Leitsatz (amtlich)
Der Haustrunk im Brauereigewerbe, der über die tarifvertragliche Regelung zum 1. Januar 1966 hinaus leitenden Angestellten gewährt wird, ist keine Annehmlichkeit. Unabhängig von der Regelung in Abschn. 13 LStR 1970 sind Sachzuwendungen an einen privilegierten Teil von Betriebsangehörigen jedenfalls dann in voller Höhe steuerpflichtig, wenn sie den Umfang übersteigen, der für die Allgemeinheit der Arbeitnehmer gilt, und keine erkennbaren Gründe für die Annahme einer Annehmlichkeit vorliegen.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 1; LStDV § 3 Abs. 1; LStR 1970 Abschn. 13
Tatbestand
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Brauerei, die ihren Arbeitnehmern Bier und alkoholfreie Getränke kostenlos als sogenannten Freitrunk und Haustrunk gewährt. Nach § 10 des Manteltarifvertrags (MTV) für Angestellte und Lehrlinge der Brauereien und deren Niederlagen in Hamburg und Schleswig-Holstein vom 14. Februar 1963, der am 1. Januar 1966 noch galt, erhalten Angestellte je Arbeitstag grundsätzlich zwei Liter Freitrunk. Der Freitrunk muß gemäß § 10 Nr. 5 MTV außerhalb der Arbeitszeit im Betrieb genossen werden. Nach der Handhabung der Klägerin konnte die Hälfte des Freitrunks, das heißt ein Liter, pro Arbeitstag von den Arbeitnehmern nach Hause genommen werden. Diese Regelung wurde in den MTV vom 19. Dezember 1967 übernommen. Die Klägerin gewährt ihren Vorstandsmitgliedern, den Braumeistern und den übrigen leitenden Angestellten (Vertragsangestellte) darüber hinausgehende Haustrunkmengen, und zwar den Vorstandsmitgliedern und den Braumeistern bis zu 125 Liter monatlich und den übrigen leitenden Angestellten bis zu 75 Liter. Wegen der Regelung in Abschn. 13 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1970 sah der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (FA) den Haustrunk der Vorstandsmitglieder, der Braumeister und der übrigen leitenden Angestellten in voller Höhe als lohnsteuerpflichtigen Sachbezug in 1971 an. Die Klägerin gab daraufhin für 1971 eine Lohnsteueranmeldung für die Haustrunkmengen ihrer leitenden Herren ab, legte aber gleichzeitig Einspruch ein, der keinen Erfolg hatte.
Das FG entschied auf Aufhebung des Lohnsteuerbescheids, der in der Anmeldung der Lohnsteuer zu sehen sei, und der Einspruchsentscheidung. Es stellte fest, daß ein Liter Bier oder die gleiche Menge alkoholfreier Getränke noch als steuerfreie Annehmlichkeit angesehen werden könne. Die darüber hinausgehende Haustrunkmenge, wie sie den leitenden Herren gewährt würde, überschritte jedoch erheblich die Grenzen einer Annehmlichkeit. Das ergebe sich aus dem eigenen Vortrag der Klägerin, nach dem diese Leistungen aus Repräsentationsgründen gewährt würden. Insoweit könnten sie auch nicht als Werbungskosten (§ 9 EStG) angesehen werden; denn Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich brächten, gehörten selbst dann zu den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung, wenn sie der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienten. Es sei aber andererseits nicht vertretbar, die den Vertragsangestellten kostenlos zur Verfügung gestellten Getränke in vollem Umfang als lohnsteuerpflichtige Sachzuwendungen zu behandeln. Die Regelung in Abschn. 13 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1970 sei für das Gericht nicht bindend. Im übrigen handele es sich bei den Getränken um teilbare Leistungen. Das Gericht habe nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO davon abgesehen, die Lohnsteuer selbst festzusetzen. Das FA werde nach den entsprechenden Ermittlungen und unter Beachtung der im Urteil dargelegten Grundsätze die auf den Haustrunk der Vertragsangestellten anfallende Lohnsteuer festsetzen und anfordern müssen.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von Bundesrecht. Nach der rechtlichen Beurteilung des FG solle nur ein Teil des Haustrunks der Vertragsangestellten steuerfrei bleiben, obwohl die gesamte Menge laut Vertrag auch in diesen Fällen tarifvertraglicher Besitzstand sei. Dagegen gehe die Verwaltung davon aus, daß ein tarifvertraglich geschützter Anspruch in dieser Höhe nicht bestehe. Das verstoße u. a. gegen Art. 3 des GG. Der Verordnungsgeber hätte die steuerfreie Haustrunksmenge wie bei den Freizigaretten ziffernmäßig bestimmen können. Da er das nicht getan habe, müsse er die arbeitsvertragliche Regelung in den Abgrenzungsfällen gelten lassen. Der Haustrunk sei nicht als Arbeitslohn anzusehen, sondern stelle eine Bedingung des Arbeitsverhältnisses dar. Schon der RFH habe bei der Abgrenzung des Arbeitslohns zur steuerfreien Annehmlichkeit auf die Auffassung der beteiligten Kreise und die der Allgemeinheit abgestellt. Wegen des Verkaufsverbots komme dem Haustrunk kein Vermögenswert zu. Der nicht genommene Haustrunk werde auch nicht vergütet.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung und den formlosen Lohnsteuerbescheid aufzuheben.
Das FA rügt mit seiner Revision unzutreffende Rechtsanwendung des FG durch falsche Beurleilung eines Teils des Haustrunks der leitenden Herren als Annehmlichkeit. Der den Vertragsangestellten gewährte Freitrunk sei in vollem Umfang steuerpflichtiger Arbeitslohn, denn die Zusage des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer kostenlos eine bestimmte Haustrunkmenge zur Verfügung zu stellen, begründe arbeitsrechtlich einen einheitlichen Anspruch.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin gegen das in Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 S. 365 veröffentlichte Urteil des FG ist unbegründet, die des FA ist begründet.
Nach Abschn. 13 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 1 letzter Halbsatz LStR 1970 soll der Haustrunk im Brauereigewerbe in den Mengen nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gerechnet werden, wie sie auf Grund eines für die jeweilige Betriebstätte am 1. Januar 1966 örtlich geltenden Tarifvertrags vereinbart sind. Wegen der Besitzstandsklausel in dem einschlägigen Tarifvertrag ist das FA davon ausgegangen, daß grundsätzlich in der Zuwendung von einem Liter Bier oder alkoholfreien Getränken zum häuslichen Verbrauch eine Annehmlichkeit zu sehen ist. Wie das FG festgestellt hat, sind Richtlinienanweisungen für die Gerichte nicht verbindlich, da sie nur an das Gesetz gebunden sind. Aus Abschn. 13 LStR 1970 erwachsen der Klägerin deshalb keine im Klageweg verfolgbaren subjektiven Rechte im materiellen Sinn (Urteil des BFH vom 13. Oktober 1972 I R 236/70, BFHE 107, 179, BStBl II 1973, 74 [75]). Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß Sachleistungen, die nach § 8 Abs. 1 EStG (§ 3 Abs. 1 LStDV) Arbeitslohn darstellen, nur dann die Eigenschaft eines geldwerten Vorteils verlieren, wenn sie dem Bereich der Annehmlichkeit zugerechnet werden können. Inwieweit die Gewährung kostenloser Getränke an Arbeitnehmer lediglich eine Annehmlichkeit darstellt, ist schwer abzugrenzen. In seiner Entscheidung vom 2. Oktober 1968 VI R 295/67 (BFHE 94, 219, BStBl II 1969, 115) hat der Senat wegen der besonderen betrieblichen Verhältnisse im Einzelfall den Ausschank von arbeitstäglich einem Liter Freibier als Annehmlichkeit angesehen. Für die Abgrenzung der Annehmlichkeit vom Arbeitslohn ist zwar auch die Verkehrsanschauung heranzuziehen. Diese kann aber nur insoweit mitbestimmend sein, als sie mit § 8 Abs. 1 EStG noch vereinbar ist. Es bestehen erhebliche Bedenken, ob eine Verwaltungsanweisung, die pauschal die Steuerfreiheit von Sachbezügen an tarifvertragliche Regelungen knüpft, eine mit dem Gesetz zu vereinbarende Regelung sein kann. Wie der Senat mit Urteil vom 8. März 1968 VI R 328/66 (BFHE 92, 96, BStBl II 1968, 459) und erneut mit der Entscheidung vom 3. Oktober 1974 VI R 79/72 (BFHE 113, 452) festgestellt hat, können tarifvertragliche Regelungen grundsätzlich nur arbeitsrechtliche, aber keine steuerrechtliche Verbindlichkeit haben. Die Klägerin kann daher mit ihrem Vortrag über die Vorrangigkeit arbeitsrechtlicher Normen und der tarifvertraglichen Besitzstandsklausel keinen Erfolg haben.
Der Senat brauchte indessen über die Frage, ob Abschn. 13 LStR 1970 mit § 8 Abs. 1 EStG zu vereinbaren ist, nicht zu entscheiden, weil die Versteuerung der vollen Haustrunkmengen, wie sie die leitenden Herren der Klägerin erhalten haben, jedenfalls zu Recht erfolgt ist. Eine Annehmlichkeit kann nur dann angenommen werden, wenn der Vorteil dem Arbeitnehmer in erster Linie im Interesse des Arbeitgebers gewährt wird, sei es um ein günstiges Betriebsklima zu schaffen, oder die Anhänglichkeit der Belegschaft an den Betrieb, die Ehrlichkeit und Treue und den Diensteifer der Arbeitnehmer zu fördern (BFH-Urteil vom 26. April 1963 VI 291/62 U, BFHE 77, 35, BStBl III 1963, 329). Eine derartige oder ähnliche Motivation kann der Lieferung von Haustrunk an Vorstandsmitglieder, Braumeister und an die übrigen leitenden Angestellten kaum zugrunde liegen. Die Repräsentation für den Arbeitgeber rechtfertigt nicht die Annahme einer Annehmlichkeit, wie das FG zutreffend festgestellt hat. Wenn auch der Haustrunk unverkäuflich ist, so bewirkt die kostenlose Lieferung von 125 bzw. 75 Liter an Getränken monatlich eine objektive Bereicherung der Empfänger. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß es bei der Feststellung des Werts eines Sachbezugs nicht auf die subjektiven Verhältnisse des Arbeitnehmers ankommt (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1968 VI R 64/68, BFHE 94, 23, BStBl II 1969, 73). Unabhängig von der Regelung in Abschn. 13 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1970, nach der bei Überschreiten der tarifvertraglich am 1. Januar 1966 vereinbarten Haustrunkmenge der gesamte Getränkebezug steuerpflichtig wird, kommt der Senat zu dem gleichen Ergebnis. Werden Sachzuwendungen an einen privilegierten Teil von Betriebsangehörigen erbracht, für die keine erkennbaren Gründe vorliegen, die die Annahme einer Annehmlichkeit rechtfertigen könnten, so sind sie zumindest dann in voller Höhe steuerpflichtig, wenn der Umfang der Zuwendungen auch noch den Rahmen übersteigt, der für die Allgemeinheit der Arbeitnehmerschaft gilt.
Fundstellen
Haufe-Index 71344 |
BStBl II 1975, 423 |
BFHE 1975, 115 |