Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Zur besseren Bewirtschaftung von zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG dient es auch, wenn das eingetauschte Grundstück zur Errichtung einer günstiger gelegenen Hofreite verwendet werden soll.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1, § 4/1/3/b
Tatbestand
Durch Vertrag vom 28. August 1956 erwarben tauschweise
der Bf. ein bis dahin der Pfarrei in X. gehörendes Grundstück in einer Größe von 0,9500 ha (gemeiner Wert: 6.118 DM);
Die Pfarrei in X. bis dahin dem Bf. gehörende landwirtschaftliche Grundstücke in einer Größe von insgesamt 1,7635 ha (gemeiner Wert: 5.181 DM).
Der Bf. leistete an die Pfarrei eine Zuzahlung von 3.582 DM; dabei waren 2.645 DM als Entschädigung dafür aufzubringen, daß die von der Pfarrei erworbenen Grundstücke entfernter zur Ortsmitte lagen als die von ihr hingegebenen Grundstücke.
Der Tauscherwerb durch den Bf. fand statt, weil der Bf. wegen der beengten räumlichen Verhältnisse die Verlegung der in X. belegenen Hofreite seines landwirtschaftlichen Betriebes aus der geschlossenen Ortschaft beabsichtigte.
Das zuständige Kulturamt bescheinigte gemäß § 29 Abs. 2 des Reichssiedlungsgesetzes (RSiedlG), daß ein Siedlungsverfahren im Sinn des genannten Gesetzes vorliege und der Tauschvertrag zur Durchführung des Verfahrens diene. Der Bf., der sich vertraglich verpflichtet hatte, die sich aus dem Tauschvertrag ergebende Grunderwerbsteuer zu tragen, beantragte, ihm Steuerbefreiung zu gewähren. Das Finanzamt entsprach diesem Antrage nur insoweit, als es den Erwerb des Grundstücks zum Zwecke der Errichtung der neuen Hofreite von der Steuer freistellte; dagegen wurde der Bf. wegen der von der Pfarrei erworbenen Grundstücke in Höhe von 543,10 DM zur Grunderwerbsteuer herangezogen.
Der Bf. machte geltend, die Neuordnung des ländlichen Raumes und die damit erstrebte Verbesserung der Agrarstruktur erforderten, daß neben der Flurbereinigung und der Hebung von kleinbäuerlichen Betrieben auf eine volle Ackernahrung die in den Dörfern liegenden beengten landwirtschaftlichen Gehöfte aus der Dorfgemeinschaft gelöst und mehr in die Mitte oder an den Rand der Gemarkung verlegt würden, um dadurch eine notwendige Erweiterung und zweckmäßige Gestaltung der Hofreite zu ermöglichen. Deshalb werde die Aussiedlung von bestehenden landwirtschaftlichen Betrieben sowohl innerhalb als auch außerhalb der schwebenden Flurbereinigungsverfahren von den dafür zuständigen Behörden gefördert. Es handle sich bei der Aussiedlung um ein Siedlungsverfahren im Sinn des RSiedlG. Deshalb seien alle Geschäfte, die zur Durchführung dieses Aussiedlungsverfahrens gedient hätten, gemäß § 29 RSiedlG von der Steuer befreit. Die Aussiedlung sei von den zuständigen Behörden genehmigt worden. Die Aussiedlung seiner Hofreite sei aber nur durch den Erwerb eines geeigneten Grundstücks möglich gewesen. über ein für die Errichtung der neuen Hofreite geeignetes Grundstück habe er nicht verfügt. Demzufolge habe der Austausch der Grundstücke nicht nur mittelbar, sondern unmittelbar der Durchführung dieser Aussiedlung gedient.
Zum Beweis dafür, daß die Aussiedlung unter bestimmten Voraussetzungen Siedlung im Sinn des RSiedlG sei, nahm der Bf. Bezug auf
die Anordnung des Hessischen Ministers für Landwirtschaft und Forsten vom 8. November 1954 (Staatsanzeiger für das Land Hessen 1954 S. 1191) betreffend Aussiedlung eines landwirtschaftlichen Betriebs außerhalb eines laufenden Flurbereinigungsverfahrens;
auf die Verwaltungsanordnung des Hessischen Ministers für Landwirtschaft und Forsten vom 12. September 1955 (Staatsanzeiger für das Land Hessen 1955 S. 1015) betreffend Aussiedlung einer Hofreite aus der geschlossenen Ortschaft innerhalb eines Flurbereinigungsverfahrens;
auf die Richtlinien des Hessischen Ministers für Landwirtschaft und Forsten vom 25. September 1957 (Staatsanzeiger für das Land Hessen 1957 S. 1042).
Im Einspruchsverfahren ermäßigte das Finanzamt die Steuer auf 362,65 DM; im übrigen war der Einspruch erfolglos. Das Finanzamt führte unter Berufung auf den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 11. Dezember 1940 (RStBl 1940 S. 1026) aus, daß § 29 RSiedlG nur für solche Geschäfte anwendbar sei, die unmittelbar der Siedlung dienten. Das treffe aber für den Erwerb der Grundstücke durch die Pfarrei nicht zu.
Die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist von Erfolg.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Befreiungsvorschrift des § 29 Abs. 1 RSiedlG oder die dazu ergangenen Verwaltungsanweisungen erfüllt sind oder nicht.
In dem Fall ist die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG anwendbar. Nach dieser Vorschrift kommt eine Steuerbefreiung unter anderem dann in Betracht, wenn die Grundstücke "zur besseren Bewirtschaftung von zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken" freiwillig ausgetauscht werden.
Die Anwendbarkeit dieser Steuerbefreiung ist nicht davon abhängig, daß der Grundstücksaustausch für beide Tauschparteien eine bessere Bewirtschaftung land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke mit sich bringt. Es genügt bereits, daß der Austausch bei einer Tauschpartei (hier bei dem Bf.) eine bessere Bewirtschaftungsmöglichkeit zur Folge hat. Wird durch den Grundstücksaustausch bei einer Tauschpartei der vorbezeichnete Zweck des § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG erreicht, dann ist sowohl der Tauscherwerb dieser Partei (hier der des Bf.) als auch der der anderen Tauschpartei (hier der Pfarrei) von der Steuer befreit. Siehe dazu unter anderen das Urteil des Senats II 80/58 U vom 9. März 1960 (BStBl 1960 III S. 204, Slg. Bd. 70 S. 547).
Unerheblich ist gleichfalls, daß seitens des Bf. eine Zuzahlung von 3.582 DM geleistet wurde. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, kann von einem Grundstückstausch auch dann gesprochen werden, wenn die Zuzahlung in einem Spitzenbetrag besteht; dabei kann allerdings in einer Zuzahlung, die den Wert des veräußerten Grundstücks fast erreicht oder ihn sogar überschreitet, ein unschädlicher Spitzenbetrag nicht mehr erblickt werden. Im Streitfall beträgt der genaue Wert des hingegebenen Grundstücks 5.181 DM. Die Zuzahlung ist somit noch als Zuzahlung eines unschädlichen Spitzenbetrages anzusehen. Siehe unter anderen das Urteil des Senats II 70/56 U vom 16. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 270, Slg. Bd. 71 S. 58).
Es kann auch angenommen werden, daß der freiwillige Austausch zur besseren Bewirtschaftung unwirtschaftlich geformter land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke stattfand. Im Streitfall war der Bauernhof des Bf. im ganzen dadurch unwirtschaftlich geformt, daß sich die Hofreite in den beengten räumlichen Verhältnissen der Ortschaft befand. Die Aussiedlung der Hofreite aus der geschlossenen Ortschaft bewirkte zugleich die bessere landwirtschaftliche Bewirtschaftung der vorhandenen landwirtschaftlichen Grundstücke. Erforderlich ist nicht, daß die eingetauschten Grundstücke nach dem Austausch unmittelbar an die vorhandenen landwirtschaftlichen Grundstücke des Erwerbers angrenzen. Es genügt, daß schon die Verlegung der Hofreite eine bessere Bewirtschaftungsmöglichkeit nach sich zieht.
Die angefochtene Entscheidung war somit aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Einspruchsentscheidung des Finanzamts und die Steuerfestsetzung waren aufzuheben und der Bf. von der Steuer freizustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 410211 |
BStBl III 1961, 507 |
BFHE 1962, 663 |
BFHE 73, 663 |