Leitsatz (amtlich)
1. Eine Verwendung zu dem vertragsmäßigen Zweck im Sinn des § 5 Abs. 2 WoPG liegt bei vorzeitiger Rückzahlung des Bausparguthabens eines Bausparers insoweit nicht vor, als die nach den prämienrechtlichen Bestimmungen geförderte wohnungswirtschaftliche Maßnahme bereits bezahlt ist und die hierfür verwendeten Eigenmittel durch das Bausparguthaben ersetzt werden sollen.
2. Eine prämienunschädliche Verwendung des Bausparguthabens zur Ablösung von Verbindlichkeiten, die in Zusammenhang mit dem Erwerb eines Wohngebäudes eingegangen worden waren, liegt nur vor, soweit es sich um Verpflichtungen gegenüber Dritten handelt, nicht aber bei Verpflichtungen mehrerer Erwerber untereinander.
2. Für die Frage, ob sich die Verjährung eines Anspruchs auf Rückzahlung von Wohnungsbau-Prämien nach den §§ 144, 145 AO i. d. F. des AOÄG vom 15. September 1965 (BGBl I 1965, 1356, BStBl I 1965, 643) oder nach den vorher geltenden Vorschriften richtet, ist maßgebend, wann der Anspruch auf die Wohnungsbau-Prämie, die zurückgefordert werden soll, entstanden ist.
Normenkette
WoPG § 5 Abs. 2; AO §§ 144-145
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloß im September 1962 einen Bausparvertrag über 15 000 DM ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) gewährte darauf für die Jahre 1964 bis 1966 Prämien von je 400 DM. Im Dezember 1967 überwies die Bausparkasse das Bausparguthaben in Höhe von rd. 11 000 DM auf das Sparkonto des Klägers. Von diesem Konto legte der Kläger im Februar und im Juni 1968 je 5 000 DM in seinen Betrieb ein und im September 1968 weitere 1 500 DM.
Die Ehefrau des Klägers erwarb am 27. Januar 1967 von ihrem Vater für 70 000 DM ein bebautes Grundstück. Auf den Kaufpreis wurden folgende Zahlungen geleistet: Zwischen dem 2. Januar und dem 3. Mai 1967 durch den Kläger insgesamt 11 250 DM, zwischen dem 3. Mai und dem 28. Dezember 1967 durch die Ehefrau des Klägers 3 500 DM, ab 1. Januar 1968 durch die Ehefrau monatlich 750 DM und ab 1. Januar 1969 durch die Ehefrau monatlich 500 DM.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung im Juni 1971 erfuhr das FA von der vorzeitigen Auszahlung der Bausparsumme. Es war der Auffassung, die Bausparsumme sei nicht zum Wohnungsbau verwendet worden und forderte mit Bescheid vom 16. August 1971 die Prämien für die Jahre 1965 und 1966 und mit Bescheid vom 25. November 1971 die Prämie für 1964 zurück.
Der Einspruch war erfolglos.
Die Klage wurde abgewiesen. Das FG veneinte eine unmittelbare Verwendung des ausgezahlten Bausparguthabens. Eine unmittelbare Verwendung ergebe sich auch dann nicht, wenn man die Eheleute hinsichtlich der Verwendung als Einheit ansehe. Die Ehefrau des Klägers habe das Bausparguthaben nicht zur Tilgung des Restkaufpreises verwendet. Die Tatsache, daß die Ehefrau den Restkaufpreis nach dem Zeitpunkt der Auszahlung des Bausparguthabens in Raten getilgt habe, genüge nicht, denn zur Tilgung sei nicht das ausgezahlte Bausparguthaben verwendet worden. Dies sei vielmehr in den Betrieb des Klägers eingelegt worden. Das Bausparguthaben sei auch nicht zur Tilgung einer im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb eingegangenen Verpflichtung verwandt worden. Das wäre überhaupt nur in der Weise denkbar gewesen, daß der Kläger mit seinen Zahlungen auf den Kaufpreis seiner Ehefrau Darlehen gewährt hätte, welche die Ehefrau sodann mit dem Bausparguthaben getilgt haben könnte. Dem stehe indes entgegen, daß der Kläger die Zahlungen aufgrund seiner eigenen Verpflichtung als Gesamtschuldner (§ 5 des notariellen Kaufvertrags über das erworbene Grundstück vom 24. Januar 1967) geleistet habe. Die Tilgung etwaiger Ausgleichsverpflichtungen (§ 426 BGB) wäre keine unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau; denn diese Verpflichtungen ständen nicht mehr hinreichend in Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb der Ehefrau des Klägers. Abgesehen davon beständen darüber hinaus zwischen den Eheleuten selbst Unklarheiten darüber, ob eine Ausgleichsverpflichtung noch bestehe.
Der Rückzahlung der Prämie für 1964 stehe der Einwand der Verjährung nicht entgegen. Seit dem Inkrafttreten des AOÄG vom 15. September 1965 (BGBl I 1965, 1356, BStBl I 1965, 643) verjährten Rückforderungsansprüche zwar in fünf Jahren (vgl. Urteil des BFH vom 28. April 1972 VI R 74/70, BFHE 106, 177, BStBl II 1972, 812). Für die Verjährung des Rückforderungsanspruchs hinsichtlich der Prämie für 1964 gelte jedoch noch altes Recht (Art. 5 AOÄG), da die Prämie im Jahre 1965 gewährt worden sei. Für diese vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 15. September 1965 entstandenen Rückforderungsansprüche halte der BFH an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Das ergebe sich schlüssig aus dem Urteil vom 6. April 1971 VI 161/67 (BFHE 102, 343, BStBl II 1971, 610), das Rückforderungsansprüche betreffe, die vor dem 1. Januar 1966 gewährte Prämien zum Gegenstand hatten.
Mit der Revision beantragt der Kläger Aufhebung der Vorentscheidung und der Rückforderungsbescheide über die Wohnungsbau-Prämie. Er rügt Verletzung des § 2 Abs. 2 WoPG und der §§ 144, 145 AO. Zur Begründung führt er aus, das vorzeitig ausgezahlte Bausparguthaben sei zur Bezahlung des Grundstücks verwendet worden. Da Ehegatten hinsichtlich der Bestimmungen des Wohnungsbau-Prämiengesetzes als Einheit anzusehen seien, müsse die Verwendung für den Wohnungsbau immer dann bejaht werden, wenn ein Ehegatte die Bausparmittel für den begünstigten Zweck verwende. Nach der Auszahlung seien die im Urteilstatbestand des FG angegebenen Beträge an den Verkäufer überwiesen worden. Aus der Behandlung der Ehegatten als Einheit folge, daß es nicht darauf ankomme, auf wessen Konto die ausgezahlten Gelder verbucht und später eventuell umgebucht würden. Hierbei handele es sich um interne buchungstechnische Vorgänge, die dann unschädlich sein müßten, wenn die Bausparmittel für einen begünstigten Zweck verwendet würden. Der Kläger habe das Bausparguthaben aber auch zur Tilgung einer in Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb eingegangenen Verpflichtung verwendel. Mit der Zahlung in der Zeit vom 1. Januar 1967 bis 31. Mai 1967 in Höhe von 11 250 DM habe er keine eigenen Verbindlichkeiten, sondern solche seiner Ehefrau erfüllen wollen. Ihm stehe insoweit eine Ausgleichsforderung zu. Der Rückforderungsanspruch in bezug auf die Wohnungsbau-Prämie 1964 sei im übrigen verjährt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die vorzeitige Auszahlung eines Bausparguthabens steht der Rückforderung von Wohnungsbau-Prämien nach § 5 Abs. 2 WoPG nur dann entgegen, wenn die Prämien und die prämienbegünstigten Aufwendungen zu dem vertragsmäßigen Zweck verwendet werden. Vertragsmäßiger Zweck ist bei Bausparverträgen die "Verwendung zum Wohnungsbau" (§ 2 Abs. 2 letzter Halbsatz WoPG in Verbindung mit § 2 Abs. 3 WoPDV). Wann eine "Verwendung zum Wohnungsbau" vorliegt, ergibt sich weder aus dem WoPG noch aus der WoPDV. Nach Abschn. 4 Abs. 4 WoPR 1960 finden die zu § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG ergangenen Bestimmungen der EStR entsprechende Anwendung. Nach Abschn. 94 Abs. 4 EStR 1965 gelten die in Abschn. 92 Abs. 2 EStR bezeichneten Zwekke auch als "Wohnungsbau" im Sinn der Nachversteuerungsvorschriften. Verwendung zum Wohnungsbau ist hiernach u. a. die Verwendung zum Erwerb eines Wohngebäudes und zur Ablösung von Verpflichtungen (z. B. Hypotheken), die der Steuerpflichtige in Zusammenhang mit dem Erwerb eines Wohngebäudes eingegangen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. insbesondere das Urteil vom 18. September 1959 VI 187/58 U, BFHE 69, 546, BStBl III 1959, 464) entspricht diese Umschreibung dem Gesetz.
Es ist dem FG darin beizupflichten, daß eine solche Verwendung des ausgezahlten Bausparguthabens zum Wohnungsbau im Streitfall nicht erfolgt ist. Entscheidend ist, daß damit nicht der Kaufpreis für das von der Ehefrau des Klägers erworbene Grundstück teilweise bezahlt worden ist, sondern daß die Beträge nach der mit der Revision nicht angegriffenen Feststellung des FG zunächst auf das Sparkonto des Klägers überwiesen und später in seinen Betrieb eingelegt worden sind. Darauf allein kommt es aber an. Eine unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau liegt dann nicht vor, wenn die nach den prämienrechtlichen Bestimmungen geförderte wohnungswirtschaftliche Maßnahme (im Streitfall der Erwerb des Wohnhauses durch die Ehefrau des Klägers) bereits (ganz oder teilweise) bezahlt ist und nunmehr die hierfür verwendeten Eigenmittel durch das Bausparguthaben ersetzt werden sollen (ebenso Stäuber-Walter, Kommentar zum Wohnungsbau-Prämiengesetz, 4. Aufl., § 2 Tz. 91). Darauf, ob hinsichtlich der vor der Auszahlung des Bausparguthabens von dem Kläger und seiner Ehefrau an den Verkäufer geleisteten Zahlungen zwischen den Eheleuten Ausgleichsansprüche bestehen, kommt es in diesem Zusammenhang also überhaupt nicht an. Unerheblich ist daher auch, ob der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erklärt hat, mit dem bei der Bausparkasse angezahlten Geld sein eigenes Sparkonto wieder um die Beträge auffüllen wollte, die er nach seiner Darstellung für seine Ehefrau an seinen Schwiegervater geleistet hatte; hierin liegt keine unmittelbare Verwendung des Bausparguthabens zum Wohnungsbau.
Der vom FG festgestellte Sachverhalt läßt auch nicht erkennen, daß das ausgezahlte Bausparguthaben zur Ablösung von Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wohngebäudes eingegangen worden waren, verwendet worden wäre. Das träfe nur zu, wenn es sich um Verpflichtungen gegenüber Dritten, also um echte Fremdverbindlichkeiten, gehandelt hätte (ebenso Stäuber-Walter, a. a. O., 4. Aufl., § 2 Tz. 89). Verpflichtungen mehrerer Erwerber untereinander scheiden hier aus. Der Kläger war zwar nicht Miterwerber des Wohnhauses; er war aber nach der Feststellung des FG Gesamtschuldner des Kaufpreises. Zahlungen, die er leistete, waren also nicht solche zur Tilgung einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten, deren Ablösung mit dem Bausparguthaben prämienunschädlich sein könnte.
2. Der Rückforderungsanspruch ist hinsichtlich der Wohnungsbau-Prämie 1964 auch nicht verjährt. Der Senat teilt die Ansicht des FG, daß die Verjährung des Rückforderungsanspruchs sich noch nach dem vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 15. September 1965 geltenden Recht richtet. Da es für das frühere Recht an einer Gleichstellung des Anspruchs auf Rückzahlung von Wohnungsbau-Prämien mit einem Abgabenanspruch fehlte, ist für die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 AOÄG der Wohnungsbau-Prämienanspruch als solcher einem Abgabenanspruch gleichzustellen. Wenn danach für die Anwendung des alten Rechts die Entstehung des Wohnungsbau-Prämienanspruchs maßgebend ist, so gilt das auch für die Verjährung des Rückforderungsanspruchs. Auf diese Weise ergibt sich für dieses Gebiet eine klare Abgrenzung von altem und neuem Recht.
Der Wohnungsbau-Prämienanspruch entsteht mit Ablauf des Kalenderjahrs, für das eine Wohnungsbau-Prämie gewährt wird. Das ist zwar nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, ergibt sich aber aus der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 1 WoPG. Danach sind die Prämien auf Antrag nach Ablauf eines Kalenderjahrs für die prämienbegünstigten Aufwendungen zu gewähren, die im abgelaufenen Kalenderjahr gemacht worden sind. Diese Rechtsauffassung ist im BFH-Urteil vom 12. Oktober 1973 III R 151/72 (BtSBl II 1974, 82) ausführlich begründet. Der Senat schließt sich den dortigen Ausführungen des III. Senats des BFH in vollem Umfang an.
Der Anspruch auf die Wohnungsbau-Prämie 1964 ist also mit Ablauf des Kalenderjahres 1964 entstanden. Auf die Verjährung des Rückforderungsanspruchs sind demnach die §§ 144, 145 AO n. F. noch nicht anzuwenden.
Die dargelegten Überlegungen im BFH-Urteil VI R 74/70 können hiernach auf die Rückforderung solcher Vergütungen, für die die Neuregelung noch nicht gilt, nicht angewandt werden. Für sie hält der Senat an seiner früheren Rechtsprechung (vgl. die Urteile vom 31. Januar 1964 VI 1/62 U. BFHE 79, 71, BStBl III 1964, 258, und vom 13. Mai 1964 VI 220/63 U, BFHE 79, 661, BStBl III 1964, 473) fest. Danach verjährt der Anspruch des FA auf Rückforderung von Wohnungsbau-Prämien in einem Jahr. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch auf die Rückzahlung der Prämien begründet worden ist und das FA von der prämienschädlichen Verwendung Kenntnis erlangt hat. Im Streitfall hatte das FA von der prämienschädlichen Verwendung durch die Betriebsprüfung im Juni 1971 Kenntnis erlangt. Es forderte die Prämie für 1964 mit Bescheid vom 25. November 1971 zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Verjährungsfrist nach den vorstehenden Ausführungen noch nicht begonnen.
Fundstellen
Haufe-Index 70737 |
BStBl II 1974, 126 |
BFHE 1974, 204 |