung des § 7 b Abs. 4 EStG 1975 deckt jedoch den hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht ab.
Zwar liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift insoweit vor, als das Einfamilienhaus i. S. des Absatzes 1 Satz 1 innerhalb von acht Jahren nach der Fertigstellung nach einem Zwischenerwerb auf einen neuen Erwerber (Zweiterwerber), nämlich die Kläger, übergegangen ist. Weitere Voraussetzung ist jedoch, daß weder der Bauherr noch der Zwischenerwerber die erhöhten Absetzungen geltend gemacht haben. Der Senat geht davon aus, daß dies zwar für den Veräußerer, nicht jedoch für die Beigeladenen als Zwischenerwerber zutrifft. Er schließt dies daraus, daß die Beigeladenen in dem Verfahren vor dem FG sich gegen diese Feststellungen des FG nicht gewandt haben. Demzufolge können den Klägern die erhöhten Absetzungen nach § 7 b Abs. 4 EStG - jedenfalls für 1975 - bereits aus diesem Grunde nicht gewährt werden.
Allerdings sind die erhöhten Absetzungen von den Beigeladenen nur für die Jahre 1974 und 1975 und von den Klägern für die Jahre 1975, 1976 und 1978 in Anspruch genommen worden. Der Senat hat geprüft, ob den Klägern nicht für den restlichen Begünstigungszeitraum ab 1976 die erhöhten Absetzungen zuzubilligen gewesen wären. Dies ist jedoch aufgrund eines Vergleiches der Wortfassung des § 7 b Abs. 4 Satz 1 mit der des Absatzes 3 Satz 1 EStG zu verneinen. § 7 b Abs. 3 Satz 1 EStG gestattet dem Rechtsnachfolger des Bauherrn die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen, soweit der Bauherr sie nicht geltend gemacht hat. Demgegenüber kommen die erhöhten Absetzungen nach § 7 b Abs. 4 Satz 1 EStG für den Zweiterwerber nur in Betracht, wenn sie weder Bauherr noch Zwischenerwerber in Anspruch genommen hat. Das hat zur Folge, daß die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG gänzlich wegfallen, wenn sie dem Rechtsvorgänger - und sei es auch nur für ein Jahr - gewährt worden sind. Diese Auslegung nach dem Wortlaut wird auch bestätigt durch die Entstehungsgeschichte. Es sollte nicht jeder Zweiterwerb nach einem Zwischenerwerb begünstigt werden; vielmehr sollte nur eine Verbesserung der angespannten Gesamtlage der Wohnungswirtschaft erreicht werden (vgl. im einzelnen Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7 b EStG Rdnr. 254).
Da die Kläger mit ihrem Rechtsmittel keinen Erfolg gehabt haben, waren ihnen gemäß § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen. Für eine besondere Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen i. S. von § 139 Abs. 4 FGO sieht der Senat keine Veranlassung. Die Beigeladenen sind im Revisionsverfahren nicht vertreten gewesen und es ist auch nicht erkennbar, daß ihnen besondere außergerichtliche Kosten entstanden sind.
Fundstellen
Haufe-Index 414224 |
BFH/NV 1986, 406 |